I
Gavin stand am Rande des
Ten Mile Plateaus und sah auf das ausgedehnte Brachland hinunter, das sich meilenweit in jede Richtung erstreckte. Am Horizont, weit im Süden, wo die Küste lag, stieg weißer Dunst auf, der sich weiter oben zu massiven Wolken auftürmte und darunter konnte man undeutlich die bebaute Front Worlports erkennen. Es war die Hauptstadt des Planeten Ord Mantell und sein Ziel. Zumindest vorerst. Genauer gesagt war der interplanetare Raumhafen sein Ziel. Er hätte auch zu einem Raumhafen in einer der kleineren Städte nördlich von Worlport fahren können, aber er plante eine Reise, deren Ziel im Hutt Sektor lag, und solch weite Routen wurden nur vom
Twin Moons Interstellar bedient.
Hinter ihm ragte der Komplex der Stellar-Energie Station auf, bei der Gavins Vater vor mehr als zehn Jahren eine Teilhaberschaft erworben hatte. Er hatte behauptet, es würde sich lange keine vergleichbare Gelegenheit bieten, das gesparte Geld anzulegen. Die Speederwerkstatt der Familie lief seit mehreren Jahren gut, aber ein Ausbau des kleinen Unternehmens wäre nicht lohnenswert gewesen, weil es einfach an Kundschaft gefehlt hätte. Mit dem kleinen Vermögen, das er sich von der Anlage erhofft hatte, wollte er später in Worlport eine große Reparaturwerkstatt für Speeder und Gleiter eröffnen. Stattdessen lag er jetzt zusammen mit seiner Frau und seiner Tochter in seinem Hinterhof in einem staubigen Grab, dass nur durch einen Holzpfosten mit einem Blechschild gekennzeichnet wurde. Und sein sechzehnjähriger Sohn hatte die Teilhaberschaft aufgelöst und die Credits in seiner Tasche.
Es war kein kleines Vermögen, es war weniger. Aber aus 15.000 Credits waren 40.000 geworden, eine ganz stattliche Summe, die Gavin wirklich gebrauchen konnte. Er wusste nicht, ob er selbst in Gefahr war, er glaubte es jedenfalls nicht. Allerdings wusste er nicht einmal mehr was er glauben sollte. Es war ihm egal, ob die Kopfgeldjäger hinter ihm her waren. So oder so würde er den Planeten verlassen. Er hatte keinen blassen Schimmer, warum seine Familie von angeheuerten Mördern getötet worden war. Er konnte sich kaum vorstellen, wie sein Vater in eine Angelegenheit geraten hatte können, die so enden konnte. Nie hatte sein Vater irgendwelche illegalen Dinge am Laufen gehabt. Natürlich – Ord Mantell war berüchtigt für die allgemeine Gesetzlosigkeit, aber in der kleinen Heimatstadt von Gavin hielt es sich in Grenzen. Und sein Vater war ein ehrlicher und ehrenhafter Geschäftsmann gewesen, den seine Kunden dafür schätzten. Das alles ergab keinen Sinn. Seine Mutter und Schwester waren beide mit Kopfschüssen getötet worden. Er hatte sie mit dem Rücken an der Wand zusammengesackt, im Esszimmer liegend, entdeckt. Sie waren wahrscheinlich nach seinem Vater getötet worden, der Einfachheit für die Kopfgeldjäger her, die wohl lieber anonym blieben. Sein Vater war, von mehreren Blasterschüssen in den Rücken durchsiebt, am Küchentisch zusammengesunken gewesen. Gavin war spät abends von einer kleinen Reparatur bei einem Kunden zurückgekommen als er die Leichen entdeckte. In der Hemdtasche seines Vaters hatte er ein kleines Datapad gefunden und eingesteckt. Danach hatte er seine Familie im Hinterhof beerdigt, ohne dass einer der Nachbarn etwas bemerkt hätte.
