Fresia (Fre'ji-System)

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Das Frühstück im Camp war nicht zu vergleichen mit dem edlen Buffet, das Exodus noch im Seashell Hotel genießen konnte – doch im Grunde war es in Ordnung und er konnte gestärkt in den Tag starten. Um auch noch entsprechend wach zu werden, schnappte er sich im Gehen einen Becher mit heißem Kaf. Danach verabschiedete er sich knapp von Dan’el und zog los in Richtung des Verwaltungszeltes. Giselle wartete schon auf ihn und bei ihrem Anblick – nachdem er sie sich die ganze Nacht über nur vorgestellt hatte – wurde ihm kurzzeitig heiß. Wilde Gedanken schossen ihm durch den Kopf, wie er sie spontan davon überzeugen konnte, die Arbeit liegen zu lassen und eine weitere Tour zum Strand zu machen. Er erdrückte ein Seufzen. Wie oft würde er sich eigentlich noch wegen solcher Vorstellungen ermahnen müssen?! Er war ein gewissenhafter Geschäftsmann, das war er schon immer gewesen. Nur wegen Giselles Anwesenheit würde er diese Tugend nicht gleich über Bord werfen. Er setzte ein Lächeln auf und erwiderte ihren Gruß mit einem Winken.

„Guten Morgen.“

Wie automatisch fuhren seine Augen einmal ihre Kurven entlang. Sie trug ein weites Shirt, das ihre rechte Schulter freilegte. Nicht ganz so verführerisch wie das Sommerkleid vom Vortag, aber noch genug nackte Haut um auf ihn eine sehr anziehende Wirkung zu haben. Vielleicht war es aber auch egal, was Giselle tatsächlich trug. Ihre Anziehungskraft ging nicht allein auf ihr Äußeres zurück.

„Meine Nacht war … okay.“

sagte er schließlich und wog dabei schmunzelnd den Kopf hin und her. Eigentlich war sie schlecht gewesen, aber irgendwie schien es ihm undankbar, diesen Umstand hier breit zu treten. Seine Hütte inklusive dem Bett war zweifelsohne der komfortabelste Schlafplatz im Camp. Außerdem griff Giselle ihren Witz von gestern Abend auf, indem sie bemerkte, sie habe sich zum Schlafen nicht im Sand eingraben müssen. Das war ein dankbareres Thema. Sie öffnete ihm eine Tür und er würde zumindest einen Fuß hineinsetzen.

„Schwindeln Sie mich nicht an.“

sagte er ernst, doch das Zucken seiner Mundwinkel verriet ihn. Wie automatisch wanderte der Kaf-Becher von der rechten in seine linke Hand und er bewegte sich einen Schritt auf Giselle zu. Eine Idee wirbelte ihm unaufhaltsam durch den Kopf.

„Sie haben die Nacht eingegraben am Strand verbracht. Das sehe ich doch!“

Der Gedanke hatte sich schon manifestiert, er konnte nichts mehr dagegen tun, sich nicht mehr dagegen entscheiden. Mit der rechten Hand langte er über Giselles Schulter hinweg, griff gleichzeitig in der Macht hinaus. Feine Sandkörner flogen hinter ihrem Rücken vom Boden in seine offene Hand. Instinktiv griff er zu, bewegte die Hand wieder über ihre Schulter und öffnete langsam die Faust. Die Sandkörner blieben für eine Sekunde auf ihrer nackten Haut liegen, bis er sie mit der Handfläche fort wischte.

„Oder wie erklären Sie sich den Sand?“

Das zufriedene Grinsen eines Tors breitete sich auf seinen Zügen aus und er zwinkerte ihr vergnügt zu. Sein Herz hingegen setze für einen Schlag aus. In ihm gor das Bewusstsein etwas Falsches getan zu haben. Die Macht war nicht das richtige Instrument um sie zu beeindrucken. Das war keine billige Magie, das hier war viel mehr. Doch eine Berührung, das Gefühl Giselle ein Lächeln zu entlocken, fühlte sich besser an als alles andere. Es betäubte alle Bedenken. Es betäubte den Schmerz. Das verschmitzte Lächeln blieb – was für eine gelungene Einlage.

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Die Frage, woher der Sand auf ihrer Schulter kam, obwohl sie geduscht, sich die Haare gewaschen und frische Kleidung angezogen hatte, stellte sich für Giselle nicht. Sie waren auf einer Insel, saßen und aßen im Sand und ihr Nachtlager war auf dem Strand aufgebaut. Sandkörner waren so fein, dass sie praktisch überall waren, in jeder Ritze und zwischen jeder Lage an Kleidung, selbst wenn diese noch in ihrem Koffer lag. Was Giselle sich tatsächlich fragte war, ob Exodus Wingston überhaupt eine Gelegenheit ausließ, um sie zufällig zu berühren. Sie wurde das Gefühl nicht los, dass er diese Situationen zu seinen Gunsten ausnutzte. Am Abend ihres Kennenlernens war es offensichtlich gewesen. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie seine Hand bestimmt weg geschoben und ihn wissen lassen, dass sie keine Annäherung von ihm willkommen hieß. Sie wusste nicht, ob sie sein Verhalten möglicherweise falsch deutete. Es war manchmal schwer, die Kultur der Menschen verstehen, die so vielfältig und selbst von Planeten zu Planeten unterschiedlich war. Ihrer Erfahrung nach waren sie im alltäglichen Leben jedoch eher berührungsscheu. Wenn sie einander anfassten, dann aus tief emotionalen Gründen und weil man einander gut kannte, oder eindeutig körperlichen Absichten heraus.

“Tja, ich glaube, Sie haben mich überführt.“

Erwiderte Giselle in gespieltem Bedauern, mit einem Lächeln, das in ihren Mundwinkeln wartete.

“Wollen wir anfangen?“

Sie hatte bereits einen kurzen Blick in das Zelt geworfen. Es war auf die Größe gesehen recht geräumlich, viel Platz blieb ihnen allerdings trotzdem nicht, weil fast der gesamte Raum mit Kisten und Gerätschaften beladen war. Der Schreibtisch mit den beiden Stühlen und einem Terminal war nahe des Zelteingangs aufgebaut und Giselle schaltete eine helle Stablampe ein, die ihnen Licht spendete. In den nächsten geschätzten zwei bis drei Stunden würden sie sich einen Überblick über die verwaltungstechnischen und kommerziellen Seiten des Projekts Fresia verschaffen. Es galt vieles zu lernen und zu beachten, angefangen von den Auflagen der Regierung, über Verträge mit Zulieferern, den Arbeitsverträgern der Mitarbeiter und den ihnen zugestandenen Budgets der Muttergesellschaft auf Coruscant. Giselle überließ Exodus den direkten Platz am Terminal und setzte sich auf den Stuhl neben ihm. Papierkram war für viele ein völlig langweiliger Teil ihrer Arbeit, Giselle machte er jedoch nichts aus. Ordnung halten, logisch vorgehen und sich zeitnah um Angelegenheiten kümmern war alles, was man beachten musste. Für die meisten Dinge gab es strikte Regelungen, die man nur kennen oder irgendwo nachschlagen musste. Wenn man sich Schritt für Schritt vor arbeitete und alles sorgsam durch ging, konnte man nicht viel falsch machen. Das jedenfalls hatte sie in den strengen Reglementierungen der republikanischen Flotte gelernt.

Mit ihrer Zeiteinschätzung von drei Stunden hatte sie recht gut gelegen. Sie waren kaum über diese Zeit, hinaus, als Exodus beschloss – Giselle hätte diesen Vorschlag niemals von sich aus gemacht – dass sie eine Pause einlegen sollten, wenigstens für ein paar Minuten. Giselle nickte, stand auf und da sie sich ohnehin etwas zu trinken besorgen und sich ein wenig die Beine vertreten wollte, bot sie ihm an, ihm gleich einen neuen Becher Kaf mitzubringen. Exodus nickte und Giselle schob ihren Stuhl zurück. Der Himmel draußen war weiterhin ein einziges grau in grau. Die Sonne hatte sich den ganzen Vormittag über nicht gezeigt und es wurde allmählich mehr als deutlich, dass die Einschätzungen der Fischer in Hill City richtig gewesen waren: es würde schon bald beginnen zu regnen. Giselle war das nicht unrecht. Sie mochte Regen, vor allem wenn es dabei trotz allem so warm war wie hier auf Fresia. Es wunderte sie jedoch, dass niemand im Camp Vorbereitungen für die Regenphase zu treffen schien. Die Hälfte der Nautolaner war draußen auf dem Meer, und die, die zurück geblieben waren, gingen verschiedenen Tätigkeiten nach, keiner von ihnen aber sicherte die Stormgeneratoren oder gar die Zelte. Neuen Kaf für Exodus in seine Thermobecher gießend und für sich selbst eine Flasche Wasser unter den Arm klemmend, begab sich Giselle zurück zu ihrem Chef. Dieser hatte sich ebenfalls ein wenig die Beine vertreten und war aus dem Verwaltungszelt hinaus getreten. Giselle überreichte ihm seinen Becher, als sie bei ihm angelangt war.


“Hier, ich hoffe, er ist noch heiß.“

Sagte sie, weil sie beim Eingießen in seinen Becher nicht das Gefühl gehabt hatte, dass er frisch aufgesetzt gewesen war.

“Ich habe mich gerade etwas gefragt.“

Teilte sie ihm mit, setzte ihre Flasche an und trank einen Schluck Wasser, bevor sie fort fuhr.

“Wir werden hier im Camp eigentlich die Vorbereitungen auf die Regenphase getroffen und in welcher Form? Ich habe noch niemanden daran arbeiten sehen.“

Sagte sie und runzelte die Stirn.

“Und auch Mr. Goarland hat nicht ein Wort darüber verloren. Es wundert mich sehr, denn es wird langsam Zeit.“

Fragend, und auch ein wenig besorgt, sah sie Exodus an. Es würde regnen, daran bestand kein Zweifel. Die Anzeichen waren alle da. Giselle hatte inzwischen genug Zeit auf der Insel gebracht, um diese Anzeichen zu sehen und zu erkennen und ebenso hatte sie gelernt, nie das Wort der örtlichen Fischer anzuzweifeln. Niemand kannte sich besser mit dem Wetter aus als sie. Es würde regnen und wenn es so weit war, würde es eine harte Probe für das bisher ungesicherte Camp werden. Regenphase auf Fresia, bedeutete nicht nur Regen. Es bedeutete viel Regen und vor allem Sturm.

