Fan-Fiction Die Farbe des Horizonts

Welf

RS-Chars: Amos Triskal, Kanto Garison
Liebe Community,

hier soll eine Fan-Fiction meinerseits entstehen. Aber bevor es losgeht, wollte ich zunächst ein paar Worte dazu verlieren:

Die Geschichte spielt irgendwo in der Zeit des galaktischen Bürgerkriegs, also in der Spanne von Episode IV bis VI, ist aber zeitlich (noch?) nicht genauer verortet. Das liegt auch daran, dass ich Abstand davon nehme, Original-Charaktere zu verwenden oder auf große Ereignisse aus dem offiziellen Handlungsstrang Bezug zu nehmen.
Das Star Wars-Universum dient mir einfach als Hintergrund, genauso wie die Situation einer Galaxie, die teilweise unter Herrschaft eines Imperiums steht, gegen das es aber auch diversen Widerstand gibt.

In diesem Thread werde ich die Geschichte Stück für Stück schreiben. Gleichzeitig würde es mich natürlich wahnsinnig freuen, wenn ihr mir dazu ausgiebig feedback gebt (das ist ja ein Hauptgrund, warum ich hier schreiben will). Ich bin total offen für Anregungen und Kritik, will euch dazu ausgesprochen ermuntern. Aber aus Gründen der Lesbarkeit habe ich mir gedacht, ich eröffne einen zusätzlichen "Diskussions"-Thread, in dem wir dann über all das diskutieren könnten. Ich hoffe, das ist auch in eurem Sinne.

Inhaltsverzeichnis
Kapitel I
Kapitel II
Kapitel III

Schöne Grüße und viel Spaß,

Welf
 
Zuletzt bearbeitet:
I



Gavin stand am Rande des Ten Mile Plateaus und sah auf das ausgedehnte Brachland hinunter, das sich meilenweit in jede Richtung erstreckte. Am Horizont, weit im Süden, wo die Küste lag, stieg weißer Dunst auf, der sich weiter oben zu massiven Wolken auftürmte und darunter konnte man undeutlich die bebaute Front Worlports erkennen. Es war die Hauptstadt des Planeten Ord Mantell und sein Ziel. Zumindest vorerst. Genauer gesagt war der interplanetare Raumhafen sein Ziel. Er hätte auch zu einem Raumhafen in einer der kleineren Städte nördlich von Worlport fahren können, aber er plante eine Reise, deren Ziel im Hutt Sektor lag, und solch weite Routen wurden nur vom Twin Moons Interstellar bedient.

Hinter ihm ragte der Komplex der Stellar-Energie Station auf, bei der Gavins Vater vor mehr als zehn Jahren eine Teilhaberschaft erworben hatte. Er hatte behauptet, es würde sich lange keine vergleichbare Gelegenheit bieten, das gesparte Geld anzulegen. Die Speederwerkstatt der Familie lief seit mehreren Jahren gut, aber ein Ausbau des kleinen Unternehmens wäre nicht lohnenswert gewesen, weil es einfach an Kundschaft gefehlt hätte. Mit dem kleinen Vermögen, das er sich von der Anlage erhofft hatte, wollte er später in Worlport eine große Reparaturwerkstatt für Speeder und Gleiter eröffnen. Stattdessen lag er jetzt zusammen mit seiner Frau und seiner Tochter in seinem Hinterhof in einem staubigen Grab, dass nur durch einen Holzpfosten mit einem Blechschild gekennzeichnet wurde. Und sein sechzehnjähriger Sohn hatte die Teilhaberschaft aufgelöst und die Credits in seiner Tasche.

Es war kein kleines Vermögen, es war weniger. Aber aus 15.000 Credits waren 40.000 geworden, eine ganz stattliche Summe, die Gavin wirklich gebrauchen konnte. Er wusste nicht, ob er selbst in Gefahr war, er glaubte es jedenfalls nicht. Allerdings wusste er nicht einmal mehr was er glauben sollte. Es war ihm egal, ob die Kopfgeldjäger hinter ihm her waren. So oder so würde er den Planeten verlassen. Er hatte keinen blassen Schimmer, warum seine Familie von angeheuerten Mördern getötet worden war. Er konnte sich kaum vorstellen, wie sein Vater in eine Angelegenheit geraten hatte können, die so enden konnte. Nie hatte sein Vater irgendwelche illegalen Dinge am Laufen gehabt. Natürlich – Ord Mantell war berüchtigt für die allgemeine Gesetzlosigkeit, aber in der kleinen Heimatstadt von Gavin hielt es sich in Grenzen. Und sein Vater war ein ehrlicher und ehrenhafter Geschäftsmann gewesen, den seine Kunden dafür schätzten. Das alles ergab keinen Sinn. Seine Mutter und Schwester waren beide mit Kopfschüssen getötet worden. Er hatte sie mit dem Rücken an der Wand zusammengesackt, im Esszimmer liegend, entdeckt. Sie waren wahrscheinlich nach seinem Vater getötet worden, der Einfachheit für die Kopfgeldjäger her, die wohl lieber anonym blieben. Sein Vater war, von mehreren Blasterschüssen in den Rücken durchsiebt, am Küchentisch zusammengesunken gewesen. Gavin war spät abends von einer kleinen Reparatur bei einem Kunden zurückgekommen als er die Leichen entdeckte. In der Hemdtasche seines Vaters hatte er ein kleines Datapad gefunden und eingesteckt. Danach hatte er seine Familie im Hinterhof beerdigt, ohne dass einer der Nachbarn etwas bemerkt hätte.

Das war in dieser Nacht und seitdem hatte er nicht geschlafen. Vor zwei Stunden war die Sonne aufgegangen und bald würde es heiß werden. Gavin drehte sich um, ging zurück zur Station und betrat den Turbolift, der ihn zum Fuße des Plateaus bringen würde, wo sein Speeder stand. Es war ein nagelneuer SoroSuub V-35, sein eigener. Er hatte ihn zu seinem sechzehnten Geburtstag von seinem Vater bekommen. In zwanzig Minuten würde er am Raumhafen sein und das nächste Schiff in Richtung Hutt Sektor nehmen. Von seiner Familie waren nur noch er und sein großer Bruder Rayland übrig. Und der befand sich, soweit Gavin das wusste, auf Nal Hutta. Was genau er dort tat, hatte Gavin nie herausgefunden. Angeblich handelte er mit Spezialersatzteilen für Minenfahrzeuge, von denen es jede Menge auf Nal Hutta gab. Jedenfalls fand es Gavin richtig, Rayland die Nachricht vom Tot der Eltern und der kleinen Schwester persönlich zu überbringen. Vor allem da er insgeheim hoffte, dass ihm sein Bruder sagen konnte, wie es jetzt weiterging. Das war der erste klare Gedanke, den Gavin hatte fassen können, nachdem er die staubige Erde des Grabes festgeklopft hatte. Und er spürte, würde er von diesem Ziel ablassen, dann würde er sich selbst verlieren.



