Quarzite

Quarzite || Velrinax Distrikt || Bauabschnitt Peth || Calix Maro und Bauarbeitende

Er hatte schon viele Tunnel gesehen. Aber keiner war wie dieser. Die Station unter dem Velrinax-Distrikt lag wie eine offene, geschundene Wunde im lebenden Gestein Quarzites. Was einst natürliche Adern aus violett schimmernden Kristallen gewesen waren, die im Atem des Planeten leuchteten, war heute ein unterirdischer Brückenkopf des Imperiums. Nicht mit Gewalt gebaut, sondern mit Gleichgültigkeit. Es war nicht das, was zerstört worden war, das Calix so tief berührte. Es war das, was erstickt worden war.
Der Agent des Geheimdienstes der Neuen Republik stand auf einer erhöhten Versorgungsplattform, verborgen im Schatten eines stillgelegten Lüftungsaggregats. Von hier aus übersah er die halbfertige Trasse, auf der Arbeiter in tristen Uniformen sich wie bleiche Insekten zwischen metallischen Rippen bewegten. Der Lichtschein war künstlich und kalt, flackernd auf den glattgeschliffenen Tunnelwänden, deren natürlicher Glanz von Staub und Laserschnitt überdeckt war. Trägerbalken spannten sich wie eiserne Kiefer über die Strecke. Jede Bewegung schien unter Beobachtung zu stehen, und dennoch, niemand sah wirklich hin.

Der Kage richtete das Sichtmodul seines Helms. Der Blick schärfte sich, überlagerte thermale Marker mit digitalem Rauschen. Zwei Ingenieurstrupps, drei automatisierte Versorgungsdroiden, ein Offizier in Zivil. Seine Uniform nicht sichtbar, aber der Gang, der Blick, das Verhältnis zur Umgebung verrieten ihn. Ein Mann, der nicht arbeitete, sondern kontrollierte. „Der Apparat bleibt träge, bis du ihm einen Dorn setzt. Dann dreht er sich. Dann reißt er alles nieder, was er nicht versteht.“ dachte er süffisant. Das war etwas, dass er sich nicht oft erlaubte, doch lebte man wahrscheinlich nur einmal. Sein Herz schlug ruhig. Kein Adrenalinschub, keine zittrige Erwartung. Nur diese seltsame, stählerne Klarheit, die ihn jedes Mal überkam, wenn der Moment kam. Es war keine Gier nach Gefahr, sondern eine seltsame Vertrautheit, als würde er erst im Zentrum des Risikos vollständig anwesend sein.

Die Dienstkleidung, die er trug, war grau, schmucklos, mit dem Schweißgeruch echter Arbeit durchzogen. Seine Papiere waren perfekt, sein Ausdruck kontrolliert, seine Bewegungen zwischen unauffällig und unsichtbar. Er war einer von ihnen. Nur ein Schatten mit Aufgabe. Der Zugang zum Rechenknoten befand sich hinter einer unscheinbaren Versorgungswand, maskiert durch Stapel aus Energiezellen und defekten Verteilerkabeln. Calix öffnete die Klappe mit einem gezielten Impuls aus seinem Imitationsgerät. Kein Ton. Kein Alarm. Nur ein leises Klicken wie der Atem eines sterbenden Tieres. Dahinter: Ein kleiner Serviceraum, kaum größer als eine Kabine, erfüllt vom monotonen Summen still arbeitender Kernmodule. Der Geruch war metallisch, alt, elektrisch geladen. Licht kam nur von einem blinkenden Statusfeld in der Wand. Die Luft war abgestanden. Für andere wäre dieser Ort ein Schacht gewesen. Für Agent Onyx war er Bühne und Zuflucht zugleich.

Der Rechenknoten lag hinter einer einfachen Zugangsklappe, flankiert von zwei ungenutzten Energiekammern. Ein Ort, der auf keiner offiziellen Liste erschien, weil er nicht existieren sollte. Genau deswegen war er perfekt. Calix ließ die Klappe lautlos einrasten. Er öffnete eine schwarze Transportbox, die er mitgebracht hatte. Der Impulsgeber darin sah harmlos aus. Eine konturlose, matte Scheibe mit eingelassener Klinge für das Fusionsgitter.
Mit geübten Bewegungen befestigte er das Gerät am zentralen Verstärkerknoten. Er montierte das Gerät mit präzisen Griffen. Jeder Handgriff war vorab hundertfach im Kopf durchgespielt worden. Er kannte die Sequenzen besser als die Linien auf seiner eigenen Handfläche. Als der letzte Kontakt eingerastet war, trat er zurück und prüfte ein letztes Mal.
Kein Licht, keine akustischen Signale. Wenn das Modul seine Arbeit tat, würde man es nicht hören. Man würde es auch nicht gleich sehen. Man würde es erst spüren, wenn es bereits zu spät war. „Kein Knall. Keine Flammen. Nur ein Verstärker, der langsam seinen Takt verliert. Ein System, das sich selbst infrage stellt.“ dachte sich der Agent und überprüfte das Gerät nochmal ausgiebig. Der Impulsgeber, den er bei sich trug, war kaum größer als ein Datenmodul, jedoch mit einem eingebetteten thermischen Transduktor ausgestattet. Kein Sprengsatz. Kein Blitz. Nur ein unmerklicher Stromausbruch, der die Signalverstärker nicht zerstören, sondern langsam überhitzen und ausfallen lassen würde. Wie ein Virus, der sich nicht bemerkbar machte, bevor es zu spät war. Die Temperatur würde steigen. Die Übertragungsrate fluktuieren. Fehlerprotokolle würden aufploppen, dann wieder verschwinden. Dann würde Stille einkehren. Nicht die meditative, sondern die alarmierende Stille. Die Informationsadern würden versiegt. Kein Signal. Kein Monitoring. Kein Rückkanal. In einer imperialen Infrastruktur war das schlimmer als eine Explosion. Denn es bedeutete: Kontrollverlust. Der schlimmste Feind des Galaktischen Imperiums. Und das, wusste Calix, war der Anfang von allem.