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Die Arbeit ging gut voran und war – von Exodus‘ Seite aus – auch sehr konzentriert. Er bemühte sich, all die Reize, die Giselle ausstrahlte, auszublenden und der Versuchung weiterer Annäherung zu widerstehen. Es gelang ganz gut. Wenn er die Zahlen und Daten vor Augen hatte, die Paragraphen und Regeln, Dokumente und Aufzeichungen, dann wurde er vollkommen zum Geschäftsführer der Wingston Corporation und tat das, was sein Vater ihn gelehrt hatte.
Gemeinsam sahen sie sich noch einmal die Bestimmungen der Regierung an, ein Thema, das Exodus, vor allem in Hinblick auf die einheimischen Mon Calamari, für besonders wichtig hielt. Damit hatten sie etwas in der Hand, sollte es zu ernsthaften Streitereien kommen. Allerdings verkniff er sich Kommentare über Sinn und Unsinn dieser oder jener Regelung – er selbst fand vieles davon kleinkariert und überflüssig, doch Giselle als ausgesprochene Naturliebhaberin sah das vielleicht anders. So hielt er sich an die Fakten und nahm sich vor, gewissenhaft gegen zu prüfen, inwieweit alle Vorgaben eingehalten wurden. Sollte sich doch noch irgendwann ein Streit wegen dieses Themas ergeben – was Exodus hoffte vermeiden zu können – würde es noch früh genug dazu kommen. Diese Dinge musste man nicht noch provozieren.

Nach einigen Stunden, dem Crono nach mussten es etwa drei gewesen sein, veranlasste Exodus eine kurze Pause. Seine vage Hoffnung, ein privates Wort mit ihr wechseln zu können, zerschlug sich vorerst, als Giselle beschloss etwas zu trinken zu holen. Natürlich ein nachvollziehbarer Wunsch. Es war fast schon lächerlich, dass er sich über so etwas wirklich ärgerte. Er war ja geradezu besessen von seiner neuen Assistentin! Und trotz dieser Einsicht blieb sein Blick an ihrem Hintern und ihren kreisenden Hüften hängen, während sie leichtfüßig das Zelt verließ. Wie schaffte diese Frau das nur? Durchatmen, weitermachen. Er hatte sich in der Rolle des Chefs den Tag über bisher gut gehalten – dahin musste er zurück. Keine weiteren Machttricks, um sie beeindrucken oder zum Lachen zu bringen.

Gähnend erhob sich Exodus von seinem Stuhl, streckte sich und drückte den Rücken durch. Der Kaf, den Giselle ihm mitbringen wollte, war dringend nötig. Langsam schlenderte er aus dem Zelt hinaus und blickte draußen überrascht zum Himmel. Es hatte sich noch weiter zugezogen, mittlerweile waren die Wolken schon richtig grau. Er runzelte die Stirn. Dann trat Giselle wieder in sein Blickfeld. Die Macht hatte ihm geflüstert, dass sie sich ihm wieder näherte.


„Vielen Dank.“

Dankbar griff er nach dem Becher, der tatsächlich nicht mehr brühend heiß war. Aber er war nicht die Art von Chef, der wegen solcher Kleinigkeiten einen Aufstand machte. Giselle konnte am wenigsten dafür.
Bei ihren nächsten Worten weiteten sich seine Augen allerdings merklich.


„Regenzeit?“

echote er argwöhnisch und sein Blick wanderte wieder zum Himmel.

„Was heißt das?“

Er fasste sie fest in den Blick, diesmal ganz der Geschäftsführer. Seine Augenbrauen hatten sich nachdenklich zusammen gezogen.

„In meinen Dossiers stand nichts davon.“

Exodus sah von Zelt zu Zelt. Das Camp war absolut unbefestigt, er hatte keine Ahnung, wie lange der Stoff der Unterkünfte einem dauerhaften Regen standhalten würde. Bas Goarland hatte nichts davon gesagt und auch wenn Giselle die schlechte Botschaft nun überbrachte, war er doch erneut froh, sie dabei zu haben.

„Was schlagen Sie vor?“

Es half nichts, jetzt panisch zu werden oder loszupoltern. In solchen Situationen musste man einen kühlen Kopf bewahren und handeln. Das hieß: Je nachdem, wie Giselles Analyse ausfallen würde. Doch das Grau am Himmel versprach nichts Gutes.

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Im ersten Moment dachte Giselle, es müsse wohl ein Missverständnis sein, doch Exodus‘ Blick sagte ihr, dass dem nicht so war. Er wusste nichts über die Regenzeit, hörte vermutlich gerade zum ersten Mal davon. In seinen Berichten hatte nichts gestanden. Die Vahla atmete tief durch. Das war echtes Loch in der Organisation der Wingston Corporation, die ansonsten einen vorbildlichen und gut strukturierten Eindruck machte.

“Fresia ist als Planet geprägt von seinen heißen und sonnigen Tagphasen.“

Erklärte Giselle, die diese Dinge, als sie vor einigen Monaten nach Fresia gekommen war, ebenfalls nicht gewusst hatte. Allerdings hatte sie auch keine geschäftlichen Unternehmungen geplant, sondern hatte sich als Privatperson, Touristin oder neue Siedlerin – als was auch immer man sie bezeichnen wollte – auf jede Situation einstellen können. Theoretisch konnte die Wingston Corporation dies auch. Das Problem war lediglich, dass sie nur noch wenige Stunden Zeit hatten.

“Alle paar Wochen, etwa alle zwei Monate, kommt es jedoch zu einem Wolkenbruch, der die Erde wässert und dem Pflanzen- und Tierreich einen Austausch verschafft. Diese Regenzeit dauert für gewöhnlich mehrere Tage an und besteht aus unterschiedlichen Phasen. Nicht selten kommt es dabei zu Sturmböen oder auch Gewittern.“

Nachdenklich sah Giselle sich um. Wenn bisher niemand begonnen hatte, sich auf den Regen vorzubereiten, mussten sie sofort damit beginnen, anstatt noch mehr kostbare Zeit zu verlieren.

“Die Zelte sind so gut wie ungesichert, vor allem die kleinen.“

“Stellte sie fest und bewegte sich ein paar Schritte nach links, um durch an einem der abgestellten All-Terrain-Gefährte vorbei sehen zu können.

“Es braucht nicht viel Regen, um sie ihren Bewohnern unter den Füßen davon zu schwemmen. Ich würde sie für die Zeit des Unwetters mit hölzernen Gerüsten unterlegen. Ob es hier wohl wasserundurchlässige Planen gibt, mit denen man die Stoffe zusätzlich abdecken kann? Falls nicht…“

Giselle rieb sich die Stirn und sah zum Himmel. Es war erst früher Mittag. Sie konnte noch einmal einen Boten nach Hill City und wieder zurück schicken.

“Ich denke, wir sollten den Wassergleiter noch einmal zum Festland schicken, bevor es Abend wird. Noch ist das Meer ruhig. Wir können aus der Stadt holen, was wir benötigen.“

Sagte sie und hoffte, dass Exodus die dringende Notwendigkeit des sofortigen Handelns verstand. Sie selbst war auf Rings Island gewesen, während einer Regenperiode, und es war eine der besten Erfahrungen gewesen, die sie je gemacht hatte. Sie hatte jedoch auch kein Lager gehabt, das sie hatte instand halten müssen. Es hatte nur sie gegeben, Giselle und den Dschungel und das war etwas völlig anderes gewesen.


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Giselles Einschätzung war pessimistisch und ihre Erklärungen ließen ihn dastehen wie einen Dummkopf. Alle zwei Monate, sagte sie, überkam eine Regenzeit den Planeten. Zwei Monate, das hieß Bas Goarland hatte das Gück – oder aus ihrer Sicht: das Pech – gehabt, genau in einer Trockenperiode auf Fresia geweilt zu haben. Wie hatten sie das übersehen können? Das stellte sie jetzt vor einige Probleme.
Giselle schilderte ihre Sicht der Dinge: Die Zelte mussten befestigt und aufgebockt werden, damit sie nicht von den Fluten des Regens weggeschwemmt wurden. Am besten, so befand seine Assistentin, ließen sie den Wassergleiter noch einmal nach Hill City fahren, um weiteres Material zu besorgen. Exodus nickte, die Lippen zu einem Strich zusammengepresst.


„Alles klar.“

Jetzt war schnelles Handeln gefragt. In Gedanken verteufelte Exodus seinen Vorgänger Bas Goarland. Verdienter Mitarbeiter hin oder her: Hier hatte er Mist gebaut.

„Dann sollten wir es so machen. Am besten wir teilen uns auf.“

Exodus ging einige Schritte umher, blickte zwischen den Zelten hindurch zum Meer und zur Feuerstelle in der Mitte des Camps. Am Strand trieben sich einige Nautolaner herum.

„Ich schlage vor, Sie trommeln eine Hand voll kräftiger Jungs zusammen, die in Hill City die Besorgungen machen und die Sachen tragen können. Ich werde schauen, wo ich einen Fahrer für das Schiff auftreiben kann. Dan’el wechselt sich mit einem anderen Piloten bei den Schichten ab. Ich werde ihn suchen gehen.“

Nachdenklich trommelte der Projektleiter mit den Fingern gegen seinen rechten Oberschenkel.

„Schon komisch, das Bas Goarland zwei Fahrer für den Gleiter angestellt hat, aber jeden Tag nur eine Fahrt zum Abbau angesetzt ist. Sei’s drum, das kommt uns jetzt entgegen. Ich würde sagen …“

Er warf einen Blick auf sein Crono und sah dann hoch zu Giselle.

„… wir treffen uns in 10 Minuten wieder bei der Feuerstelle?“

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Giselle nickte. Sie wusste, worum es ging. Mit ihrer Wasserflasche noch in der Hand machte sie auf dem Absatz kehrt und lief im Laufschrift den Weg zurück, den sie gerade gekommen war. Unter den wenigen Wingston Mitarbeitern, die vor den Zelten saßen, herrschte lockere Stimmnung. Hier waren nur jene zurück geblieben, die in der Nachtschickt arbeiteten und jetzt ihre freie Zeit genossen. Manche befanden sich auch in ihren Zelten und schliefen. Geraden Schrittes bewegte sich Giselle auf die Mitte des Lagers zu und ein paar Köpfe hoben sich wage, um zu sehen was sie vor hatte.

“Wir haben ein Problem.“

Sagte sie laut als Einleitung, womit ihr die Aufmerksamkeit der Anwesenden sicher war. Kurz sah sich die Vahla um, um sicher zu stellen, dass ihr wirklich alle zuhörten, ehe sie fortfuhr:

“Wir befinden uns kurz vor dem Beginn einer Regenphase hier auf Fresia.“

Mit einem Finger deutete sie in Richtung Himmel.

“Die Wolken kündigen es bereits an. Eine Regenphase auf diesem Planeten ist nicht gleichzusetzen mit einem kurzen Schauer. Wenn es hier regnet, dann richtig.“

Teilte sie den anderen mit, die dies offensichtlich nicht wussten, und erklärte ihnen, was sie vorhin auch Exodus schon mitgeteilt hatte. Die Reaktionen auf ihre Ansprache waren verhalten und Giselle hatte das Gefühl, dass sie auf explizite Aufgabenverteilung warteten. Zwei männliche Nautolaner steckten kurz die Köpfe zusammen, flüsterten etwas und grinsten anschließend beide. Fragend sah Giselle die beiden an.

“Irgendwelche Ideen?“

Fragte sie interessiert. Einer der beiden Angesprochenen zuckte mit den Schultern, sein Mund in Amüsiertheit verzogen.

“Uns macht Regen nicht viel aus.“

Ließ er sie wissen.