Der Twin Moons Interstellar lag am Rande der Stadt und war, wie der Großteil von Worlport in neoklassischer corellianischer Architektur erbaut. Seinen Speeder konnte Gavin nicht mit auf die Reise nehmen, denn ein Transport würde sein Budget deutlich übersteigen. Also verkaufte er ihn in der Nähe des Raumhafens an einen Speederhandel für 3.500 Credits, ein sehr guter Preis für einen gebrauchten V-35, aber das Fahrzeug war ja auch noch so gut wie neu. Dann ging er zu Fuß zum interplanetaren Terminal, einem breiten, gedrungenen Gebäude mit einem gewaltigen Kuppeldach. Am Schalter fand er heraus, dass Flüge in einen so weit entfernten Sektor wie den der Hutts zum einen teuer und zum anderen sehr selten waren. Der nächste Personentransporter nach Nal Hutta war in knapp drei Wochen zum Start angemeldet und würde schon fast Gavins gesamtes Vermögen verschlingen. Also blieben ihm noch zwei Möglichkeiten: Er konnte irgendeinen Frachterpiloten anheuern, der ihn persönlich beförderte – was er sich wahrscheinlich niemals leisten können würde – oder er versuchte auf Umwegen über andere Planeten in den Hutt-Raum zu gelangen.

Das Computerterminal am Schalter konnte ihm keine Auskünfte über Ersatzrouten geben, also begab er sich in die dem Gebäude integrierte Bar, aus der gedämpfte Musik klang. Nach einigen Gesprächen mit mehr oder weniger zwielichtigen Gesellen hatte er herausgefunden, dass es wohl das gescheiteste war, einen Flug nach Corsin zu buchen, von wo aus er über die Vaathkree Handelsroute nach Gizer und dann auf dem Randon Run und über die Ootmian Pabol direkt nach Nal Hutta gelangen würde. Dieser Weg hatte zwei Vorteile: Bis auf den Flug von Ord Mantell nach Corsin benutzte er nur vielbefahrene Handelsrouten, sodass Gavin wahrscheinlich meist schnell einen passenden Transporter finden würde. Und einer der Piloten in der Bar würde ihn in wenigen Stunden mit nach Corsin nehmen können. Der Mann hieß Malin Woldek, ein Mensch, der „Vergnügungsartikel“ von Corsin exportierte, und sagte Gavin zu, dass es sich dieser für 2.000 Credits im Frachtraum gemütlich machen konnte. Er versicherte ihm, dass die Reise nicht lange dauern würde.

Zwei Stunden später betrat Gavin die Landebucht 22, in der ein schäbiger Frachter der Barloz-Klasse stand, an dessen Einstiegsrampe Woldek wartend lehnte. Bezahlt wurde im Voraus, was – wie Woldek erklärt hatte – so üblich war. Gavin war sich da nicht so sicher, aber er hatte wohl keine große Wahl. Der Mann stellte ihm seinen Copiloten vor, ein Mann namens Kalep, der böse drein schaute und nur eine matte Begrüßung murmelte, und wies ihm dann einen Platz zwischen den zahlreichen Kisten im Laderaum. Die Männer verschwanden ohne ein weiteres Wort im Cockpit und nach einigen Minuten war eine leichte Erschütterung zu spüren, gefolgt von der sanften Vibration des laufenden Antriebs. Der Frachtraum war nur durch gelbe Lichter in einer Deckenleiste spärlich beleuchtet und Gavin interessierte sich auch nicht sonderlich für die Fracht aus „Vergnügungsartikeln“. Also machte er es sich gemütlich und versuchte sich zu entspannen, was ihm nicht gelang, weil ihn bald die Erinnerung der letzten Nacht plagten.
 
Als er die Eruption spürte, die vom Aufsetzen des Frachters auf dem Boden kündete und kurz darauf der Copilot Kalep die Tür zum Frachtraum öffnete, fühlte sich Gavin hundeelend. Er hatte in den drei Stunden kein Auge zugetan und sein Liegeplatz war alles andere als bequem gewesen. Mittlerweile dürfte es laut seiner inneren Uhr Abend werden, aber als er die Rampe hinunter auf die weite asphaltierte Fläche stieg ging gerade die Sonne des Systems auf, ein großer, intensiv gelber Feuerball. Zu seinem Bedauern stellte er fest, dass der Raumhafen eher ländlich war. Er hatte erwartet, dass Woldeks Ziel in der Hauptstadt des Planeten lag, aber Gavin sah nur ein einzelnes Gebäude weit und breit. Aus dem Schiff erklang ein leises Zischen und er wollte sich gerade umdrehen, um sich zu verabschieden, aber der Copilot war schon wieder im Inneren verschwunden, und Gavin hatte das Gefühl, dass keiner der beiden viel Wert auf seinen Dank legte. Also schlenderte er auf das Terminal zu. Vor dem Gebäude standen einige Speeder und Lastgleiter aufgereiht, die allesamt deutliche Gebrauchsspuren zeigten. Der ganze Landeplatz war von dichtem Wald aus hohen Bäumen umgeben, wie ihn Gavin in seinem Leben noch nie gesehen hatte. Über den Bäumen lag nebliger Dunst und allerlei Tierlaute drangen an sein Ohr. Hoffentlich kam er schnell wieder von hier weg.

Das Gebäude glich im Inneren eher einer Kneipe als einem Terminal. In Sitznischen saßen vereinzelt Menschen und andere Humanoide zusammen und unterhielten sich. An einem Tisch standen zwei Vaathkree beieinander, die sich langsam zu ihm umdrehten und ihn mit böse aussehenden Minen musterten. Nachdem sich der junge Mann eine Weile unentschlossen im Raum umgesehen hatte winkte ihn ein älterer Mann in schmutzigem Overall näher.

„Hierher, Junge. Du siehst aus als bräuchtest du Hilfe.“

Seine Stimme war rau aber warm, irgendwie angenehm. Gavin trat auf ihn zu und nannte ihm seinen Namen. Der Fremde streckte ihm die Hand entgegen.

