Fresia (Fre'ji-System)

- Fresia – Fingers Mark – Meer – Plattform – Wassergleiter – Mit Nautolanern -

Feuer, Rauch und ein ohrenbetäubender Knall. Giselle spürte, wie der Boden unter ihren Füßen verschwand, als einer der Nautolaner sie mit nach unten riss, während hinter ihr die Plattform in einer einzigen großen Explosion aufging. Für einige Sekunden blieb ihr nur das Drönen in ihren Ohren. Sie sah nichts, dachte an nichts. Da war nichts als diese laute Donnern. Bis sie sich dem Gewicht auf ihren Beinen bewusst wurde, dauerte es einige Momente. Der Nautolaner, der halb auf sie gefallen war, bewegte sich, rappelte sich auf, reichte Giselle die Hand und zog sie mit hoch.

“Alles okay?“

Es war Nico. Giselle hielt sich den Kopf, um den Nachhall des Drönens zu unterdrücken und nickte. Um sie herum wurden Stimmen laut.

“Ja... alles gut.“

Antwortete sie und ihr Blick fiel auf das lodernde Feuer, das die Erinnerungen zurück brachte. Das Letzte, das sie gesehen hatte, bevor die Welt in Flammen aufgegangen war, war eine schwarze Gestalt, die von der Plattform hinunter ins Meer gesprungen war. Giselles Gedanken rasten und sie spürte, wie ihr eigener Puls sich beschleunigte. Es musste Exodus gewesen sein, der gesprungen war. Es musste einfach. Oder war es das Mon Calamari Kind gewesen, das sie bei ihrer Ankunft auf der Plattform gesehen hatten? Exodus hatte das Lumium retten wollen und war auf der anderen Seite der Plattform gewesen. Er konnte unmöglich so schnell...

Giselle schluckte und registrierte das Zittern ihrer Beine. Sie hatte Mühe, aufrecht zu stehen und hätte sich am liebsten wieder gesetzt. Ihr Bauch fühlte sich unangenehm leer an, so als hätte sie seit Tagen nichts gegessen. Inzwischen hatte der Lärm in ihren Ohren nachgelassen. Sie hörte nur noch die aufgeregten Stimmen der Männer an Bord des Gleiters und das regelmäßige, wenn auch viel zu schnelle Pochen ihres eigenes Herzens. Dann fiel ihr Blick auf den Piloten, der ruhig, fast wie ein Fels, hinter dem Steuer stand. Giselle sah ihn mehrere Sekunden lang an, doch er regte sich nicht.


“Dan'el!“

Erst mit dem Rufen seines Namens wandte er sich um und sah in ihre Richtung. Giselle machte einen Schritt auf ihn zu. Jegliche Stimmen der Männer waren auf einen Schlag verstummt. Die Vahla atmete zweimal ein und aus und strich sich einige störende Haare aus der Stirn.

“Nehmen Sie Kurs auf die Plattform, aber fahren Sie nicht zu nah heran. Ich will einen Spürtrupp startklar haben, der nach Mr. Wingston taucht – und wenn möglich auch nach dem Mon Calamari Kind.“

Dan'el nickte und im Gegenzug zu Fleetfire, der vermutlich erst große Reden geschwungen hätte, startete er den Gleiter sofort. Giselle wandte sich um. Das Meer unter ihnen bewegte sich erneut, oder bewegten sie sich über das Meer? Ihr Blick war gefangen von den Flammen vor ihr, doch sie erschienen ihr längst nicht mehr so gefährlich wie noch vor wenigen Minuten. Es war fast beruhigend, ihrem Spiel zuzusehen. Es hatte etwas familäres. Als der Gleiter erneut zum Halten kam, waren sie so nah an die Plattform gefahren wie es möglich war, ohne die Insassen des Gleiters zu gefährden. Trümmerteile, teilweise brennend, stürzten hier und da hinunter ins Meer. Auf der einen Seite war das hohe Gerüst schon halb zum Einsturz gebracht. Auf Giselles Anweisung hin sprangen drei Nautolaner in die Wellen unter ihnen. Sie durchbrachen die Wasseroberfläche mit einem leisen Platschen, verschwanden in der Dunkelheit und nichts war mehr zu sehen als das Schaukeln des Wassers und dem wilden Leuchten über ihnen.

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[ Fresia – Fingers Mark – Meer – Plattform – Wassergleiter | mit Giselle, dem Mon Calamari und Nautolanern ]

Das erste was er bemerkte war, dass das Rauschen in seinen Ohren nicht mehr da war. Dann hörte er sich Husten und eine Flüssigkeit rann über sein Kinn. Ihm war kalt – und er war verwirrt. Alles zusammen eine höchst unangenehme Kombination. Exodus Wingston öffnete langsam die Augen, blinzelte mehrmals, ehe er scharf sah und erkennen konnte. Viele Tentakel, Nautolaner also. Und ein ihm vertrautes Gesicht, das von blonden Strähnen umrahmt war. Sein trüber Blick blieb an Giselle hängen. Trotz ihres Anblicks kam ihm nur ein Gedanke in den Sinn:

„Geht’s dem Jungen gut?“

Seine Stimmte war rau und der Frage folgte ein weiteres Husten nach. Bevor sie seine Fragen beantwortete, bemühte er sich, seinen Körper auf die Seite zu drehen. Er sah sich suchend um, doch es war gar nicht nötig: Die zwei riesigen, traurigen, verängstigten Augen sahen ihn direkt an. Der Mon Calamari lag ebenfalls auf dem Deck, direkt hier neben ihm. Er konnte sich noch daran erinnern, ihn auch unter Wasser noch fest an sich gedrückt zu haben. Vermutlich waren sie zusammen aus dem Ozean gezogen worden, auch wenn der Mon Calamari unter Wasser wesentlich besser klar gekommen sein musste als er selbst. Doch es lief auf einen Gedanken hinaus und der stimmte Exodus für einen Moment beruhigt: Der Junge war bei Bewusstsein, er lebte. Eine Stimme über ihm, bestätigte diesen Eindruck.

„Es geht ihm gut. Verhältnismäßig.“

Er wusste nicht, wer gesprochen hatte und ein Anflug von Ärger erfasste ihn, trotz der Erschöpfung, trotz des dumpfen Schmerzes in seinem Kopf. Exodus Wingston sollte nicht reglos am Boden liegen wie ein Bedürftiger. Er war hier der Chef, er musste die Dinge in die Hand nehmen, er … – ein plötzlicher Hustenanfall ließ ihn weiteres Wasser spucken. Quälend langsam richtete er sich auf, stützte sich auf die Ellenbogen. Besser doch einen Schritt nach dem anderen. Sein Blick suchte erneut die Vahla. Es beschämte ihn, sich so vor Giselle zeigen zu müssen, so verletztlich und schwach, doch sie war die Person, der er am meisten vertraute. Von ihr würde er die Antworten bekommen. Die Gewissheiten.

„Was ist … mit dem Lumium?“

Exodus versuchte sich aus seiner halb aufgerichteten Position herumzudrehen, versuchte einen Blick auf den Unglücksort, die Plattform, zu erhaschen. Doch es war nicht möglich, er war vollständig umringt von Leuten. Er sah nur Beine und Füße und kalten Boden. Über ihm der Nachthimmel und neben ihm … ein kleiner Junge. Der Junge. Eben noch hatte der Mon Calamari versucht, ihre Arbeit hier zu sabotieren – er hatte versucht die Plattform in Brand zu stecken, hatte damit alle ihre Erträge zerstören, hatte sich rächen wollen für die Vorfälle auf Palm Island. In Exodus‘ Kopf wummerte es dumpf. Hatte der Junge Erfolg gehabt? Es hatte die Chance gegeben, das alles zu verhindern. Es hatte sie gegeben, deshalb war Exodus ins Wasser gesprungen. Deshalb war er die Plattform empor geklettert. Doch dann … es war anders gekommen. Mit einem Mal ließ er sich wieder auf den Boden sinken und schloss die Augen. Er hatte sich anders entschieden. Ohne, dass bisher jemand auf seine Frage geantwortet hätte, wurde ihm klar, dass er die Antwort schon kannte. Es war verloren. Es war alles verloren.

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- Fresia – Fingers Mark – Meer – Plattform – Wassergleiter – Mit Wingston Crew, Exodus, Kind -

Die Momente, in denen die Nautolaner im Wasser nach Exodus und dem fremden Kind gesucht hatten, waren Giselle vorgekommen wie eine Ewigkeit. Sie hatte an der Reling des Gleiters gestanden, unfähig zu helfen. Es hatte nichts gegeben, das sie hätte tun können, außer zu warten, zu bangen und zu hoffen. Erst als sie realisiert hatte, dass die Nautolaner fündig geworden und die beiden erschöpften Körper eines Erwachsenen und eines Kindes aus den Fluten gezogen hatten, hatte Giselle aufgeatmet. Mit vereinten Kräften hatten die Männer Exodus' und dem Kind auf den Gleiter geholfen. Dort, auf dem Deck des Wassergefährts, lagen sie auch jetzt noch. Sie waren beide bei Bewusstsein, sie hatten es beide überlegt und Giselle konnte nicht anders als der Feuergöttin innerlich für ihre Gnade zu danken.

Exodus hustete, aber er war wohlauf. Alle Anwesenden hatten sich um ihn und das Mon Calamari Kind gedrängt um zu sehen, ob sie in Ordnung waren. Die großen, weit aufgerissenen Glubschaugen des kleinen Jungen schossen von einer Richtung in die andere, um alles herum aufzunehmen. Er befand sich hier auf fremdem Boden, unter fremdartigen Kreaturen, die er nicht kannte. Unter den Sitzbänken hatte Giselle zwei Decken gefunden. Eine davon legte sie Exodus in den Schoß, der langsam versuchte sich aufzurichten. Noch immer war Giselle nicht absolut sicher, was dort oben auf der Plattform vor sich gegangen war, doch eines stand fest: Exodus hatte das Kind gerettet. Hatte er einsehen müssen, dass die Explosion nicht zu verhindern und das Lumium verloren war? Oder hatte er sich schon zuvor entschieden, das Leben des Jungen zu schützen? Giselles Blick begegnete dem des Mannes, der ihr in den letzten Wochen auf eine gewisse Weise vertrauter geworden war als viele andere. In dem Augenblick, in dem er sie ansah, fragte er nach dem Lumium. Wusste er es nicht? Konnte er es sich nicht denken? Giselle biss sich auf die Unterlippe. Exodus lebte. Der Junge lebte. Es gab nichts, über das sie sie mehr freuen sollten, doch gleichzeitig hatte Exodus Wingston heute viel verloren. Noch ehe sie etwas sagen konnte, schloss er die Augen und ließ sich resignierend zurück sinken. Kurz berührte Giselle seinen Arm.


“Es tut mir Leid.“

Sagte sie, faltete die Decke ein Stück auseinander und zog sie über ihn.

“Die Expolosion hat alles zerstört. Das Feuer ist überall.“

Sie wandte sich um und sah zurück zur Plattform. Laut krachend brachen genau in diesem Moment zwei der großen Stützpfeiler zusammen. Alles, wofür die Nautolaner in den letzten Wochen gearbeitet hatten, war wertlos geworden. Das Lumium war fort, verkohlt oder wieder zu normalem Stein geworden. Die Gesichter ihrer Kollegen sprachen Bände. Einige davon richteten sich auf das Mon Calamari Kind.

“Und jetzt, was sollen wir jetzt tun?“

Hörte sie eine verzweifelte Stimme rufen, die von dem zweiten Wassergleiter, den Jost Fleetfire steuerte, kam. Der Pilot hatte die zweite Gruppe direkt neben sie manövriert.

“Tun? Pah! Du siehst doch, es gibt hier nix mehr zu tun! Das war's. Wir können alle wieder nach Hause fliegen.“

Der Frust in den lauter werdenden Stimmen war deutlich zu hören und Giselle glaubte ihn zu verstehen. Das Projekt Fingers Mark schien von Anfang an unter keinem guten Stern gestanden zu haben und heute, so schien es, hatte das große Finale alle restlichen Hoffnungen zerstört. Es schien unwahrscheinlich, in diesem Moment, dass die Wingston Corporation weitere Maßnahmen zur Erhaltung des Projektes einleiten würde. Vielleicht hatte der Nautolaner Recht und sie würden wirklich schon sehr bald alle wieder nach Hause fliegen. In Giselles Fall stellte sich lediglich die Frage, wo genau dies war. Sie sah zum Himmel, der, so schien es, im Widerschein des Feuers glühte. Die Gemüter um sie herum waren, im wahrsten Sinne des Wortes, allesamt erhitzt.

“Das können wir so nich stehen lassen.“

Hörte sie Nico sagen. Aufgeregte Zustimmung erfolgte.

“Erst greifen sie uns an und dann vernichten sie unsere Arbeit!“

“Damit sind die Mon Cal eindeutig zu weit gegangen!“

“Jawohl, eindeutig!“

Die Vahla sah sich um. Wut und die Angst vor Arbeitslosigkeit formierten sich zu neuer Agressivität unter den Nautolanern. Die Mon Calamari hatten die Plattform mit den gesamten Lumiumvorräten zerstört und das würden sie nicht so stehen lassen. Giselle Blick fand den des kleinen Jungen. Sie konnte den Ärger der Männer verstehen, doch dies würde zu nichts führen. Entschlossen drehte sie sich zu dem Jungen um, breitete die Decke über seinen Schultern aus und wickelte sie um ihn. Eindringlich sah sie ihn an.

“Wie geht es dir?“

Fragte sie ihn.

