Samin
Erons Blaues Wunder
| Bastion | Center | Arthious-Boulevard | Arthios Inn | Erdgeschoss | Lobby |
Samin
Samin
Samins Nase pochte dumpf schmerzend, während sie das Arthoius Inn verließ. Noak Fremyn hatte die Auseinandersetzung – im Gegensatz zu ihr – unbeschadet überstanden, von eventuell seelischen Schäden abgesehen. Ihr eigener Körper aber erinnerte sie gerade gnadenlos an die Realität des Aufeinandertreffens. Jeder Schritt über den makellosen Vorplatz des Arthious Inn brachte sie näher an die Entscheidung, die sie eigentlich vermeiden wollte. Die Salbe eines Medi-Kits auf ihrer Suite hatte längst nicht ausgereicht, um die angerichteten Schäden zu beheben.
Die imperiale Militärklinik lag diskret an einer belebten Hauptstraße in Bastion Center, etwas abseits des Arthious-Boulevards, aber in einstündiger Laufreichweite. Samin hatte sich eine Fliegermütze aus Wampa-Pelz tief in die Stirn gezogen, dazu neutrale, zivile Kleidung. Sie hatte sich für eine dunkelblaue Hose, eine graue Langarmbluse und eine ausgewaschene, blaue Veste entschieden. So erkannte sie niemand. Sie sah aus wie gewöhnliche Frachter-Pilotin auf dem Weg zu ihren täglichen Erledigungen. Center, zumindest der Regierungsdistrikt, war gepflastert mit imperialer Propaganda. Der Imperiale Stern war allgegenwärtig. Banner flatterten mehr oder weniger im Wind. Aus herrschendem Ordnungssinn hatte man die Stoffbahnen natürlich so befestigt, dass das imperiale Hoheitszeichen zu jeder Zeit sichtbar war. Zu großen Teilen, zumindest an den wichtigsten Zentren der Zentralmacht, griff man ohnehin auf Holo-Projektionen zurück.
Der Eingangsbereich der Klinik war dagegen beinahe unaufdringlich, fast zu bescheiden für eine Einrichtung dieser Klasse. Hier in dem passenderweise Center genannten Kern der Macht wurden nur die erlesensten Exemplare des imperialen Mechanismus zusammengeflickt. Als sogenannte ‚Legionärin‘ des Imperiums gehörte Samin da selbstredend dazu. Der bescheidene Eindruck schien jedoch absolut gewollt. Die Empfangsdame nickte höflich, ohne aufzusehen. Ihre Hände flogen über das Terminal und wenige Sekunden später wurde Samin angewiesen, den Aufzug zu nehmen. Der sterile Geruch des Gebäudes drang ihr in die Nase – oder das, was davon noch funktionierte.
Die Behandlung war effizient und schneller erledigt, als sie erwartet hatte. Ein kurzer Scan, gefolgt von einer betäubenden Salbe und einem nicht näher spezifizierten Gerät, das ihre Nase mit einem leisen Surren wieder in Form brachte. Den Hinweis, dass die KOMENOR wohl hinterlegt hatte, in ihrem Fall auch die Kosten für eine Nasen-Anpassungsoperation zu übernehmen, überhörte sie geflissentlich. Es hätte sie trotzdem interessiert, ob das nur der Nase galt, oder sie sich tatsächlich kostenfrei so umgestalten konnte, wie man sie in Lieutenant Fremyns Kalender abgelichtet hatte. Ein breiteres Gesäß und größere Brüste hätten allerdings unweigerlich dazu geführt, dass ihr individuell angepasster Sitz im TIE-Defender nicht mehr herhalten konnte. Sie speicherte diesen Kostenfaktor als Gegenargument in ihr inneres Selbst. Die Ärztin, eine ältere Frau mit strengen Zügen, lächelte jedoch beinahe, als sie das Ergebnis ihrer Nasen-Richtung überprüfte.