„Mein Name ist Randol. Randol Wooser. Was führt dich in dieses Loch inmitten des dichtesten Dschungels?“

Gavin wollte sich hier nicht lange aufhalten, also erklärte er sofort: „Ich muss nach Gizer, über die Handelsroute. Ein kleiner Frachter hat mich hier abgesetzt, eigentlich wollte ich zu einem größeren Raumhafen.“ Er hielt kurz inne. „Hier werde ich wohl keinen Transporter dorthin finden, also bräuchte ich jemanden, der mich zum nächsten interplanetaren Landeplatz bringt.“

Der Alte lachte und klopfte Gavin auf die Schulter. „Na dann setzt dich erst mal zu uns und dann sehen wir, ob wir dein Problem lösen können. Ich glaube schon.“

Der Mann schob ihn in Richtung einer Nische, in der zwei andere Menschen saßen, aber Gavin schüttelte Randols Arm ab und schüttelte den Kopf. „Sir, ich bin in Eile. Es tut mir leid, dass ich an Ihrer Gesellschaft nicht teilhaben kann. Ich bin mir sicher, dass mich hier jemand in die nächste große Stadt bringen kann, gegen eine entsprechende Summe – versteht sich.“

Randol runzelte die Stirn, sodass eine steile Falte über seiner Nase entstand. „Hm!“, brummte er verstimmt und sah zu seinen Kumpeln. „Also gut. Du hast Glück. Die beiden Vaathkree dort drüben befahren die Handelsroute regelmäßig und sind gestern angekommen. Die werden heute wieder abhauen; sprich mit dem kleinen, sein Name ist Gallek ‚Der herzlose Händler‘. Der Typ ist ziemlich eitel, also versuch, ihn nicht zu verärgern, indem du seinen selbstgefälligen Titel vergisst.“

„Danke.“

„Naja, jedenfalls viel Glück, Junge.“ Randol wandte sich ab und kehrte zu seinen Freunden in der Nische zurück.

Gavin ging zum Tresen und bestellte ein Ebla Bier.

„Haben wir nicht.“, entgegnete der dicke Mann hinter der Theke unfreundlich.

„Was schlagen sie mir dann vor?“, wollte Gavin genervt wissen.

„So ein junger Spund wie du sieht mir so aus als würde ihm ein süßes Lomin-Ale schmecken.“, behauptete der Barkeeper und stellte prompt ein schäumendes, bernsteinfarbenes Getränk vor ihn.

„6 Credits.“

Das Gebräu schmeckte unglaublich süß, aber dennoch irgendwie gut und er nahm sich vor, sich den Namen zu merken. Nachdem er seine raue Kehle befeuchtet hatte, trat er an die beiden Vaathkree heran. Als der größere der beiden ihn aber fragte, was er wolle, dachte Gavin, er hätte seine Kehle ruhig noch ein wenig mit Schmirgelpapier bearbeiten können, um sich seinem Gegenüber ein bisschen weniger fremd zu fühlen. Die Geräusche, die aus dem Mund des Aliens drangen erinnerten mehr an eine Gerölllawine als an eine humanoide Stimme.

„Ich brauche eine Passage nach Gizer und habe gehört, dass“, er drehte sich zu dem kleineren der beiden lebenden Felsbrocken, „ein gewisser Gallek, der als ‚Der herzlose Händler‘ bekannt ist, die Vaathkree Handelsroute regelmäßig befährt.“

„Und ihr glaubt also, dass ich das sei?“, wollte Gallek, ebenfalls mit Gerumpelstimme wissen.

„Ich würde sagen, man sieht es Ihnen an.“, schmeichelte Gavin und fragte sich im selben Moment, ob er sich wohl zu weit aus dem Fenster gelehnt hatte.

Gallek aber stieß ein zufriedenes Schnauben aus und sprach: „Wir werden in der Tat noch heute wieder nach Gizer zurückfliegen. Wir haben einen Platz für dich frei, die Kosten für die Reise betragen 5.500 Credits.“

„5.500?! Dafür kann ich mir eine Speederfahrt zur nächsten Stadt und von dort ein Ticket auf einem Personentransporter leisten, und zwar dreifach!“, stieß Gavin empört hervor.

Gallek betrachtete ihn abschätzig, wenn man das bei der steinernen Mine eines Vaathkree überhaupt so sagen konnte. „Dafür wirst du einiges an Zeit sparen. Und bei uns reist du mit demselben Komfort wie auf einem Luxusliner.“

„Der Flug von Ord Mantell hierher ist fast ebenso lang und umständlicher. Dafür habe ich nur 1.000 Credits bezahlt! Und bevor ich Ihnen glaube, dass sie so hohen Komfort bieten können, will ich erst Ihre Yacht sehen.“, forderte Gavin, der das Feilschen von der Arbeit in einer Speederwerkstatt gewohnt war.

„Mein Vehikel ist ein Loronar Corp. B-7 leichter Frachter, tadellos in Schuss.“, sagte Gallek geschäftsmäßig.

Gavin stieß ein Lachen aus. „Ein B-7? Das nenne ich antik! Wirklich beeindruckt wäre ich hingegen, wenn Sie mir sagen könnten, wie lange die Dinger schon nicht mehr gebaut werden! So ein alter Kasten kann noch so gut in Schuss sein und man kann froh sein, wenn beim Abheben das Landegestell nicht einfach auf dem Beton stehen bleibt.“ Gavin musste sein Grinsen zurückhalten, als er sah wie der Vaathkree verlegen seine Hände rieb. „2.000 Credits, mehr werde ich nicht für eine Passage in einer solchen fliegenden Bedrohung für das leibliche Wohl bezahlen.“, setzte er nach.

„Die Urgestein hat mir und meinem Partner stets gute und zuverlässige Dienste erwiesen. Ich kann Ihnen versichern, dass Sie auf diesem Landeplatz und in einem Umkreis von 300 Kilometern keinen Besseren Raumer finden werden! Aber weil ich Schlagfertigkeit schätze, werde ich Ihnen einen sehr guten Preis machen. 4.500 Credits! Das ist mein endgültiges Angebot.“, machte Gallek klar.

Gavin grinste leicht herablassend. „Urgestein, was für ein passender Name...“

Nach einigen Minuten weiteren Verhandelns war der Preis auf 3.500 Credits festgelegt. Der alte, hauptsächlich rostbraun ‚lackierte‘ B-7 Frachter würde in 3 Stunden starten und so lange machte es Gavin sich in einer Nische bei einigen weiteren Gläsern Lomin-Ale gemütlich.
 