“Nes'dos-ja? Nulem?“

Für einen Moment starrten die großen runden Augen sie nur an, bis endlich eine leise Stimme antwortete:

“Os win. Te'lumania.“

Leicht hob der Junge seinen Arm. Es ging ihm gut, doch sein Arm schmerzte. Giselle besah sich die Stelle. Die Haut an seinem Unterarm warf dort Wellen auf, wo er sich leichte Brandverletzungen zugezogen hatte. Glücklicherweise war es nicht all zu schlimm. Dennoch zitterte der Junge, vermutlich weil er fror, trotz der Hitze des Feuers, der er ausgesetzt gewesen war, und vermutlich auch aus Angst und vor Schock. Giselle zog die Decke fester um seine Schultern und legte ihre Arme um ihn.

“Al es'wana.“

Sagte sie. Es wird alles gut.

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[ Fresia – Fingers Mark – Meer – Wassergleiter | mit Giselle, Wingston Crew, Kind ]

Die Leere, die auf Giselles Bestätigung seiner Befürchtung folgte, war fast erdrückend groß. Kein Gedanke, kein Gefühl. Völlig mechanisch richtete sich Exodus langsam auf, seine Muskeln verrichteten die Arbeit ohne bestimmte Anweisungen. Sie taten, was sie immer getan hatten: Aufstehen. Doch er war dieser Szenerie völlig fremd, beobachtete das ganze nur wie ein Außenstehender. Die Rufe der Nautolaner, die panisch, ängstlich und auch wütend wurden, drangen kaum bis zu ihm durch. Exodus ließ sich auf die Bank bei der Reling fallen, lehnte sich zurück und schloss erneut die Augen. Dabei bemerkte er die Geschwindigkeit, mit der sie fuhren – sie steuerten vermutlich erneut die Bucht an. Doch was hatten die Nautolaner schon zu beklagen? Ja, möglicherweise würden sie das ganze Projekt hier dicht machen und möglicherweise würden sie nicht die ganze Crew an anderer Stelle in der Wingston Corp. einsetzen können. Doch verlören sie dabei Geld? Nein. Sie hatten hier Geld verdient, gar nicht schlecht sogar. Exodus Wingston hatte nur verloren. Er hatte investiert und seine Credits waren einfach abgebrannt worden. Sein Blick fiel wieder auf den kleinen Jungen, der noch immer am Boden saß und jetzt von Giselle untersucht wurde. Er hatte nicht nur Geld verloren, sondern er würde auch Giselle verlieren. Es war schwer vorstellbar, dass sie einen Job auf Coruscant attraktiv finden würde. Und so würden sich ihre Wege trennen – außer natürlich, sein Vater und er beschlossen gemeinsam, dass das Projekt dennoch einen letzten Versuch wert war. Doch darüber würde er sich in einer ruhigeren Minute Gedanken machen müssen …
Wieder lag sein Blick auf dem Mon Calamari Kind. Für einen Moment hatte er dort oben geglaubt, Adrian im Feuer zu sehen, seinen Sohn, für den er nie der Vater gewesen war, der er hätte sein sollen. Doch es war nicht Adrian gewesen, den er aus den Flammen gerettet hatte – sondern irgendein Junge. Und trotzdem … wenn er den Jungen ansah, fühlte es sich nicht falsch an, ihn statt der Lumium-Vorräte gerettet zu haben. Dort draußen in der Dunkelheit, auf einer der anderen Inseln, gab es zwei erwachsene Mon Calamari, die ihren Sohn mit Sicherheit jetzt schon schmerzlich vermissten, die sich fragten, wo er war und ob es ihm gut ging. Exodus erging es selbst nicht anders, wenn er an Alisah dachte, die ebenfalls irgendwo in der Galaxis war, ständig in Gefahr und in Ungewissheit über ihre Zukunft. Langsam rutschte er von der Bank hinunter, setzte sich wieder neben den Jungen, dort wo auch Giselle saß und sah sie an.


„Es war richtig …“

Sein Satz war gleichsam Bestätigung und Frage. Bestätigung für sich selbst, denn die Dinge laut auszusprechen half, daran glauben zu können. Doch es schwang ein fragender Unterton in seiner Stimme mit und er zwang sich nicht noch hinterher zu setzen: Oder?
Über Giselles Schulter hinweg sah er Palm Island näher kommen. Er würde nicht mehr lange hier sitzen können. Man würde auf ihn einreden und Antworten verlangen. Antworten darüber, wie es weitergehen würde, was sie machen sollten. Doch er konnte es nicht sagen. Er hatte diese Antworten schlicht nicht.


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Giselle hielt den Jungen, hatte ihre Arme um ihn gelegt. Sie wusste nicht, wie alt er war. Es war schwierig, das Aussehen der Mon Calamari in Jahre zu übersetzen, doch gemessen an seiner Körpergröße musste er noch sehr jung sein, vielleicht acht Jahre, vielleicht zehn. Es wurde dunkler um sie herum, je weiter sie sich von der noch immer brennenden Plattform entfernten. Es hatte keinen Sinn mehr, einen Löschversuch zu unternehmen, darum hatten sie abgedreht und bewegten sich nun wieder Richtung Palm Island. Das Meer würde das Feuer irgendwann von selbst löschen. Verloren war ohnehin schon alles, das sich auf der Plattform befunden hatte. Nachdenklich studierte Giselle Exodus' Blick, so weit die Nacht es zuließ. Er wirkte nicht nur erschöpft, sondern auch geschlagen. Er wirkte wie ein Mann, dem alles genommen worden war und der sich gerade in dem Prozess befand, seiner Niederlage ins Auge zu blicken. Ob er sich die Schuld gab an dem, was geschehen war? Keiner von ihnen hatte etwas dagegen unternehmen können. Dass es Brandstiftung gewesen war, schien eindeutig, doch der Junge in Giselles Armen war noch ein Kind. Vielleicht hätten sie es verhindern können, wenn sie zuvor eine Einigung mit den Mon Calamari erzielt hätten, doch sie hatten ihr möglichstes getan und es war schlicht nicht genug gewesen.

Es war Exodus' zweifelnder Blick, der Giselle dazu veranlasste zu hinterfragen, ob das wirklich alles war, das ihn beschäftigte. Sie schaute hinaus in die Dunkelheit und sah noch einmal die Umrisse zweier Gestalten von der Plattform hinunter ins Meer springen. Es war ein Sprung ins Leben gewesen, ein Sprung der sie vor dem sicheren Tod bewahrte. Exodus und der Mon Calamari Junge. Ursprünglich hatte Giselles Vorgesetzter die Plattform erklommen um das Lumium zu retten, um den Treibstofftank des Krans davor zu bewahren, dass er explodierte. Er hatte es nicht geschafft – oder vielleicht hatte er es aufgegeben, um stattdessen ein Leben zu retten. Lumium gegen Leben.


“Es war richtig.“

Wiederholte Giselle mit Nachdruck die Worte, die Exodus zuvor noch mit einem fragenden Unterton ausgestattet hatte. Er hatte das Richtige getan. Vor ihnen erhoben sich die Hügel und Umrisse von Palms Island, die wie aus dem Nichts aufzutauchen schienen und nur wenig später hatten sie die Bucht erreicht und waren bereit anzulegen. Giselle half dem Jungen auf die Beine und merkte deutlich, wie er sich nahe an ihr hielt und die Gegenwart der Nautolaner fürchtete. Einer nach dem anderen verließen beide Crews die beiden Wassergleiter, Fleetfire rund Dan'el waren die Letzten, die von Bord gingen. Am Strand wurden sie bereits von den restlichen Mitarbeitern erwartet, die im Camp zurück geblieben waren, und auch Haiur und sein Freund waren dort. Giselle bewegte sich zielstrebig auf sie zu, den Jungen eng bei sich.

“Kümmer dich um ihn.“

Bat sie Haiur.

“Die Plattform ist zerstört. Er hat noch nichts gesagt, doch wie es aussieht hat er den Brand gelegt. Es ist alles in Flammen aufgegangen, Haiur. Der Treibstofftank ist explodiert.“

Giselle schüttelte den Kopf und fragte sich insgeheim, ob sie damit den Punkt erreicht hatten, an dem sie Haiurs diplomatische Hilfe nicht mehr benötigen würden. Der Abend hatte vielversprechend begonnen, doch als der Wind gedreht hatte, hatte er sich zu einem Desaster entwickelt. Mit einem letzten Drücken seiner Schulter ließ Giselle den Jungen bei den beiden erwachsenen Mon Calamari zurück. Ihr Blick suchte den Strand ab nach Exodus und sie schloss zu ihm auf, nachdem sie ihn erspäht hatte. Hinter ihr hörte sie die lauten Stimmen der Nautolaner. Fragen, Schuldzuweisungen, Zweifel und Vermutungen hingen in der Luft. Alle schienen durcheinander zu reden und die Vahla fühlte eine Hand, die sich um ihren Arm legte und sie fest hielt.

“Gis!“

Es war Jak. Er war nicht unter denen gewesen, die hinauf aufs Meer gefahren waren.

“Was zur Hölle ist hier eigentlich passiert?“

Giselle seufzte.

“Die Plattform ist explodiert.“

Antwortete sie und sah hinüber zu Exodus.

“Lass uns später reden, ja?“

Bat sie, entdeckte Dan'el, der als Letzter den Wassergleiter verlassen hatte und deutete in seine Richtung.

“Oder frag ihn. Er weiß genauso gut Bescheid.“

Lumium gegen Leben. War es diese Entscheidung gewesen, die Exodus Wingston bewusst hatte treffen müssen? Giselle hörte einige laute Stimmen seinen Namen rufen. Jeder wollte etwas von ihm. Vorsichtig berührte sie ihn an der Schulter.

“Exodus, geht es dir gut?“

Wollte sie wissen.

“Du hast dir nichts vorzuwerfen. Ganz im Gegenteil. Vergiss das nicht.“

Versuchte sie ihm zu sagen, bevor es um sie herum lauter wurde und die Nautolaner Antworten forderten. Giselle blickte hinüber zum Waldrand und suchte die Stelle, an der sie den Jungen mit den anderen beiden Mon Calamari zurück gelassen hatte, doch sie waren nirgends zu sehen. Die Dunkelheit hatte sie verschluckt.

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Mr. Wingston! Riefen sie aufgebracht. Mr. Wingston! Es war eine Forderung: Mr. Wingston!
Immer wieder riefen sie, immer wieder, immer wieder diese Fragen. Exodus wollte nichts lieber als sich in den Sand zu setzen, nichts zu tun und vor allem nichts zu denken. Aber Mr. Wingston – das war er. Er musste ihnen Rede und Antwort stehen, auch wenn er es nicht konnte. Für einen Moment fühlte er sich orientierungslos, ehe plötzlich Giselle dicht neben ihm stand und ihm zuflüsterte, er habe sich nichts vorzuwerfen. Ganz im Gegenteil, betonte sie. Exodus fuhr sich unruhig durch das nasse Haar und sah sie an.


„Ich weiß.“

Wahrscheinlich hatte sie Recht. Es war nicht seine Schuld, dieses Projekt war nur einfach verflucht. Es war nicht seine Schuld, es wollte nur einfach nichts gelingen. Mit zusammengekniffenen Augen sah er von Giselle zu den Nautolanern. Sie schienen das etwas anders zu sehen, so aufgebracht und aufgekratzt sie waren. Vielleicht machten sie ihn aber auch gar nicht verantwortlich für die Misere, sondern waren einfach nur verängstigt. Auch ihre Zukunft stand auf dem Spiel. Sein Blick schwenkte zurück zu der Vahla. Ihm war kalt, er fühlte sich müde und kraftlos und die Nautolaner drängten auf sie zu – doch ihre Frage nach seinem Befinden wollte er nicht unbeantwortet lassen.

„Ist schon okay …“

murmelte er, selbst unsicher wieviel davon wahr und wieviel Lüge war. Seine Füße rutschten haltlos durch den Sand, ehe ihm ein fester Stand gelang und er damit auch seine Fassung wiedergewann.

„Ich …“

Seine Stimme wollte noch nicht, so wie er wollte. Sie klang rau und kränklich und Exodus räusperte sich. Schließlich trat er mit durchgedrücktem Rücken vor und sprach laut und für alle hörbar.

„Hört mal alle her. Was heute Nacht passiert ist … ist eine Katastrophe. Für jeden von uns. Ich weiß, dass ihr wissen wollt, wie es jetzt weitergeht.“

Da war er wieder: Der Chef. Die Fassade gelang ihm gut, schätzte er reflektierend ein. Es war die jahrelange Übung, die ihn darin hatte gut werden lassen – und trotzdem schrie alles in ihm danach, eine Pause zu machen und einfach … Ruhe zu haben. Er vollführte ein paar Schritte durch den Sand, sah den Nautolanern, die jetzt alle still geworden waren, der Reihe nach in die Augen und lief zwischen ihnen hindurch.

„Ich kann es noch nicht sagen. Ich werde mich mit Coruscant darüber beraten müssen.“

Coruscant, das war sein Vater. Coruscant, das war aber auch ein Stück weit sein rationales Ich, der Teil von ihm, der nicht versuchen würde, alles in seiner Macht stehende zu tun, um Giselle an seiner Seite zu halten. Exodus verschränkte die Arme hinter seinem nackten Rücken, ehe er weiter durch die Reihen schritt.

„Morgen kann ich euch wahrscheinlich mehr sagen. Geduldet euch bitte bis dahin – und tut nichts Unüberlegtes. Wer will, kann morgen Hill City auf dem Festland besuchen. Ich gebe euch allen den Tag frei.“

Ein Vergeltungsschlag gegen die Mon Calamari war das letzte, was sie jetzt gebrauchen konnten. Ein freier Tag und ein Ausflug zum Festland würden bei den bisherigen Kosten des Projekts auch nicht mehr stark ins Gewicht fallen. Es war zu verkraften, wenn sie damit wichtige Schadensbegrenzung betreiben konnten.