“Je mehr Wasser, desto besser.“

Die Aussage war ganz klar als Scherz aufzufassen, wenn auch Wahrheit in ihr steckte. Als amphibische Lebewesen war das Wasser sogar das Element der Nautolaner. Über Land war lediglich ihre zweite Heimat. Giselle legte den Kopf leicht schief, hob eine Augenbraue und deutete ein Lächeln an, das seinen gut gemeinten Scherz zwar anerkannte, in dem jedoch noch immer soviel Ernst mit schwang, dass er verstand, dass dies eine erset Situation war.

“Alles schön und gut,“ , erwiderte sie, “aber das hilft euch auch nichts, wenn euer Zelt und mit ihm alle eure Sachen weg geschwemmt werden und der Rest des Lagers dem Sturm zum Opfer fällt. Ohne Lager keine Arbeit und ich weiß nicht, ob die Wingston Corporation dann noch genug Credits locker machen kann, um euch einen Rückflug nach Glee Anselm zu bezahlen.“

Giselle linke Augenbraue hob sich ein Stück und der Nautolaner, der mit ihr gesprochen hatte, hob defensiv die Hände.

“Schon gut, schon gut. Was sollen wir tun?"

Fragte er und Giselle nutzte die Frage, um das Thema wieder aus sachlicher Sicht zu verfolgen und zusammen zu fassen, was sie mit Exouds besprochen hatte.

“Drei Freiwillige für einen kurzen Trip nach Hill City dürften genügen.“

Sagte sie und war positiv überrascht, als sich sofort drei Arme in die Luft streckten. Alles klar, die konnten direkt anfangen. Giselle winkte die Drei bestätigend durch.

“Der Rest kann schon mal beginnen, die Zelte aufzubocken. Was ihr braucht, ist jede Menge Holz, vorzugsweise Latten, was jedoch schwierig werden dürfte. Alles, was an Ästen und Baumstämmen etwa armdick ist, dürfte helfen.“

Instruierte sie und machte sich dann daran, mit den drei Freiwilligen zurück zum Verwaltungszelt zu gehen, wo sie sich mit Exodus und hoffenltich jemandem, der den Wassergleiter nach Hill City und wieder zurück bringen konnte, treffen würde.

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Die Abmachung war getroffen, die Zeit knapp. Während Giselle sich darum kümmerte, einige kräftige Jungs für den Transport aufzusammeln, kehrte Exodus schnurstracks in das Verwaltungszelt zurück. Dort öffnete er die Datenbank, die Bas Goarland ihnen hinterlassen hatte und der sie den Vormittag über schon einige Informationen entnommen hatten. Mit schnellen Bewegungen navigierte Exodus sich durch die Menüs: Mitarbeiter – vollständige Auflistung – Sortieren nach Aufgabengebiet – Piloten. Da standen sie: Dan’el Warren und … Jost Fleetfire. Exodus runzelte die Stirn. Jost Fleetfire, das klang wie irgendein Hinterwäldler von Tatooine. Hoffentlich hatte der Bursche was auf dem Kasten. Mit dem rechten Handrücken wischte er sich den Schweiß von der Stirn und suchte in der Datenbank nach einem Hinweis, in welchem Zelt welcher Mitarbeiter untergebracht war. Bas Goarland hatte tatsächlich einen Plan des Camps angelegt, mit der Position der Zelte und einer Angabe, wie viele Personen dort jeweils schliefen. Ärgerlicherweise waren nur ganz wenige Zelte mit Namen versehen – hier hatte Goarland wohl kapituliert, oder es war ihm schlicht egal gewesen. Exodus‘ Augen huschten über den Plan und fanden, zu seiner Freude, Dan’els Namen – und direkt daneben: Jost Fleetfire. Was ein Glück! Offenbar hatte Goarland nur die Menschen und einige wenige Nautolaner eingetragen. Deren Namen hatte er sich vermutlich nicht merken können und sie deshalb einfach rausgelassen. Exodus verdrängte den Ärger über seinen Vorgänger, prägte sich die Position des Zeltes ein und verließ das Verwaltungszelt im Laufschritt.

Es war nicht schwer Jost zu finden. Der Mensch saß – oder lag, das konnte Exodus beim besten Willen nicht genau sagen - in einem klapprigen Campingstuhl vor seinem Zelt. Die Augen hielt er geschlossen, seine nackten storchenhaften Beine streckte er gemütlich in den Sand. Er war sehr dünn, trug nur ein schlabbriges T-Shirt und zu kurze Shorts, dazu braune Haare, die aussahen, als wäre er gerade erst aufgestanden. Dieses Styling konnte natürlich auch Absicht sein, denn mit seinen vor dem Bauch gefalteten Händen und dem zufriedenen Grinsen auf den Lippen, wirkte er, wie mitten in einem schönen Traum – und nicht, als wäre er eben aufgestanden. Das Mitleid ihn zu wecken, hielt sich bei Exodus allerdings in Grenzen. Er stieß einen kaum hörbaren Seufzer aus.


„Jost Fleetfire?“

Der Mensch zeigte nur langsam Regung. Tatsächlich konnte er nicht tief geschlafen haben, wenn er so schnell erwachte. Anstalten, sich zu beeilen, machte er allerdings nicht. Genüßlich streckte er die Arme aus und räkelte sich, gähnte und wackelte mit den Zehen. Exodus rollte die Augen.

„Jost. Es tut mir Leid, ihr Nickerchen unterbrochen zu haben, aber wir brauchen Sie dringend in 10 Minuten auf einem Wassergleiter Richtung Hill City.“

Dass es ihm leid tat, war gelogen, aber so klang es besser. Bei Jost schienen die Worte hingegen noch kaum angekommen zu sein. Er blinzelte Exodus ungläubig entgegen.

„Was?“

„Sie haben mich schon gehört.“

schlug Exodus jetzt einen dominanteren Tonfall an. Jost reagierte kaum, sondern griff stattdessen in den Sand neben ihm, tastete umher und hob schließlich eine große Brille vor sein Gesicht. Dieser Typ war wirklich das komplette Gegenteil von Dan’el. Im Stillen fragte Exodus sich, warum er nicht das Glück hatte haben können, mit dem anderen Piloten hier zu stehen.

„Ah, Mister Wingston.“

Endlich erkannte Jost mit wem er sich hier eigentlich unterhielt, obwohl Exodus der Meinung war, er hätte auch schon vorher drauf kommen können. Sein strenger Blick musterte den Piloten, der sich immer noch nicht von dem klapprigen Stuhl erhoben hatte.

„Ich meine, Sir.“

Die Ironie in seinem Unterton war kaum zu überhören. Jost stand wohl nicht so auf die Autoritätsschiene. Exodus beschloss, diesen Kommentar zu übergehen.

„Also, noch einmal: Ziehen Sie sich was an, wir müssen sofort los. Die Regenzeit wartet nicht und wir müssen schnellstens alle Vorbereitungen treffen. Miss Givenchy stellt gerade einen Trupp für sie zusammen, mit dem sie nach Hill City fahren um einige Materialen zu besorgen, die wir zum Schutz des Camps brauchen.“

Plötzlich sprang Jost auf und stellte sich neben Exodus in den Sand. Er war nur einen halben Kopf größer als sein Chef, wirkte durch seine dünne Statur im direkten Vergleich aber hünenhaft. Exodus betrachtete ihn mit wachsender Ungeduld. Fragend ob er eine Augenbraue.

„Bin startklar, Chef.“

Hatte er ihm nicht eben noch die Anweisung gegeben, sich etwas anzuziehen? Aber vermutlich war das hier sein normaler Aufzug. Er sah aus wie ein Badetourist.

„Also gut.“

brummte Exodus und drehte sich auf dem Absatz herum.

„Folgen Sie mir.“

Jost tapste ihm hinterher, wobei er die Brille noch einmal abnahm und mit seinem T-Shirt über die Gläser wischte. Fragen stellte er keine mehr, vielleicht war er ja doch Profi genug um das hier durchzuziehen. Giselle wartete schon in der Mitte des Camps auf ihn, mit mehreren Nautolanern an ihrer Seite. Das hatte also geklappt. Als er in Hörweite kam, rief er zu ihr hinüber.

„Wir können gleich los.“

Und an Jost gewandt, sagte er noch:

„Sie können sich gleich zum All-Terrain-Gefährt aufmachen“

Der Pilot nickte ernst, fuhr sich cool durchs wuschelige Haar und wandte sich an die Nautolaner, die bei Giselle standen.

„Dann wollen wir das Ding mal schaukeln, nicht wahr Jungs? Auf zur Mission Camprettung.“

Exodus‘ Blick traf Giselle und er verdrehte die Augen. Bei der Neuen Republik waren ihr solche Chaoten sicher nicht begegnet und ein bisschen hoffte er, Giselle würde seinen Blick erwidern, um zu zeigen: Wir sind hier die Profis, wir sind das Duo, das sich um alles kümmert. Doch für den Moment war das nicht das wichtigste: Hauptsache, Jost würde die Mission Camprettung, wie er es genannt hatte, wirklich erfolgreich abschließen.

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- Fresia – Fingers Mark – Palm Island – Strand – Mit 3 Nautolanern, Exodus, Jost Fleetfire –

Es war nicht ganz einfach, sich das Lachen zu verkneifen. Giselle biss sich von innen auf die Lippen und wandte ihren Blick hastig von Exodus ab, als dieser in Richtung des Piloten deutete und genervt die Augen verdrehte. Sie hatte bisher den gesamten Vormittag mit ihrem Chef verbracht, Papiere gewälzt und Verträge gelesen. Exodus Wingston war auf das Geschäft konzentriert und nahm sich seinen Aufgaben gewissenhaft und mit dem nötigen Ernst an. Manchmal, wenn er mit Giselle sprach, wusste sie nicht genau, wie sie seinen Humor oder bestimmte Aussagen zu deuten hatte. Jetzt, in diesem Moment, ließ er die professionelle Haltung, die ihm die letzten drei Stunden angehaftet hatte, für einen Moment fallen und Giselle hatte zum ersten Mal das Gefühl, einen Blick auf den wahren Exodus Wingston werfen zu können, ohne Maskerade und ohne jedgliches Getue. Sie hatte schon vorher gemeinsam mit ihm gelacht und gescherzt, aber nie gewusst, wieviel davon echt war. Als er sich ihr in der Red Square Bar vorgestellt hatte, hatte er den Player und Macho gegeben. Aus dieser Kategorie hatte Giselle ihn bisher nicht völlig lösen können, auch wenn sie inzwischen zwei weitere, sehr wichtige Dinge über ihn wusste: erstens, er war ein seriöser Geschäftsmann und zweitens, er hatte eine Familie.