Die Reise auf der Vaathkree Handelsroute war tatsächlich um einiges bequemer und vor allem schneller, als Gavins erster Streckenabschnitt. Der B-7 verfügte über ein gesondertes Personenabteil mit acht Sitzen, integriertem Unterhaltungsmedium – ein in den vorigen Sitz eingebautes Datapad mit Videoaufzeichnungen von vor drei Jahrzehnten – und sogar eine Erfrischungseinheit, die allerdings defekt war. Gavin driftete in einem Gemütszustand der allgemeinen Gleichgültigkeit. Sein einziges Ziel war, nach Nal Hutta zu gelangen und seinen Bruder zu finden. Aber selbst darüber konnte er nicht wirklich nachdenken, denn immer wieder leerte sich sein Kopf auf seltsame Weise und er starrte einfach nur den ausgeschalteten Bildschirm vor ihm an. Immer wieder kehrten die Bilder der Nacht zu ihm zurück aber er schob sie beiseite. Plötzlich fiel ihm etwas ein. Er hatte sein Zuhause vollkommen überstürzt verlassen! Er hatte nichts mitgenommen bis auf eine Tasche mit Kleidung zum Wechseln, sein Universalwerkzeug und das Geld. Keiner war mehr in der Werkstatt oder dem Haus und das würde bald bemerkt werden. Und Gavin wurde bewusst, dass die Chance, dass er je wieder dorthin zurückkehren würde, wohl recht gering war. Er fragte sich, was aus den Besitztümern der Familie werden würde. Erstaunlicherweise machte ihm das alles nichts aus. Er war sogar froh, wahrscheinlich niemals wieder nach Ord Mantell zurückzukehren. Und plötzlich wurde er ruhiger und konnte sich entspannen, sogar ein bisschen schlafen.

Er erwachte, als der größere der beiden Vaathkree, der übrigens Grant hieß, nach ihm rief. Seine Stimme rumpelte durch den Passagierraum. „Wach auf.“

Gavin stand auf, streckte sich und klopfte seine Weste glatt.

„Wir sind angekommen.“, sprach Grant schlicht.

Gavin war schon vorher aufgefallen, dass der größere Vaathkree wortkarg war. Größer hieß in diesem Falle eineinhalb Meter groß. Recht viel höher wuchsen diese Aliens, deren humanoides Äußeres durch eine Haut aus Gesteinsschuppen gestört wurde, nämlich nicht. Der ‚Herzlose Händler‘, Gallek, der soeben durch die Tür trat, war noch gute zehn Zentimeter kleiner.

„Ich hoffe, sie sind angenehm gereist?“, fragte dieser eilfertig.

„Ja, danke. Wo sind wir gelandet?“, wollte Gavin wissen.

„Merlat Stadt. Der Raumhafen hier ist einer der größten des Systems, von hier aus gelangen Sie überall hin, wo sie wollen.“, wusste Gallek.

„Sehr gut.“ Gavin ging zur Rampe, durch die Grant schon verschwunden war. Draußen war es schon wieder Morgen. Fast genervt schaute er in die trübe Sonne des Systems, die sich über die Häuser der Großstadt erhob. Der altgediente Transporter war in einer tiefen Grube gelandet, in der allerlei Werkzeuge und Maschinen herumstanden, der Beton unter seinen Füßen war von unzähligen Brandspuren übersät, die beim zu frühen Zünden der Triebwerke entstanden. Alles in allem passten Schiff und Landebucht bestens zusammen und Gavin vermutete sogar, dass die beiden Piloten diese Grube dauerhaft gemietet hatten. Nachdem er sich von Gallek mit einer Verbeugung und Grant mit einem Nicken verabschiedet hatte, folgte er den Schildern, die den Ausgang markierten. Er ging durch ein Labyrinth aus grauen, schmutzigen Korridoren, bis er schließlich in eine zwei Stockwerke hohe Halle eintrat, die sich laut den Schriftzügen auf den grellen Leuchttafeln als Lounge bezeichnen durfte. Hier herrschte geschäftiges Treiben, aber niemand schien Basic zu sprechen, obwohl die meisten der Anwesenden Menschen waren, und Gavin verstand kein Wort. Auch die Wegweiser waren in mehreren Sprachen, aber an oberster Stelle stand immer Basic. Während er die zahllosen, beschrifteten Abzweigungen und Korridore, einen nach dem anderen, begutachtete, schenkte ihm niemand Beachtung. Er nahm einen Weg, der mit ‚Haupthalle‘ beschriftet war, einen breiten, abschüssigen Gang. Die Eingangshalle, die er bald erreichte, war riesig, und monströs war auch die Vielfalt an Spezies, die sich hier herumtrieb. Trotz des unglaublichen Durcheinanders fand man sich irgendwie gut zurecht. Gavin hatte vor, den nächsten Teil der Reise vielleicht sogar in einem Stück zu bestreiten, aber dass dies wohl nicht gelingen würde, erkannte er, als er die großen Holoschirme studierte, die die abgehenden öffentlichen Schiffe listeten. Mitte des Nachmittags - in 6 Stunden - würde ein Personentransporter über Lantillies nach Randon starten. Damit würde Gavin nur noch die Wegstrecke auf der Ootmian Pabol bleiben. Damit konnte er wohl zufrieden sein. Er buchte ein Ticket am Schalter, welches ihn sagenhafte 4.000 Credits kostete, da schon alle Unter-Klasse Plätze ausgebucht waren. Er sah sein Geld förmlich zwischen den Fingern zerrinnen und konnte sich nur damit trösten, wenigstens etwas Schlaf in der komfortableren zweiten Klasse zu bekommen. Nun galt es, die Stunden der Wartezeit tot zu schlagen. Nach einem Blick nach draußen auf die chaotischen, dreckigen Straßen zog er es vor, sich schon einmal zu seiner Landebucht zu begeben und sich dort irgendwo eine Mahlzeit zu besorgen.

Der Weg zum Terminal für interplanetare Personentransporte war vollkommen verwirrend und umständlich, und er brauchte fast zwei Stunden, bis er sich sicher war, bei der richtigen Zugangsrampe zu sein. Dieser Teil des Raumhafens schien wesentlich moderner und neuer zu sein. In einer sehr steril wirkenden Kantine kaufte er sich Sorogi-Schnitten – mit Fleischpaste bestrichene Brote mit allerlei Grünzeug –, die überraschend viel Geschmack hatten. Danach schlenderte er durch die zollfreie Einkaufsmeile, die sich durch das ganze Terminal entlang der Zugangsrampen zog. An einem öffentlichen Computerterminal holte er sich ausführliche Informationen über Nal Hutta. Darin war unter anderem über ätzenden Regen zu lesen, der über gefährlichen Sumpfgebieten niederging, in denen noch gefährlichere Tiere lebten. Daraufhin erwarb er in einem Geschäft für Abenteurerausrüstung sicherheitshalber einen säurefesten Umhang und entsprechende Stiefel, dazu einen neuen Rucksack, der ebenfalls säurefest und wasserdicht war, denn seine alte Tasche war schon recht lädiert. Schließlich kaufte er sich in einem Computerhandel noch ein preiswertes kleines Datapad, wie er schon immer eines haben wollte.