„Dan’el und Jost sollten morgen früh entsprechend die Gleiter startklar machen. Das ist meine einzige Arbeitsanweisung für die nächsten vierundzwanzig Stunden. Danach werde ich genaueres sagen können.“

Die Vornamen der Piloten hatte er bewusst gewählt, auch wenn „Jost“ in seiner Vorstellung immer nur Fleetfire heißen würde. Es ging hier auch darum, Nähe zu demonstrieren. In schwierigen Zeiten musste man zusammenrücken. Seine Stimme wurde weicher, als er den Monolog schließlich abschloss.

„Bitte habt einfach ein wenig Geduld. Wir kriegen das schon hin.“

Die Schultern hielt er straff und wanderte dieselbe Strecke durch den Sand zurück, die er eben zwischen den Nautolanern entlang gelaufen war. Das Meer zog ihn wie magisch an – vielleicht auch, weil Giselle noch immer dort stand. Er sah sie an, sein Blick war fragend, auch wenn es ihm schwer fiel in Gedanken eine konkrete Frage zu formulieren. Es war so vieles so unklar. Er legte den Kopf in den Nacken und sah zum Himmel, betrachteten die Sterne. Einer davon war möglicherweise Coruscant, auch wenn er unmöglich sagen konnte, welcher. Von der Ferne aus betrachteten waren sie schön, die Planeten. Aber manche – und Fresia gehörte dazu – entfalteten ihre wahre Pracht erst, wenn man sie selbst besuchte. Exodus war gerne hier, das wurde ihm einmal mehr klar, als in die kurze Stille der Nautolaner das Rauschen des Meeres drang – auch ein verfluchtes Projekt konnte daran nichts ändern. Er spürte Giselle neben sich. Er spürte sie über die Macht und über seine anderen Sinne. Es war, als ob die Vahla für ihn die Schönheit des Planeten geöffnet hatte. Die wichtigste Note hatte sie jedoch selbst hinzugefügt.

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Die Unsicherheit der Nautolaner lag noch in jeder ihrer Gesten und Bewegungen. Exodus hatte um Geduld gebeten, ihnen versichert, dass er sich um die nächsten Schritte kümmern würde, doch natürlich blieb die Frage, wie es weiter gehen würde. Auch er selbst stellte sie sich. Machte es noch Sinn, das Projekt weiter zu führen, nach den ganzen Verlusten und Rückschlägen, die sie bereits hinnehmen mussten? Giselle hatte das Gefühl, dass sie die Einzige war, der die Frage nach der Zukunft keine Sorge bereitete. Selbst Exodus' war aufgewühlt. Er hatte die Projektleitung von einem Mann übernommen, der hier gescheitert war und sein Ziel war es gewesen, es besser zu machen. Das hatte er getan und dennoch war der Erfolg bisher ausgeblieben. Nur langsam gingen die Nautolaner wieder auseinander. Einige sahen sich noch immer suchend nach dem Mon Calamari Kind um, doch Haiur hatte den Jungen fort gebracht, zurück in den Wald, von wo er kam und wo er irgendwo mit seinem Stamm lebte.

“Du hast dein Bestes getan.“

Sagte Giselle, als Exodus zu ihr heran trat.

“Mehr als das konntest du nicht sagen. Und es war nett, dass du ihnen Morgen frei gegeben hast.“

Trotz der Situation lächelte Giselle ihm zu. Es war nicht alles verloren, auch wenn es momentan danach aussah. Die Ereignisse der letzten Stunde überschatteten sie, doch wenn sie eine Nacht darüber geschlafen hatten, würde alles schon ganz anders aussehen. Allmählich begann sich der Tumult aufzulösen. In kleinen Gruppen gingen die Nautolaner auseinander. Giselle sah einigen von ihnen nach. Ihre Schritte wirkten schwer im leichten Sand, belastet durch die Frage, ob sie in einigen Tagen noch eine Arbeit haben würden. Jene unter ihnen, die von Coruscant kamen, so wie Jak, mussten sich besondere Sorgen machen. Nach allem was Giselle wusste, war das Leben auf dem Stadtplaneten nicht leicht und ohne Arbeit war die Gefahr groß, in die Armut abzurutschen, besonders wenn man eine Familie zu ernähren hatte. Freilich, solche Sorgen hatte Exodus Wingston nicht, doch verstand er die Ängste seiner Mitarbeiter und nach allem, was er gerade erlebt hatte, war es ein Wunder, dass er überhaupt noch auf den Beinen war und die Situation mit Fassung trug.

“Exodus?“

Sprach Giselle ihn sanft an. Obwohl er zu ihr gekommen war, war sein Blick abwesend. Wieviele hunderte Gedanken mochten ihm gerade gleichzeitig durch den Kopf gehen?

“Exodus, du hast heute ein Leben gerettet.“

Erinnerte sie ihn und ein Anflug von Bewunderung schwang in ihrer Stimme mit. Ja, Giselle Givenchy konnte die Ängste der Nautolaner verstehen, doch die Tatsache, dass Exodus und das Mon Calamari Kind beide hätten tot sein können, es jedoch nicht waren, war viel mehr ein Grund um zu feiern, als die Köpfe hängen zu lassen.

“Wenn du nicht gewesen wärst...“

Sie beendete den Satz nicht. Es war eindeutig, was geschehen wäre, wenn Exodus den Jungen nicht gerettet hätte. Vielleicht wäre es ihm gelungen einen Teil des Lumiums zu retten, doch kein Schatz und kein Reichtum der Welt war es wert, ein Leben dafür zu opfern. Die Macht des Geldes war ohnehin etwas, das Giselle niemals verstehen würde.

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Er hatte ein Leben gerettet, stellte Giselle dicht neben ihm stehend, fest. Die leichte Bewunderung in ihrer Stimme blieb ihm nicht verborgen. Sie war die einzige, die bisher einen positiven Aspekt gefunden und hervorgehoben hatte. Die einzige, deren Stimme nicht von Panik und Sorge durchdrungen war. Ja, er hatte ein Leben gerettet. Doch während er in die Mienen der Nautolaner geblickt hatte, war die Frage in ihm aufgekeimt, wieviele Leben er heute Abend möglicherweise erschwert hatte. Wenn sie hier wirklich dicht machen mussten – wie viele Natuolaner würden danach sofort eine Anstellung finden? Die Wingston Corporation konnte sie nicht alle brauchen. Und dennoch ... er durfte so nicht denken, denn es würde seinen rationalen Verstand noch weiter behindern. Aber rational war heute Abend ohnehin nicht mehr vieles.

„Wenn ich nicht gewesen wäre …“

Griff er Giselles unvollenden Satz auf.

„Dann wäre die Crew jetzt nicht so verzweifelt. Ich bin ins Meer gesprungen und die Plattform hochgeklettert, weil ich das Lumium retten wollte. Ich habe diese eine Chance gesehen und wollte sie nutzen. Aber dann …“

Sie stand ihm gegenüber, doch sein Blick verschwamm und er sah sie kaum richtig an. In seinem Kopf kehrte er erneut auf die Plattform zurück. Kletterte erneut die langen Pfeiler hoch, durchlebte erneut was geschehen war und welches Bild sich ihm geboten hatte. Unbewusst spannte er seinen ganzen Körper an.

„Der Junge wusste überhaupt nicht, was er tat. Du hättest ihn sehen sollen: Er stand mitten in den Flammen, kurz vor der Bewusstlosigkeit und davor bei lebendigem Leib verbrannt zu werden.“

Er schüttelte ungläubig den Kopf und sein Blick gewann wieder an Klarheit. Dafür trat Bitterkeit in seine Stimme.

„Ich musste ihn retten, ich konnte nicht anders. Ich bin in die Flammen gesprungen, habe ihn mir geschnappt und bin weiter gerannt. Die Druckwelle der Explosion hat uns von der Plattform geschleudert.“

Er sah an sich hinunter und breitete die Arme aus. Schon seit Stunden trug er nur Badeshorts – und dort oben wäre andere Kleidung gewiss angemessener gewesen. Trotzdem war seine Haut nahezu unversehrt, nur die Härchen auf seinen Armen und auf seiner Brust waren teilweise verkohlt. Die Macht hatte ihn gerettet. Die Schutzblase um ihn und den Jungen hatte ihrer beiden Leben bewahrt.

„Ich habe nur ein paar Kratzer, aber der Junge hat ein paar Brandwunden erlitten, glaube ich … ich hoffe, er erholt sich.“

Exodus reckte den Kopf und kniff die Augen zusammen, um den kleinen Mon Calamari in der Dunkelheit auszumachen, doch es gelang ihm nicht. Der Junge war weg, vermutlich bei Haiur. Er sah Giselle in die Augen, während seine Körperspannung ihn endgültig verließ und seine Schultern sichtbar hinab sanken. Ihm war danach, sich einfach an Ort und Stelle in den Sand fallen zu lassen. Oder ins Meer zu springen. Gleichzeitig verspürte er in ihrer Nähe einen leichten Trost und deshalb tat er nichts dergleichen. Giselle gab ihm immer das Gefühl seine wahren Gedanke und Emotionen auszusprechen zu können – es überraschte ihn selbst, wie häufig er es dann auch tat. Exodus atmete tief durch, schloss für einen Moment die Augen und sah dann wieder auf.

„Ich habe schon einmal einen Jungen stehen lassen und mich stattdessen dem Geschäft gewidmet. Diesen Fehler wollte ich nicht noch einmal machen.“

Das war es gewesen. Deshalb hatte er sich umentschieden. In dem fremden Mon Calamari Jungen hatte er Adrian wieder erkannt und Adrian war es, den er gerettet hatte. Auch wenn es nur eine Illusion gewesen war – es fiel ihm schwer, seine Entscheidung wirklich zu bereuen. Er hatte einen Jungen gerettet! Wenn er selbst der Vater des Jungen gewesen wäre, was wäre es für ein Gefühl gewesen, das eigene Kind zu verlieren und zu erfahren, dass dafür ein ganzer Haufen wertvollen Gesteins gerettet worden war? Vermutlich hätte er den Mann aufgesucht und ihm den Hals umgedreht. Ein mildes Lächeln umspielte seine Mundwinkel, doch das Zucken seiner Schultern wirkte ratlos.

„So sieht es also aus.“

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Wenn man Exodus Wingston kennen lernte, erschien er nicht wie ein Mann, der seine eigenen Entscheidungen hinterfragte. Nach außen hin strahlte er Selbstsicherheit aus, großes Selbstbewusstsein und zum Teil sogar Arroganz. Diese konnte er, wenn er wollte, mit einem einschmeichelnden Lächeln ausgleichen. Wenn man sich nur oberflächlich mit ihm unterhielt oder ihn nur flüchtig kannte, ahnte man nicht, dass auch er es sich nicht leicht machte. Er wollte die richtigen Entscheidungen treffen und setzte sich dabei selbst unter Druck. Was hatte er besser machen können, auf der Plattform im Meer, die in Flammen gestanden hatte? Ihm waren nur Sekunden geblieben um sich selbst und den Jungen zu retten. Hätte er länger gezögert oder sich anders entschieden, hätte das Kind keine Chance auf Überleben gehabt. Vielleicht hätte nicht einmal Exodus es geschafft.

“Schau dich an.“

Sagte Giselle mit Nachdruck.

“Du lebst, nicht wahr? Der Junge lebt. Was ist wichtiger als das?“

Sie schüttelte den Kopf.

“Du hast das Richtige getan, hör auf es zu hinterfragen. Du hast ein Leben gerettet und dabei dein eigenes riskiert. Niemand hätte das von dir verlangen können.“

Exodus hatte von einem anderen Jungen gesprochen, den er zurück gelassen hatte, weil er sich für das Geschäft entschieden hatte. Es war nicht schwer zu erraten, dass er damit seinen Sohn meinte. Giselle überlegte, ob sie ihn darauf ansprechen sollte, doch sie ließ es bleiben. Man konnte die Fehler der Vergangenheit nicht rückgängig machen, doch man konnte es besser machen, in der Gegenwart, und für die Zukunft daraus lernen. Offensichtlich hatte Exodus genau das getan. Mittlerweile waren die Nautolaner einer nach dem anderen zum Camp zurück gekehrt und sie beide waren die einzigen, die noch an der Anlegestelle zurück geblieben waren. Der Wind trug die aufgeregten Stimmen der anderen trotzdem noch zu ihnen herüber und auch wenn keine einzelnen Worte auszumachen waren, wusste Giselle, worüber gesprochen wurde. Man diskutierte über die jüngsten Ereignisse, erzählte denen, die nicht mit draußen auf dem Wasser gewesen waren, was man gesehen hatte und spekulierte über die Folgen. Ein Teil der Crew mochte noch wütend sein über die zweifellos mutwillige Brandstiftung, oder verängstigt über eine Zukunft, die an seidenen Fäden hing, doch sie würden lernen damit umzugehen und darüber hinweg kommen. Giselle war sicher, niemand von ihnen machte ihrem Chef einen Vorwurf – nicht, wenn sie bei Verstand waren.

- Fresia – Fingers Mark – Palm Island – Strand – Mit Exodus –
 
[ Fresia – Fingers Mark – Meer – Strand | mit Giselle ]

Hör auf es zu hinterfragen. Hör auf zu hinterfragen. Hör auf …
Giselles Worte echoten in seinem Kopf, während er seinen Blick abwendete und auf das dunkle Meer hinaus sah. Die Wellen bäumten sich auf, brachten und spülten ans Meer. Dann zogen sie sich zurück, bäumten sich wieder auf und setzten ihren Weg zum Strand fort. Es war ein hoffnungsloses Unterfangen, doch das Meer machte immer weiter. Anders gesagt: Es gab nicht auf. Niemals. Exodus schloss die Augen und lauschte für einen Moment dem gleichmäßigen Rauschen. Er war bisher nur mit der Flut nach Fingers Mark gekommen – er war die Flut gewesen. Jetzt schien der Wendepunkt gekommen und die Zeit der Ebbe vor ihm zu liegen. Würde er sich ganz zurückziehen oder es ein weiteres Mal versuchen? Oder würde es sich als hoffnungsloses Unterfangen herausstellen – ganz wie beim Meer? Exodus verschränkte die Arme vor der nackten Brust und sah wieder zu Giselle, musterte sie einen Augenblick nachdenklich.


