Daheim sterben

Ich finde diesen Thread echt erschreckend.

Nicht den ersten Post von Lord Zupferl, sondern die Reaktionen. Da maßen sich Leute, die noch nie etwas mit der Pflege von alten Menschen zu tun hatten, geradezu beleidigende Komentare an. Zieh doch aus, wenn dir dein Vater so egal ist, das Leben ist kein Picknick, ich würde mit meinem Vater nicht so umgehen, ich würde nicht so über ihn reden, hat dich ja keiner gezwungen, da zu bleiben...

So etwas macht mich echt wütend!! :mad:

Pflege ist eine höchst anspruchsvolle Tätigkeit. Das ist nicht nur Hintern abwischen und Essen anreichen. Als Pflegender muss man ständig die komplette Persönlichkeit des Pflegebedürftigen im Blick haben, seine körperliche Situation ebenso wie eventuell vorhandene Krankheitssymptome, dazu kommt die seelisch-psychische Situation des Pflegebedürftigen, der häufig seine Einschränkungen auch bewusst wahrnimmt und darunter leidet. Selbst als professionelle Pflegekraft kommt man in Situationen, in denen man im ersten Moment hilflos davorsteht und dem alten Menschen nicht groß helfen kann ausser ihm zu signalisieren "Ich bin da, du bist nicht allein". Ich weiß, wovon ich rede. Ich bin staatlich examinierte Altenpflegefachkraft und arbeite seit vier Jahren in einem psychiatrischen Altenpflegeheim.

Ich kann vor Lord Zupferl nur meinen Hut ziehen. Als engster Angehöriger jemanden zu pflegen, ist so ziemlich das härteste, was einem passieren kann. Speziell, wenn das Stadium der Bettlägerigkeit bereits erreicht ist. Dazu kommt die Demenz Alzheimer Typ. Man kann nichts weiter tun, als zuzusehen, wie der Vater alles um sich herum immer mehr vergisst. Der Mensch, den man sein Leben lang kennt, verschwindet, weil er sich selbst vergisst.
Als Pflegekraft kann ich meine Tätigkeit, die oft belastend genug ist, an der Firmentür zurücklassen, wenn ich in den Feierabend gehe. Ich kann mich von belastenden Situationen emotional distanzieren, weil ich keine enge familiäre Bindung zu den Menschen habe, mit denen ich arbeite.
Lord Zupferl hat diese Möglichkeit nicht. Er hat keinen Patienten vor sich, sondern seinen Vater. Und er kann die Situation auch nicht nach acht Stunden Arbeit verlassen und ins Privatleben gehen, nein, er betritt die Situation erst, wenn er nach seiner normalen Arbeit in's Privatleben eintritt. Ich kann nur erahnen, wie wie hart das im Moment für dich ist, Zupferl. Ich drück dir alle Daumen, und wünsch dir die Kraft, die du brauchst, um diese Situation so durchzustehen, wie du es selbst für dich als richtig empfindest.

Wie jeder Pflegende brauchen auch und vor allem pflegende Angehörige einen Ausgleich, einen Punkt im Leben der nichts mit der Pflege zu tun hat. Wenn für Zupferl das das Abschalten vor dem Fernseher ist, dann ist das eben so. Wenn alles familiäre um ihn herum aus den Fugen gerät durch die Erkrankung des Vaters, die Belastungssituation der Mutter, das eigene Pflichtgefühl, jetzt bei den Eltern sein zu wollen/müssen, dazu führt dass er sogar seine Wohnung aufgibt... dann kann ich mir schon vorstellen, dass er zumindest im Wohnzimmer so etwas wie ein Symbol der Stabilität haben möchte. "Zumindest hier ist noch alles in Ordnung, hier kann ich abschalten".