Als der Aufruf zum Entern des Personentransporters kam, wartete Gavin längst vor der Glastür zur Gangway, die sich nun aufschob. Die Gangway selbst war komplett aus Tansparistahl und Glas, sodass Gavin die großen Transporter sah, die entlang des Gebäudes aufgereiht waren. Das Schiff, das er nun bestieg, war ein 90 Meter langer GR-75 mittlerer Transporter, der durch seine ästhetische, rundliche Form einem Wasserlebewesen ähnelte. Fünf Meter unter sich sah Gavin eine weitere Gangway, die wahrscheinlich für die Passagiere der Unter-Klasse diente. Er erkannte mehrere Menschen und Aliens, die das Schiff bestiegen. In der oberen Klasse schien allerdings niemand außer ihm zu reisen und als er den Passagierraum betrat, war dort nur Platz für zehn Leute. Als das Schiff abhob, war er der einzige Passagier in dieser Klasse, was ihm durchaus recht war...
 
Fünf Stunden später setzte der Transporter auf der Landefläche des Hyperspace Quartett Spaceport im Zentrum der Hauptstadt Randons auf. Der Name leitete sich von der Tatsache ab, dass sich hier vier bedeutende Hyperraumrouten kreuzten. Dementsprechend groß war der Raumhafen und dennoch war hier alles viel übersichtlicher als auf Gizer. Gavin musste zum Ootmian Pabolic-Terminal, welches dem Randon Run-Terminal benachbart war. Nach Nal Hutta und dessen urbanisiertem Mond Nar Shaddaa gingen zahlreiche Flüge ab, deswegen würde er nicht lange warten müssen. Aber aufgrund der teuren Erfahrung, die er gerade mit offiziellen Reisetransportern gemacht hatte, suchte er die Pilotenlounge des Terminals auf um einen Händler zu finden, der ihn nach Nal Hutta mitnehmen könnte.

Nach ein paar Gesprächen und einem süßen Lomin-Ale hatte er seinen Mann gefunden. Ein Sullustaner namens Naven Vuin, der einen YV-660 leichter Frachter flog und sehr gut Basic sprach. Naven, der eigentlich gerade die Bar verlassen und zu seinem Schiff zurückkehren wollte, forderte Gavin auf, ihn gleich zu begleiten, da er es eilig habe. Auf dem Weg zu der Landebucht, in der der Transporter mit dem Namen „Händlerbeute“ wartete, handelten sie den Preis aus, den der Mensch bis auf 1.500 Credits drücken konnte. Der Pilot machte den Eindruck, dass er das Geld ziemlich dringend brauchte und schien recht gestresst. Nachdem Naven den entsprechenden Code eingegeben hatte, ging die Tür zu einem kleinen Hangar mit lautem Zischen auf und gab den Blick frei auf einen langen, eckigen Frachter von erdfarbener Lackierung, der deutliche Kampfspuren auf seiner Verbrannten und schäbigen Außenhülle aufwies. Gavin, der wusste, dass der 660 das neueste Modell der YV-Serie war, wunderte sich, dass das Schiff so aussah, als ob es schon etliche Jahre auf dem Buckel hätte. Bei Betrachtung der Einschusslöcher, die von Lasern oder Projektilen zu stammen schienen, wurde Gavin etwas mulmig. Allerdings war sein Gemütszustand im Allgemeinen eher mit Gleichgültigkeit zu beschreiben und mit diesem Schiff würde er schnellstens nach Nal Hutta gelangen, egal wie viele Kämpfe es schon erlebt hatte. Langsam war Gavin das Reisen zu viel: Er war übermüdet, gestresst und im Grunde vollkommen verunsichert, und er wollte sich am liebsten einfach irgendwo verkriechen und seine Ruhe haben. Es sprach also alles dafür, mit der „Händlerbeute“ zu fliegen, auch weil Naven Vuin ein netter Kerl zu sein schien. Verwunderlich war auch, dass es keinen Copiloten oder sonstige Crewmitglieder gab.



Der Passagier reiste im geräumigen Cockpit mit und so hatte er Gelegenheit, mit dem Sullustaner zu reden. „Welche Ladung bringen Sie denn nach Nal Hutta, wenn ich fragen darf?“ sagte er, um das Gespräch unverfänglich einzuleiten.

„Mir wär's lieber, du würdest nicht fragen.“, antwortete Naven mit quäkender Stimme.

„Na gut, es geht mich ja nichts an...“, Gavin überlegte kurz. „Seit wann haben sie das Schiff? Das Modell ist doch recht neu, wenn ich mich nicht irre.“

„Ah, seit kurzem erst. Ja, der YV-660 ist noch ganz neu. Er hat mich einiges gekostet.“, schnatterte der Sullustaner.

„Und warum ist er dann schon so zugerichtet?“, hakte der Junge nach.

„Ähm, naja ... reden wir später weiter.“ Naven ließ sich in den Pilotensitz plumpsen. „Hast du schon mal so ein Teil geflogen?“, wollte er wissen.

„Nein. Ich kann gut mit Gleitern umgehen, aber das war's auch schon.“

„Na gut. Setz' dich auf den Copilotensitz. Du bedienst die Hubgeneratoren und manövrierst uns raus.“, ordnete er an.

Gavin setzte sich in den mit Leder bezogenen Sessel und überflog die gewaltige Schaltkonsole nach bekannten Elementen. Die Verkleidung vor ihm war übersät mit Schaltern, kleinen Lichtern und kleineren und größeren Bildschirmen. Und oberhalb des Sichtfensters, das sich breit über die gesamte Vorderwand des Cockpits zog, waren noch mehr Schaltkonsolen überkopf angebracht.

Naven sah zu ihm herüber während er selbst Eingaben in den Navcomputer vornahm. „Das da ist er.“ Er wies mit dem Finger auf einen kleinen Steuerknüppel, der, umgeben von einigen Drehschaltern, rechts von Gavin aus der Schaltkonsole hervorragte.

„Probier ihn mal nicht eingeschaltet aus. Du kannst ihn herausziehen oder nach unten drücken um die Höhenbeschleunigung zu steuern. Mit den Drehknöpfen kannst du die Hubgeneratoren feinjustieren.“

Gavin kippte den Steuerknüppel in alle Richtungen um ein Gefühl dafür zu bekommen. Naven beendete seine Eingaben und legte eine Reihe aneinander gekoppelter Schalter um. „Also los. Und schön langsam. Aber glaub mir, das Schiff lässt sich wunderbar steuern.“

Die Triebwerke rüttelten die Händlerbeute durch und Gavin drehte den Knopf mit der Beschriftung ‚Beschleunigung‘ langsam auf. Dann zog er den Knüppel vorsichtig nach oben und das Schiff setzte ab. Als sie aus der Grube aufstiegen brachte der Wind den Frachter zum Schaukeln, aber Gavin glich die Turbulenz sanft aus.