Der Pilot stapfte zu dem All-Terrain Gefährt hinüber, die drei freiwilligen Nautolaner, die ihn nach Hill City begleiten würden, folgten ihm. Giselle hatte, bevor Exodus hier zu ihnen gestoßen war, kurz mit ihnen abgestimmt, was sie vermutlich benötigen würden und da keiner von den Dreien auf den Kopf gefallen zu sein schien, war sie zuversichtlich, dass sie die passenden Teile und Materialien innerhalb kürzester Zeit würden auftreiben können. Als die Gruppe fort war und damit die ersten Instruktionen gegeben waren, um das Camp wetterfest zu machen, konnten sich auch Exodus und Giselle tatkräftig an den noch zu erledigenden Aufgaben beteiligen. Sie begannen damit, einige der im Freien aufgestellten Stablampen, die bereits intalliert worden waren um während der Dunkelphasen als Lichtquellen zu fungieren, zu demontieren. Die im Freien aufgestllten Lampen würden größeren Windböen und heftigen Regengüssen nur mäßig bis gar nicht stand halten und waren somit besser innerhalb der Zelte aufgehoben. Man würde sie später problemlos wieder neu aufbauen können, wenn man sie brauchte.


“Die Jungs sollten inzwischen in Hill City angekommen sein.“

Bemerkte Giselle nach einem Chrono-Check, als sie bereits eine ganze Ecke gemeinsam die Lampen demontiert und in das bereits voll gepackte Lagerzelt gebracht hatten. Dort standen überall Kisten und es war schwer überhaupt noch freien Platz zu finden. Entsprechend unordentlich sah es jetzt auch aus. In diesem Fall heiligte der Zweck allerdings die Mittel.

“In zwei Stunden werden sie sicherlich wieder hier sein.“

Sie traten aus dem Zelt raus und Giselle wagte einen Blick in den Himmel. Der Schein trügte nicht: die Wolken wurden immer dunkler und in zwei Stunden war die Mittagszeit lange vorbei.

“Es wird schon heute Abend regnen.“

Sagte die Vahla.

“Ich kann den Regen bereits riechen.“

Und obwohl sie sich in erster Linie Sorgen um das Lager hätte machen sollen, verspürte Giselle eine leise Vorfreude. Ein wildes Meer, von Wind und Sturm gepeitscht, das die Tränen des Himmels auffing, war ein mindestens ebenso schöner Anblick wie ein leuchtend blaues Meer an einem strahlend weißen Sandstrand, der im Angesicht der Sonne erstrahlte.

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[ Fresia – Fingers Mark – Palm Island – Strand – Camp | mit Giselle ]

Die Arbeiten gingen zufriedenstellend voran, auch wenn Exodus mit tiefer werdenden Sorgenfalten in immer kürzeren Abständen gen Himmel sah. Es wurde dunkler, grauer. Die Zeit spielte gegen sie. Und überall Elektronik! Es waren nicht nur die Zelte, die man vor dem Regen sichern musste, die Technik war noch wertvoller. Wenn sie hier keinen Strom mehr hatten, dann konnten sie das ganze Projekt auf Eis legen. Goarland war so ein Schlamper. Er würde mit seinem Vater darüber reden müssen. Spontan konnte er nur an eine Konsequenz für dieses Desaster denken: Kündigung.
Nicht einmal die Gesellschaft von Giselle konnte ihn vollends von diesen trüben Gedanken ablenken. Er musste sich auf die vorliegende Arbeit konzentrieren und wenn er das tat, kam der Ärger über Goarland ganz automatisch. Giselles Einschätzung war seiner Laune wenig zuträglich, auch wenn er ihre realistische Art schätzte. Sie sagte ihm nicht, was er hören wollte, sondern das, was er hören musste. In einem privaten Kontext hätte er sich diese Angewohnheit natürlich mit anderer Ausprägung gewünscht, aber während der Arbeit war es wirklich von Vorteil. Sie war eine gute Mitarbeiterin: geistesgegenwärtig, ausreichend gelassen und professionell. Immerhin verleitete ihn ihr letzter Kommentar doch noch zum Lächeln. Sie konnte den Regen riechen.


„Ich rieche nichts.“

erwiderte Exodus blöde, immer noch mit einem Schmunzeln in den Mundwinkeln.

„Aber das heißt natürlich nichts. Ich glaube, Sie können die Natur viel besser lesen als ich.“

Genau wie Giselle, checkte auch er erneut sein Chrono. Die Zeit abzuschätzen, wenn der Stand der Sonne keinerlei Anhaltspunkt gab, war sehr gewöhnungsbedürftig. Dass dies sogar Giselle nicht zu gelingen schien, befriedigte ihn zumindest insofern, dass er in dieser Hinsicht nicht auch wie ein Idiot dastand. Der Moment, in dem sie ihm von der anstehenden Regenzeit erzählt hatte war schon schlimm genug gewesen. Gerade vor ihr, wollte er die bestmögliche Figur machen.
Während er sie beobachtete, fiel ihm auf, wie ihr Kopf sich in Richtung des Dschungels drehte. Er folgte ihrem Blick. Ein Nautolaner kam im Laufschritt zum Camp zurück, offenbar peilte er ihre Richtung an.


„Mister Wingston, Miss Ginvenchy!“

rief der Nautolaner mit rauer Stimme zu ihnen hinüber. Während er näher kam, versuchte Exodus sich an den Namen des Nautolanders zu erinner. Er musste aber gestehen, keine Ahnung zu haben, wie der Nicht-Mensch hieß. Vielleicht war Giselle in dieser Hinsicht schon weiter als er, im Zweifelsfall würde es aber auch ohne Namenskenntnis gehen müssen. Der Nautolaner wirbelte mit seinen schnellen Schritten staubigen Sand auf und blieb schließlich vor ihnen stehen. Sein Brustkorb hob und senkte sich vor Erschöpfung. Exodus hielt die Stablampe, die er eben abgebaut hatte, regungslos in den Händen.

„Wir haben ein Problem.“

Der Nichtmensch blickte von Giselle zu Exodus und wieder zurück.

„Wir wollten im Dschungel Holz beschaffen, um die Zelte aufzubocken, wie Sie uns gesagt hatten. Aber jetzt gibt es Ärger. Die Mon Calamari sind da.“

Auch das noch. Exodus schloss für einen Moment die Augen und rieb sich die Stirn. Als er wieder aufblickte, sah er von Giselle zum namenlosen Nautolaner.

„Was heißt das: Ärger?“

Der Nautolaner überlegte einen Moment, bis er die richtigen Worte beisammen hatte. Vielleicht war ihm der stirnrunzelnde Blick seines Chefs aufgefallen und ihm war bewusst geworden, dass er hier als Überbringer einer schlechten Nachricht fungierte. Keine dankbare Rolle.

„So wie es aussieht ... wollen sie die Bäume verteidigen.“

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- Fresia – Fingers Mark – Palm Island – Vorratszelt – Mit Exodus -

Die Stimmung änderte sich von einer Sekunde zur nächsten, als Exodus und Giselle jäh in ihrer Arbeit unterbrochen wurden und einer der Nautolaner ihnen mitteilte, dass die Mon Calamari, die bisher als stumme Beobachter am Rande des Geschehens gezeichnet worden waren, sich nun aus den Schatten der Bäume heraus gewagt hatten. Giselles Blick heftete sich auf den Nautolaner, einer der Arbeiter und einer von denen, mit denen sie bisher noch nicht gesprochen hatte.

“Sie kommen, um die Insel zu schützen.“

Bestätigte sie die Vermutung des Nichtmenschs und legte den Hydroschraubenschlüssel, den sie in der Hand gehalten hatte, auf eine der vielen Kisten, die sich in dem großen Zelt aneinander reihten.

“Wir sollten mit ihnen reden.“

Die Vahla empfing ein doppeltes Nicken auf ihre Antwort – von dem Nautolaner, der offenbar dankbar war, dass seine Aufgabe der Nachrichtenüberbringung hiermit beendet war, sowie von Exodus, der, dem Ausdruck auf seinem Gesicht nach zu urteilen, bereits mit dem Schlimmsten rechnete. Mit einem Auftauchen der eingeborenen Mon Calamari war zu rechnen gewesen, auch wenn Giselle in der Hektik des Tages bisher nicht daran gedacht hatte. Exodus hatte ihr bereits zuvor erzählt, dass sie die Operationen der Wingston Corporation aus der Ferne verfolgten und dies war ein guter Zeitpunkt für sie, einzuschreiten und den Kontakt zu suchen. In der Regel waren sie jedoch nicht agressiv, weshalb Giselle optimistisch war, vernünftig mit ihnen sprechen zu können. Zu dritt streiften sie ein kurzes Stück weit durch die an den Strand angrenzenden Bäume und Sträucher und an Giselles nackten Füßen, die in dünnen Ledersandalen steckten, kitzelten die Halme der Gräser, die wild wuchsen, ohne dass jemals jemand gewagt hätte, sie in ihrer Freiheit zu beschneiden, während vom Meer eine angenehm kühle Brise, wehte, gleich einem Vorboten des aufkommenden Sturms. Giselles Blick war auf den Rücken des Mannes geheftet, der vor ihr ging und sie zu der Stelle führte, wo die Nautolaner begonnen hatten Bäume zu fällen, doch sie sah lediglich durch ihn hindurch. Ganz so, als wäre er nicht existent, glitt ihr Blick auf die mit Gras bewachsenen Felsen, die stark und unerklimmbar wie aus dem Nichts vor ihr aufgetaucht waren. Giselle war alleine. Zu ihrer Linken schloss sich der Wald, rechts führte ein schmaler, kaum erkennbarer Pfad hinein ins Dickkicht. Es gab immer eine Wahl, dachte die Vahla, die überlegte, welchen Weg sie einschlagen würde. Manchmal war es schwierig und so manches Mal schien die Entscheidung bereits fest zu stehen, noch bevor man mit ihr konfrontiert worden war, doch die Wahrheit war, es gab immer eine Wahl und jeder nahm diese an, früher oder später, egal was man selbst zu wissen glaubte oder sich vielleicht sogar einredete. Zu ihrer Linken erschloss sich der Wald – dunkles, fremdes Terrain im schwachen Licht der Dämmerung und ein unbekantes Ziel dahinter. Vor ihr erhob sich die Felswand in Richtung Himmel, ein riskanter, schwieriger Weg, der Blut und Schweiß forderte, jedoch die Belohnung einer unvergleichlichen Aussicht versprach; und dann war da noch der kaum erkennbare Trampelpfad, enstanden, lange bevor Giselle auch nur einen Fuß auf Rings Island gesetzt hatte. Er würde sie in eine Gemeinschaft führen, die zu ergründen wertvoll und lehrreich und die längst keine Unbekannte mehr war. Der Abend brach ein und der ausgetretene Pfad war die Richtung, die man einschlug, wenn man sicher sein wollte, ein warmes Lager für die Nacht zu finden. Entscheidungen, so hatte Giselle gelernt, lauerten überall und jeder von ihnen, nahm sie tagtäglich an, nur um festzustellen, dass das Resultat trotzdem manchmal in eine gänzlich andere Richtung führte, als man selbst geglaubt hatte.