„Wieder wie neu. Achten Sie darauf, in den nächsten 48 Stunden keine Brüche zu provozieren.“
Samin nickte verwirrt. Generell achtete sie immer darauf, keine Knochenbrüche zu provozieren. Nach getaner Arbeit verließ sie die Klinik. Die mitgegebenen Schmerzmittel in ihrer Tasche ignorierte sie bewusst. Der Trubel der Innenstadt empfing sie erneut mit der gewohnten Kälte einer imperialen Metropole. Perfekt getrimmte Grünanlagen, penibel gereinigte Wege, flankiert von gläsernen und imposanten Fassaden der Imperialen Neo-Moderne und uniformierten Sicherheitskräften bestimmten das Bild. Bastion Center hatte alles, was eine imperiale Hauptstadt ausmachte. Dennoch fehlte etwas. Ein wenig Leben vielleicht. Oder das, was man als solches bezeichnen konnte. Dafür musste man schon die richtigen Örtlichkeiten aufsuchen – abseits der Gebiete, in denen man einen ständig wachsamen Blick des großen Bruders über seine Schulter spürte.
Samin ließ sich in einer kleinen Caf-Teria nieder, die zwischen zwei Verwaltungsgebäuden eingeklemmt war. Der Caf hier war überraschend gut. Sie nippte an der heißen Flüssigkeit und beobachtete die vorbeiziehenden Menschen. Die meisten waren zivile Angestellte – vornehmlich Beamte des Verwaltungsapparates, aber auch Händler und andere Freischaffende, die ihrem Tagewerk nachgingen, ohne den Blick zu heben. Eine Handvoll Soldaten in Uniform mischte sich unter sie, hauptsächlich Flotten- und Armee-Angehörige. Sie wirkten jedoch kaum weniger anonym als alle anderen hier – ganz im Gegenteil. Niemand hier schien Samin zu erkennen und das war ihr ganz Recht.
Die Ruhe währte jedoch nicht lange. Ein vibrierendes Surren ihres Comlinks erinnerte sie an den anstehenden Termin. Sie stieß einen lautlosen Seufzer aus und leerte den Rest ihres Cafs erneut in einem Zug. Die restlichen Stunden des Tages waren also verplant. Samin hatte genügend Zeit eingeplant um auf dem Weg zum Gebäudekomplex der KOMENOR ein wenig trödeln zu können. Auf dem Weg konnte sie einen guten Blick auf das Regierungsgebäude erhaschen und der Roten Garde, die am imposanten Haupteingang Stellung bezogen hatte. Aus irgendeinem Grund strömte dieser Ort eine ungewohnte Aufgeregtheit aus. Wesentlich mehr Personen betraten und verließen den Komplex, als normal war und die komplett in Rot gekleideten Wachposten – die wahre Elite des Imperiums – wirkten fast nervös, während sie jede einzelne Person einer ausgiebigen Kontrolle unterzogen. Samin erinnerte sich in diesem Moment an die angezogenen Kontrollen bei ihrer Einreise nach Bastion, sowie die mysteriöse Nachrichtensperre. Was war hier los?
Die Flight Lieutenant hatte jedoch nicht die Gelegenheit, sich weiter darüber Gedanken zu machen. Am Fuß der Imperialen Akademie für Kunst und Kultur, an der sie sich einfinden sollte und die sich mitten im Diamond District – dem Nobelviertel Centers - befand, wartete bereits jemand auf sie. Es handelte sich um eine Menschenfrau, die Samin nur mit dem Prädikat makellos beschreiben konnte. Sie trug etwas, das sie am ehesten als eine Art weißes Uniformkleid beschrieben hätte. Etwas das einerseits Ordnung aber auch verspielten Witz ausstrahlte. Die geradlinige Form am Oberkörper wurde von einem geschwungenen Rock aus Rüschen in Szene gesetzt. Die Frau hatte gehörigen Mut, so etwas zu tragen, und auch den entsprechenden Körper.
„Hess’amin’nuruodo, nehme ich an?“ Ihre Stimme war freundlich, aber distanziert. Beeindruckend war ihr perfekter Cheunhscher Akzent, den sie so noch nie von einem Menschen gehört hatte. Samin nickte und folgte ihr durch einen langen Korridor, der in einen großen, hellen Raum führte. Sie befand sich in einem Studio, das mit modernster Technik ausgestattet war. Kameras schwebten auf leisen Repulsoren duch die Luft und ein Team von Stylisten war eifrig dabei, die letzte Szene eines anderen Offiziers vorzubereiten.