„Danke.“

sagte er schließlich und zeigte den Ansatz eines Lächelns. Zum ersten Mal seit sie den Strand wegen des Feuers verlassen hatte. Es fühlte sich an, als wäre das Tage, Monate, Jahre her. In einem anderen gewesen, auf einer anderen Welt. Ihr gemeinsamer Tanz am Feuer war einer der besten Momente dieser Reise gewesen – und kurz darauf war einer der bittersten gefolgt. Ausgleichende Gerechtigkeit?

„Danke, dass du da bist.“

Er löste die Arme aus der Verschränkung und legte ihr seine rechte Hand auf die Schulter, drückte sie kurz und verharrte dann für einen Augenblick.

„Und danke … für deine Worte.“

Sie war eine echte Freundin, sie baute ihn auf, machte ihm Mut – und das half. Es half wirklich. Er fühlte sich innerlich zerrissen, doch er fühlte auch, dass es Giselle war, die ihm helfen konnte, diese Wunde heilen zu lassen. Langsam ließ er seinen Arm wieder sinken und fühlte sich schlagartig kraftlos.

„Ich glaube … ich brauche einen Moment für mich allein. Ich muss einfach ein bisschen … runterkommen.“

Er schickte Giselle sonst nie weg. Die Vahla war diejenige, die er sonst immer um sich haben wollte, bei der er sich immer besser fühlte. Auch jetzt war das so. Und trotzdem wollte er für einige Minuten, vielleicht auch eine Stunde, einfach hier alleine am Strand sitzen. Vielleicht war sein Unterbewusstsein, das ihn lenkte und sie nicht am Moment seiner Schwäche teilhaben lassen wollte. Vor Giselle zeigte er sich am liebsten stark. Doch das war er nicht. Nicht immer. Nicht jetzt.

[ Fresia – Fingers Mark – Meer – Strand | mit Giselle ]
 
- Fresia – Fingers Mark – Palm Island – Strand – Mit Exodus –

Giselle nickte, als Exodus sie bat, ihn allein zu lassen. Es war ein langer Tag gewesen, er hatte viel erlebt und viel nachzudenken. Ohne ein weiteres Wort zu sagen, wandte sie sich um. Sie hörte noch immer den Klang der Trommeln, obwohl die Nautolaner längst keine Musik mehr machten. Dennoch hallte ihr Echo in Giselles Ohren wider, ein stetiges, rhythmisches Schlagen, dessen Regelmäßigkeit sie an vergangene Tage erinnerte. Ihre Füße spürten das samtige Streicheln des Sandes unter ihren Fußsohlen, als sie über den Strand zurück zum Lager ging. Das große Leuchtfeuer, um das sie vorhin noch getanzt hatte und für das man am Nachmittag eigens einen großen Berg an Holz aufgeschichtet hatte, war merklich geschrumpft, nur noch unverhältnismäßig größer als das abendliche Lagerfeuer, an dessen Anblick man gewöhnt war. Giselle bahnte sich ihren Weg zwischen de Zelten entlang, der Wind trug die Stimmen ihrer Kollegen, die in Grüppchen zusammen standen oder saßen, zu ihr hinüber. Neben einer der Bänke sah sie, beleuchtet durch den Schein des Feuers, ein Stück Stoff im Sand liegen – Teile ihres Rockes, den Exodus ihr vor einer, zwei oder drei Stunden gekürzt hatte. Sie wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war. Zeit war immer relativ. Ihr Blick wanderte weiter. Auch hier war von den Mon Calamari nichts zu sehen. Haiur war mit seinem Freund und dem Jungen im Wald verschwunden, den Blicken der Nautolaner entwichen, die nach Antworten suchten.

“Giselle!“

Es war Jak, der sie trotz der Dunkelheit zwischen den Zelten erspäht hatte. Giselle glaubte zu wissen, dass die schlechten Lichtverhältnisse den normalerweise unter Wasser lebenden Nautolanern, die die Dunkelheit gewohnt waren, nichts aus machten. Er trat neben sie.

“Was für eine Scheíße, man.“

Sagte er ohne Einleitung. Aber auch so war klar, worüber er sprach. Es konnte kein anderes Thema geben, nicht jetzt.

“Ich weiß.“

Nickte Giselle.

“Aber es hilft nichts, sich jetzt zu viele Gedanken zu machen. Es gibt nichts, das wir tun können. Du solltest morgen nach Hill City fahren und dir die Stadt ansehen.“

Riet sie ihm.

“Etwas Ablenkung wird sicher nicht schaden.“

“Kommst du auch mit?“

Jak hatte begonnen sich zu bewegen und in Richtung des noch immer aufgebauten Buffets zu schlendern. Giselle folgte ihm langsam.

“Ich weiß nicht. Ich würde gerne, aber womöglich braucht Exodus mich hier. Mal sehen, was er sagt.“

Sie hob ihre schmalen Schultern in einer Geste, die ausdrückte, dass sie für den Moment nur abwarten konnten. Es wäre schön, dachte sie, nach Hill City zu fahren und die Stadt in der Dunkelheit zu erleben. Sie würde Jem besuchen. Er freute sich sicher freuen. Jak schaufelte sich einen Teller mit übrig gebliebenen, mittlerweile kalten Speisen, voll. Außer ihm schien jedoch niemandem nach Essen zu Mute zu sein. Die meisten der anderen Nautolaner saßen vor ihren Zelten, einige etwas weiter unten am Strand und wiederum andere hatten sich schon längst schlafen gelegt, nachdem ihre gute Stimmung bis auf den letzten Tropfen aus ihren Gemütern gespült worden war, wie Salzwasser aus ihren Lungen.

“Hier, iss was.“

Bot Jak ihr etwas von seinem Teller an, doch Giselle schüttelte den Kopf.

“Danke, ich habe keinen Hunger.“

Lehnte sie ab und ihr Blick bewegte sich über die Bäume am Waldrand.

“Ich glaube, ich vertrete mir noch ein wenig die Beine.“

Sagte sie.

“Lass es dir schmecken… und lass dir morgen die Fahrt nach Hill City nicht entgehen.“

Sie steuerte auf den Wald zu, den Schutz der Bäume suchend, die sie innerhalb von Sekunden in vollständiger Dunkelheit verschlangen. Wie konnte an einem einzigen Tag so viel geschehen? Heute morgen erst waren sie zurück gekehrt von Rings Island, zusammen mit Haiur und der Hoffnung über eine baldige Schlichtung zwischen ihnen und den Mon Calamari. Stunden später schien sich die Welt gedreht zu haben und auch der letzte Hoffnungsschimmer war verschwunden, als hätte ihn die Sonne mit genommen. Giselle suchte sich ihren Weg durch den Wald. Inmitten der Bäume war es noch dunkler als draußen am Strand, da der Schein des Feuers und der elektronischen Lampen nicht bis hierher reichte und die dichten Baumkronen den funkelnden Sternenhimmel abschirmten. Exodus‘ Hütte, an der Giselle vorbei gekommen war, hatte in völliger Einsamkeit gelegen. Es war dunkel gewesen, in ihrem Inneren, also saß Exodus wohl noch immer am Strand. Sie hoffte, dass er sich keine Vorwürfe machte. Er hatte alles getan was er konnte. Er hatte ein Leben gerettet. Etwas raschelte in einem der Büsche und Giselle sah die Umrisse eines Reptils, das an ihren Füßen vorbei huschte und im tiefen Gras verschwand. Es war nicht das erste Mal gewesen, dachte sie, dass Exodus das getan hatte. Er hatte auch sie gerettet, als sie die Klippen hinunter gesprungen waren. Ein wohliges Gefühl durchlief sie, als sie an den Rausch dachte, der sie erfasst hatte, als sie gesprungen war. Sie musste es bald wieder tun. Vielleicht während der Dunkelphase? Es war jetzt nicht mehr so stürmisch wie an jenem Tag, als die Wellen über ihr zusammen geschlagen waren und sie hinunter gedrückt hatten. Das Wasser war überall gewesen, hatte Giselle dort gehalten wo sie war und sie zu einem Teil des Meeres machen wollen. Ohne Exodus‘ Hilfe hätte sie es nicht zurück zur Oberfläche geschafft. Zum Dank hatte Giselle ihm später einen Traumfänger gebastelt. Sie kannte diese Tradition von früher, als sie noch Teil ihres Volkes gewesen war. Die eigene Dankbarkeit durch angemessene Geschenke auszudrücken war ein wichtiger Teil des sozialen Konstrukts. Für das, was Exodus an jenem Tag für sie und heute für das Mon Calamari Kind getan hatte, gab es nichts, das er mehr verdient hätte, als Giselle selbst.

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[ Fresia – Fingers Mark – Palm Island – Strand | allein ]

Als Giselles leise Schritte über den Sand verklungen waren und Exodus sie außer Sichtweite vermutete, ließ er sich kraftlos in den Sand sinken. Es war ihm zur Gewohnheit geworden, die Aura der Vahla über die Macht zu erspüren, doch jetzt löste er die Verbindung langsam und ließ den Kontakt abbrechen. Seine Machtsinne kehrten zu ihm selbst zurück und schotteten Exodus ganz bewusst von der Umwelt ab. Er brauchte Ruhe. Einfach nur einen Moment hier sitzen und an nichts denken, nichts fühlen. Nur sein steter Atem, auf den er sich konzentrieren musste. Müde streckte er langsam die Beine vom Körper und schloss die Augen. Es war ein Tag, der auch ein Jahr hätte sein können. Ein Tag, der sich anfühlte wie im Zeitraffer vergangen, an dem viel zu viel geschehen war, als dass man es verarbeiten konnte.

Aus dem Moment wurden einige lange Minuten. Seine Beine und Arme fühlten sich schwer an und die Verantwortung lastete immer noch schwer auf seinen Schultern. Es war keine reine Metapher – er konnte die Schwere seiner Taten fast physisch spüren. Er war verantwortlich für vieles, was heute passiert war. Im Guten wie im Schlechten. Giselle hatte Recht: Der Mon Calamari Junge verdankte ihm sein Leben. Gleichzeitig aber spürte er die Verpflichtung gegenüber der Wingston Corporation und damit seinem Vater und seinen Mitarbeitern. Auch Giselle gehörte dazu. Ihre gemeinsame Zukunft stand nun auch auf dem Spiel. Es klang unsinnig, selbst in seinem eigenen Kopf, doch er war sich darüber bewusst, dass er sich lieber hier auf Fresia mit der Vahla wähnte als auf allein zurück auf Coruscant. Giselle spendete ihm Trost, hörte ihm zu, hatte interessantes zu erzählen und war spannend zu erforschen. Und irgendwann würde er auch noch die Wärme ihrer nackten Haut zu spüren bekommen. Der Vorgeschmack, den sie ihm heute Abend gegeben hatte, war wie ein Versprechen, das er nicht vergessen konnte. Dieses Projekt durfte noch nicht scheitern. Es durfte nicht, durfte nicht, durfte nicht.

Dann, plötzlich, schüttelte er den Kopf und erhob sich aus dem Sand. Seine Glieder schmerzten und er konnte nicht sagen, ob nur von der Anstrengung des Tages oder auch von seiner regungslosen Haltung. Die Gedanken durften nicht wieder die Herrschaft über ihn gewinnen. Nichts denken, so hatte er es sich selbst gesagt. Er benötigte Ruhe und ein wenig Abstand. Das Grübeln half nichts. Nicht bevor er sich nicht ordentlich mit seinem Vater besprochen hatte. Seine Schritte führten ihn in Richtung des Meeres, statt zurück zum Camp. Es war paradox, doch das Meer war es, nachdem es ihn in diesem Moment verlangte. Das Meer, das ihm auf dem Weg zur Plattform noch wie eine kaum zu überwindenden feindseelige Hürde erschienen war. Die leisen Wellen umspülten seine Zehen, dann seine Füße und schließlich seine Beine. Exodus watete langsam in den Ozean, genoss dieses Mal die Kälte des Wassers, auch wenn sich eine leichte Gänsehaut auf seinen Armen bildete. Irgendwann stand ihm das Wasser bis zur Brust und er stieß sich intuitiv mit den Füßen vom sandigen Meeresboden ab, um ein paar Schwimmzüge zu machen. Das Wasser trieb ihn hoch und Exodus bemerkte, dass er sich ganz langsam entspannte. Das Wasser entlastete seine Muskeln. Es nahm die Schwere.