Das war in dieser Nacht und seitdem hatte er nicht geschlafen. Vor zwei Stunden war die Sonne aufgegangen und bald würde es heiß werden. Gavin drehte sich um, ging zurück zur Station und betrat den Turbolift, der ihn zum Fuße des Plateaus bringen würde, wo sein Speeder stand. Es war ein nagelneuer
SoroSuub V-35, sein eigener. Er hatte ihn zu seinem sechzehnten Geburtstag von seinem Vater bekommen. In zwanzig Minuten würde er am Raumhafen sein und das nächste Schiff in Richtung Hutt Sektor nehmen. Von seiner Familie waren nur noch er und sein großer Bruder Rayland übrig. Und der befand sich, soweit Gavin das wusste, auf Nal Hutta. Was genau er dort tat, hatte Gavin nie herausgefunden. Angeblich handelte er mit Spezialersatzteilen für Minenfahrzeuge, von denen es jede Menge auf Nal Hutta gab. Jedenfalls fand es Gavin richtig, Rayland die Nachricht vom Tot der Eltern und der kleinen Schwester persönlich zu überbringen. Vor allem da er insgeheim hoffte, dass ihm sein Bruder sagen konnte, wie es jetzt weiterging. Das war der erste klare Gedanke, den Gavin hatte fassen können, nachdem er die staubige Erde des Grabes festgeklopft hatte. Und er spürte, würde er von diesem Ziel ablassen, dann würde er sich selbst verlieren.
Der
Twin Moons Interstellar lag am Rande der Stadt und war, wie der Großteil von Worlport in neoklassischer corellianischer Architektur erbaut. Seinen Speeder konnte Gavin nicht mit auf die Reise nehmen, denn ein Transport würde sein Budget deutlich übersteigen. Also verkaufte er ihn in der Nähe des Raumhafens an einen Speederhandel für 3.500 Credits, ein sehr guter Preis für einen gebrauchten
V-35, aber das Fahrzeug war ja auch noch so gut wie neu. Dann ging er zu Fuß zum interplanetaren Terminal, einem breiten, gedrungenen Gebäude mit einem gewaltigen Kuppeldach. Am Schalter fand er heraus, dass Flüge in einen so weit entfernten Sektor wie den der Hutts zum einen teuer und zum anderen sehr selten waren. Der nächste Personentransporter nach Nal Hutta war in knapp drei Wochen zum Start angemeldet und würde schon fast Gavins gesamtes Vermögen verschlingen. Also blieben ihm noch zwei Möglichkeiten: Er konnte irgendeinen Frachterpiloten anheuern, der ihn persönlich beförderte – was er sich wahrscheinlich niemals leisten können würde – oder er versuchte auf Umwegen über andere Planeten in den Hutt-Raum zu gelangen.
Das Computerterminal am Schalter konnte ihm keine Auskünfte über Ersatzrouten geben, also begab er sich in die dem Gebäude integrierte Bar, aus der gedämpfte Musik klang. Nach einigen Gesprächen mit mehr oder weniger zwielichtigen Gesellen hatte er herausgefunden, dass es wohl das gescheiteste war, einen Flug nach Corsin zu buchen, von wo aus er über die
Vaathkree Handelsroute nach Gizer und dann auf dem
Randon Run und über die
Ootmian Pabol direkt nach Nal Hutta gelangen würde. Dieser Weg hatte zwei Vorteile: Bis auf den Flug von Ord Mantell nach Corsin benutzte er nur vielbefahrene Handelsrouten, sodass Gavin wahrscheinlich meist schnell einen passenden Transporter finden würde. Und einer der Piloten in der Bar würde ihn in wenigen Stunden mit nach Corsin nehmen können. Der Mann hieß Malin Woldek, ein Mensch, der „Vergnügungsartikel“ von Corsin exportierte, und sagte Gavin zu, dass es sich dieser für 2.000 Credits im Frachtraum gemütlich machen konnte. Er versicherte ihm, dass die Reise nicht lange dauern würde.
Zwei Stunden später betrat Gavin die Landebucht 22, in der ein schäbiger Frachter der
Barloz-Klasse stand, an dessen Einstiegsrampe Woldek wartend lehnte. Bezahlt wurde im Voraus, was – wie Woldek erklärt hatte – so üblich war. Gavin war sich da nicht so sicher, aber er hatte wohl keine große Wahl. Der Mann stellte ihm seinen Copiloten vor, ein Mann namens Kalep, der böse drein schaute und nur eine matte Begrüßung murmelte, und wies ihm dann einen Platz zwischen den zahlreichen Kisten im Laderaum. Die Männer verschwanden ohne ein weiteres Wort im Cockpit und nach einigen Minuten war eine leichte Erschütterung zu spüren, gefolgt von der sanften Vibration des laufenden Antriebs. Der Frachtraum war nur durch gelbe Lichter in einer Deckenleiste spärlich beleuchtet und Gavin interessierte sich auch nicht sonderlich für die Fracht aus „Vergnügungsartikeln“. Also machte er es sich gemütlich und versuchte sich zu entspannen, was ihm nicht gelang, weil ihn bald die Erinnerung der letzten Nacht plagten.