Die Vahla setzte einen Fuß vor den anderen und die Abenddämmerung um sie herum verzog sich so schnell, wie ihre Erinnerungen sie zuvor eingeholt hatten. Vor ihr wippten die Tentakel des Nautolaners im Takt seiner Schritte, hinter ihr ging Exodus. Sie war zurück auf Palm Island und das Ziel, zu dem sie unterwegs waren, war so klar wie das Ziel, das sie an jenem Abend fixiert hatte, als die Dunkelphase über sie herein gebrochen war, die Insel für mehrere Tage in Schwärze getaucht hatte und Giselle eine jener Entscheidungen getroffen hatte, die das Leben so interessant machten. Sie waren ihren Weg gegangen. Als sie Stimmen zu hören begannen, wurde deutlich, dass sie dort waren, wo sie hin wollten und bereits als sie die nächste Wand von Büschen bei Seite schoben, sahen sie mehrere Nautolaner, die ausgestattet mit Werkzeugen über den am Boden liegenden Stämmen einiger Bäume standen, und vor ihnen – wie zu erwarten – eine Gruppe von Mon Calamari. Sie waren zu dritt und sie sahen, was ihre Aufmachung betraf, ihren Brüdern auf Rings Island nicht unähnlich, wie Giselle mit einem Blick wahr nahm. Sie trugen weite Hosenröcke aus Baumwolle, in gedeckten Farben und ihre freien Oberkörper waren bemalt mit verschiedenen Stammeszeichen und schwungvoll wirkenden Ornamenten. Während zwei der drei jedoch jeweils einen weißen Kreis auf ihrer hohen, nach oben hin abgerundeten Stirn zur Schau trugen, trug der Dritte lediglich einen dicken weißen Strich auf der Mitte seines breiten Nasenrückens. Giselle erkannte dieses Zeichen wieder. Es bedeutete, dass er der Wortführer dieser Gruppe war, derjenige, der das Sagen hatte und derjenige, der die Entscheidungen treffen würde, die die anderen widerstandslos befolgen würden. Mit geöffneten Handfläche, die Arme nach vorne gestreckt, trat Giselle einen Schritt vor.


“Os'wa'schau.“

Sagte sie laut, eine Begrüßung, die sie gelernt hatte, und formte mit einer Hand einen Kreis in der Luft, der die Sonne über der Insel beschrieb. Unverkennbar wechselten die Mon Calamari einen Blick untereinander, vermutlich überrascht, auch wenn ihre Mimik für Außenstehende nur schwer zu lesen war. Die Situation und Giselles Worte in ihrer Sprache ließen diesen Schluss allerdings zu.

“Wir ersuchen das Wohlwollen der Insel.“

Fuhr sie auf Basic fort, den Blick fest auf den Wortführer der Mon Calamari gerichtet.

“Mein Name ist Giselle. Os'lon Giselle.“

“Os'wa'schau, Giselle.“

Wie erwartet war es der Mon Calamari, den die weiße Linie in seinem Gesicht als Anführer verriet, der das Wort ergriff. Langsam wiederholte er die Handbewegung, die auch Giselle bereits ausgeführt hatte, verzog dann den Mund und deutete mit einer harschen Bewegung auf zwei der Nautolaner, die schräg hinter Giselle standen.

“Sol'di'den'niwasch. Nukle'mol!"

Giselle sah hinter sich. Der Nichtmensch hatte nicht auf die gefällten Bäume gedeutet. Seine großen, seitlich seines Kopfes liegenden Augen blickten unverkennbar auf zwei der Nautolaner. Unsicher sah Giselle vor und zurück. Nukle, kannte sie dieses Wort? Sie hatte es bereits gehört, jedoch in einem anderen Zusammenhang. Fragend kehrte ihr Blick zu dem Mon Calamari zurück.

“Nukle'mol!“

Erwiderte er, erregter als zuvor und plötzlich begriff Giselle. Nukle, das bedeutete Waffe. Die beiden Nautolaner, die hinter ihr standen, hatten beide ihre Vibroäxte griffbereit – keine Waffen in ihren Augen, sondern Werkzeuge, mit denen sie die Bäume zu Fall gebracht hatten. In diesem Moment jedoch waren es gefährliche Gegenstände in den Augen der Einmischen. Giselle wandte sich zu den Männern der Wingston Corporation um.

“Legt die Vibroäxte nieder.“

Forderte sie die beiden auf.

“Sie denken, es sind Waffen.“

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Die sich abspielende Szenerie kam Exodus vor, wie aus einem Holofilm. Nicht zuletzt deshalb, weil er völlig unbeteiligt war. Giselle fungierte als Wortführerin ihrer Gruppe, da sie die einzige mit Sprachkenntnissen in Mon Calamari war. Sie nahm diese Rolle ganz automatisch an und Exodus widersprach ihr nicht. Genau dafür hatte er sie schließlich eingestellt. Giselle sprach mit einem der drei Mon Calamari, die für Exodus im ersten Augenblick genau so verwechselbar waren, wie die Nautolaner auf ihrer Seite. Erst nachdem er geendet hatte, fiel Exodus auf, dass der wortführende Mon Calamari eine andere Gesichtsbemalung hatte als die anderen zwei. Offenbar war er der Chef – und einer, der für sich selbst sprechen konnte, ganz im Gegensatz zu Exodus im Moment. Immerhin erkannte er bei einem Seitenblick auf die Nautolaner, dass sie genauso wenig verstanden wie er, worum es im Detail ging. "Nuke moll", hatte der Mon Calamari mit dem Strich auf der Stirn gesagt und noch während Exodus die Worte stumm mit den Lippen nachformte, erklärte Giselle ihre Bedeutung: Die Vibroäxte, mit denen die Nautolaner die Bäume hatten fällen wollen, wurden von den Mon Calamari als Waffen erkannt. Und Waffen waren schlecht. Exodus presste unzufrieden die Lippen aufeinander, während Giselle den Befehl gab, die Äxte niederzulegen. Die Nautolaner sahen sich unschlüssig an, taten dann aber wie geheißen.

„Moment mal.“

sagte er bestimmt in Richtung des Mon Calamari Anführers und bemerkte aus den Augenwinkeln, wie die Nautolaner in ihren Bewegungen verharrten. Exodus‘ Blick fokussierte Giselle. Die verührerische, charmante, witzige, attraktive, aber auch naturliebende Giselle. Hoffentlich wurde das jetzt kein größeres Problem.

„Wie sollen die Jungs denn ohne Vibroäxte die Bäume fällen? Wir brauchen das Holz, andernfalls ist das Lager verloren!“

Die Dringlichkeit in seiner Stimme war kaum zu überhören. Diese ganze Situation verschwendete nur wieder kostbare Zeit. Zeit, die sie nicht hatten. Der Regen wartete nicht und im Zweifelsfall würde alles umsonst gewesen sein. Sie mussten weitermachen! Und das hieß: Weiter Bäume fällen.

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Wenn Giselle geglaubt hatte, es würde einfach werden, hatte sie sich geirrt. Die Mon Calamari erwarteten, dass die Gegenseite ihre „Waffen“ - Vibroäxte, die lediglich zum Fällen der Bäume verwendet wurden – nieder legten, die Nautolaner waren im Begriff gewesen dies zu tun, doch noch bevor sie die Äxte hatten ablegen können, hatte Exodus Wingston dazwischen gefunkt. Natürlich waren seine Angestellten sofort in ihren Bewegungen verharrt. Exouds' Wort wog schwerer als Giselles. Trotzdem wünschte Giselle, sie hätten auf sie gehört. In diesem Moment ging es nicht um das Fällen der Bäume, es ging erst einmal darum, eine Vertrauensbasis zu schaffen, auf der man miteinander sprechen konnte. Miteinander, das hieß Mon Calamari, Nautolaner und Menschen. Mit dem Handrücken fuhr Giselle sich über die Stirn. Es lag ihr fern, ihren Chef öffentlich bloß zu stellen, aber es half ihnen nicht, wenn er darauf beharrte, sofort weiter zu machen. Wenn sie es geschickt anstellten, dauerte das hier ein paar Minuten. Das war nicht viel Zeit im Vergleich dazu, was sie verlieren – oder was geschehen – würde, wenn es zu einer Auseinandersetzung ohne Einigung kam.

“Natürlich benötigen wir das Holz.“

Sagte Giselle, und stimmte damit als erste Reaktion Exodus zu, um ihm zu zeigen, dass sie auf seiner Seite war.

“Doch in erster Linie sollten wir eine friedliche Einigung finden. Sie sehen die Äxte als Bedrohung, es sind Waffen in ihren Augen.“

Während sie sprach, glitt Giselles Blick hinüber zu den drei Mon Calamari.

“Und sie werden nicht mit uns sprechen, so lange wie wir bewaffnet sind. Ich bin sicher, sie werden unser Vorhaben verstehen, sobald wir uns erklärt haben.“

Die Vahla wandte sich um, zu ihren männlichen Nautolanerkollegen, die hin und her gerissen schienen zwischen ihrem Vorgesetzten und dessen Assistentin.

“Legt die Äxte bitte nieder.“

Bat sie. Exodus' Blick mied sie, während sie dies sagte. Sie kannte ihn nicht gut genug um einschätzen zu können, ob er in seinem Stolz verletzt oder ärgerlich auf sie sein würde. Er hatte sie jedoch eingestellt, damit sie genau das tat, was sie gerade im Begriff war zu tun: sie sollte zwischen der Wingston Corporation und den Einheimischen vermitteln. Sie war die Diplomatin in der Runde. In der Bar in Hill City, kurz bevor sie zugesagt hatte, die Stelle als seine Assistentin anzutreten, hatte er zu ihr gesagt, dass sie genau die Art von Frau war, die er suchte. Wenn er dies wirklich ernst gemeint und nicht nur auf ihre langen Beine und ihre braun gebrannte Haut bezogen hatte, dann musste er ihrem Urteil vertrauen.

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Zwischen Exodus‘ Augenbrauen bildete sich eine tiefe Falte, wie immer, wenn er unzufrieden war. Eine unschöne Situation, absolut unproduktiv, absolut überflüssig. Die drei Mon Calamari hatten sich dort vor ihnen aufgebaut, als wollten sie Ärger machen. Und vermutlich würden sie das tatsächlich, folgte man Giselles indirekter Prophezeiung. Theoretisch hätten sie die drei Nicht-Menschen einfach ignorieren können. Sie waren ein wenig zivilisiertes Volk und Exodus ging nicht davon aus, dass sie über Blaster oder dergleichen verfügten. Gleichzeitig wusste er auch, dass das keine realistische Option war. Die Wingston Corporation würde Schlagzeilen machen, als das Unternehmen, das Einheimische niederkämpfte und das war nichts, was Exodus im Zusammenhang mit dem Familienbetrieb lesen wollte. Giselle war dafür sich zu erklären, zu verhandeln vielleicht und so eine Lösung zu finden. Sicherlich eine schönere Variante der Problembewältigung, nur kostete sowas viel Zeit. Ungeduldig trommelte er mit den Fingern auf seinem Oberschenkel und dachte nach. Die Sekunden verstrichen.

„Also gut.“

Er nickte Giselle zu, ohne sich ein Lächeln abringen zu können. Sein Bauchgefühl sagte ihm, er sollte ihr vertrauen. Nur konnte er seinem Bauchgefühl trauen? Er war scharf auf diese Frau und das konnte einem ganz schön die Sinne vernebeln. Hoffentlich bekam sie es hin. Hoffentlich hatte er nicht später eine teure Rechnung zu bezahlen. Das ganze Projekt hing jetzt an ihr. Der Vize-Präsident sah die Nautolaner an und bestätigte Giselles Bitte.