Das Meer hatte jegliches Zeitgefühl fort gespült. Als Exodus wieder über den Strand trottete, konnte er kaum sagen, wieviel Zeit wirklich vergangen war. Das Camp war ruhig geworden, nur noch vereinzelt konnte er Stimmen vernehmen, als er dem Meer den Rücken kehrte und das Zeltdorf durchquerte. Sein Körper war noch nass und mit jedem Schritt hinterließ er dunkle Wassertropfen im trockenen Sand. Niemand würde sie bemerken. Die Dunkelheit würde jede seiner Spuren aufsaugen und verbergen. Exodus sah sich um und blickte von Zelt zu Zelt, sah zurück zu dem großen Platz in der Mitte des Camps, an dem sie täglich zusammenkamen. Ob man auf Fingers Mark noch lange die Spuren ihrer Unternehmung wahrnehmen würde, sollten sie hier tatsächlich die Zelte abbrechen? Oder nahm sich die Natur schnell zurück, was man ihr genommen hatte, um das Projekt der Wingston Corporation so schnell wie möglich vergessen zu machen? Exodus kniff die Augen zusammen, um seine Hütte, die am Rand des Camps aufgebaut war, besser erspähen zu können. Sein Gang war zielstrebig, wenn auch nur, um niemandem auf dem Weg zu begegnen. Schließlich erreichte er seinen kleinen Rückzogsort, zog die Tür hinter sich zu und durchquerte den Hauptraum ohne lange zu überlegen in Richtung seiner Nasszelle. Das Schwimmen im Meer hatte sich wie eine seelische Reinigung angefühlt, es hatte ihm geholfen seine Gedanken zu beruhigen, ähnlich einer Meditation im Strom der Macht. Doch das Salzwasser klebte noch immer auf seiner Haut und er wusste, dass er es morgen früh bereuen würde, wenn er sich so ins Bett fallen ließ. Die Badeshorts, die er schon den halben Tag getragen hatte, ließ er auf dem Weg zur Dusche auf den Boden fallen. Dann öffnete er den Wasserhahn und schloss die Augen. Das Duschwasser war angenehm warm. Ein schöner Kontrast zur Kälte des Meeres, die ihn schlussendlich doch wieder zurück zum Strand getrieben hatte.

Er verließ die Nasszelle zunächst nackt und band sich dann, nachdem er sich abgetrocknet hatte, das weiße Handtuch um die Hüften. Erschöpft ließ er sich in den großen gemütlichen Sessel sinken, den Bas Goarland ihm bei seiner Ankunft als bestes Möbelstück der Insel angekündigt hatte. Goarland saß mittlerweile wieder auf Coruscant an seinem Schreibtisch. Exodus hatte den Staffelstab übernommen und versucht Goarlands Fehler auszugleichen. Er selbst würde den Stab nicht ein weiteres Mal weitergeben. Wenn dieses Projekt weitergehen sollte, dann nur mit ihm als Leiter – und nur mit Giselle an seiner Seite. Goarland hatte deutlich versagt und auch wenn es momentan ähnlich schlecht aussah, gab es einige Dinge, die er in seiner kurzen Zeit hier erreicht hatte. Sie hatten die Lumium-Erträge gesteigert und zuletzt sogar eine neue Quelle gefunden. Das Team war disziplinierter geworden. Dank seiner Assistentin waren die Schichtpläne besser zusammengestellt und die Mitarbeiter zufriedener. Das alles stand auf der Haben-Seite. Das alles würde er morgen mit seinem Vater thematisieren müssen. Exodus blinzelte zu seinem Fenster. Die Jalousien waren noch nicht geschlossen. Durch der Dunkelheit, die nun erstmals draußen vorherrschte, war es ihm nicht aufgefallen. Langsam erhob er sich, ging die wenigen Schritte zum Fenster und drückte den Knopf zum Herunterlassen, der neben dem Fensterrahmen angebracht war. Er hatte sich die Nacht so lange herbei gesehnt – eine richtige Nacht, eine Nacht mit tiefschwarzem Himmel und Sternen – doch heute würde es ihm nichts helfen. Nach allem was passiert war, würde er gewiss kein Auge zumachen können. Er musste seinen Kopf regelrecht zwingen, die Gedankenspirale immer wieder zu unterdrücken. Exodus wandte sich vom nun geschlossenen Fenster ab. Er blickte sich seufzend im Zimmer um und fixierte das Handtuch um seine Hüften erneut, ehe ihm das Comm auf dem kleinen Beistelltisch auffiel. Ein wenig Ablenkung wäre jetzt genau das richtige. Vielleicht hatte sich ja etwas Neues in der Grav-
Ball-Meisterschaft ergeben …


[ Fresia – Fingers Mark – Palm Island – Strand – Camp – Exodus’ Hütte | allein ]
 
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- Fresia – Fingers Mark – Palm Island - Wald -

Sie genoss die Einsamkeit um sie herum. In den letzten 48 Stunden hatte sie davon nicht all zu viel gehabt und obwohl Giselle gerne mit anderen zusammen war, immer aufgeschlossen für neue Bekanntschaften und neue Geschichten, war sie auch gerne alleine, nur für sich mit ihren Gedanken und Gefühlen. Die Dunkelheit um sie herum verstärkte dieses Gefühl. Manch einer fürchtete sie, die Dunkelheit. Sie stand für alles Ungewisse, für etwas das man nicht bekämpfen konnte. Giselle fürchtete sich nicht. Es gab nur wenige Dinge, die wirkliche Angst ihn ihr hervor riefen. Ihre Füße tasteten sich vorwärts, einen vorsichtigen Schritt nach dem anderen machend, und sie spürte das vertraute weiche Gras, raue Baumwurzeln und kalte Steine, deren scharfe Kanten von unten gegen ihre Fußballen drückten. Giselle entfernte sich weiter vom Strand und von den Zelten. Vor ihr wurde der Wald lebendig. Sie wusste nicht, in welche Richtung die Mon Calamari verschwunden waren und für Giselle war es unmöglich, ihre Spur in der Dunkelheit aufzunehmen. Sie vermutete, dass Haiur den Jungen in dessen Dorf brachte, wusste allerdings nicht wo dieses lag. Palm Island war groß, größer als Rings Island, aber sie hatte ohnehin nicht vor ihnen zu folgen. Es war etwas anderes, das Giselle beschäftigte. Exodus Wingston hatte sich in ihrem Kopf fest gesetzt und es war schwer ihn wieder los zu werden. Sie sah ihn immer wieder vor sich: am Strand, auf dem Wassergleiter, wie er die brennende Plattform hinauf kletterte... er war einfach überall. Dort, wo Giselle her kam, gab es Traditionen und Bräuche, so wie überall. Sie hatte diese erlernt und verinnerlicht, als sie aufgewachsen war und sie wieder abzulegen war nicht einfach, selbst nach so vielen Jahren nicht, die sie schon nicht mehr innerhalb ihres Volkes lebte. Manches davon wollte sie auch nicht ablegen. Erziehung prägte einen Charakter und bestimmte, wie er sich später entwickeln würde, wenn er alt genug war um eigenständig zu leben. Giselle wusste das. Sie wusste auch, dass die Bräuche ihres Volkes nicht immer mit denen anderer vereinbar waren. Manchmal kollidierten sie. Sie hatte das schon einmal erfahren und trotzdem kam sie nicht umhin zu denken, dass es richtig wäre, ihrem Instinkt zu folgen. Sie musste etwas für Exodus tun – sie wollte etwas für ihn tun. Er hatte sie gerettet, er hatte den Jungen gerettet. Es war nicht richtig, dass er alleine war, seine Entscheidungen hinterfragte, anzweifelte und sich vielleicht sogar Vorwürfe machte. Das war nicht, was Giselle wollte. Sie wollte, dass es ihm gut ging.

Sie sah ihn auf seine Hütte zusteuern, als sie ihren Weg zurück zum Strand suchte. Im Camp war es mittlerweile still. Die Nautolaner, sowie die beiden menschlichen Piloten, hatten sich in ihre Zelte zurück gezogen. Es war spät, jeder von ihnen brütete noch über den Ereignissen des Tages und da die Stimmung zum Feiern längst verschwunden war, blieb ihnen nichts als sich schlafen zu legen und diesen Tag zu beenden, der versprochen hatte so fröhlich auszuklingen, sich dann jedoch selbst an Ereignissen überschlagen hatte. Es war zu dunkel und Exodus war zu weit entfernt als dass Giselle seinen Gesichtsausdruck hätte erkennen können. Zwar konnte sie verschiedenes in seine Haltung hinein interpretieren, doch vermutlich wäre nichts davon richtig gewesen. Sie stand zwischen den Bäumen, als er die Tür zu seiner Hütte öffnete und im Inneren des hölzernen Baus verschwand. Licht entzündete sich in der Nacht und sie konnte ihn an einem der Fenster vorbei gehen sehen. Für ein paar Momente überlegte sie, stand still dort wo sie war. Er sollte nicht alleine sein, nicht heute. Sie huschte durch die Nacht über den samtigen Sand und verschwand durch den Eingang ihre Zeltes, das sie sich mit Sou und Zera teilte. Beide Nautolanerinnen lagen fest schlafend in ihren Laken. Giselle bewegte sich leise, aktivierte eine kleine Lampe und deckte sie mit einem Tuch ab, um das Licht zu dämpfen. Zera regte sich im Schlaf, drehte sich auf die andere Seite.


“Giselle? Was machst du?“

Fragte sie flüsternd mit halb geschlossenen Augen, ihre Stimme war müde und die Worte kamen gedehnt.

“Ich suche nur etwas, schlaf weiter. Ich mache das Licht gleich aus.“

Antwortete Giselle ebenso leise, während sie in ihrer Tasche wühlte. Sie deaktivierte das Licht, um nicht zu riskieren, dass Sou ebenfalls aufwachte, und es dauerte einige Momente, bis sich ihre Augen wieder an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Sie verließ das Zelt mit einem Stoffbündel, das sie fest an ihre Brust presste. Wie spät mochte es sein? Sie hatte versäumt auf ihr Chrono zu schauen. Giselle durchquerte das Camp und ging hinüber zu den sanitären Anlagen. In Exodus' Hütte brannte noch immer Licht. Er hatte mittlerweile die Jalousien herunter gelassen, doch die hellen Streifen in den Ritzen zwischen den Brettern der Hüttenwände verrieten, dass er noch wach war. Sie duschte, wusch den Schmutz und den Schweiß des Tages von sich und mit ihnen die Aufregung und Sorge der letzten Stunden. Ihre Erinnerung kehrte zurück zu früher an diesem Abend, als Exodus sich ihrem Tanz angeschlossen hatte und sich die Luft zwischen ihnen begonnen hatte aufzuladen. Giselle begehrte ihn. Er war alles, was eine Frau in einem Mann suchte. Sie wusch ihre Haare und trocknete sie sorgfältig. Ihr Shampoo roch nach Wildblumen. Heute Nacht würde sie Exodus Wingston geben, wonach er sich sehnte – nicht weil sie ihn wollte, sondern weil er es verdiente. Während die Minuten langsam verstrichen, ölte Giselle Givenchy ihren Körper ein. Sie wollte es richtig machen, so wie die Frauen ihres Clans es getan hätten. Es musste gut für ihn sein. Das Öl zog in ihre Haut ein, glättete sie und hinterließ ein wohliges Aroma. Zu ihren Füßen lag das auseinander gefaltete Stoffbündel, sowie etwas, das Giselle mitgebracht hatte, ohne recht zu wissen, ob sie es brauchen würde. Vielleicht war es eine Art Vorahnung gewesen. Sie hatte dies nichtt von den Frauen gelernt, die sie groß gezogen und geprägt hatten, sondern von dem einen Mann, den sie geliebt und geheiratet hatte. Morten hatte es gemocht, wenn sie schöne Dessous für ihn getragen hatte, solche die man in den Städten kaufen konnte. Er hatte ihr erklärt, dass es Männern gefiel, wenn man ihnen ihre Überraschung aufregend verpackte. Er hatte Recht gehabt. Langsam bückte sich Giselle nach der Unterwäsche.

Ein lauer Wind wehte, als sie wieder hinaus in die Dunkelheit trat. Obwohl es still um sie herum war, bildete sie sich ein, aus der Ferne Musik zu hören. Die Vahla bewegte sich nah am Rand der Bäume. Sie wollte nicht, dass sie jemand sah, sollte sie wider Erwarten nicht die einzige sein, die der Nacht trotzte, doch sie sah niemanden. Sie hörte nur das Rauschen der Wellen, das die seichten Pianotöne in ihrem Kopf übertönte. Zielstrebig hielt sie auf die Holzhütte zu, die Exodus' Privileg und Rückzugsort war. Er war noch immer wach. Erst vor seiner Tür hielt Giselle inne. Sie hatte ein großes Strandtuch um ihren Körper geschlungen und die Enden über ihrer Brust zusammen geknotet. Darunter trug sie nichts als ihre Unterwäsche. Über ihr blinkten die Sterne in gemeinschaftlicher Zustimmung und Giselle hob ihre rechte Hand, um gegen die Tür der Hütte zu klopfen. Flüchtig warf sie einen Blick hinauf in den Himmel. Als Exodus sie aus dem Meer gerettet hatte, hatte sie noch gedacht, er sei glücklich verheiratet. Nur das war der Grund gewesen, warum sie ihm den Traumfänger gebastelt hatte, anstatt mit ihm zu schlafen. Heute wusste sie es besser.