„In vier Stunden werden sie keine Signale mehr senden. Keine Standortdaten. Keine Logistikweiterleitungen. Kein taktischer Rückkanal. Die Kommunikationsader dieser Sektion wird nicht zerreißen. Sie wird einfach verschwinden. Leise. Und genau das wird das Imperium in Panik versetzen. Sie werden Ressourcen verschieben. Truppen umlenken. Verantwortliche degradieren. Ihre eigenen Leute verdächtigen. Und während sie intern zu bröckeln beginnen, entstehen Lücken. Öffnungen für das, was kommen muss.“ dachte er weiter, ermahnte sich selbst zur Konzentration und besah sein Werk nochmal abschließend.
Die imperiale Verwaltung auf Quarzite war bereits überdehnt, von Widerstandsnestern im Umland und Streiks unterdrückter Arbeiter geschwächt. Eine unterbrochene Bahnverbindung mitten in einem strategischen Sektor würde alles ins Wanken bringen. Es würde Personalverlagerungen geben. Notfallkomitees. Misstrauen unter den Offizieren. Und vor allem würde es neue Lücken schaffen. Er richtete sich auf, überprüfte ein letztes Mal die Umgebung. Alles war dort, wo es sein sollte. Niemand hatte ihn gesehen. Keine Kameralinse, kein Sensor war auf ihn gerichtet. Nur die Systeme atmeten, gleichmütig, als würden sie schlafen.

Mit einer flinken Handbewegung schloss der Agent die Zugangsklappe, drehte sich um und sah das Flackern. Es kam von oben. Die Paneele des Seitengangs pulsieren. Zuerst dachte er an einen Energieschub. Drei Impulse. Kurze Pause. Drei weitere. Quarzite war alt, und selbst imperiale Technik bückte sich irgendwann vor Geologie. Aber etwas an der Frequenz war nicht zufällig. Es war kein Ausfall. Gleichmäßig. Und wiederholt. Doch dann erkannte er das Muster.

Nicht zufällig.

Er folgte dem Licht mit den Augen. Da war sie, eine kleine, schwebende Wartungsdrohne, reglos unter dem Dach der Förderstrecke. Kein Standardmodell. Keine Seriennummer. Nicht imperial. Nicht blind. Die Linse auf ihn gerichtet. Nicht aggressiv, aber aktiv. Kein Schuss. Kein Alarm. Nur Blickkontakt. Ein digitales Auge in einem analogen Moment. Er wandte sich ab. Keine Hast. Keine Panik. Doch in ihm arbeitete bereits die nächste Entscheidung.

Die Sequenz war ausgelöst, die Spur verwischt. Niemand würde das Gerät finden, nicht in den nächsten Stunden. Und wenn doch, würde es längst zu spät sein. Alles lief weiter. Die Station atmete. Die Menschen arbeiteten. Der Weg nach oben war eng. Wie ein Raubtier auf der Pirsch verschmolz der ehemalige Kage Warrior mit dem Schatten der Infrastruktur, schlüpfte in die Versorgungsröhre, aus der er gekommen war. Kein Blick zurück. ein Beschleunigen des Schrittes. Nur der feste, kontrollierte Gang eines Mannes, der sich an das Licht gewöhnt hatte, weil er wusste, dass es ihn nicht schützen würde. Eine Reihe Wartungstreppen führte ihn zurück auf die mittlere Serviceebene. Dort stand, unscheinbar geparkt, was wie ein Wartungsfahrzeug aussah. Doch unter der Hülle verbarg sich ein umgebautes Fluggerät ziviler Bauart. Eine alte STAP, entwaffnet, entmilitarisiert, aber schnell, wendig und vor allem: leise. Er hatte sie selbst modifiziert, angepasst an die engen Schächte und spärlichen Öffnungen Quarzites. Keine Offensivsysteme, aber genug Schub, um dem Zugriff zu entkommen, wenn er kommen sollte.

Der Kage stieg auf, aktivierte die Schwebefunktion. Das Triebwerk brummte, kaum hörbar. Die Konsole flackerte kurz, dann stabilisierte sich der Energiefluss. Die STAP stieg empor, als wäre sie nur eine weitere Reparatureinheit auf Patrouille. Unter ihm verschwand der Rechenknoten. In der Tiefe arbeitete der Impuls bereits. „Die Ruhe wird täuschen. Die Unruhe wird wachsen. Und wenn sie nach dem Lärm suchen, werden sie ihn nicht finden.“

Er schwenkte in eine Nebenschlucht, ließ den Luftraum hinter sich. Nur noch Stille. Nur noch Dunkelheit. Der Tunnel nahm ihn auf wie einen verlorenen Sohn.

Der Anschlag war erfolgreich. Doch während er in der Dunkelheit verschwand, blieb ein Gedanke zurück. Ein schmaler Schnitt durch die makellose Oberfläche des Plans. Irgendwo da draußen, das wusste Calix Maro nun, war jemand wach. Nicht ein System. Nicht ein Protokoll.

Jemand.

Und wer zusieht, beginnt irgendwann, Fragen zu stellen.


Quarzite || Velrinax Distrikt || Bauabschnitt Peth || Calix Maro und Bauarbeitende
 
Quarzite || Velrinax Distrikt || Bauabschnitt Peth || Calix Maro und Bauarbeitende

Die Plattform glitt tiefer in den vergessenen Versorgungstunnel hinein, der in das Herz Quarzites führte. Ein Ort, den kaum jemand freiwillig betrat, weil die alten Leitungen surrten, als würden sie noch immer leben, und die Kristalladern an den Wänden einen matten Schimmer abgaben, der jede Bewegung in verzerrten Spiegelungen zurückwarf. Calix wusste, dass das seine beste Deckung war – das Ungewisse, das Rauschen, das die Sinne täuschte. Der Gleiter schnitt lautlos durch die unterirdischen Hallen, getragen von einem kalten Luftstrom, der aus den Schächten der Förderwerke strömte. Unter ihm glitzerten die scharfkantigen Kristalle, die sich wie Messer im Licht brachen. Calix hielt das Steuer fest, spürte, wie die Plattform bei jeder kleinsten Bewegung vibrierte. Er zwang sich zur Ruhe. Geschwindigkeit war ein Rausch, aber heute war sie nur Mittel zum Zweck. Er musste Distanz schaffen, bevor die imperiale Sicherheit überhaupt begriff, dass es kein technisches Versagen, sondern Sabotage war, das ihre Bauarbeiten lähmte.