„Legt die Äxte nieder.“

Es war sich nicht sicher, ob die Arbeiter nicht schon bei Giselles Worten gezuckt hatten, ihre Werkzeuge niederzulegen - ob sie also mehr auf ihr Wort als auf seins gehört hatten. Im Endeffekt war das aber zweitrangig, nur eine Frage der Eitelkeit. Außerdem konnte er ihnen nicht verübeln auf seine Assistentin zu hören. Er tat es schließlich auch.

„Sagen Sie ihnen, was wir wollen. Wir brauchen die Bäume, meinetwegen planze ich neue nach!“

Er machte einen Schritt auf Giselle zu, unterstrich seine Wort mit einer auslandenden Geste, die alle umstehenden Bäume mit einbezogen.

„Wenn wir hier weg sind, pflanze ich ihnen einen ganzen verdammten Wald! Nur wir brauchen die Bäume – jetzt.“

Und damit verschränkten sich seine Arme wieder vor der Brust und Exodus Wingston bewegte sich einen Schritt zurück, von Giselle zu den Mon Calamari blickend. Er überließ ihr das Gespräch. Die Furche zwischen seinen Augenbrauen war wieder da, wenn auch etwas weniger tief als noch vor zwei Minuten. Sein Blick ging zum Himmel. Grau in grau in grau. Sie konnten nur hoffen, dass die Zeit reichte. Nur war Grau nicht gerade die Farbe der Hoffnung.

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Er tat, was das Vernünftigste war: Exodus Wingston hörte auf das, was Giselle ihm riet. Er vertraute ihr, und damit indirekt auch seiner eigenen Entscheidung, sie einzustellen. Die Vahla atmete auf, ohne sich darüber bewusst gewesen zu sein, dass sie die Luft angehalten hatte, und beobachtete, wie die Nautolaner die Vibroäxte tatsächlich zu Boden legten. Damit war der erste Schritt in Richtung einer friedlichen Lösung getan. Die Mon Calamari waren nicht direkt hier, um zu kämpfen – immerhin waren sie auch nur zu dritt – doch Giselle wusste, dass sie sehr beschützend gegenüber ihrer Heimat und ihrer Natur waren und sie würden nicht auf Dauer dulden, wie fremde Siedler den Wald scheinbar willkürlich abholzten. Dass genau dies nicht der Fall war und auch nicht sein würde, musste Giselle ihnen nun vermitteln. Was ihr jedoch weiterhin etwas Sorge bereitete, war Exodus' Verhalten. Dass er mit der Situation ganz und gar nicht zufrieden war, konnte sogar ein Alien sehen, für den die Mimik eines Menschen nicht zu lesen war. Exodus' Körperhaltung sprach Abneigung aus und auch seine Stimme klang ungehalten, von der Bedeutung seiner Worte ganz zu schweigen. Giselle verspürte das Bedürfnis, ihm etwas Beruhigendes sagen, ihm zu versichern, dass sie eine Lösung finden würden, doch egal wie sie es ausgedrückt hätte, es wäre unangemessen für sie gewesen. Er war der Chef, sie war seine Angestellte und es stand ihr nicht zu, ihm den Kopf zu tätscheln, selbst wenn dies nur durch Worte geschah – und schon gar nicht in den Augen der Öffentlichkeit. Aus diesem Grund sagte Giselle nichts, hätte jedoch auch gar nicht die Chance dazu gehabt, denn in diesem Moment trat der wortführende Mon Calamari einen Schritt nach vorne und ihre Aufmerksamkeit verlagerte sich von Exodus auf den Nichtmenschen.

“Dank, Euch, Giselle.“

Die fremde Stimme, die soeben noch eine fremde Sprache gesprochen hatte, erhob sich – für alle Anwesenden hörbar und verständlich – in Basic.

“Wir nicht hier, um zu kämpfen. Gekommen um zu reden.“

Mit einer knappen Geste deutete der Mon Calamari auf die gefällten Bäume.

“Ihr seien Seelen der Tat.“

Unmissverstänlich schwenkte sein Blick zu Exodus hinüber und es war offenkundig, dass der Mon Calamari auch dessen Worte verstanden hatte. Giselle beschloss, sofort einzuschreiten, ihre Erklärung anzubringen und dabei möglichst defensiv zu klingen.

“Wir danken Euch für Euer offenes Ohr.“

Zeigte sie sich unterwürfig.

“Unsere Gruppe ist unerfahren mit dem Leben auf einer Insel und den Wetterbedingungen auf Fresia. Die heranziehende Regenzeit hat unser Lager überrascht.“

Erläuterte sie.

“Und da unser Lager nicht vorbereitet war, benötigen wir Holz, um die Zelte zu sichern.“

“Wieviel Holz?“

Erklang die Stimme des Mon Calamaris. Giselle schaute über ihre Schulter, konnte jedoch keine Einschätzung machen.

“Wir werden nicht mehr nehmen, als wir dringend benötigen.“

Versuchte sie ein Versprechen einzugehen, das dennoch wage genug war, um sie nicht fest zu binden. Der Mon Calamari blickte nach links und rechts zu seinen Begleitern und mit leisen Stimmen tauschten sie einige Worte in ihrer Sprache aus, die so schnell gesprochen wurden, dass Giselle keine Chance hatte auch nur ein paar wenige Wortfetzen zu verstehen.

“Osaa'lu'knnrinin.“

Sprach der Mon Calamari schließlich - „Wir beobachten euch.“ - und sein Blick wanderte abermals, sehr deutlich, zu Exodus hinüber. Giselle nickte, schluckte schwer, weil sie das Gefühl hatte, dass dieser Besuch zwar vorbei, das Problem jedoch noch nicht gelöst war, und sah den Einheimischen nach, wie sie sich ohne ein weiteres Wort umwandten und im Wald verschwanden.

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So einfach ging das. Giselle hatte Recht behalten. Sie hatte den Mon Calamari nur erklärt, was genau sie geplant hatten – und schon waren sie mehr oder weniger zufrieden abgezogen. Problem gelöst. Exodus schenkte seiner Assistentin ein zufriedenes Lächeln und war froh darüber, mit seinem Bauchgefühl richtig gelegen zu haben. Giselle war eine kompetente Diplomatin, das hatte sie jetzt bewiesen.

„Weiter geht’s!“

rief er den Nautolanern zu und klatschte in die Hände. Nach wie vor war es eine dringende Angelegenheit die Zelte hochzubocken. Das Holz wurde benötigt und zwar dringend. Jetzt, wo er die Arbeit vor sich sah, fragte er sich, ob es nicht besser war, noch mehr der Jungs zum Helfen hier her zu schicken. Die Anspannung fiel ein wenig von ihm ab, er gönnte sich ein tiefes Durchatmen. Während sich die Nautolaner wieder ihre Vibroäxte schnappten, wandte sich Exodus an Giselle. Sein Blick bohrte sich an ihr vorbei in den Dschungel, dorthin wo die Mon Calamari eben verschwunden waren.

„Was hat er noch gesagt? Osahlu … irgendwas.“

Seine Mundwinkel zuckten. Ja, langsam kam ein wenig seiner typischen Lockerheit zurück. Er fixierte sie, fing ihren Blick auf und lief für eine Sekunde Gefahr, sich in ihren haselnussbraunen Augen zu verlieren. Dann fing er sich wieder, stirrte erneut in den Dschungel

„Sie wissen schon.“

Die Arme vor der Brust verschränkt, drehte er sich zu den Nautolanern um, die jetzt mit rhytmischen Schlägen die Bäume bearbeiteten.

„Meinen Sie, die Jungs kriegen das alleine hin? Sollten wir ihnen noch Verstärkung aus dem Camp herschicken? Ansonsten …“

Er löste die Arme aus der Verschränkung, streckte sie weit aus, spannte die Muskeln an und ließ dabei die Finger knacken. Ein Grinsen huschte wieder über sein Gesicht. Die Anwesenheit von Giselle war ein ständiger Kampf. Ein Kampf zwischen Profilierung und Professionalität. Zwischen Flirt und Geschäft. Mal gewann die eine Seite - und mal die andere.

„… könnte ich auch noch selbst mit anpacken. Das würde die Sache beschleunigen.“

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Die Mon Calamari waren verschwunden und nichts deutete darauf hin, dass sie überhaupt hier gewesen waren. Sie hatten sich unter den tiefhängenden Ästen einiger Bäume hindurch gebückt und weg waren sie. Zurück blieben Giselle, Exodus und die Nautolaner, die weiter ihrer Arbeit nachgingen, fast so als wäre nichts gewesen, obwohl sie zweifellos über den Zwischenfall sprechen würden, sobald der Projektleiter und seine Assistentin außer Sicht- und Hörweite waren. Giselle war nachdenklich geworden. Sie konnte die Sorgen der Einheimischen gut verstehen. Die Mon Calamari wussten nichts über die Wingston Corporation. Da waren einige Menschen und Nautolaner, die ihr Lager am Strand von Palm Island aufgeschlagen hatten, den ganzen Tag über eine Menge Lärm veranstalteten, jede Menge technische Geräte mit brachten und dann auch noch regelmäßig mit dem Gleiter hinaus aufs Meer fuhren. Niemand hatte den Mon Calamari gesagt, worum es ging oder was man tat. Die Einheimischen tappten im Dunkeln, beobachteten lediglich, was um sie herum geschah und sorgten sich um ihre Heimat. War das so verwerflich? Nein, dachte Giselle, sie würde genau das Selbe tun, wenn sie eine Heimat besäße.

“Sie haben gesagt, dass sie uns auch weiter beobachten werden.“

Beantwortete Giselle Exodus' Frage. Dass sie das Gefühl hatte, dass seine Äußerungen ob des „verdammten Waldes“, den er zu pflanzen gedachte, der Situation nicht geholfen hatten, verschwieg sie. Jetzt war es ohnehin zu spät um noch etwas zu ändern. Prüfend blickte sie Richtung Himmel und auf ihr Chrono. Viel Zeit hatte sie die Unterbrechung nicht gekostet, doch das bedeutete nicht, dass sie sich ausruhen konnten.

“Es würde sicherlich nichts schaden, Verstärkung zu rufen.“

Stimmte Giselle zu, als Exodus darüber nachdachte.

“Vermutlich werden wir sowieso erst fertig, wenn bereits die ersten Tropfen fallen.“

Trotz dieser eher pessimistischen Aussage fand das für Exodus so typische, selbstsichere Grinsen zurück in sein Gesicht – sehr viel schneller, als Giselle erwartet hätte es wieder zu sehen. Es war erstaunlch, wie schnell die schlechte Stimmung ihres Chefs wieder verflogen war. Dass er scheinbar wieder ganz der Alte war – so, wie sie ihn kannte – zeigte sich daran, dass er sogleich anbot, selbst seine Muskeln spielen zu lassen. In diesem Moment war er wieder der aufdringliche Macho, den sie in der Red Square Bar kennen gelernt hatte: der unwiderstehliche Frauenheld und Verführer, der ihr von Anfang an geschmeichelt hatte, auch wenn er eigentlich mit einer ganz anderen Frau verabredet gewesen war. Das war jedenfalls seine Story gewesen.