„So.“, machte Naven und drückte einen Knopf unterhalb Gavins Steuerknüppel. „Das Landegestell.“, kommentierte er. Dann fuhr er den Schubregler nach oben und zog seinen Steuerknüppel zu sich heran. Gavin presste es in den Sitz und die „Händlerbeute“ schoss in den grauen Himmel über Randon-Stadt. „Kannst den Hubgenerator ausschalten.“, sagte der Pilot. Gavin drosselte die Hubbeschleunigung bis der Drehknopf auf null einschnappte.

„Ich habe die Koordinaten bereits in den Navcomputer eingegeben. In drei Minuten können wir springen. Wir werden für - “, der Sullustaner warf einen Blick auf den Bildschirm vor sich, „ - 200 Minuten im Hyperraum sein, also, ... drei Stunden und 20 Minuten.“

Gavin sah, wie die Wolken dünner wurden und das helle grau der Atmosphäre langsam zum sternengesprenkelten Schwarz des Weltraums wurde, während Vuin redete.

„Wir können dann nach hinten in den Aufenthaltsraum gehen und ich werde mir etwas kochen. Du kannst auch was haben. Außerdem gibt's da hinten auch eine Erfrischungszelle. Du siehst aus, als könntest du eine Dusche gebrauchen, nimm's mir nicht übel.“ Der Sullustaner lachte gackernd.

Gavin nickte. Die freundliche Gesellschaft tat ihm gut.

Kurz darauf waren sie im Orbit angelangt und Naven überließ die Steuerung dem Navcomputer, der das Schiff auf den richtigen Kurs ins Y'Toub System brachte, wo sich Nal Hutta befand. Dann legte er einen Hebel um und die Sterne zogen sich in die Länge, zu leuchtenden Strichen und wurden blitzschnell mehr, bis das Licht fast unerträglich wurde und dann plötzlich zu einem blauen Strom aus Energie zusammenbrach, der permanent pulsierend um das Schiff zu fließen schien. Naven drückte noch ein paar Tasten und stand dann auf, um nach hinten zu gehen. Gavin folgte ihm. Der Aufenthaltsraum war gemütlich eingerichtet, gepolsterte Sitzbänke an den Wänden, ein Tisch, ein großer Bildschirm an der Wand und eine kleine Küche und Bar füllten den kleinen Raum, sodass nicht mehr viel Platz zum Gehen war. Der Sullustaner ging zu der Kocheinheit und durchstöberte die Schränke nach Essbarem, Gavin entdeckte die Luke zum Erfrischer und holte dann seinen Rucksack aus dem Cockpit. Als er den Inhalt der Tasche auf den Boden des Erfrischers entleerte, fiel klappernd ein metallener Gegenstand heraus. Es war das verschlüsselte Datapad, das Gavin in der Hemdtasche seines toten Vaters gefunden hatte. Er nahm es in die Hand und betrachtete es kurz. Dann schob er es wieder in den Rucksack und zog sich aus.

Naven hatte Recht gehabt. Gavin hatte die Dusche wirklich nötig gehabt. Er war wohl seit 48 Stunden auf den Beinen, von dem halbherzigen Schlaf abgesehen, den er auf den Flügen abbekommen hatte. Und in der Nacht hatte er ein Grab groß genug für drei Menschen ausgeschaufelt. Er musste gestunken haben wie ein Bantha. Als er, in frischen Kleidern und mit dem Rucksack über der Schulter aus dem Erfrischer trat, roch es scharf nach Gewürzen. Naven saß bereits am Tisch und schaufelte aus einer Schale Essen in seinen Mund. Auf dem Bildschirm lief irgendeine sullustanische Sendung, die Gavin als Nachrichten zu identifizieren glaubte. Der Pilot lud ihn mit einer Handbewegung ein, sich am Essen zu bedienen, dass auf der Kocheinheit stand. Gavin machte sich eine Schale voll und setzte sich auf die andere Couch. Das Essen bestand hauptsächlich aus Gemüse, mit einer Art Fleisch, die er nicht kannte, das alles in roter Soße. Es schmeckte, wie es roch, also scharf und würzig.

„Nicht übel!“, kommentierte er.

„Nichts zu danken, das war eine Fertigmischung.“

„Wie war das nun mit den Einschusslöchern in der Außenhülle?“

Vuin gab ein ächzendes Geräusch von sich. „Das werde ich dir vielleicht ein andermal erzählen.“ Er schaufelte sich eine neue Ladung Gemüse in den Mund und sprach mampfend weiter. „Was führt dich nach Nal Hutta? Es ist seltsam, dass ein junger Mensch wie du auf einen solch verwahrlosten und gesetzlosen Planeten reist. Ich weiß, dass es mich nichts angeht, aber interessieren tut es mich schon.“

„Ich besuche meinen Bruder.“, gab Gavin als Antwort.

„Er arbeitet dort?“

„Ja, im Tagebau. Das heißt, ich hoffe er arbeitet noch dort. Er ist Mechaniker und hat sich auf Bergbausmaschinen spezialisiert. Allerdings habe ich keinen blassen Schimmer, wo genau ich ihn finden kann.“

Naven runzelt die tätowierte Stirn.

„Wir hatten ewig keinen Kontakt mehr.“, fügte Gavin hinzu.

Der Sullustaner hatte aufgegessen und stand vom Tisch auf. Er stemmte die Arme in die Hüften und musterte Gavin aus seinen großen, rabenschwarzen Augen. „Ich habe einige Kontakte auf diesem Felsbrocken. Wenn du willst, halt dich noch ein paar Tage an mich, bis ich meine dringenden Angelegenheiten erledigt habe und dann kann ich dir vielleicht helfen, deinen Bruder zu finden. Ansonsten wirst du dir bei einem der Hutten Auskunft holen müssen und dafür wirst du teuer bezahlen müssen.“, er sah sich im Raum um und ließ den Blick dann wieder auf dem Menschen ruhen. „Also gut. Ich habe noch einiges zu erledigen, Berechnungen, Kalkulationen und so weiter. Du kannst dich hier gerne hinlegen und schlafen, du siehst nämlich immer noch müde aus.“ Mit diesen Worten wieselte er hinaus in den Hauptkorridor.

Gavin aß fertig und legte sich dann auf der bequemen Bank nieder um zu Schlafen.
 
Als er erwachte, war er alleine im Aufenthaltsraum. Das leise Brummen der Maschinen sagte Gavin, dass sie auf jeden Fall noch nicht gelandet waren. Ein Blick auf das Chrono an der Kabinenwand sagte ihm weiterhin, dass er fast drei Stunden geschlafen hatte. Das hieß dass sie in ein paar Minuten in den Normalraum zurückfallen würden.