Die Tunnel unter Quarzite rauschten an ihm vorbei, während der STAP surrend durch die engen Schächte glitt. Calix’ goldene Augen huschten über die Anzeigen seines Cockpits, doch er starrte öfter in die Finsternis als auf die Daten. Er fühlte es. Nicht nur das Dröhnen des Antriebs unter ihm oder das vertraute Vibrieren der schmalen Plattform, sondern eine Präsenz hinter sich. Kein lautloses Atmen, keine Schritte, sondern etwas Kaltes, Mechanisches. Seine Hände lagen fest am Steuer, doch er warf Blick zurück. Kaum merklich war sie noch da, die Drohne. Ein schwaches Pulsieren, ein Signal, das nicht aus der Zentrale stammte. Zunächst wirkte es wie Störung, aber Calix war zu lange in diesem Geschäft, um Zufälle zu glauben. Das Muster hatte Struktur, wenn auch roh, fast hastig gesendet, wie von jemandem, der die Technik beherrschte, aber nicht die Disziplin.

Die Drohne war wieder da.

Sie hielt sich im Schatten der Seitenkanäle, schien seine Geschwindigkeit zu spiegeln, immer gerade so weit entfernt, dass er sie nicht frontal erfassen konnte. Sie hatte ihn zuvor schon beobachtet, sich im Schatten der Tunnel gehalten, als wäre sie nur ein Phantom, eine Einbildung. Doch jetzt war sie real. Agent Onyx wusste, dass sie da war, auch wenn er nur gelegentlich einen Reflex aufblitzen sah, ein kleines, metallisches Schimmern im violetten Dunst. Sie folgte ihm, nicht aggressiv, sondern präzise. So wie man ein Tier verfolgt, das man nicht aufschrecken will. Kein imperialer Suchdroide, kein offizielles Modell, das erkannte er sofort an der Art, wie sie sich bewegte. Dieses anorganische Wesen ging zu vorsichtig und zu taktisch vor. Imperiale Drohnen waren plump, rein funktional. Diese hier hatte einen Auftrag, und er war der Auftrag.
Er zog die Steuerhebel nach vorn, beschleunigte, spürte das Vibrieren des Repulsorantriebs, als der STAP die Geschwindigkeit in gefährliche Bereiche trieb. Die Tunnelwände rasten nun mit solcher Wucht an ihm vorbei, dass sie wie ein Strom aus Kristall und Schatten wirkten. Doch die Drohne hielt Schritt. Nicht sichtbar, nicht eindeutig, aber spürbar, immer hinter ihm.

„Jemand will mich sehen. Nicht fangen oder nicht töten, sondern beobachten.“ Der Gedanke schnitt wie eine Klinge in seinen Hinterkopf. „Warum folgst du mir? Wer hat dich geschickt?“ Seine Gedanken waren ruhig, fast sachlich. Calix redete selten mit sich selbst, doch in Momenten wie diesem war es seine Art, sich zu fokussieren. Die Fragen lenkten den Geist, hielten ihn wachsam.

Er bog in einen Seitenarm ein, ließ den STAP in eine scharfe Linkskurve kippen, dass die Plattform fast die Wand streifte. Kristallstaub wirbelte auf, funkelte wie winzige Sterne in der Finsternis. Für einen Moment glaubte er, die Drohne abgehängt zu haben. Doch als er in den Rückraum des Spiegels seines Helms blickte, war da wieder dieses matte Flackern. Sie war noch da. Er beschleunigte soweit, dass ihm der Fahrtwind wie kalte Nadeln ins Gesicht drückte, doch das Summen hinter ihm wich nicht. Die Drohne folgte, hielt Distanz, fast so, als wüsste sie, dass er sie bemerkte.

Das bedeutete, dass sie nicht nur ein Beobachter war, sondern auch mit ihm spielte. Er presste die Lippen zusammen, dann entschied er sich. Er würde sie zwingen, einen Fehler zu machen. Die nächste Abzweigung kam schneller, als man sie erwarten konnte. Der Tunnel verengte sich, führte in eine Röhre, die kaum breit genug war für den STAP. Der Kage schaltete die Energieversorgung auf einen Schlag herunter, ließ den Antrieb kurz stottern und schoss dann mit einem abrupten Schub wieder nach vorn. Der Effekt war so, wie er es beabsichtigt hatte: Der STAP schien zu taumeln, als würde er in den Wänden zerschellen, doch in Wirklichkeit fing er sich im letzten Moment. Die Drohne, die seinem Kurs gefolgt war, überschoss.
Rasant bog Agent Onys in eine seitliche Röhre ein, deren Kristallwände in violetten Splittern aufblitzten, als der Repulsorantrieb sie streifte. Er zwang den STAP in eine abrupte Wende, ließ das Gefährt seitlich kippen und kurzzeitig fast stillstehen. Der Manöverstoß reichte. Die Drohne überschoss, taumelte im Magnetfeld der Gänge und musste ihre Triebwerke nachkorrigieren. Für Sekundenbruchteile war sie in Reichweite und Agent Onyx ließ die Gelegenheit nicht ungenutzt.