Pfegende brauchen die Möglichkeit, die Belastungen abzuschütteln. Wenn ihnen das nicht gewährt wird, kann sowas in einer Situation enden, die keiner will.
Schonmal was von Gewalt in der Pflege gehört?! Das ist nicht nur ein Problem der stationären Pflege, sondern kommt sogar besonders häufig zwischen pflegenden und Pflegebedürftigen Familienangehörigen vor. Die Belastungen werden zu groß, der Anspruch der Pflegebedürftigen kann nicht erfüllt werden, der Anspruch, den die Pflegenden an sich selbst haben ist übergross, und der Frust steigt,wenn er nicht erfüllt werden kann. Die Philosophie "Ich bin jetzt nicht wichtig" ändert sich irgendwann in "verdammt, wo bleibe eigentlich ich" und das Mitgefühl für den Pfelegebedürftigen wandelt sich in Frust, Wut... und eine Gewaltspirale ist in Gang gebracht.

Andere Menschen zu pflegen ist das eine, aber wenn man das verantwortlich und gut tun will, muss man auch eine eigene Psychohygiene betreiben. Ich finde es dementsprechend ganz toll, wie Zupferl hier seine Gefühle beschrieben hat, und ich finde seine Gefühle haben in keinster Weise Vorwürfe verdient, sondern sind absolut nachvollziehbar. Und indem er sie hier öffentlich macht, setzt er sich mit ihnen auseinander, was ihn dazu befähigt, besser für seinen Vater dasein zu können.

Nicht jeder kann pflegen. Sowas wird zwar gerne mal in der Öffentlichkeit behauptet, ist aber absoluter Schwachsinn. Klasse, Zupferl, dass ihr, du und deine Mutter, das für deinen Vater auf euch nehmt. Ich hoffe und wünsche euch, dass ihr genug professionelle Unterstützung habt (ambulanter Dienst usw.). Pass auch weiter auf dich auf, und auch auf deine Mutter, dass ihr dabei nicht selbst vor die Hunde geht.
 
Das das Pflegen eines kranken Menschen oder eines sterbenden Menschen ein Zuckerschlecken ist, hat hier auch keiner behauptet. Das man als Pflegekraft abschalten muss, dürfte auch jedem klar sein.
Natürlich muss man sich auch mal "auskotzen" können. Aber dabei kommt es doch immer noch darauf an, WIE man es macht. Und das ist hier einigen ein bischen sauer aufgestossen.

Und ich vertrete immer noch den Standpunkt, wenn ihm die Pflege seines Vaters zuviel ist, soll er wieder ausziehen. Keiner hat ihm die Pistole auf die Brust gesetzt und ihn gezwungen, zuhause wieder einzuziehen. Und bei seinem Einzug hätte ihm bewusst sein sollen, daß er viel zurückstecken muss und noch mehr aufgeben muss. Und ich glaube auch, daß ihn keiner verurteilen würde, wenn er zugibt, daß ihm das Pflegen zuviel ist. Wie du schon sagtest... nicht jeder kann pflegen und/oder ist dazu geschaffen.
Ausserdem habe ich hier niemanden gesehen, der beleidigend oder persönlich wurde. Jeder hat hier nur seine Meinung geschrieben. Ich denke mal, daß dieses mit dem Eröffnen dieses Threads auch erreicht werden wollte.
 
Ich finde diesen Thread echt erschreckend.

Nicht den ersten Post von Lord Zupferl, sondern die Reaktionen. Da maßen sich Leute, die noch nie etwas mit der Pflege von alten Menschen zu tun hatten, geradezu beleidigende Komentare an. .

Und hier maßt sich jemand an zu beurteilen, ob jeder, der einen negativen Komentar abgegeben hat, mit der Pflege alter Menschen noch nie etwas zu tun gehabt hat.
Woher wollen Euer Gnaden das denn wissen ?

Mein Opa wurde seine letzten Jahre zu Hause bei meiner Mutter und meinem Erzeuger gepflegt bis zu seinem Tode. Da habe ich so manches mitbekommen.

Später habe ich es über Jahre hinweg mit angesehen, wie die Alzheimer Kranke Oma meiner Frau von meinen Schwiegereltern bis zum Tode ebenfalls zu Hause gepflegt wurde.

Also Du arogannter .........., bevor Du hier jemanden verurteilst, frag erst mal nach.
 