- Fresia – Fingers Mark – Palm Island - Vor Exodus' Hütte -
 
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[ Fresia – Fingers Mark – Palm Island – Strand – Camp – Exodus’ Hütte | allein ]

Es war nicht viel Neues passiert in der Grav-Ball-Meisterschaft und so hatte Exodus die Wiederholung eines alten Matches gestartet. Darius Ruellis, sein Liebligsspieler, hatte dort groß aufgetrumpft und Exodus plante, sich einige seiner Spielzüge einprägen, um sie in den Diskussioenn mit Dan’el um den besten Spieler der Liga, als Argument für Ruellis‘ überlegene Spielübersicht einbringen konnte. Falls es zu diesen Debatten zwischen ihm und dem Piloten überhaupt noch einmal kommen würde. Alles war nun ungewiss. Vielleicht war der gestrige Abend die letzte Gelegenheit zum gemeinsamen Fachsimpeln gewesen. Seine Gedanken führten ihn zurück zum Beginn ihrer abendlichen Feier – dort hatte er gemütlich mit Giselle, Zera und Dan’el zusammen gestanden und sich über die Spieler unterhalten. Zera hatte Ruellis heiß gefunden und Giselle war der Meinung gewesen, ein jeder sollte die Position spielen, die er am besten beherrschte. Wenn man den besten Mann für jeden Platz gefunden hatte, dann konnte sich das restliche Team immer aufeinander verlassen. Exodus‘ Blick wurde trübe und er nahm die kleinen Sportler auf dem Display kaum noch wahr. Der richtige Mann auf der richtigen Position – bis heute Abend war er der festen Überzeugung gewesen, genau das zu sein. Nur: Was hätte er ändern können? Die Probleme waren nicht erst heute Abend aufgekommen. Sie waren langsam gewachsen, bis es zwangsläufig zu einer Explosion hatte kommen müssen. Sie hätten schon viel früher beginnen müssen, sich um eine Konfliktlösung zu bemühen. Schon Goarland wäre verpflichtet gewesen, den Grundstein dafür zu legen. Dafür war er eingestellt worden, doch offensichtlich war der alte Mann nicht der beste für diese Position gewesen. Exodus folgte wieder den Figuren auf seinem Display. Ruellis spielte aus der Tiefe einen weiten Pass ins Mittelfeld. Von dort aus verwerteten seine Mitspieler ihn weiter, passten sich einige Male zu, ehe der Ball in die Spitze geworfen und zum Tor verwandelt wurde. Der Torschütze wurde bejubelt, doch eigentlich war es Ruellis gewesen, der mit einer geschickten Finte gegenüber dem Gegner überhaupt erst den Angriff eingeleitet und so das Tor ermöglicht hatte. So musste ein Team-Captain spielen. Er musste seine Mitspieler gut aussehen lassen, musste ihnen ermöglichen, ihr volles Potential entfalten zu können. Er musste voraus denken, musste die Situation richtig analysieren können. Wieder dachte Exodus selbstkritisch an die vergangenen Tage und Wochen zurück. Hatte er die Situation gut genug analysiert?

Ein plötzliches Klopfen an der Tür seiner Hütte erlaubte ihm, sich nicht weiter den quälenden Fragen stellen zu müssen. Der Projektleiter erhob sich, zupfte erneut an seinem Handtuch und schritt zur Tür. Besuch bei seiner Hütte war äußerst selten, vor allem um diese Uhrzeit. Es musste schon fast Morgen sein, auch wenn der Himmel nichts von der Ankunft des Tages verraten würde. Sein Outfit war zwar nicht besonders angemessen für Besuch, doch angesicht der Tatsache, dass er den halben Tag in Badeshorts verbracht hatte, war dies wohl nur noch eine Nebensächlichkeit. Seine Hand griff zur altertümlichen Türklinke, doch fast zeitgleich mit der Berührung des kühlen Metalls, meldete sich die leise Stimme in seinem Kopf zurück und ließ ihn zögern. Mach nicht auf, flüsterte sie ihm zu. Lass keinen Besuch mehr ein, wisperte sie, nun dringlicher. Exodus ignorierte die Stimme und zog die Tür auf.


„Giselle.“

Seine Augen weiteten sich in leiser Überraschung. Seine Machtsinne hatten ihn von der Umwelt abgeschottet, die Verbindung zu Giselle hatte er gelöst. Nun stand sie vor ihm und er hatte es nicht kommen sehen. Ihre nackten Schultern schimmerten im Mondlicht und ihre großen Augen funkelten, als wären sie Teil des Sternenhimmels. Sie sah fantastisch aus, nur bekleidet mit einem großen Strandtuch, und ihr Geruch stieg ihm schlagartig in die Nase, bereit seine Sinne zu vernebeln. Für einen Herzschlag musterte er sie, unfähig, die Situation einzuschätzen. Was wollte sie hier, um diese Uhrzeit und nach einem so anstrengenden Tag? Wollte sie reden?
Nein, rief die Stimme, nun lauter werdend. Schick sie weg! – hallte es in seinem Kopf. Er bemühte sich um einen neutralen Gesichtsausdruck und schenkte ihr ein kleines Lächeln.


„Was kann ich für dich tun?“

[ Fresia – Fingers Mark – Palm Island – Strand – Camp – Exodus’ Hütte | mit Giselle ]
 
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- Fresia – Fingers Mark – Palm Island – Vor Exodus' Hütte -

Die Nacht verschwand, als sich die Tür zu Exodus' Hütte öffnete und Licht auf Giselles Gesicht fiel. Er stand vor ihr, kaum bekleidet, und obwohl sie ihn in den vergangenen Stunden bereits so gesehen hatte, schien sein Anblick diesmal noch intimer zu sein. Statt kurzer Hosen trug er nichts als ein Handtuch um die Hüften. Es war fast, als hätte er auf sie gewartet.

“Ich komme, um dich zu sehen.“

Giselles Stimme war klar und sie trat über die Türschwelle hinweg. Es war das erste Mal, dass sie seine Hütte betrat. Ihr Blick wanderte kurz durch den Raum und blieb an einem gemütlichen Sessel hängen, einem weltlichen Möbelstück, das so gar nicht nach Fingers Mark passen wollte. Hier auf den Insel gab es nichts als Natur und einfache Verhältnisse und doch hatte Exodus Wingston dieses winzige Stück Luxus hierher geschafft, auf das er nicht hatte verzichten wollen. Es passte zu ihm. Hinter Giselle sang die Nacht. Sie warf einen Blick über ihre Schulter, zurück in die Dunkelheit, und schloss die Tür hinter sich. Sie hatte nicht überlegt, was sie sagen würde. Es gab nicht viel, das sie zu sagen hatte. Sie hatte begonnen Gefühle für Exodus zu entwickeln. Er war ein starker, intelligenter, guter Mann. Das hier betraf jedoch nicht sie und ihre Gefühle. Heute ging es nur um ihn. Sie sah ihn an und legte ihren Blick auf den seinen.

“Du hast heute ein Leben gerettet, und meins vor kurzem ebenfalls. Ich möchte dir meinen Dank ausdrücken.“

Ein unerwarteter, sachlicher Tonfall begleitete Giselles Worte, doch ihre lebendigen Augen widersprachen der Ruhe ihrer Stimme. Sie spürte ihren eigenen Herzschlag in ihrer Brust, ein gleichmäßiges, beruhigendes Schlagen. Giselle trat einen Schritt vor. Sie hatte bis zu diesem Moment noch nicht durchschaut, was Exodus Wingston von ihr wollte. Sie wusste, dass er ihre Nähe suchte, sie immer wieder beiläufig berührte und es wie Zufälle aussehen ließ. Manchmal mochte sie es, seine Hand zu spüren, manchmal ärgerte es sie. Zwar flirtete er immer wieder mit ihr, doch es gab keine Anzeichen dafür, dass er mehr suchte als eine kurze Ablenkung. Heute sollte er genau das bekommen. Giselle wollte sich der Erfüllung seiner Sehnsüchte widmen, sich nur auf ihn konzentrieren. Für sie war es eine Trennung von Geist und Körper und Exodus' Wünsche würden erfüllt werden, ohne jede Verpflichtung. Ohne den Blick von ihm abzulassen hoben sich Giselles Hände an ihre Brust, wo sie den Knoten löste, der das weiche Tuch, das ihr als Kleid diente, zusammen hielt. Lautlos fiel es zu Boden, wie Nebelschleier im Begriff sich aufzulösen und Giselle Givenchy stand in nichts vor ihm, als der edlen Unterwäsche, von der sie gelernt hatte, dass Männer wie Exodus Wingston sie mochten. Alles an Giselle war schmal, von ihren Hüften, über ihre kaum vorhandene Taille, bis hin zu ihren Schultern. Sie war immer zierlich gewesen, die Figur einer Ballerina, mit bronze schimmernder Haut im künstlichen Licht der Hütte. Langsam, vorsichtig beinahe, machte sie einen Schritt auf Exodus zu.

“Heute Nacht gehöre ich dir.“

Sprach sie leise und ihre Stimme hatte an Klarheit verloren. Plötzlich war sie ihm ganz nahe, so nah wie früher an diesem Abend, als die Flammen ihre Körper erhitzt hatten und sie seinen Atem an ihrem Hals gespürt hatte. Sie streckte eine Hand aus, legte sie um seinen Hals und hob ihren Kopf.

“Du musst mir nur sagen, wie du mich willst.“

Raunte sie heiser. Ein Wispern wie ein Versprechen, eine Nacht ohne Morgen, und Giselles Lippen teilten sich langsam unter halb geschlossenen Augen, um seinen Kuss zu schmecken.

- Fresia – Fingers Mark – Palm Island – Exodus' Hütte – Mit Exodus -
 
[ Fresia – Fingers Mark – Palm Island – Strand – Camp – Exodus’ Hütte | mit Giselle ]

Sie war nicht hier, weil sie etwas von ihm wollte. Sie war auch nicht hier um zu reden. Sie war hier, um etwas für ihn zu tun. Vor seinen ungläubigen Augen ließ Giselle das Strandtuch fallen und enthüllte ihren makellosen Körper: Die schmalen Schulern, die weichgezeichneten Hüften und die langen Beine. Exodus spürte wie sein Mund trocken wurde und ihm der Atem für einen Augenblick stockte. Die Gedanken begannen explosionsartig, aber ziellos durch seinen Kopf zu wirbeln. Viel zu viele Gedanken, viel zu viel Ablenkung. Er wagte kaum zu blinzeln, aus Angst auch nur einen Moment dieses magischen Anblicks zu verpassen. Ihre gebräunte Haut schimmerte auch ohne das Licht von Mond und Sternen betörend. Sie strahlte von innen und außen und Exodus war sich sicher, dass auch der Mond heute Nacht keinen schöneren Glanz haben konnte. Die edlen Dessous, die sie trug, waren genau nach seinem Geschmack und schienen der ideale Rahmen für dieses perfekte Gemälde. Es fiel ihm schwer, einen der vielen vagen Gedanken, die ihm durch den Kopf schossen, klar zu formulieren oder auch nur zu greifen. Die laute Stimme in seinem Kopf trieb ihn an, sich diesen Gedanken zu stellen, doch Exodus bemühte sich nicht weiter darum. Sein Denkzentrum hatte sich bei ihrem Anblick schlagartig zwei Etagen nach unten verlagert und war im Begriff die Kontrolle zu übernehmen. Er legte seinen Zeigefinger unter ihr, zu ihm empor gereckten, Kinn, schob es sachte noch einen Zentimeter höher und ergab sich dann dem Kuss, auf den er so lange gewartet, den er so lange herbei gesehnt hatte.
NEIN!, rief die Stimme in seinem Hinterkopf ein letztes Mal verzweifelt. Hör auf! Schick sie weg!, forderte sie nachdrücklich. Exodus schüttelte innerlich den Kopf. Nichts lag ihm ferner, als sie wieder fortzuschicken. Und die Stimme – sie würde nun schweigen. Exodus Wingston bekam, was er wollte und nichts und niemand würde ihn davon noch abhalten. Auch keine Stimme in seinem eigenen Kopf.
Giselles verführerischen Lippen waren noch weicher, als in seiner Vorstellung, und er spürte wie sein Kuss bald fordernder wurde. Sie reagierte mit sanftem Druck darauf – sie teilte sein Verlangen. Plötzlich brach er ab, löste sich langsam von ihr und sah der Vahla in die Augen. Nur für einen Augenblick brauchte er noch einen klaren Kopf. Was war das hier? Giselle war nicht Serah, die plötzlich in seinem Penthouse stand, um sich ihm hinzugeben, und die ihm nichts bedeutete. Giselle war ihm zur Freundin geworden und auch wenn die Vahla sagte, sie gehöre diese Nacht ganz allein ihm, hatte Exodus gelernt, dass nicht jedes Wort einer Frau so gemeint war, wie ein Mann es verstehen wollte. Er musste sich zwingen, es langsam angehen zu lassen, ansonsten lief er Gefahr diese Situation zu zerstören, genau wie es auf Rings Island passiert war.


„Giselle …“

setzte er an und legte seine Hände auf ihre nackten Schultern.

„Ich …“

Er konnte nicht anders, als langsam an ihr herunterzusehen und seine Hände dem Blick folgen zu lassen. Er strich über ihre Arme, berührte dabei leicht ihre Brüste, ruhte für einen Moment auf ihren Hüften, ehe er zu ihrem formvollendeten Hintern griff, der nur teilweise von dem seidigen Stoff ihrer Dessous bedeckt war, und sie dabei näher zu sich heran zog. Ihr heißer Atem wirkte wie eine Droge, ihre großen Augen flackerten erwartungsvoll und ihr halb geöffneter Mund war ein einziges Versprechen.

„Ich würde dich fragen, wieso … wieso jetzt, wieso heute Nacht. Aber …“

Seine rechte Hand ließ von ihrem Hintern ab und griff in ihr offenes Haar, drückte sie sanft in seine Richtung und kostete erneut ihren Kuss. Unbeherrscht biss er ihr in die Unterlippe, küsste sie dann sanfter, griff mit seiner zweiten Hand nun auch in ihr Haar und vergrub sein Gesicht in ihrem Nacken, wo er ihren Duft in einem tiefen Atemzug genoss.

„Du bist das begehrenswerteste Wesen der Galaxis.“

flüsterte er ihr ins Ohr und ließ dann die Hände sinken, um sie erneut anzusehen. Was war das in ihren Augen? Sie schien für einen Moment überrascht, oder … irritiert. Exodus sah sie schief an, doch als einzige Antwort machte sie selbst einen kleinen Schritt auf ihn zu, legte ihre Hände auf seinen Oberkörper und zeichnete langsam seine Bauchmuskeln nach. Jede ihrer Berührungen hinterließ ein angenehmes Kribbeln auf seiner Haut, während ihr Finger langsam weiter hinab wanderten und sich unter den Saum seines Handtuchs schoben. Wieder fing er ihren Blick auf, diesmal fragender – und dann verstand er. Giselle Givenchy war es vollkommen ernst. Heute Nacht gehörte sie ihm, heute Nacht würde sie tun, was er wollte. Heute Nacht würden all seine Wünsche in Erfüllung gehen. Ein gewinnendes Grinsen zeichnete sich auf seinen Lippen ab.