Mit einer Bewegung, die er schon hundertfach im Training ausgeführt hatte, zog er das
FD-62 Entschlüsseler aus der Halterung an seiner Hüfte, riss eine Leitung lose und klinkte sie direkt in die Verstärkerbuchse seines Stromkreisunterbrechers. Das Gerät war nicht für so etwas gebaut, aber er wusste, wie man einen Spiegel bastelte, wenn man nur ein Fragment eines Signals erwischte. Während er die Drohne im Sichtfeld hielt, zwang er das Gerät, ihre Übertragungsfrequenz aufzufangen.
Rauschen. Flimmern. Schwarze Linien, die wie Spalten durch sein Sichtfeld zogen. Dann Bruchstücke: Ein verzerrtes Bild von ihm selbst, eingefangen aus der Distanz. Seine Silhouette auf dem STAP, in der kalten Sprache einer Maschine. Ein zweites Standbild, verschwommen, zeigte sein Gesicht, aber nur zur Hälfte, goldenes Auge und der Rest im Schatten. Es war, als würde er sich selbst von außen betrachten, ein Fremder, der er nicht sein wollte. Er spürte bei der Erkenntnis ein Stechen in der Schläfe. Es war nicht nur eine Aufnahme. Es war eine Übertragung. Die Drohne schickte die Bilder weiter. Wohin, das konnte er nicht sagen. Aber jemand dort draußen sah ihn gerade. Nicht sein Schatten, nicht eine vage Spur, sondern ihn selbst, in diesem Moment.

Er biss die Zähne zusammen. Wer immer diese Drohne geschickt hatte, wusste, wer er war. Nicht nur irgendein Schatten im Tunnel, sondern er.

Die Verbindung brach ab. Ein letztes Standbild, dann war die Drohne fort, abrupt in einer Seitenspalte verschwunden, als hätte sie sich selbst gelöscht. Zurück blieb nur das Summen seines STAP, das Echo der Kristalle und das Knacken des Imitationsgeräts, das überhitzte und schwach nach verbranntem Isoliermaterial roch. Das Gerät überlastete, war es doch für eine solche Spiegelung nicht gebaut.
Calix atmete tief durch. Sein Herz schlug schneller, doch nicht vor Angst, sondern vor Erkenntnis. Wer Drohnen einsetzte, setzte auch Netzwerke ein. Wer Netzwerke einsetzte, hinterließ Spuren. Aber Spuren auf Quarzite waren trügerisch, denn sie konnten zum Galaktischen Imperium, alten Belugan Minenkartellen, Schmugglerclans oder zu jemandem führen, der in den Schatten spielte wie er selbst.

Angespannt atmete der Agent der Neuen Republik tief durch, drosselte die Geschwindigkeit des STAP und glitt in einen ruhigeren Tunnel. Jemand wusste, wer er war. Jemand hatte die Mittel, eine Drohne auf Quarzite einzuschleusen, die weder imperial noch republikanisch wirkte, sondern autonom, fast schon präziser als alles, was er bisher gesehen hatte. Seine Gedanken rasten. War er noch Jäger oder bereits Beute? Hatte er die Drohne wirklich abgeschüttelt oder hatte sie ihn genau dorthin geführt, wo ihr Besitzer ihn haben wollte? Wer Bilder hatte, konnte Dossiers anlegen. Wer Dossiers anlegte, bereitete etwas vor. Kompromat war eine tödlichere Waffe als jeder Blasterkarabiner.

Die Kristallwände begannen in mattem Violett zu glühen, als sich der Tunnel öffnete und in eine Kammer führte, die zu groß, zu still und zu leer war. Die Kristalle hier waren größer, funkelten in mattem Violett. Das Geräusch des Repulsors hallte zurück, vervielfacht durch die Kristallwände, sodass er den Eindruck hatte, nicht allein zu sein. Dann bemerkte er es: Ein zweites, einzelnes rotes Licht. Winzig und pulsierend, am Rand der Kammer. Nicht groß genug für eine Drohne, nicht sichtbar genug für einen Sender, eher das Echo eines Signals, das nur für ihn bestimmt war. Er bremste den STAP ab, ließ ihn schweben und blieb reglos. Calix’ Finger strich über den kühlen Griff seines A280-CFE Blasters. Nicht weil er vorhatte zu ziehen, sondern weil er wusste, dass er es bald könnte müssen.

Also doch kein Beobachter. Eher ein Bote. Doch was, wenn die Botschaft eine Falle war? Er wusste, dass er den Punkt erreicht hatte, an dem alles kippen konnte. Das Licht blinkte weiter. Einmal, zweimal, dann eine Pause, dann wieder. Ein Rhythmus.


„Ein Signal“, murmelte er kaum hörbar. „Aber für wen? Für mich, oder für jemanden, der mir folgt?“

Die Stille drückte auf ihn, nur unterbrochen von seinem eigenen Atem.

Der Kage wusste, dass dies keine Nachricht war. Es war ein Köder. Die Drohne hatte ihn hierhergeführt, und nun wartete jemand, dass er den nächsten Schritt tat.

Langsam zog er das Elektrofernglas, aktivierte es und richtete es auf das rote Licht. Die Linsen schärften sich, filterten Störstrahlung heraus, doch was er sah, war nicht weniger rätselhaft: kein Gerät im klassischen Sinn, sondern ein kleiner Kristallsplitter, in dessen Innerem das Licht pulsierte.

Eine improvisierte Technik, gebaut, um Aufmerksamkeit zu binden.

Seine Gedanken rasten. War dies ein Zeichen eines Mitspielers, der ihn testen wollte? Oder die Markierung für einen Hinterhalt?

Die Antwort blieb aus. Nur das rote Licht blinkte weiter, als würde es ihn verspotten.


Quarzite || Velrinax Distrikt || Kristallhöhlen || Calix Maro und Drohne
 
[Quarzite | Blanks Festung | Villa des Gouverneurs] Kanto Garison, Mellis Nival (NPC)


Die persönliche Kammerdienerin, Mellis Nival, half dem Gouverneur gerade in seine Uniform, als die Tür hinter ihm mit einem weichen Zischen aufglitt. Es gab nur zwei Personen, die unangekündigt in den privaten Bereich der Villa eintraten und eine davon befand sich schon vor ihm.

„Was gibt es, Halcyon?“, fragte der Gouverneur seinen Berater.