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@Jedihammer: Ich wüsste nicht, dass ich von "allen" gesprochen habe. Trotzdem sorry dir gegenüber. Allerdings frag ich mich, ob du dich nur an diesem meinem ersten Absatz hochgezogen, oder auch den Rest meines Posts gelesen hast

Ich hab mich zuerst einfach darüber aufgeregt, wie hier manche (wie gesagt, NICHT alle) einfach so "dann zieh doch aus, hat dich doch keiner gezwungen" in so eine komplexe Thematik reingehauen haben.
Als ob das ein brauchbarer Rat für so eine Situation wäre... :nope:

Aber um von den persönlichen Beleidigungen wegzukommen, hier mal was konstruktives:

Es gibt deutschlandweit Selbsthilfegruppen bzw. ungezwungene Zusammentreffen von pflegenden Angehörigen bzw. Menschen, die pflegebedürftige Angehörige haben. Da kann man Erfahrungen austauschen, Gespräche mit Menschen führen die in derselben Situation stecken (nicht so wie in einem Internetforum, wo man nicht weiß, welchem Erfahrungwert bestimmte Aussagen zugrundeliegen, oder ob bestimmte Aussagen nicht einfach nur unreflektiert hingerotzt werden ;) ). Und man erhält möglicherweise Informationen für weitere Hilfe-Angebote und andere Möglichkeiten.
@Lord Zupferl: Vielleicht wäre das was für dich. Recherchier einfach mal ein bisschen in deiner Region, wenn du willst.
 
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Ich hab mich zuerst einfach darüber aufgeregt, wie hier manche (wie gesagt, NICHT alle) einfach so "dann zieh doch aus, hat dich doch keiner gezwungen" in so eine komplexe Thematik reingehauen haben.
Als ob das ein brauchbarer Rat für so eine Situation wäre... :nope:
Was soll ein Laie denn anderes empfehlen? Man konnte aus dem Eröffnungspost nur sehen, dass Lord Zumpferl mit der Gegenwärtigen Situation äußerst unzufrieden ist. Ein Allheilmittel dafür kann man ihm nicht so wirklich bieten. Die Empfehlung auszuziehen liegt da auf der Hand. Und so falsch kann die an und für sich nicht gewesen sein, wenn auch solche, die sich mit der Thematik auskennen diese Empfehlung machten.

Mir erscheint auch, dass Lord Zumpferl sich durchaus bewusst war oder zumindest wurde, wie sein Post auf die Meisten wirken musste. Und dass ihn die Reaktionen nicht so wirklich verwundern oder dass er es auch nur einem einzigen übel nimmt.
 
Wir haben doch hier schon immer wieder bewiesen wie gut wir auch ernste Themen ausdiskutieren können und solch ein Thread ist nunmal heftig.

Mir war völlig klar, was für Reaktionen mein Posting hier auslösen könnte, dafür ist der Beitrag aber ungeschönt, direkt und vor allem ... ehrlich. Ich hätte das auch in meinem Blog veröffentlichen können, doch das wäre nicht das gleiche gewesen.

Wegen der Wohnung: da wieder hineinzuziehen wäre sich von der ganzen Misere daheim abzuwenden und das hat mein Vater ? der als Gesunder immer für mich da war ? nicht verdient. Das kann ich nicht und vor allem will ich nicht machen, allein schon wegen meiner Mutter, die es noch viel schwerer hat als ich und michr wirklich braucht.
 
Oh, das tut mir leid. :( Dir und deiner Mutter wünsch ich viel Kraft, um diese Situation zu bewältigen.

Vielleicht ein kleiner Trost: so wie du es geschrieben hast, ist dein Vater zumindest in Anbetracht der Umstände so gestorben, wie man es sich wünschen würde. Zu Hause und ohne sich zu quälen. Das ist schonmal sehr viel wert.
 
Auch von mir Beileid.
Ich freue mich aber auch für ihn, daß es kein Schmerzkrampf, sondern ein friedlicher Tod war.

Dir und deiner Mutter gutes Durchhaltevermögen mit all den Dingen, die nun auf euch zukommen und guten Frieden danach.
 
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