“Ich bin mir sicher, die Jungs können jede Unterstützung gebrauchen.“

Sagte Giselle schließlich, nicht ganz ohne Hintergedanken.

“Vor allem, wenn ihnen jemand zeigt, wie das Bäumefällen richtig funktioniert.“

Sie forderte ihn heraus, und war sich dessen bewusst. Exodus Wingston hatte es provoziert und allmählich wurde Giselle neugierig, ob hinter seinen oft so großspurigen Worten wirklich das steckte, was er versprach.

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Die Mon Calamari würden sie beobachten. Das waren die letzten Worte der Einheimischen gewesen, bevor sie sich in den Dschungel – und dann vermutlich zu ihrem Lager – zurückgezogen hatten. Giselle hatte es übersetzt und Exodus sah sie stirnrunzelnd an, unschlüssig, was er mit dieser Information anfangen sollte. Gut, die Mon Calamari würden sie im Auge behalten. Und vielleicht würden sie noch häufiger Ärger anzetteln. Aber dafür hatten sie ja Giselle, nicht wahr? Sie hatte das Problem heute gelöst und Exodus war zuversichtlich, dass ihr das ein weiteres Mal gelingen würde.

Seinen laut geäußerten Gedanken, die Nautolaner könnten Verstärkung gebrauchen, bestätigte die Vahla. Das war nicht unbedingt in seinem Sinne gewesen. Besser, sie hätte ihm widersprochen, denn dann hätten sie sich anderen Dingen widmen können – aber jetzt hatte er den Gedanken geäußert und einen Spruch rausgehauen und konnte keinen Rückzieher mehr machen. Zumal er den Nautonalern wirklich gut helfen konnte. Die Überraschung über ihre Reaktion konnte er nicht ganz verbergen, das Grinsen verschwand dennoch nicht aus seinen Zügen. Denn sie flirtete mit ihm! Es war nicht nur eine realistische Einschätzung der Lage, nein, sie flirtete tatsächlich. Sie wollte, dass er sich bewies und Exodus würde diese Gelegenheit großzügig wahrnehmen.


„Also gut.“

Sein Ton war ernst, er nickte ihr zu und wandte sich halb ab in Richtung der Bäume. Mit schnellen Bewegungen begann er, sich das Hemd von oben nach unten aufzuknöpfen. So bequem es im Alltag auch war – zum Bäume fällen war es nicht geeignet. Unter seinem Hemd trug er ein ärmelloses weißes Feinripp-Shirt. Nicht gerade der beste Aufzug für einen Chef vor seinen Angestellten, aber besser als mit komplett nacktem Oberkörper rumzulaufen. Oder seine Ankündigung nicht halten zu können.

„Würden Sie das so lange für mich halten?“

fragte Exodus seine Assistentin, während er ihr sein Hemd in die Hand drückte. Ohne ein Schmunzeln oder Grinsen wandte er sich halb von ihr ab.

„Dann wollen wir mal.“

sagte er und sah in Richtung der Nautolaner, die ihre Arbeit kurz unterbrachen, um zu sehen, was dort passierte. Einer konnte sich das Grinsen nicht verkneifen, ein anderer glotzte nur ungläubig drein. Exodus schenkte ihnen ein angedeutetes Lächeln. Dann griff er sich die letzte Vibroaxt, die im Gras lag und sah sich um. Der Stamm brauchte Platz zum fallen, also war es nicht ganz unerheblich, welcher der Bäume nun seine Kraft zu spüren bekam. Exodus blickte zwischen den Bäumen hin und her und entschied sich schließlich für ein nicht allzu weit entferntes Exemplar, auch wenn er dort den Fallwinkel relativ genau treffen musste, damit der Stamm nicht in den Ästen eines anderen Baumes hängen blieb. Es war ein Teil der Übung, gesehen zu werden – wenn er jetzt mitten in den Wald rannte, würde ihm diese Situation nur negativ ausgelegt. Von den Nautolanern und von Giselle. Breitbeinig baute er sich vor dem Stamm auf und schwang die Axt einige Male durch die Luft. Sie hatte ein gutes Gewicht, lag angenehm in den Händen. Es verwunderte ihn nicht, dass die Mon Calamari die Äxte als Waffen angesehen hatten. Sie waren tatsächlich welche. Dann holte er mit beiden Armen aus, ließ die Axt mit einem Zischen durch die Luft sausen und trieb die Klinge weit in das Holz hinein. Gar nicht so einfach. Das Holz war hart und diese Axt kein Lichtschwert. Zwar war die Klinge in gutem Zustand und einigermaßen scharf, aber das hier würde wirkliche Arbeit werden. Exodus schürzte die Lippen. Mit einem Ruck zog er die Klinge aus dem Stamm, holte erneut aus und wuchtete sie wieder gegen den Baumstamm. Er war gut in Form, gerade für sein Alter und seine Muskeln spannten sich bei der Anstrengung die Klinge gegen das Holz zu schmettern. Aber er konnte noch mehr. Wenn er auf die Macht zurückgriff, wurde diese Übung zu einem einzigen Kinderspiel. Unter der Macht eines Sith-Executors konnten diese Bäume umknicken wie Strohhalme. Einst war Exodus einer dieser mächtigen Executoren gewesen und er hatte bei weitem nicht alles von damals verlernt. Er drehte seinen Kopf herum und sah zu Giselle hinüber. Bei ihrem Anblick griff er unwillkürlich in der Macht hinaus, sammelte seine Kraft, blickte wieder zum Stamm und – WUMMS. Wieder schlug er auf das Holz ein, diesmal war der Schlag aber noch härter und die Klinge fraß sich weiter in ihr Opfer hinein. Seine Muskelkraft wurde von der Macht verstärkt, seine Hiebe wurden härter, die Arbeit ging merklich schneller voran. Die Taktfrequenz seiner Schläge erhöhte er leicht, schlug fester und fester auf den Baum ein, bis ihm der Schweiß auf der Stirn stand. Ein weiteres Mal sah er sich um. Giselle stand einige Meter entfernt und sah ihm und den Nautolanern zu. Seine Mitarbeiter waren sichtbar langsamer vorangekommen als er selbst. Er hatte darauf geachtet, nicht übermenschlich schnell zu sein, auch wenn er sich zutraute, diesen Eindruck hätte erwecken zu können. Ein gutes Maß, das war sein Ziel gewesen. Beeindruckend, aber durchaus glaubwürdig. Sorgfältig entfernte er den Keil, den er aus dem Holz herausgeschlagen hatte. Mit einer Hand stemmte er sich gegen den schon merklich schwankenden Baum, dann ließ er los, griff mit beiden Händen nach der Axt und riss den Baum mit einem letzten Hieb geradezu entzwei. Eilig trat er von der Stelle weg, bewegte sich um den Stamm herum und betrachtete zufrieden, wie der große Riese von einem Donnern begleitet zu Boden ging. Der Sieger hieß: Exodus Wingston. Mit dem Handrücken wischte er sich den Schweiß aus der Stirn, drehte sich zu Giselle und den durchaus verblüfften Nautolanern um und zuckte schmunzelnd mit den Schultern.

„Ist alles nur eine Frage der Technik.“

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Giselle war nicht sicher, ob sie eher von Exodus erwartet hätte, sich doch noch aus der Verantwortung zu ziehen und eine Ausrede zu erfinden. Fakt war, er tat es nicht. Vielleicht hatte er nur spaßeshalber gesagt, den Nautolanern unter die Arme greifen zu wollen, doch Giselle hatte ihn beim Wort genommen und nun tat er, was er tun musste: er fällte Bäume. Etwas irritiert hatte Giselle sein Hemd entgegen genommen, das er nicht etwa irgendwo abgelegt oder aufgehangen, sondern ihr in die Hand gedrückt hatte. Sie verfolgte, wie Exodus Wingston sich eine Vibro-Axt nahm, diese probehalber durch die Luft schwang und sich dann daran machte, einen der Bäume zu bearbeiten. Er hatte nicht übertrieben, es sah definitiv nicht so aus, als täte er das zum ersten Mal. Giselle verschränkte die Arme vor der Brust, das weiße Hemd ihres Vorgesetzten noch immer in der Hand, und ging ein paar Schritte näher heran. Exodus war in guter Form, keine zwanzig mehr, aber dafür umso markanter. Giselles Blick ruhte auf ihm und ihr wurde klar, dass sie ihm gerne zu sah. Jeder Schlag war ein Treffer und hieb mit solcher Kraft in den Stamm des Baumes, dass sich die Kerbe, die er zeichnete, deutlich schneller vergrößerte als bei seinen Angestellten. Dieser Mann war ein Chef, der wusste, was seine Leute taten und jeden Tag leisteten und er war sich nicht zu schade, selbst mit anzupacken und zu helfen, wenn es notwendig war.

Sie fühlte sich an ihre Familie erinnert und an die Jungen und Männer ihres Clans, die Bäume zur Holzbeschaffung gefällt hatten. Innerhalb ihres Clans hatte jeder seine Aufgabe gehabt und Giselle hatte ihnen manchmal zugesehen, wenn sie durch die Wälder gestreift war und auf eine Gruppe von ihnen gestoßen war. Exodus war keiner von ihnen, doch er weckte diese Erinnerung in ihr, was ein gutes Gefühl war.

Als der Baum fiel – der Erste, seit die Leute der Wingston Corporation ihre Arbeit wieder aufgenommen hatten – war die Zufriedenheit auf Exodus' Gesicht nicht zu übersehen, ebensowenig wie das Erstaunen seiner Mitarbeiter. Giselle hingegen lächelte. Nach dieser beachtlichen Leistung hatte er sich Lob verdient. Die Schweißperlen standen ihm noch vereinzelt auf der Stirn, als er auf sie zu kam und Giselle bedauerte, dass sie nichts zu trinken für ihn dabei hatte. Die auf sich genommene Anstrengung hätte er sicherlich gerne in einer großen Flasche Wasser ertränkt.


“Mein Kompliment.“

Staunte Giselle.

“Sie haben ein ganz schönes Tempo vorgelegt.“

Ihr abschätzender Blick glitt hinüber zu ihren nichtmenschlichen Kollegen.

“Das muss Ihnen erst einmal jemand nachmachen.“

Lächelnd reichte sie ihm sein Hemd zurück. Heute hatte sie bereits einiges über Exodus Wingston gelernt und ihre neueste Erkenntnis war, dass er kräftig mit anpacken konnte, wenn Not am Mann war. Sehr kräftig sogar.