Halcyon Rak räusperte sich.
„Ich habe möglicherweise einen Agenten gefunden, der sich um die reaktionäre Bewegung der Kage kümmern kann. Ein Mandalorianer namens Glogh‘amir’obono, Rufnahme Ghamiro. Ich habe bereits einige Nachforschungen angestellt. Der Mann hat noch keinen großen Ruf und auch mit seinem Clan hatte das Imperium bisher keine Kontakte. Zumindest gab es keine Einträge. Angesichts der schlechten Bewerberlage handelt es sich trotzdem um den geeignetsten Bewerber.“

Mellis Nival war mit der Garderobe des Gouverneurs zufrieden und quittierte dies mit einem kurzen Lächeln. Kanto drehte sich zu seinem Berater herum.

„Sind die Mandaloriener nicht bekannt für Zuverlässigkeit und Ehrgefühl?“

„So heißt es, ja.“

Kanto nickte und ging zum Ausgang der Villa. „Dann schicke ihm eine Nachricht, dass er sich schnellstmöglich hier melden soll.“

Halcyon Rak begleitete ihn zum Ausgang. „Da ist noch etwas. Eine Unregelmäßigkeit auf der Baustelle der Untergrundbahn im Velrinax Distrikt.“

Kanto blieb stehen. „Eine Unregelmäßigkeit? Was soll das heißen?“

„Wir erhalten seit einer halben Stunde keine Nachrichten mehr von dort. Auch keine automatischen Statusupdates. Und unsere Anfragen scheinen ins Nichts zu laufen.“

„Ein Stromausfall?“, mutmaßte Kanto.

Halcyon zuckte die Schulter.
„Schwer zu sagen. Aber es könnte auch etwas mit dem zu tun haben, was unser Spion angedeutet hat. Vielleicht denken sie, jetzt, da es einen Machtwechsel an der Führungsspitze des Imperiums gibt, ist eine gute Gelegenheit, Chaos zu stiften.“

Kantos ansonsten ebenmäßigen Züge verhärteten sich. „Also gut. Ich werde Hauptmann Zeerl sofort seine Soldaten sammeln lassen. Falls wirklich die Kage dahinterstecken, können wir vielleicht noch jemanden schnappen, wenn wir schnell sind!“

Sie eilte die Stufen vor der Villa hinab, während sie weitersprachen.

„Hauptmann Zeerl befindet sich gerade in Bannista, um Dr. Vox ihr zukünftiges Labor zu zeigen“, entgegnete Halcyon.

„Auch gut. Dann schicke seinem Leutnant eine entsprechende Nachricht. Und Zeerl soll uns am Untergrundbahnhof beim Turbolift treffen, das liegt auf halbem Weg.“


Kurz darauf erreichten sie den Bahnhof von Blanks Festung. Sie würden noch ein paar Minuten auf die Sturmtruppen warten müssen, die sie zu der Baustelle begleiten sollten. Kanto bestieg den kleinen Passagierzug, den er erst kürzlich für sich und sein Personal umrüsten hatte lassen. Er bestand nur aus dem Triebwagen und einem Passagierwagen und war dementsprechend schnell. Der Passagierwagen war mit langen Transparistahl-Scheiben auf beiden Seiten versehen, die den Blick auf die Kristallkavernen und Tunnel erlaubten, aber dennoch Sicherheit boten. Der Innenraum war mit schlichten, aber einigermaßen bequemen Bänken und Sesseln ausgestattet. Kanto hatte kurz erwogen, noch mehr Luxus einbauen zu lassen, aber die Fahrten waren in der Regel so kurz, dass es nicht gelohnt hätte.
Eigentlich wollte er zur Baustelle des neuen Weltraumaufzugs fahren und mit Orbitalingenieurin Sassameer den Fortschritt diskutieren. Aber das konnte warten. Er setzte sich Halcyon Rak gegenüber, der ein schlankes Datapad herausholte, um eine knappe Antwort auf die Bewerbung des Agenten Ghamiro zu verfassen.




>>Antwort bzgl. Ausschreibung #772-111-521:<<

Glogh´amir´obono, Clan Vess. Sollte weiterhin Interesse an dem Auftrag bestehen, melden Sie sich zum nächstmöglichen Zeitpunkt im orbitalen Raumhafen von Quarzite. Ihre Ankunft wird erwartet. Alle weiteren Details werden dann verhandelt.


Kurz darauf bestiegen ein Sturmtruppenleutnant mit seinen Soldaten den Wagen, der nun recht gut gefüllt war. Der Leutnant, der seinen Helm abgenommen hatte, salutierte kurz vor Kanto: „Zug Eins bereit, Gouverneur!“

Kanto salutierte ebenfalls knapp und antwortete: „Der Hauptmann wird am Aufzug dazustoßen, dann erteile ich Ihre Anweisungen.“

Der Leutnant setzte den Helm wieder auf und setzte sich. Die Soldaten in weißer Rüstung hielten respektvoll Abstand, soweit das der Passagierwagen zuließ.

Während der kurzen Fahrt spielte Kanto die möglichen Erklärungen für den Kontaktabbruch mit der Schienenbaustelle durch. Aber er kam nur auf drei: Ein Systemfehler, ein Unfall, oder ein Anschlag. Am Bahnsteig beim Weltraumaufzug wartete Hauptmann Zeerl bereits. Die Truppler machten ihm Platz, sodass er zum Gouverneur durchkam. Der begrüßte den Hauptmann wieder salutierend.
„Gut, dass Sie hier sind, Hauptmann. Wir wissen nicht, was uns erwartet. Der Kontakt zur Baustelle ist aus nicht nachvollziehbaren Gründen abgebrochen. Es könnte eine harmlose Erklärung geben, aber wir sollten auf Nummer sicher gehen. Dafür brauche ich Sie und ihre Leute.“

„Jawohl, Gouverneur. Gibt es einen Lageplan des Ortes?“

Halcyon Rak erhob sich und reichte Zeerl sein Datapad. „Nur eine Bauzeichnung, aber für eine grobe Orientierung sollte es reichen.“



Der Zug musste langsamer fahren, als er sich der Baustelle näherte. Der beluganische Schaffner konnte nicht wissen, ob Maschinen oder Wagen an den Gleisen hingen und tastete sich im Licht der Scheinwerfer vorwärts, bis er die Baustelle sehen konnte. Die Passagiere hörten seine Stimme über die Komanlage.