„Wir haben ein Programm erstellt, das ihren Einsatz im Wolves‘ Squad hervorhebt. Natürlich wird es auch eine kurze Fotostrecke geben, um die Einheit noch prominenter zu repräsentieren“, erklärte die Frau, die sich inzwischen als Produzentin zu erkennen gegeben hatte und ein übertriebenes Lächeln aufgesetzt hatte, das Samin schon jetzt irritierte. Die Frau warf ihr einen Blick zu, wobei sie Samin eingehend von Oben bis Unten betrachtete. Zuletzt trat sie näher, nahm ihr die Mütze ab und schnalzte missbilligend mit der Zunge. „Bitte hier entlang, Lieutenant.“
Sie führte die Chiss zu dem Styling-Team, dass ihr in kürzester Zeit eine komplette Neuinterpretation ihres Selbst verpasste. Man steckte sie in eine Uniform, die mindestens zwei Größen zu klein war, stützte die Brüste durch einen speziell angefertigten BH und schnitt eifrig an den Haaren herum. Was sie an sich als notwendig empfunden und akzeptiert hätte, wäre da nicht das übertriebene Make-Up, dass ihr einen viel zu blassen Glanz verlieh. Samin wurde das erneute Gefühl nicht los, dass man ihre menschlichen Vorzüge präsentieren, ihre Chiss-Seite jedoch so gut es ging verstecken wollte.
Dennoch folgte sie anschließend den Anweisungen, ließ sich positionieren und das vorgefertigte Skript überfliegen, das sie für die Aufnahmen auswendig lernen sollte. „Das Imperium braucht Helden wie Sie!“, laß sie die großen Lettern am Anfang des Textes vor. Gefolgt wurde es von einer Flut aus Pathos und Stolz, die sie die Stirn runzeln ließen. Das Ganze war so klischeehaft, dass sie Mühe hatte, ihre Skepsis zu verbergen. Sie versuchte sich jedoch nichts anmerken zu lassen. Das hier war schließlich Teil ihres Dienstes. Die ersten Fotos entstanden noch in einem relativ formellen Rahmen. Sie in ihrer zu kleinen Uniform, das Wolves‘ Squad-Emblem prominent in die Kamera gehalten. Ihr entschlossener Blick in die Kamera wurde ständig mit Anweisungen unterbrochen.
„Ein wenig mehr Intensität im Blick, Lieutenant. Nein, nicht so viel. Perfekt – bleiben Sie so!“ Samin widerstand regelmäßig dem Dran, die Augen zu verdrehen.
Der zweite Teil der Aufnahmen war jedoch weit unangenehmer. Sie wurde gebeten, mit einer Gruppe Rekruten zu interagieren, gespielt von Studenten der KOMENOR-Akademie. Ein Holo-Teleprompter projizierte die Zeilen direkt vor Ihr.
„Jede und jeder von Ihnen trägt dazu bei, unser Imperium zu stärken. Gemeinsam sind wir unschlagbar.“ Sie hob theatralisch die Faust gen Himmel. Die Worte kamen ihr schwer über die Lippen, aber niemand schien es zu bemerken. Im ganzen Studio wurde eifrig geklatscht.
Als die Kameras endlich ausgeschaltet waren, fühlte sie sich ausgelaugt. Das Team war längst dabei, die Ausrüstung zu verstauen, da trat die Produzentin an sie heran. „Wunderbar. Damit kann der zweite Teil des Tages beginnen. Eine Live-Strecke zu ihren privaten Unternehmungen in der Stadt.“
Samin klappte fassungslos die Kinnlade herunter. Das erste Mal an diesem Tag, dass sie sich etwas anmerken ließ.
„Bitte was?“
Die Zeit war gekommen, das mit den Schmerzmitteln doch nochmals in Erwägung zu ziehen.
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Samin & NPCs
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