„Das ist alles, was ich wissen muss.“

Ihre Fingerspitzen hatten sich weiter vorgearbeitet und lockerten das Band seines Handtuchs. Doch mit ihrem Blick hatten sich die Regeln schlagartig geändert. Exodus musste keine Zurückhaltung walten lassen, musste kein romantisches Vorspiel initiieren. Er konnte sein Spiel spielen, konnte sie dirigieren, wie es ihm beliebte, so wie es ihm größtmögliche Befriedigung verschaffte. Mit einer schnellen Bewegung langte er nach ihren Handgelenken und zog sie von seinem Handtuch weg.

„Noch nicht.“

Er legte seine Hände auf ihre Hüften und ließ sie eine Drehung vollführen. Die schwarze Corsage, die sie trug, war am Rücken aufwendig zusammen gebunden und entlockte Exodus ein kurzes Stirnrunzeln. Dann griff er nach den Schnüren und zog Giselle gleichzeitig zu sich heran, bis er sich mit seinem Handtuch an ihren kaum bedeckten Hintern drückte. Ungeduldig zog er an den Schnüren der Corsage und spürte, wie seine Erregung mit jeder Sekunde, die es hinausgezögert wurde, nur noch wuchs. Als der letzte Bund endlich gelöst war, ließ er das Kleidungsstück zu Boden fallen und entblößte Giselles nackten Oberkörper. Mit einer Hand griff gierig er nach ihrem Kinn und zog sie zu einem leidenschaftlichen Kuss nach hinten, mit der anderen strich er über ihren flachen Bauch. Sie erwiderte sein Verlangen, hinterließ ein Kribbeln auf seinen Lippen und er spürte, wie jede Bewegung ihres Mundes seinen ganzen Körper erreichte. Dann ließ er sie los und besah sie einen kurzen Moment zufrieden. Ihr verführerischer Blick ließ ihn grinsen. Dieser Blick war einfach nur der Wahnsinn – dieser Körper war einfach nur Wahnsinn! Jetzt war der Moment, den er herbei gesehnt hatte, seit sie in der Red Square Bar das erste Mal ihre Hüften vor seinen Augen hatte kreisen lassen. Er war ihr verfallen, schon bei ihrer ersten Begegnung. Er war süchtig nach ihr – und es gab nur einen Weg, diese Sucht zu befriedigen. Exodus konnte sich ein neckisches Grinsen nicht verkneifen.

„Also gut …“

Langsam griff er selbst nach seinem Handtuch und löste den Bund, sodass es in einer fließenden Bewegung zu Boden fiel. Dann beugte er sich zu Giselle hinüber.

Jetzt darfst du.“

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Fast hatte Giselle gedacht, Exodus würde sie zurückweisen. Er hatte ihren Kuss erwidert, zärtlich und nur begleitet von einer Spur unterdrückten Verlangens. Dann hatte er von ihr abgelassen und für einen Moment, ehe sie seine Worte begriffen hatte, hatte sie geglaubt, er würde sie wieder fort schicken. Sie hatte zuvor nicht in Betracht gezogen, dass er dies tun könnte. In ihrer Vorstellung war dem Ausdruck ihrer Dankbarkeit die unverzügliche, bereitwillige Annahme ihres Geschenks gefolgt. Und er nahm an. Er fragte zwar nach dem Warum, doch er benötigte keine Erklärung. Das war gut. Giselle wollte keine Erklärungen geben. Nicht jetzt, nicht hier. Alles was sie wollte, war er. Er ließ seine Hände über sie gleiten, begann sie zu entkleiden und die leichte Corsage, die sie getragen hatte, entglitt ihrem Körper, als wäre sie nie Teil von ihr gewesen. Exodus war ihr nah, näher als jemals zuvor und als das Handtuch, das ihn spärlich bedeckt hatte, zu Boden fiel, drängte sie sich an ihn, um ihm zu geben, was sie beide wollten.

Seine Berührungen waren wie Eis und Feuer, heiß und kalt. Der Blick seiner Augen tief und unergründlich. Er versprach mehr. An einem anderen Ort, zu einer anderen Stunde, hätte Giselle sich gefragt, wie viel mehr dies wohl war oder wohin es sie führen würde. Heute gab es diese Fragen nicht. Sie waren nicht wichtig, nicht in diesem Moment. Sie presste sich an ihn und die Berührung seiner warmen Hände ließ ihr Innerstes beben. Giselle bog ihren Körper zurück, bot sich ihm dar und ließ ihn besitzen, was sie ihm zum Geschenk gemacht hatte. Ihre Füße verloren jeglichen Halt, als er sie gegen die Wand drückte, wo die spröde Oberfläche von trockenem Holz an ihrem bloßen Rücken rieb und einen Splitter unter ihre Haut bohrte. Tausend Schauer jagten ihren Körper hinunter, als sie ihren Kopf zur Seite drehte und Exodus‘ Atem an ihrem Ohr und seine Lippen an ihrem Hals spürte. Es war ein bittersüßes Gefühl wohliger Befriedigung und wilder Intensität. Er zog sie mit sich. Das Bett war weich, die dünne Decke kaum mehr als ein Laken. Fresias Nächte waren für gewöhnlich heiß. Es war die nicht untergehende Sonne, die verhinderte, dass sich die Luft abkühlte. Heute war es zum ersten Mal anders, seit Exodus und Giselle gemeinsam nach Fingers Mark gekommen waren. Endlich war die Nacht draußen kühl – und doch staute sich innerhalb der kleinen Holzhütte eine stickige Hitze, die ihre Körper zum Schmelzen brachte.

Zeit rann wie goldener Staub langsam durch Giselles Finger. Der Genuss des Augenblicks war wertvoller als alle Schätze der Galaxis. Mit geschlossenen Augen ließ sie sich treiben im Bad des Verlangens. Sie spürte jede einzelne Sekunde, jeden Atemzug, gleich ob es ihr eigener war oder der des Mannes, dessen Haut sich auf die ihre gelegt hatte. Ein wohliges, kehliges Seufzen entschlüpfte ihr. Jede Berührung, jeder Kuss, jeder Blick steckte voller Begierde und Giselle verlor sich in einem Rausch, der dem Seufzen des Meeres ähnelte, wenn sich die Wellen brachen.


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Mit weit aufgerissenen Augen starrte Exodus an die Decke seines Schlafzimmers. Sein Puls schlug heftig und ein einzelner Schweißtropfen rollte seine Stirn hinab. Er bemühte sich, seinen Atem zu kontrollieren, doch es gelang ihm nicht, das erschöpfte Keuchen in den Griff zu bekommen. Noch vor wenigen Minuten hatte er sich mit Giselle dem Höhepunkt dieser denkwürdigen Nacht genähert. Doch dann – im Moment der größtmöglichen Nähe zu der Vahla – war etwas passiert. Exodus rieb sich die Stirn, wischte den Schweißtropfen mit dem Handrücken weg und bemühte sich, die aufkeimenden Kopfschmerzen zu unterdrücken. Es war etwas passiert, dessen Tragweite er kaum begreifen konnte. Etwas, das alles änderte.
Das angestrengte Atmen neben ihm erregte trotz allem seine Aufmerksamkeit und er sah zu Giselle hinüber. Auch ihr stand der Schweiß auf der Stirn und ihre Wangen waren leicht errötet. Doch ihr Blick sprach nicht von dem Schock, den er vor nicht einmal einer Minute erlebt hatte. Sie wusste nicht, wieso er sich sofort von ihr gelöst hatte, statt sie in den Arm zu nehmen und bei ihr zu liegen, wie er es unter anderen Umständen vielleicht getan hätte. Sie hatte es nicht gespürt. Sie wusste nicht, dass sie ihm ihr Geheimnis in diesem Moment offenbart hatte.

Langsam drehte sich Exodus wieder auf den Rücken. Er musste einen kühlen Kopf bewahren, er durfte jetzt nicht ausflippen. Das würde nicht funktionieren, wenn er diese Göttin neben sich liegen sah. Was war also passiert? Er versuchte sich angestrengt an einer Rekonstruktion der Ereignisse: Alles hatte damit begonnen, dass er schlaflos in seiner Hütte gesessen und sich ein altes altes Grav-Ball-Spiel angesehen hatte. Oder nein – eigentlich hatte es noch früher angefangen. Er hatte den Jungen gerettet, heute Abend. Und vorher schon hatte er sich Giselle die Klippen hinab gestürzt und sie vor dem Ertrinken bewahrt. Deshalb hatte sie ihn heute Nacht besucht, nur mit einem Strandtuch bekleidet. Giselle hatte ihre Absichten relativ schnell deutlich gemacht – sie war gekommen, um sich für seine Heldentaten zu bedanken. Dieses Geschenk war sie selbst gewesen und die edlen Dessous auf ihrer schimmernden Haut hatten in Exodus‘ Kopf wie Geschenkpapier ausgesehen. Sie war vollkommen sein gewesen, dies hatte sie versprochen und im Laufe der Nacht hatte sich dieses Versprechen bewahrheitet. Er war über sie hergefallen, so wie er es sich seit ihrer ersten Begegnung gewünscht hatte. Und die Tänzerin hatte sich als erstaunlich beweglich erwiesen. Ein Genuss, in den er in dieser Form noch nie gekommen war und der viele hochinteressante Dinge ermöglicht hatte. Exodus blinzelte. Der Gedanke daran hätte ihm eigentlich ein Grinsen entlocken sollen, doch seine Mundwinkel zuckten nicht einmal. Stattdessen starrte er noch immer wie hypnotisiert an die Decke. Er hatte ihr dunkles Geheimnis gelüftet. Nachdem er immer geglaubt hatte, sie würde es ihm einfach erzählen können, in einem vertrauten Gespräch, auf ihrem Felsen am Strand, hatte er es nun gespürt. Im Moment der Vereinigung hatte Giselle es ihm gezeigt, wenn auch vermutlich unbewusst.

Er musste der größte Idiot in der Galaxis sein. Sein Gefahrensinn hatte beim ersten sinnlichen Kuss laut aufgeschrien, hatte ihn gewarnt und gefleht, er möge sie wegschicken. Er hatte nichts dergleichen getan – stattdessen hatte er seine innere Stimme harsch zum Schweigen gebracht. Doch sie hatte Recht behalten. Die ganze Zeit über hatte die Stimme – nein, er selbst! – es gewusst. Giselle war gefährlich.
Er wagte einen weiteren Seitenblick zu der Vahla, die sich mittlerweile das dünne Laken über die Hüfte gezogen und deren stoßartiger Atem sich beruhigt hatte. Giselle war wie eine Rose. Verführerisch, durch und durch, doch ihre Dornen waren spitz und konnten ihn bluten lassen. Diese Frau war gefährlich und doch konnte er nicht von ihr und ihrem süßen Duft ablassen. Er fühte sich zu ihr hingezogen, sie war wie eine Sucht und doch blieb sie eine Gefahr. Er konnte nicht behaupten, zu verstehen, wieso das so war. Aber eines wusste er mit Sicherheit: Giselle trug die dunkle Seite der Macht in sich.

Die Vahla besaß die Fähigkeit, ihn an die Abgründe seiner Vergangenheit zu führen. Die dunkle Seite hatte ihn lange Zeit fasziniert, damals bei den Jedi schon und später bei den Sith. Er hatte sie beherrschen wollen, hatte sich die Finger nach ihr geleckt und immer wenn er sie hatte nutzen können, war er von grenzenloser Euphorie erfüllt worden. Giselle hatte vor seinen Augen noch nie eine einzige böse Tat begangen. Sie war zu allen immer nett und freundlich. Sie hatte ein angenehmes Wesen – und dennoch war da dieser Kern. Sie war machtbegabt und es war eine Schande, dass er es nicht gespürt hatte. Aber das war eben noch nicht alles. Sie schien diesen natürlichen Hang zur dunklen Seiten zu haben. War es wirklich dieser Kern, der seine Sucht zu ihr ausgelöst hatte? Musste er sie deswegen immerzu berühren, suchte er deswegen andauernd ihre Nähe? Nutzte er deshalb – und er zog die Luft bei diesem Gedanken scharf ein – die Macht in ihrer Gegenwart, so wie er es seit Jahren nicht mehr praktiziert hatte?
Es war fatal, doch es passte alles zusammen. Seit er die Vahla kannte, hatte er immer häufiger auf die Macht zurückgegriffen und fast in jedem Fall war es aus purem Eigennutz gewesen. Der kleine Trick mit dem Sand auf ihrer Schulter, die Angeberei beim Baumfällen im Dschungel, das Aufspüren ihrer Aura, als sie davon gelaufen war. Die Rettung nach ihrem gemeinsamen Sprung von der Klippe und schlussendlich – sein Ausflug zur brennenden Lumium-Plattform, bei dem er eigentlich die wertvollen Rohstoffe hatte sichern wollen. Ein Jedi hätte diese Dinge womöglich nicht getan. Er hatte voller Eigennutz auf die Macht zurückgegriffen. Er war der dunklen Seiten gefährlich nahe gekommen.
Giselle hatte ihn unbewusst dazu verführt, die Macht zu benutzen und das, obwohl er schon seit Jahren um seine Schwäche wusste. Auf Coruscant war er es gewesen, der seinen Sohn angehalten hatte, im Alltag auf den Einsatz der Macht zu verzichten. Nun hatte er es selbst getan – wieder und wieder und wieder. Doch wie hatte ihm diese Tatsache so lange verborgen bleiben können? Hatte er sich so sehr selbst belogen? Hatte er wirklich nicht bemerkt, dass er seiner alten Affäre – der dunklen Seite der Macht – wieder die Tür zu seinem Leben geöffnet hatte? Nein. Mit Giselle war es anders.