„Wir haben die Baustelle erreicht. Es ist nichts ungewöhnliches erkennbar. Der Bauoffizier kommt zum Zug.“

Kanto beobachtete während dieser durchaus entwarnenden Worte zufällig Hauptmann Zeerl. Aber im Gesicht des mittelalten Mannes konnte er keine Erleichterung ablesen. Auch keine Enttäuschung. Kanto hatte bei Zeerl noch nie wirkliche Gefühlsregungen beobachtet. Es war auch keine Gleichgültigkeit. Einfach… Ausdruckslosigkeit. Vielleicht machte jahrelanger Militärdienst, der ja in neunundneunzig Prozent der Zeit ereignislos verlief, mit einem Soldaten genau das.
Kanto stand auf und Zeerl gab den Soldaten den Befehl auszusteigen und die Umgebung zu sichern. Draußen kam ein nervöser Beluganer auf sie zu, der sich als der zuständige Bauoffizier auswies. Er schien überrascht, dass sich der Gouverneur selbst dem Problem annahm. Seine weitschweifigen Begrüßungen beendete Kanto mit einer Handbewegung.


„Der Kontakt hierher ist seit einer Stunde abgebrochen. Was ist der Grund dafür?“

Der Beluganer nickte eifrig und demütig zugleich. „Ja ehrenwerter Gouverneur. Wir haben einen durchgeschmorten Rechenknoten ausfindig gemacht, der für das Problem verantwortlich sein könnte. Mein bester Techniker arbeitet bereits daran, das Modul auszutauschen. Wenn dies der Fehler sein sollte, werden wir in wenigen Stunden wieder online sein, mein Gouverneur.“

Kanto nickte nur und ging an dem Bauleiter vorbei. Sein Blick schweifte durch den Tunnel, dessen fernes Ende sich im violetten Dämmerlicht verlor. Die Schiene der Untergrundbahn endete abrupt in einem gewaltigen Baugerüst. Das Gerüst selbst war an der Schiene befestigt und konnte mit dem Baufortschritt mitgeschoben werden. Der Boden des Tunnels war voller Maschinen, Kabelstränge und Leitungen. Bauteile stapelten sich entlang der grob behauenen Wände.

„Gab es irgendwelche Unregelmäßigkeiten? Hat jemand von den Arbeitern etwas beobachtet?“

Der Beluganer schüttelte unglücklich den Kopf. Kanto überlegte. Er sah die Hand voll Arbeiter, die in der Nähe auf einer Tunnelseite beieinanderstand. Dann fiel ihm etwas sein.

„Bauoffizier, stoppen Sie sofort die Reparatur dieses defekten Teils!“

Der Bauleiter sah ihn verdutzt an. Aber als Kanto zügigen Schrittes zu den Arbeitern ging, lief er neben ihm her und sagte: „Ja, wie Sie wünschen, ehrenwerter Gouverneur.“ Er eilte voraus, um die Anweisung weiterzugeben. Ein daraufhin erschien ein staubiger Techniker aus einer Wartungstür in der Tunnelwand, dort wo die Arbeiter herumstanden. Kanto ging hin und warf einen kurzen Blick in den winzigen, dunklen Hohlraum dahinter, konnte aber nicht viel erkennen. Er drehte sich um, um sich an Hauptmann Zeerl, der ihm gefolgt war, zu wenden: „Finden Sie heraus, welche Nebenzugänge es zur Baustelle gibt. Und melden Sie alle Spuren, die auf eine Fremdeinwirkung hinweisen könnten.“ Und an Halcyon Rak gewandt sagte er: „Leutnant Sverrik oder einer seiner Agenten soll sich diesen Rechenknoten anschauen. Ich will sichergehen, dass es sich hier nicht um Sabotage gehandelt hat. Bis dahin rührt niemand etwas hier an.
Bauoffizier! Die Arbeiter sollen vorerst für Befragungen hierbleiben. Ist es ungewöhnlich, dass so ein Teil durchschmort?“


Der Beluganer war sichtlich verunsichert. Er zuckte die Achseln. „Ungewöhnlich, ja. Diese Geräte sind robust und langlebig. Aber es ist nicht ausgeschlossen.“

Der Gouverneur nickte und ließ den Blick noch einmal durch den schummrigen Tunnel schweifen. Dann ging er wieder zum Zug. Halcyon blieb neben ihm.

Ich reise zum neuen Weltraumaufzug weiter. Den Bericht von Leutnant Sverrik hierzu möchte ich schnellstmöglich haben.“



[Quarzite | Velrinax Distrikt | Bauabschnitt Peth] Kanto Garison, Halcyon Rak, Hptm. Zeerl und weitere NPCs
 
Quarzite || Velrinax Distrikt || Kristallhöhlen || Calix Maro und Drohne

Die Stille, die sich über die Kammer legte, war trügerisch. Calix Maro verharrte reglos auf dem STAP, den Blick fest auf das pulsierende Licht gerichtet, das inmitten der Kristalle brannte wie das Herz einer Falle. Das rote Pulsieren schnitt durch die Dunkelheit, unaufhaltsam und geduldig, wie der Schlag eines fremden Herzens. Es war klein, kaum mehr als ein Funke im Schatten, und doch füllte es die gesamte Kammer. Doch je länger er hinsah, desto mehr begann er zu zweifeln, ob er tatsächlich nur auf einen Splitter starrte. Es war, als ob der Raum selbst ihn prüfte, jede Sekunde länger ein stiller Zwang, sich zu entscheiden. Einmal. Zweimal. Pause. Immer derselbe Rhythmus. Immer derselbe Herzschlag, der nicht seiner war. Calix hatte schon viele Lichter gesehen. Kalte Anzeigen, sterile Kontrollpunkte, die harten Schneisen imperialer Scheinwerfer, sogar das irrlichternde Schimmern von Blasterschüssen, die Leben auslöschten. Aber dieses Licht war anders. Es wirkte weder wie ein Werkzeug noch wie eine Waffe, sondern wie eine Botschaft, die sich jedem Versuch entzog, in bekannte Muster übersetzt zu werden.