Einem Impuls folgend richtete er sich auf, griff in seinen Rucksack und holte das verschlüsselte Datapad hervor. Zum ersten Mal betrachtete er es eingehender. Es war etwa 5 auf 5 cm groß und 1 cm dick. Es war aus dunkelgrauem Metall und der Lack war stellenweise abgekratzt, ein Markenzeichen konnte Gavin nirgends erkennen. Das Display war ausgeschaltet. Er berührte es mit dem Finger und es erwachte zum Leben. Das einzige, was auf dem blauen Bildschirm zu sehen war, war eine umrahmte, dunkle Fläche. Gavin hatte gestern schon einmal kurz darauf herumgedrückt, aber das hatte nichts bewirkt. Und auch jetzt half es nichts, in Linien mit dem Finger darüber zu fahren, die vier Ecken des Rahmens zu berühren oder wahllos herumzudrücken. Offensichtlich war das Teil durch einen Berührungscode gesichert.

Gavin drehte es noch einmal in der Hand und schob es dann zurück in die Tasche. Dann stand er auf und ging zum Cockpit. Naven Vuin saß im Copilotensitz und war über einen Bildschirm gebeugt. Als sich hinter dem Menschen die Cockpitschleuse mit einem leisen Zischen schloss, sah der Sullustaner auf. „Ich hoffe, du hast gut geschlafen. Ich wollte dich sowieso gleich wecken, wir fallen in zwei Minuten im Y'Toub-System aus dem Hyperraum.“

Gavin lehnte sich an den Pilotensessel, aber der drehte sich weg. Er wollte sich nicht anmaßen, sich auf den Pilotensitz zu setzen, auch wenn er glaubte, dass es Naven nichts ausmachen würde. Also blieb er einfach stehen. „Bist du schon einmal nach Nal Hutta gereist?“

„Ja.“, der kleinwüchsige Raumfahrer überlegte kurz. „Vier mal. Ich hatte noch nie Probleme mit den Behörden – obwohl man da nicht wirklich von Behörden sprechen kann. Allerdings kann man bei den Hutts nie wissen. Andererseits sind sie sehr liberal Schmugglern gegenüber.“, er blinzelte kurz erschrocken, „Ich meine, Händlern gegenüber!“

Gavin zog fragend eine Augenbraue hoch.

Der Sullustaner fuhr fort. „Ich habe mir überlegt, dich als meinen Copiloten auszugeben. Denn wenn mich jemand nach dem Einreisegrund meines Passagiers fragt, und ich antworten muss, dass er einen Bruder besuchen will, dann wollen sie sicher wissen, wer das ist und wo er sich aufhält. Und wenn wir ihnen dann nicht einmal das sagen können, dann werden sie mit Sicherheit misstrauisch. Und das kannst wohl weder du noch ich gebrauchen.“ Sein Mund verzog sich zu einem Grinsen, was ihn noch mehr wie ein Hampelmännchen aussehen ließ, wie es sonst schon der Fall war. Auf seinem kahlen Schädel hatte der Sullustaner im Halbkreis angeordnete, dreieckige Tätowierungen, deren Spitzen auf seine Augen zeigten. Er stand auf. „Also los, setz' dich hin.“ befahl er und sie tauschten Plätze. Wenige Sekunden später explodierte das Sichtfeld außerhalb der Cockpitfenster in tausende, funkelnde Sterne. Naven justierte mit ein paar Handgriffen die Sensoren und stellte den Kurs mit dem Steuerknüppel richtig ein. Vor ihnen lag der dritte Planet des Y'Toub-Systems mit seinem Mond. Der Orbit um beide Himmelskörper war voller unterschiedlichster Raumschiffe. Aus dieser Entfernung konnte Gavin einige kapitale Schiffe und noch mehr Großfrachter erkennen. Und ein stellenweises Glitzern oder Aufblitzen von Triebwerken zeigte die Massen an kleinen Transportern oder Yachten, die den Planeten und seinen Begleiter verließen oder anflogen. Die graue Masse des Mondes hing unheilvoll vor dem rötlichen Nal Hutta, wie eine Kugel aus Granit. Als sie sich auf einige hundert Kilometer genähert hatten, konnte Gavin die leuchtenden Bahnen der Verkehrswege auf der Nachtseite des Mondes sehen, die sich wie ein Netz aus pulsierenden Adern auf der Oberfläche wanden. Etwas Vergleichbares hatte er in seinem Leben noch nicht gesehen.

Ein Bildschirm vor ihm begann zu blinken und Naven sagte, er solle die Übertragung annehmen. Gavin berührte das entsprechende Symbol auf dem Schirm und es erschien das Bild eines Hutten, der in Basic zu ihnen sprach. „Leichter corellianischer Transporter 38-D-2c. Dies ist die Nar Shaddaa Raumfahrt-Kontrolle. Sie befinden sich im Anflug auf huttisch kontrolliertes Gebiet. Bitte nennen sie uns Ihre Beweggründe, Ihren Zielort, voraussichtliche Aufenthaltsdauer und Ihre Fracht.“

Naven hielt einen Knopf gedrückt, während er kurz und bündig antwortete: „Warenlieferung, Sarikmiss Corp. Nal Hutta, einwöchiger Aufenthalt, Werkzeuge für Wartung und Instandhaltung.“

„Ihre Daten werden überprüft.“, ließ sich der Hutt vernehmen und Gavin wurde bewusst, dass dies eine standardisierte Nachricht war, nur eine Aufzeichnung, die nach Bedarf abgespielt wurde. Er sah zu Naven hinüber und fragte: „Eine Woche? Ich kann mir gut vorstellen, dass ich länger bleiben werde.“

Der Sullustaner machte eine wegwerfende Bewegung. „Es ist völlig egal, was wir diesen Typen erzählen. Hier wird niemand überprüft, oder verfolgt, wenn er nicht von den Hutts oder anderen Gangsterbossen gesucht wird. Die würden nicht einmal weiter nachfragen, wenn wir ihnen als Fracht ein Dutzend Leichen angeben würden.“

Gavin nickte, war aber nicht wirklich beruhigt. Dann erschien noch einmal der Hutt auf dem Bildschirm. „Einreiseerlaubnis wurde erteilt. Wir heißen sie herzlich willkommen im Y'Toub und weisen sie darauf hin, dass sie von nun an der Gesetzesgewalt der Hutts unterliegen. Bitte melden Sie Ihre Abreise aus dem System. Ihr Identifizierungscode wurde gespeichert.“

Das Bild verschwand in statischem Rauschen und dann brach der Bordcomputer die Verbindung ab. Naven Vuin nickte zufrieden. Er lenkte die „Händlerbeute“ auf eine Umlaufbahn des Mondes, die sie schnell auf die andere, dem Planeten zugewandte Seite bringen würde.
 