Auch jetzt noch war das Verlangen, sie zu berühren, zu ihr herüber zu rollen und sie erneut zu nehmen, kaum zu bändigen. Die Stimme in seinem Kopf war zu echten eigenen Gedanken geworden und dennoch konnte er nicht von ihr ablassen. Wieso war das so? Er runzelte nachdenklich die Stirn und dachte erneut zurück an die Momente, in denen er auf die dunkle Seite zurückgegriffen hatte. Es war ihm nie wirklich aufgefallen, dass er einen Tanz an den Klippen seiner persönlichen Abgründe getanzt hatte. Er hatte sich nicht anders gefühlt, als bei einer stillen Meditation im Stile der Jedi. Die dunkle Seite – sie hatte ihm weniger anhaben können. Immer wenn er auf die Macht zurückgegriffen hatte, war es für Giselle gewesen. Er hatte sie mit der Macht beeindrucken, sie begeistern und ihr helfen wollen. Selbst bei der Rettungs des Lumiums war ihm bewusst gewesen, dass ein Verlust des wertvollen Rohstoffs zur Folge haben könnte, dass er die Vahla zukünftig nicht mehr an seiner Seite haben konnte. Giselle war immer in seiner Nähe gewesen, wenn er die Macht genutzt hatte. Wenn er bei ihr oder für sie auf die Macht zurückgegriffen hatte, war er immun gewesen gegen die verhängnisvollen Folgen, die ihn früher geplagt hatten. Es war ein Drahtseilakt, jedes einzelne Mal – und doch sorgte Giselle dafür, dass er nie abstürzte. Durch sie konnte er die Macht ausleben, auch in ihren tiefsten Schattierungen. Es war Giselles eigener dunkler Kern, der ihm das ermöglichte. Und der sie gleichzeitig so unwiderstehlich machte.


„Giselle.“

Mit einer halben Drehung rollte er sich zu ihr hinüber und sah sie wieder von der Seite an. Auf dem Nachttisch stand ein Crono und Exodus warf einen Blick darauf.

„Es ist schon fast Morgen.“

Der ehemalige Sith musterte sie eingängig. Es war ein durch und durch paradoxes Gefühl, das von ihr ausging. Er wollte sie mehr als alles andere, wollte sie in seiner Nähe haben, wollte Fingers Mark weiter mit ihr erkunden, wollte diese Nacht wiederholen, am besten noch tausend Mal – doch gleichzeitig hatte er Angst. Angst davor, erneut zu dem Monster zu werden, dessen Existenz er bis jetzt eisig vor Giselle hatte verbergen wollen.

„Wir haben nur noch wenige Stunden zum Schlafen. Willst du … wieder zurück zu dir ins Zelt oder hier bleiben?“

Er kannte ihr Geheimnis. Sie hatte alles vor ihm ausgebreitet und ihm die Erklärung geliefert, nach der er so lange gesucht hatte. Sie konnte ihm etwas bieten, das keine andere Frau ihm jemals geben konnte. Nur durfte er dieses Geschenk annehmen? Durfte er ihre Nähe suchen, durfte er sich Giselle und der dunklen Seiten so sehr hingeben?
Er wusste es nicht. Sein Kopf war voll von verwirrenden und widersprüchlichen Gedanken und gleichzeitig eine große Leere, wenn er sie nur ansah. Für heute Nacht überließ er diese Entscheidung ihr. Sie hatte ihn in der Hand. Giselle Givenchy beherrschte ihn – mehr als jede andere Frau zuvor.


[ Fresia – Fingers Mark – Palm Island – Strand – Camp – Exodus’ Hütte | mit Giselle ]
 
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Eine angenehme Müdigkeit begann, sich in Giselles Gliedern auszubreiten. Es war das Gefühl absoluter körperlicher Verausgabung, gepaart mit einem sich bis in die Haarspitzen ziehenden Glücksgefühls. Sie lag neben Exodus, nur wenige Zentimeter trennten ihre Körper voneinander. Sie brauchte nur den Kopf in seine Richtung zu drehen um ihn ganz nah neben sich zu sehen, nur ihre Hand ein kleines Stück nach ihm auszustrecken, um ihn zu berühren. Sie tat nichts davon, stattdessen blieb sie regungslos liegen und genoss den lieblichen Gesang ihrer Weiblichkeit, die sich noch erholte von dem wundervollen Ausflug, zu dem sie eingeladen worden war. Erst als Exodus sie ansprach, wandte sie sich in seine Richtung. Er sah aus wie ein junger Gott. Sie mochte es, wenn er ihren Namen sagte. Er schaute auf das Chrono neben seinem Bett und Giselle folgte seinem Blick. Er hatte Recht, es war fast Morgen. Nicht mehr lange und die Ersten würden im Camp wach werden. Er und sie hatten diese Nacht jedoch noch keinen Schlaf bekommen. Damit läutete er also das Ende ein. Giselle nickte langsam.

“Du hast Recht.“

Sagte sie träge und musste erst ihre Stimme wieder finden. Ihr war, als wären sie gemeinsam in einer anderen Dimension unterwegs gewesen, die sie ihrer weltlichen Fähigkeiten beraubt hatte. Sie betrachtete Exodus noch einmal. Wie er dort lag, nackt, geprägt von der süßesten Anstrengung der Galaxis und seine Augen mysteriös schimmernd, diesen Anblick wollte sie nie vergessen.

“Ich gehe zurück in mein Zelt.“

Erwiderte sie auf seine Frage und setzte sich im Bett auf. Bevor sie aufstand, lockerte sie ihre Schultern und streckte ihre Arme. Er hatte ihr angeboten zu bleiben, doch das war nicht, was Giselle wollte. Es war nicht Teil dessen, was heute zwischen ihnen geschehen war. Sie hatten miteinander geschlafen, weil sie ihm ein Geschenk gemacht hatte, doch zwischen ihnen existierte nichts, das rechtfertigte, in seinem Arm zu liegen und seine Nähe zu genießen. Tief in ihrem Inneren wünschte Giselle, es wäre anders. Sie wollte bei ihm sein, nur wusste sie nicht, ob er es auch wollte. Bis sie dies erfahren würde, wenn überhaupt, würde es nichts zwischen ihnen geben, als diese eine körperliche Begegnung in der Dunkelheit Fresias. Exodus Wingston war ein besonderer Mann, doch leider war er nicht der ihre.

Giselles Füße berührten den weichen Läufer auf dem Boden der Bettseite und sie stand auf, nackt wie die Göttin sie erschaffen hatte. Sie fühlte sich noch immer erhitzt. Irgendwo in dem anderen Raum lag ihr Tuch. Sie hatte es nahe der Eingangstür fallen gelassen. Auf leichten Sohlen wanderte sie aus dem Schlafzimmer hinaus, fand wonach sie suchte, hob das große Strandtuch vom Boden auf und schlang es locker um sich. Dann sparzierte sie gemächlich wieder zum Schlafzimmer zurück, trat jedoch nicht ein, sondern blieb im Türrahmen stehen.


“Gute Nacht, Exodus.“

Sagte sie nur.

“Versuch zu schlafen. Glaub mir, ich weiß, wie du dich fühlst.“

Giselle zwinkerte, lächelte wie tausend Sterne und wandte sich um. Auf dem Weg nach draußen sammelte sie ihre Wäsche ein und bereits auf der Türschwelle wurde sie empfangen von der frischen, kühlen Nachtluft, die einen wohligen Windhauch unter ihr weißes Tuch blies. Sie entfernte sich mit langsamen Schritten von der Holzhütte und ihre Hände fanden den kleinen Stoffbeutel, den sie zuvor unter den Ästen eines Busches abgelegt hatte. Wie ein einsames, rot leuchtendes Glühwürmchen glomm das Ende der Zigarette auf, die Giselle entzündete. Der Abend hatte versprochen heiter zu werden, hatte eine Katastrophe gefunden, Anspannung getragen und war schließlich in reiner Vollendung dem Morgen entgegen geflogen. Jetzt würden sie nur warten müssen, was der kommende Tag brachte und zu welchem Ergebnis Exodus gelangte, wenn er mit Coruscant über die Fortführung des Projektes sprach. Giselle nahm einen tiefen Zug ihrer Zigarette. Sie würde gut schlafen können, auch wenn es nur noch zwei Stunden waren.

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Stimmen drangen langsam in Giselles Bewusstsein und sie realisierte, dass es um sie herum hell war. Der Schlaf zog sich zurück und ließ sie frei, als sie die Augen öffnete und zu sich kam. Im Zelt brannte Licht und sie sah ihre Mitbewohnerin Sou, die halb von ihr abgewandt eine Tasche packte. Oder auspackte. Giselle blinzelte die schwere Müdigkeit aus ihren Augen, rieb sich über das Gesicht und setzte sich auf.

“Oh, guten Morgen! Ich dachte schon, du wachst nie mehr auf.“

Bemerkte Sou gut gelaunt. Giselle fuhr sich durch die Haare.

“Wie spät ist es?“

Wollte sie wissen und die Nautolanerin hielt ihr zur Antwort ihr Chrono vor die Nase. Es war noch früh, aber zu früh für Giselle, die den Großteil der Nacht wach gewesen war. Ob Exodus schon aufgestanden war? Sie konnte es sich nicht vorstellen. Er hatte niemanden in der Hütte, der ihn weckte, ob beabsichtigt oder versehentlich und von alleine wäre Giselle sich auch nicht wach geworden. Die Stimmen draußen lachten und unterhielten sich. Offenbar war schon das halbe Camp auf den Beinen.

“Wann geht es los nach Hill City?“

Wollte sie wissen, als Sou den Verschluss ihrer Umhängetasche zu zog.

“Jetzt gleich, Fleetfire und Da’nel sind schon runter zur Bucht.“

Lautete ihre Antwort. Also war es höchste Zeit aufzustehen. Giselle schälte sich aus der dünnen Decke, unter der sie gelegen hatte. Es gab zwei Möglichkeiten für sie: entweder sie würde mit dem Rest der Crew in die Stadt fahren und den Tag dort verbringen, oder sie würde mit Exodus hier auf Palm Island zurück bleiben. Sie wusste nicht, ob er sie hier brauchte und würde daher nicht fahren, ohne ihn gefragt zu haben, ob es in Ordnung war. Es war gut möglich, dass er einige Zahlen mit ihr durchgehen wollte, was den bisherigen Profit des Projektes oder die Ergebnisplanungen für die nächsten Wochen unter Berücksichtigung der neuen Lumium-Höhle betraf. Sie wusste nicht, ob er sie dafür benötigte oder dies mit seinem Vater durchsprechen wollte, wenn er mit ihm über die Fortführung der Abbauarbeiten sprach. Wenn es nach Giselle ging, dann hoffte sie, dass er ihr den Tag frei geben würde, wie den anderen Mitarbeitern auch. Sie hatte Lust in die Stadt zu fahren und hätte die Gelegenheit gerne genutzt, um ihren Freund Jem, den Barbesitzer, zu besuchen. Er würde sich freuen sie zu sehen und sie hatte sich ein Geschenk überlegt, dass sie mit mitbringen wollte. Die Vahla stand auf und begann, sich Kleider für den Tag heraus zu suchen, dessen Dunkelheit mehr an eine Nacht erinnerte. Draußen herrschte ein großer Tumult. Die meisten der Nautolaner waren bereits abfahrtbereit, doch glücklicherweise war Giselle auch nicht die einzige, die zeitlich hinterher hinkte. Sie beeilte sich mit ihrer Wäsche, band ihre Haare zu einem unordentlichen Knäuel zusammen und schlüpfte in ein Paar langer, enganliegender Hosen und einem warmen Pullover. Ihre Schuhe, ein paar Stiefeletten mit hohen Absätzen, trug sie in den Händen, während sie barfuß von den sanitären Anlagen zurück zum Camp lief. Die Ersten sparzierten bereits gut gelaunt hinunter zur Bucht und Giselle warf achtlos ihr Handtuch in ihr Zelt. Noch keine Spur von Exodus. Zwei Finger piekten sie in die Seite und erschreckt fuhr sie hoch. Jak grinste ihr entgegen.

“Na, Schlafmütze.“

Flachste er und Giselle verdrehte die Augen.

“Sieht man mir das so sehr an?“

Wollte sie wissen. Der Nautolaner schüttelte den Kopf.

“Geht. Ich hatte ich vorhin schon gefragt, wo du bist.“

“Ich brauche unbedingt einen Kaf.“

Stellte Giselle fest und bewegte sich zum Frühstücksbuffet. Jak folgte ihr gemächlich.

“Keine Eile. Fleetfire ist grad wieder im Versorgungszelt verschwunden. Hat wohl was vergessen.“

Giselle grinste. Das sah ihm ähnlich. Während Dan’el seinen Wassergleiter mit Sicherheit schon in Ordnung und längst gestartet hatte, verursachte Jost Fleetfire mal wieder ein halbes Chaos und war, wie so oft, verspätet. Giselle goss sich eine Tasse Kaf aus der Warmhaltekanne ein.

“Du solltest was essen. Das macht wach.“

Riet Jak, vermutlich aus Erfahrung sprechend. Es war bekannt, dass er nach wie vor unter Schlafstörungen litt.

“Nein, keinen Hunger, danke.“

Giselle lächelte ihm an.

“Ich weiß noch nicht, ob ich mit kann. Ich habe Exodus gestern nicht mehr deswegen gesprochen.“

Erklärte sie ihm. Der Kaf war heiß, tat gut und belebte ihre eingeschlafenen Geister. Das Camp leuchtete im Dunkeln vor der Kulisse des rauschenden Meeres. Es sah noch immer aus, als fände bald eine Feier statt, dachte Giselle. Die Stehlampen, die überall aufgestellt waren, wirkten so festlich.

“Dann solltest du ihn besser schnell fragen.“

Riet Jak und stieß sie an, damit sie seinem Blick folgte.

“Da kommt er.“

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