Zeitsprung nach 1983
Original Spiegel-Kritik zu "Die Rückkehr der Jedi-Ritter"
Willkommen im Juni 1983. Der Juni gibt schon einen Vorgeschmack auf den kommenden Bilderbuchsommer. Temperaturen von über 30°C sind die Regel. Mit der Hitze hat auch der Spiegel-Redakteur zu kämpfen, der seit Stunden mit der Kritik zu ?Die Rückkehr der Jedi-Ritter? beschäftigt ist. Keine Spur mehr von der blumigen Wortwahl von 1980. Der Schreibstil passt sich der trockenen Kehle des Redakteurs an. Sein Werk ist am 13. Juni 1983 auf Seite 182 des aktuellen Spiegels nachzulesen:
"Laser für Leia
Ein neuer Weltraumknüller von George Lucas schlägt in den USA alle Kassenrekorde, sogar "E.T."
Wieder einmal standen sie Schlange um Häuserblocks, wieder einmal brachen sie alle Rekorde in der gierigen Erwartung eines neuen Films: Eineinhalb Millionen Zuschauer in den USA sahen schon am ersten Tag die "Rückkehr des Jedi", die letzte Folge der "Krieg der Sterne"-Triologie. Am Ende der ersten Woche hatte der "Jedi" bereits 45.311.004. Dollar eingenommen - fast doppelt soviel wie der letzte Rekordhalter, "E.T.".
Nicht mehr der außerirdische Gnom vom vergangenen Sommer besetzt nun Herzen und Hirne eines vorwiegend jugendlichen Publikums, sondern der Ritter aus fernen Galaxien, der vor sechs Jahren die Begeisterung für kosmische Film-Märchen entfachte.
Auch der letzte der drei Filme über die Lehr- und Wanderjahre des jugendlichen Helden auf der Milchstraße erzählt von Abenteuern und Gefahren und von interstellaren Schlachten mit Laser und Neutronen. Im "Krieg der Sterne" hatte Luke Skywalker - der letzte Spross eines einst mächtigen Rittergeschlechts vom Stamme der Jedi - die Prinzessin Leia und ihre Getreuen gerettet, die vom Bösewicht Darth Vader auf feindlichem Planeten gefangengehalten wurden.
Der zweite Teil, "Das Imperium schlägt zurück", handelte von der Rache des Schurken und der erneuten Gefangennahme der Prinzessin, aber natürlich konnte Luke seiner Leia auch diesmal zu Hilfe eilen. Nur für den Freund Han Solo kam er zu spät, den hatte der schwarzbehelmte Darth Vader vorsorglich tiefgefroren. Im entscheidenden Laserschwert-Duell vernahm Luke dann die schreckliche Nachricht, er sei der Sohn des Bösewichts.
Um im dritten Film die Aufklärung des Rätsels zu erfahren, waren viele Kinobesucher von New York bis San Fransisco stilgerecht gekleidet erschienen: Frauen trugen das Haar in Zöpfen à la Prinzessin Leia, Männer hatten Schwarz angelegt wie der Himmels-Held Luke - und das in der fröhlichen Gewissheit, dass sich alles zum Besten wenden würde. Denn dies ist kein Film von Stanley Kubrick, sondern von George Lucas - keine bedrohliche Science-fiction, sondern Science-fantasy, wo das Gute immer siegt.
Schon in den ersten Tagen hatten die Hartnäckigsten den Film mehrmals gesehen. Das simultan erschienene "Buch zum Film" sprang innerhalb einer Woche auf Platz eins der Bestsellerliste.
Da nützte es nichts, dass die ersten Kritiken mehrheitlich vor dem Spektakel als langweiligsten der Reihe warnten: " Es gibt eine gute, eine schlechte und gar keine Nachricht zu diesem Film zu vermelden", schrieb das Fachblatt "Variety". "Die gute ist, dass George Lucas & Co. die technische Magie in einem Maße vervollkommnet haben, dass beinnahe alles und jedes - so bizarr es auch sein mag - glaubhaft erscheint. Die schlechte ist, dass die menschlich-dramatischen Situationen einschneidend gekürzt wurden. Keine Neuigkeit ist, dass der Film Millionen-Gewinne machen wird, ungeachtet seiner Vor- und Nachteile."