Er atmete gleichmäßig, doch in ihm arbeiteten die Gedanken unaufhörlich. „Es ist zu sauber. Zu gezielt. Kein Zufall, keine Laune.“ Er erinnerte sich an die an die Bruchstücke, die er aus ihrem Signal gezogen hatte: Sein eigenes Gesicht, verzerrt und doch unverkennbar. Es war kein reines Beobachten gewesen, sondern eine Mitteilung. Jemand wollte, dass er sich selbst sah, nicht als Schatten, nicht als Silhouette, sondern als Ziel. Und nun, hier in dieser Kammer, bot sich ihm das zweite Kapitel dieser Mitteilung an. Er blieb mit dem STAP in der Schwebe, den Griff seines Blasters noch immer unter seinen Fingern, als hinge sein Schicksal von der bloßen Berührung ab. Seine goldenen Augen fixierten den Photorezeptor, der in der Ferne pulsierte. Es war kein gleichmäßiges Signal. Es lebte. In jeder Pause schien eine Erwartung zu liegen, als würde das Licht zuhören, ob er antwortete.

Die Stille des Tunnels presste sich gegen ihn. Selbst das Summen des Repulsors klang dumpf, erstickt von den Kristallwänden, die die Kammer wie ein Gewölbe umgaben. Calix’ Blick glitt an ihnen entlang. Die Wände waren übersät mit Splittern, manche matt, andere scharf glänzend, als hätten sie sich in den Stein gekrallt. Sie reflektierten das rote Licht in verzerrten Winkeln, sodass die Kammer wirkte, als würde sie von unzähligen Augen beobachtet. Sein Blick wanderte über die Kristallwände. Sie ragten hoch wie die Mauern eines Tempels, schimmerten matt im violetten Schein, als hätten sie unzählige Geheimnisse in sich eingeschlossen. Er spürte den Druck, den dieser Ort auf ihn ausübte, nicht physisch, sondern psychologisch. Räume wie dieser veränderten das Denken. Sie zwangen zur Selbstbeobachtung. Jeder Laut wurde verstärkt, jede Bewegung verdoppelt, jeder Gedanke hallte zurück wie eine Stimme im eigenen Schädel.

„Vielleicht ist es genau das“, dachte er, „eine Prüfung. Keine Waffe, kein Angriff. Sondern eine Bühne, auf der ich mich selbst verraten soll.“
Ein Beobachter war nicht mehr nur die Drohne gewesen, die Umgebung selbst war nun Komplize.

„Es geht nicht um den Splitter“, traf den Kage die Erkenntnis, die ziemlich bitter schmeckte. „Es geht um mich. Immer nur um mich.“

Er senkte leicht den Kopf, lauschte. Zwischen den gedämpften Echos seines Atems und dem tiefen Brummen des Repulsors hörte er wieder dieses Geräusch: Kratzen, metallisch, doch nicht regelmäßig. Kein Drohnensummen, kein Maschinenton. Es war vorsichtiger, gezielter. Ein Geräusch, das sich tarnen wollte. Das Gefühl nagte an ihm. Er war gejagt worden, gelenkt durch enge Tunnel und scharfe Abzweigungen, bis er hier gelandet war – an einem Ort, der zu leer, zu still und zu perfekt inszeniert wirkte, um Zufall zu sein. Das Licht war kein Hilferuf. Es war ein Spiegel. Jemand hatte ihn in diese Kammer geführt, nicht um ihn zu töten, sondern um ihn zu sehen. Nicht seine Tarnung, nicht seine Deckung, sondern ihn. Calix Maro, Agent der Neuen Republik, Sohn von Quarzite, das Subjekt, das nie ganz Jäger und nie ganz Beute war.
Seine Muskeln spannten sich an, sein Griff am Steuer verstärkte sich unbewusst. Er zwang sich zur Ruhe. „Nicht überreagieren. Lies die Muster. Immer erst die Muster.“ Sein Geist tastete nach Erklärungen: Ein zweiter Beobachter? Ein Agent im Schatten der Kristalle? Oder etwas, das ihn nur in die Irre führen sollte? Seine Gedanken glitten zurück zu der Drohne. Sie war präzise gewesen, nicht imperial, nicht republikanisch, sondern etwas Drittes. Sie hatte ihn wie ein Schatten verfolgt, nicht um ihn zu vernichten, sondern um ihn in Bewegung zu halten. Wie ein Spieler, der eine Figur über ein Brett schiebt, ohne sie zu schlagen. Und nun, am Ende des Spiels, stand er hier, vor einem flackernden Kristall, dessen einzige Botschaft war: „Ich sehe dich.“