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[ Fresia – Fingers Mark – Palm Island – Dschungel | mit Giselle ]

Eigentlich war es für Exodus Wingston kein unnatürliches Gefühl, Frauen zu beeindrucken. Cloé Cortina hatte er mit seiner Mühe um ihr Date, welches eigentlich für ihre Schwester Noa gedacht gewesen war, beeindrucken können. Serah war schlicht von seinem Status beeindruckt gewesen und Bex vermutlich ebenfalls von seinem weltmännischen Auftreten. Nichts davon hatte bei Giselle bisher gezogen. Sein Geld, sein Status, sein Auftreten, das alles hatte sie mehr oder weniger ungerührt quittiert. Jetzt hatte er den Eindruck, es tatsächlich geschafft zu haben und zwar mit einer Banalität: Er hatte einen Baum gefällt.
Beim Anblick ihres staunenden Lächelns zogen sich auch seine Mundwinkel weiter nach oben. Ihr Kompliment quittierte er artig mit einem Nicken:


„Vielen Dank.“

Ihm gefiel das Lächeln auf ihrem Gesicht wesentlich besser als der geschäftsmäßige ernste Ausdruck, den er während der Arbeit mit ihr schon häufig gesehen hatte. Natürlich war er dankbar für ihre Hilfe, gerade beim Mon Calamari Zwischenfall hatte sie gute Arbeit geleistet. Nur das Lächeln, das hatte ihm in diesem Moment gefehlt. Aber so war das wohl mit einem Job, er selbst hatte diese zwei Seiten ja auch: Der Profi und der Privatmann Exodus Wingston. Es ging nicht immer beides, auch wenn er es in Giselles Fall schon häufiger bedauert hatte. Aber das hatte er sich selbst eingebrockt.
Und so musste sich der Profi und Chef Exodus auch seinen anderen Mitarbeitern, den Nautolanern, zuwenden. Sie sahen nicht weniger beeindruckt aus, wenn auch auf eine unzufriedenere Art und Weise. Er hatte sie bloßgestellt oder zumindest könnten sie es so empfunden haben. Gleichzeitig hatte er ihnen Arbeit abgenommen, also brauchten sie keine Schnuten ziehen. Er richtete noch knappe Worte an die kleine Gruppe, gab ihnen Anweisungen, wieviele Baumstämme sie wohl bräuchten und machte sich anschließend – Giselle hatte ihm das Hemd zurückgegeben, also konnte er wohl davon ausgehen, dass sie mit der Vorstellung zufrieden gewesen war – wieder auf den Rückweg zum Camp.

Im Camp angekommen stellten Exodus und seine Assistentin zufrieden fest, wie zügig die Arbeiten vorangegangen waren. Die Elektronik war fast abgebaut und sie halfen mit, die letzten Lampen ins Trockene zu bringen. Nach einer Weile traf auch die Gruppe um Jost Fleetfire mit Materialien aus Hill City ein und die Baumfäller-Truppe kam schneller als erwartet mit dem Holz zum Camp zurück. Vielleicht hatte sie Exodus‘ Vorstellung ja zu neuen Höchstleistungen angespornt. Alle gemeinsam packten sie an – die Nautolaner, eine Hand voll Menschen und eine einzelne, bildhübsche, attraktive und anziehende, Vahla.

Sie schlossen die Arbeiten erst ab, als der Himmel nur noch eine einzige graue Decke bildete und die ersten Regentropfen schon lange gefallen waren. Dafür waren sie fertig, das Projekt vorerst gerettet – sollte nichts unvorhergesehenes mehr passieren. Nur waren ihre weiteren Pläne so natürlich unbrauchbar. Nach einer kurzen Absprache mit Giselle schnappte sich Exodus einen kleinen Stimmverstärker, den er im Verwaltungszelt gefunden hatte und stellte sich in den noch sanften Regen auf die Mitte des Platzes. Das Gerät an seinen Hals drückend fing er an zu sprechen. Seine Worte wurden deutlich hörbar für alle Anwesenden durch das Gerät wiedergegeben. Irgendwie schaffte es dieses Ding von Wundertechnik ihm selbst nicht lärmend in den Ohren zu liegen, aber gleichzeitig eine erstaunliche Lautstärke zu generieren.


„Alle mal herhören. Bevor wir den Tag abschließen, habe ich noch ein paar Dinge zur weiteren Planung zu sagen. Erst einmal: Danke für euren Einsatz. Wir haben es gemeinsam geschafft, dieses Projekt am Leben zu erhalten und ich bin sehr froh darüber. Allerdings stellt uns diese neue Entwicklung vor ein paar Probleme. Miss Givenchy hat mir erklärt, dass die Regenphase in ihrer Intensität immer wieder variiert. Es gibt normale Phasen – wie jetzt – und stärkere Stürme. Bei diesen Stürmen fährt niemand raus aufs Meer. Wir arbeiten nur in den ruhigeren Phasen. Das hat ein wenig mehr Freizeit zur Folge.“

Ihr Plan, ab jetzt das Tempo im Camp etwas anzuziehen, war damit vorerst gescheitert. Trotzdem setzte er ein Lächeln auf.

„Aber das wird wohl niemanden stören. Ich werde morgen nach Absprache mit Miss Givenchy und den Piloten der Gleiter noch einmal ansagen, wie der Tagesplan aussieht. Eventuell wird sie sich auch einzeln bei den Betreffenden melden. Ansonsten bleibt nur noch zu sagen: Ruht euch alle aus, der Tag war anstrengend genug und wir wissen nicht, was in den nächsten Tagen noch auf uns wartet. Noch einmal: Vielen Dank, das war gute Arbeit.“

Während er gesprochen hatte, waren die Mitarbeiter in einem Halbkreis um ihn herumstehend dazu gekommen. Den Nautolanern machte der Regen nichts aus und da die meisten von ihnen mit freiem Oberkörper herumliefen, hatten sie auch nicht das Problem durchnässter Kleidung. Ganz im Gegensatz zu Exodus, dessen Hemd sich mittlerweile voller Wasser gesogen hatte. Von seiner Nasenspitze perlten dicke Tropfen des Regens und die Haare klebten an seiner Stirn. Ein letztes Nicken in die Runde, dann deaktiverte er den Stimmverstärker wieder, brachte ihn gewissenhaft ins Verwaltungszelt zurück und schickte sich an, in seine eigene Hütte zu verschwinden. Er hätte den Abend gerne wieder mit Giselle verbracht, doch sah er keine Chance, das zu bewerkstelligen. Es gab diese durchsichtige Barriere zwischen ihm und dem Rest der Crew. Er war der Chef, Giselle aber war eine von ihnen und so fühlte es sich falsch an, die ganze Nacht bei den Nautolanern zu sitzen, nur um die Chance zu haben, seiner Assistentin nah zu sein. Zumal das - Giselle hin oder her – bei diesem Wetter sowieso keine berauschende Aussicht war.

So endete der Tag, wie er begonnen hatte: Exodus lag allein in seinem Bett in der kleinen Hütte des Projektleiters. Nur mit einem Unterschied: Draußen regnete es, als ginge die Welt unter. Seine letzten Gedanken des Tages galten Giselle und ihrem Geheimnis. Er hatte heute im Dschungel die Macht eingesetzt um sie zu beeindrucken. Schon wieder. Das war gar nicht gut. Nur: Was blieb ihm anderes übrig? Er hatte keine andere Wahl, als sie zu erobern.


[ Fresia – Fingers Mark – Palm Island – Strand – Camp | allein ]
 
- Fresia – Fingers Mark – Palm Island – Camp – Giselles Zelt -

Plopp. Plopp. Plopp. Plopp. Plopp. Regentropfen prasselten auf die Abdeckung des Zeltes. Giselles Augen waren geschlossen, doch sie schlief nicht. Sie mochte das Geräusch von Regen und lauschte andächtig, den Rhythmus dieses unnachahmlichen Gesangs in sich aufnehmend. Sie konnte förmlich spüren, wie draußen Teile des Dschungels zu neuem Leben erwachten, die in der langen Zeit der Hitze tief vergraben in der Erde gewartet hatten, dass die Natur neuen Nährstoff erhielt. Sonne und Regen im Wechsel, das bedeutete auf Fresia der Wandel von einem Extrem ins nächste. Neben Giselle bewegte sich Sou im Schlaf. Die Nautolanerinnen waren ruhige Kameradinnen, die nicht viel sprachen, jedenfalls nicht mit Giselle. Die Vahla faltete die Hände über der Brust, sie lag auf dem Rücken. Über ihr bewegte sich die tiefgrauen Wolken. Die Menschen pflegten zu sagen, es sei der Himmel, der weinte, wenn es regnete. Auf Giselles Lippen zauberte er jedoch ein zufriedenes Lächeln.

Sie schlief gut und fühlte sich am nächsten Morgen ausgeruhter denn je. Die Temperaturen waren merklich gesunken, aber noch immer warm genug, um in kurzer Kleidung, oder – im Falle der männlichen Nautolaner – mit freiem Oberkörper herum zu laufen. Die drückende Hitze war jedoch verschwunden und dies war eine angenehme Abwechslung. Der Platz um das große Lagerfeuer war so gut wie leer. Es gab ein Versorgungszelt, etwas abseits von den Schlafzelten der Arbeiter, in dem das Frühtsück aufgebaut worden war. Hier hatten sich die meisten der Nautolaner und Menschen eingefunden. Es hatte in der Nacht nicht gestürmt, nur kontinuierlich durch geregnet, mal mehr und mal weniger. Die wahre Prüfung, so dachte Giselle, stand dem Lager also erst noch bevor. Da es im Augenblick noch möglich war, hinaus aufs Meer zu fahren, legte der Wassergleiter schon bald ab. Derweil beschlossen Exodus und Giselle, ihre Arbeit im Verwaltungszelt weiter aufzunehmen, die sie gestern vorzeitig hatten unterbrechen müssen. Es gab noch immer einiges zu tun und zu ordnen. Der Regen prasselte, nach einer kurzen Unterbrechung während des Frühstücks, weiter munter vor sich hin, während sie gemeinsam, wie auch schon am Vortag, vor dem Terminal saßen. Sie saßen noch nicht lange, kaum zwei Stunden, als es in der Ferne zu grollen begann. Gleichermaßen alarmiert sahen die Vahla und ihr Chef auf. Mit einem Gewitter war zu rechnen gewesen und hier schien es sich bereits anzukündigen. Mit jeder Minute, die verstrich, nahm der Donner an Lautstärke zu und auch die Blitze, die dann und wann vor den mit durchsichtigen Planen bezogenen Fenstern des Zeltes vorbei zuckten, kamen in immer kürzer werdenden Abständen. Als das Gewitter schließlich immer stärker wurde, beschloss Exodus, dass Terminal auszuschalten – für den Falle. Dass er diese Entscheidung traf, rettete den Computer, denn nur wenige Minuten später vibrierte es zischend in der Luft, Giselle glaubte, ein grelles Zucken direkt vor ihren Augen wahrzunehmen, und das künstliche Licht um sie herum erlosch.


“Das... sieht nicht gut aus.“

Bemerkte Giselle und betätigte versuchweise den Lichtschalter. Nichts. Es sah ganz so aus, als hätte der Blitz einen der Stromgeneratoren getroffen.

“Nun...“ Sagte sie, sich darüber bewusst, dass sie ohne Terminal und ohne Strom nicht weit kommen würden.

“Immerhin hat es den Computer nicht erwischt. Die Daten bleiben uns also erhalten, für später.“

- Fresia – Fingers Mark – Palm Island – Camp – Verwaltungszelt – Mit Exodus -
 
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