Denn was können schon Kritiker ausrichten gegen die hochgespannten Erwartungen von Zuschauern zwischen 12 und 25 Jahren? Auf diese Zielgruppe hat sich der Erfinder von Jedi-Rittern und Laserschwert, der heute 39 jährige Kalifornier George Lucas, eingeschossen, ihr will er mit seinen intergalaktischen Märchen die Phantasie zurückgeben, die ihr vor dem Fernsehschirm abhanden gekommen ist.
Was Walt Disney für die Jugend zwischen 1930 und 1960 war, ist Lucas, laut "Time", für die junge Generation der siebziger und achtziger Jahre.
Die Umsetzung seines Kinderglaubens in filmische Trickwelten hat George Lucas mittlerweile ein eigenes und höchst reales Imperium eingebracht: die "Lucasfilm" mit mehr als 200 Angestellten. Sein persönliches Vermögen wird auf mindestens 100 Millionen Dollar geschätzt.
Nicht verwunderlich: Der "Krieg der Sterne" erbrachten weltweit rund 900 Millionen Dollar plus Millionen-Erlöse aus den inzwischen zur Standartvermarktung eines Hollywoodfilms gehörenden Souvenirs wie Puppen, Aufklebern, Kaugummi, Kinder-Kleidung oder Schaumbad. Von der dritten Sternen-Kriegs-Episode erhoffen sich die Macher wieder ein saftiges Geschäft. "Village Variety" sagte voraus, dass die vom "Jedi" eingespielten Millionen am Ende die Staatsschulden übertreffen würden.
Die Handlung bietet dafür trotz ihrer Dürftigkeit jede Voraussetzung: Zwischen dem Anblick des gefangenen Han Solo - inzwischen ziert er als Fossil die Höhlenwand eines Monsters mit Namen Jabba the Hutt - und dem entscheidenden Laser-Duell zwischen Luke Skywalker und seinem angeblichen Vater liegen Befreiung, Verfolgungsjagden, Weltraumschlachten.
Immer noch dabei sind dramatische Personen wie der Affe "Chewbacca", der zwergwüchsige Philosoph Yoda und die Roboter, die zum Markenzeichen der Serie wurden: C3PO und der kleine Pieper R2-D2. Schließlich wieder Alec Guinness als der gutmütige Ben Kenobi.
Unter den neuen Monstern empfehlen sich neben Gangsterpascha Jabba"
"ein nettes Schlossmonster und die so günstig als Spielzeug zu vermarktenden "Ewoks", ein Stamm von mutigen Teddybären, die auf düsenangetriebenen Lufträdern halsbrecherisch in einem Wald von Mammutbäumen herumkurven.
Ihre Verfolgungsjagden sind manchem spannender als die nicht enden wollenden Laserschlachten, die dem Kritiker von "Newsweek" am Ende nur ein müdes Déjà-vu-Gähnen entlockten.
Müde scheint auch George Lucas, der Chef-Stratege solcher galaktischer Abenteuer. Er will erst einmal zwei Jahre Pause machen, bevor er zwei weitere Triologien in Angriff nimmt"
"(die gerade fertiggestellte wäre dann nur die mittlere); insgesamt neun Filme soll der Epos von den Jedi-Rittern umfassen.
Nie wurde das Gesetz der Serie in Hollywood erfolgreicher angewendet als im letzten Jahr: Rocky III, Psycho II fanden und finden ihr Publikum, so wie vorher "Der weiße Hai" und seine Folgen. Seufzte ein Manager von Warner Brothers zufrieden: Sieht aus wie ein riesiges Jahr - und ein wundervoller Sommer."
Quelle: Spiegel 1983 Heft 24 37. Jahrgang
JC