Das rote Licht pulsierte weiter, unbeirrt, als wäre es sich seiner Rolle bewusst. Ein Herzschlag, der ihn in die Mitte zog. Doch während er es anstarrte, bemerkte er, dass sich die Kammer veränderte. Nicht in der Substanz, sondern in der Wahrnehmung. Reflexionen der Kristalle warfen das rote Glimmen dutzendfach zurück, sodass es wirkte, als würde er von Augen beobachtet, die ringsum in den Schatten lauerten. Er fühlte sich ausgestellt. Eingekreist. Ein Kribbeln zog durch seine Schläfen. Der Gedanke, gerade in diesem Augenblick von jemandem außerhalb dieser Welt beobachtet zu werden, ließ ihn nicht los. Er erinnerte sich an die Bruchstücke, die er aus der Übertragung der Drohne gefiltert hatte. Standbilder von ihm selbst, seine Silhouette, sein Gesicht im Halbschatten, das goldene Auge. Es war mehr als ein Bild. Es war Beweis. Jemand besaß nun einen Teil seiner Identität, isoliert, entblößt. Er spürte den Stich in der Brust, den nur jemand kannte, der sein Leben im Schatten führte: Nicht entdeckt zu werden bedeutete Sicherheit, und enttarnt zu werden bedeutete, dass der nächste Schritt nicht mehr ihm gehörte.
Er zwang sich, den Atem zu kontrollieren. Ruhe war seine Waffe. Wenn er jetzt der Angst nachgab, dann hatte das Licht gewonnen. Er presste die Lippen zusammen, während der STAP in der Schwebe vibrierte. „Zwei Botschaften. Zwei Absender. Zwei Wege.“ Er wusste, dass dies kein Zufall war. Wer immer dieses Spiel spielte, hatte es mit Absicht so arrangiert. Das rote Licht als offener Köder, das grüne als subtile Alternative. Ein klassisches Muster: den Gegner vor eine Wahl stellen, die keine Wahl war, sondern eine Falle mit zwei Türen. Angespannt legte Agent Onyx das Elektrofernglas ab, starrte in die Kammer. Sein Geist arbeitete unaufhörlich. „Das rote Licht will Aufmerksamkeit. Es schreit danach, berührt zu werden. Wer immer es platziert hat, weiß, dass ich nicht widerstehen kann, es zu analysieren. Das grüne dagegen versteckt sich, als wollte es mir zuflüstern: Ich bin der wahre Weg. Aber beide können Lügen sein. Beide können Masken sein.“ Er erinnerte sich an die Schulung auf Sluis Van. Eine Lektion, die er nie vergessen hatte: „Die wahre Falle ist nicht der Köder. Es ist der Moment, in dem du glaubst, du hättest die Falle erkannt.“ Ein bitteres Lächeln zog über sein Gesicht. „Und genau dort stehe ich jetzt.“

„Also gut“, dachte er. „Du willst, dass ich reagiere. Du willst wissen, ob ich dir folge oder ob ich weglaufe. Du willst meine Entscheidung.“

Die Erkenntnis traf ihn wie ein kalter Schlag: Er war nicht mehr nur Beobachter. Er war das Experiment. Das rote Licht war keine Botschaft, sondern eine Frage.

Langsam griff er nach dem Elektrofernglas. Seine Bewegungen waren ruhig, beinahe bedächtig, als wüsste er, dass selbst ein Zucken zu viel den Sinn der ganzen Inszenierung verändern würde. Die Linsen schärften sich, zogen das pulsierende Licht näher, entblößten den Kristallsplitter. In seinem Inneren glomm das Rot unregelmäßig, mal heller, mal dunkler, als wäre es an einen fremden Atem gekoppelt. Doch da war mehr: winzige Fäden, kaum sichtbar, zogen sich von dem Kristall in die Risse der Kammerwände. Als hätte jemand das Gestein selbst umfunktioniert, als sei die Kammer nicht nur Raum, sondern Resonanzkörper. Jede Reflexion des Lichts in den Kristalladern war wie ein stiller Beobachter. Er fühlte sich entblößt, obwohl er wusste, dass er allein war. Es war die Art von Einsamkeit, die nicht leer war, sondern gedrängt von unsichtbarer Präsenz. Sein inneres Mantra half ihm, die Gedanken zu ordnen. Zweifel war seine Stärke. Der Feind fragte nie, ob er zu weit ging. Aber er tat es. Und jetzt fragte er sich: War er längst über die Linie hinaus? War er schon Teil eines Spiels, das er nie kontrollieren konnte?

Das Licht blinkte weiter, unbeirrbar, als würde es seine Gedanken verhöhnen.

Einmal, zweimal, Pause. Wieder zweimal.

Ein Muster.

Der Kage erkannte es. Kein bekanntes, kein Code, der sich sofort aufschlüsseln ließ, doch eindeutig ein Rhythmus, eine Absicht. Es war kein Zufall.

Seine Hand wanderte unwillkürlich an den Gürtel, zu dem kleinen Imitationsgerät, das noch schwach nach verbranntem Isoliermaterial roch. Er wusste, dass es kaum noch Energie hatte, aber vielleicht genug, um ein Echo zu erzeugen. Er überlegte. Sollte er antworten? Sollte er das Licht spiegeln? Es wäre ein Schritt in einen Dialog, den er nicht kontrollierte. Doch Schweigen bedeutete, dass andere die Lücken füllen würden. Und Lücken konnten tödlich sein. Sein Atem war ruhig, doch in seinem Inneren spannte sich alles. Er hörte das Rauschen seines eigenen Blutes, gemischt mit dem Summen des Repulsors, der den STAP in der Schwebe hielt. Je länger er das Licht betrachtete, desto deutlicher wurde ihm eine bittere Erkenntnis: Vielleicht ging es nie um dieses Signal. Vielleicht war es nie um das Licht. Vielleicht war die ganze Inszenierung nur ein Rahmen, ein Spiegel, in dem er selbst gefangen war.

„Vielleicht war das Licht nie die Botschaft“, dachte er, und sein Blick verengte sich zu schmalen Schlitzen. „Vielleicht war ich es von Anfang an.“

Die Worte hallten in seinem Inneren nach wie ein kaltes Geständnis. Alles, die Drohne, die Jagd durch die Tunnel, das plötzliche Aufflammen dieses merkwürdigen Splitters, ergab in diesem Moment eine neue Struktur. Nicht das Artefakt, nicht die Technik stand im Mittelpunkt, sondern er. Jemand hatte ihn hierher gelockt, nicht um etwas zu zeigen, sondern um zu beobachten, wie er reagierte. Jede Entscheidung, jeder Reflex, jedes Zögern, all das war Teil eines Protokolls, das irgendwo anders aufgezeichnet wurde.

Als Calix die Augen wieder öffnete, schien das Pulsieren schneller geworden zu sein. Oder vielleicht war es nur sein Herz, das sich an den Rhythmus angepasst hatte.

Er musste sich entscheiden. Antworten oder gehen.

Und in genau diesem Moment, als der Gedanke seine Schärfe gewann, veränderte sich das Licht. Es flackerte nicht mehr im Rhythmus. Es begann zu rasen, chaotisch, fast panisch. Und dann, mit einem Mal, erlosch es.

Die Kammer versank in Finsternis.

Nur sein eigenes Spiegelbild im Display des STAP blieb zurück.


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