Als das Raumschiff sich bereits wieder von dem Mond in Richtung Nal Hutta entfernte erreichte sie erneut ein Funkspruch. Ein Twi'lek, dessen Gesicht über und über mit Tätowierungen bedeckt war, erschien auf dem Bildschirm.

„Hier spricht 'Dunkelklau 1'. Ich sage es ihnen gleich von vorn herein: Wir haben sie auf unseren Torpedosensoren. Sie werden von nun an meine Befehle annehmen und durchführen, wenn sie nicht wollen, dass wir auf sie feuern.“

Naven Vuin überprüfte seine Sensoren, die ihm zwei modifizierte BTL Y-Flügler anzeigten.

„Verflucht! Die würden uns in wenigen Sekunden pulverisieren!“ Er drückte den Knopf zum Sprechen und antwortete den Angreifern. „Hier spricht Naven Vuin. Wir werden ihren Befehlen Folge leisten.“

Gavin warf dem Sullustaner einen alarmierten Blick zu. „Irgendwie scheinst du mir nicht so überrascht!“

Knackend meldete sich der Twi'lek wieder zu Wort. „Sehr gut. Folgen sie uns zurück nach Nar Shaddaa. Koordinaten 343.9331. Wir bleiben hinter ihnen.“

Naven wandte sich an Gavin, mit einem Mal sehr ernst. „Sagen wir es so: Ich habe mich auf Schwierigkeiten eingestellt.“

„Aber ich dachte, hier gäbe es sicher keine Probleme? Und nun werden wir von zwei Sternjägern bedroht!“

„Ich denke, das hier sind Probleme anderer Art. Aber das ist eine längere Geschichte.“, sagte er zwischen zusammengebissenen Zähnen. Der Pilot steuerte die 'Händlerbeute' zurück in Richtung Mond. Einer der beiden Jäger raste an ihnen vorbei, schnitt eine – für einen Y-Flügler – sehr scharfe Kehre und reihte sich wieder hinter ihnen ein. Gavin warf erneut einen Blick auf Naven, der sehr angespannt aussah. „Verdammt nochmal! Du könntest mir wirklich sagen, was hier los ist! Was ist im Frachtraum? Welchen Schmuggel hast du vermasselt, dass die uns jetzt an die Gurgel wollen?“

„Jetzt beruhig' dich mal wieder...“, kommentierte der Sullustaner ruhig.

„Was hast du denn vor? Können wir denen entkommen?“

Der Pilot schüttelte den Kopf. „Niemand entkommt hier. Wir werden einfach genau das tun, was sie wollen. Ich bin mir sicher, dass die uns nur zu ihrem Boss bringen.“ Er überflog den Bildschirm. „Die Koordinaten bezeichnen eine Landeplattform auf einem Gebäudekomplex der Mittelstadt. Garridi Handelsgesellschaft. Hm.“

Gavin sah auf die schnell näher kommende Planetenoberfläche hinab. „Du solltest mir jetzt trotzdem erzählen, was es mit deiner Fracht auf sich hat. Immerhin hast du mich in diese Sache hineingezogen.“, forderte er.

„Also gut. Im Frachtraum befindet sich eine Anlage zur Aufbereitung von Glitzerstim, natürlich in die Einzelteile zerlegt. Das ist eine hocheffektive Droge, du hast sicher schon mal davon gehört. Der Vertrieb davon wird aber vom Imperium genauestens kontrolliert. Deshalb ist das Ding da hinten ziemlich illegal. Ich sollte es an einen Typen nach Nal Hutta liefern – ich nenne keine Namen, damit du nichts Wichtiges verraten kannst. Bei so einer riskanten Fracht springt natürlich ordentlich was raus, das kann ich dir sagen. Und jetzt haben wir das Schlamassel.“

„Und was ist das hier für ein Schlamassel?“

„Ich habe noch keinen blassen Schimmer...“

Der Transporter tauchte jetzt in eine Schicht aus düsteren Gewitterwolken ein. Blitze zuckten um sie herum und Gavin wartete darauf, dass die beiden Y-Flügler von den Sensoren verschwanden, aber diesen Gefallen taten sie ihm natürlich nicht. Naven steuerte das Schiff präzise an unsichtbaren Hindernissen vorbei, die er nur auf den Sensoren sehen konnte. Dann plötzlich brachen sie aus der grauen Suppe hervor und befanden sich in einem ein Kilometer breiten Korridor zwischen emporragenden Hochhäusern. Sie tauchten weiter senkrecht in die bodenlose Schlucht, bis die Wände der Gebäude auf beiden Seiten auf weniger als hundert Meter zusammenrückten. Gavin hatte noch nie etwas Vergleichbares gesehen. Der ganze Planet schien nur aus grauen Mauern und Dächern zu bestehen, zwischen denen sich unendlich viele Gleiter und Raumschiffe aller Art tummelten. Ein Blick auf die Sensoren zeigte ihm, dass sich ihre ungewollte Eskorte noch immer in ihrem Nacken befand. Naven brachte das Schiff jetzt in die Waagrechte und bog um eine Gebäudeecke.

„Da vorne ist es.“, bemerkte er.

Gavin konnte einen Kilometer vor ihnen die Lichter einer Landeplattform ausmachen. Sie ragte aus einer Wand hervor, die zu einem heruntergekommenen Gebäudekomplex gehörte.

„Hubgeneratoren.“, verlangte Naven.

Gavin schaltete die Generatoren ein und nahm den Steuerknüppel. Der Sullustaner brachte das Schiff über der Plattform in Position und Gavin setzte es vorsichtig ab. Einer der beiden Sternjäger manövrierte um sie herum und richtete seine Waffen auf sie aus, der andere blieb in ihrem Rücken.

„Hol deine Sachen von hinten. Ich werde rausgehen und ich denke du willst nicht alleine hierbleiben.“, sagte Vuin.

„Ok.“ Der Mensch stand auf und eilte in den Aufenthaltsraum um seinen Rucksack zu holen. Naven schnallte sich einen Blaster um und lies die Ausstiegsrampe herunter. Als sie beide den Boden der Plattform betraten öffnete sich zischend ein Tor in der Gebäudewand.
 
Sie sahen zwei Gestalten aus der Öffnung treten, während ihnen der Sturm den Regen ins Gesicht peitschte. Auf einen Wink einer der Personen hin wendeten die beiden Y-Flügler ab und verschwanden in der Düsternis der Straßen. Als sich die beiden Fremden näherten, konnte Gavin sie besser erkennen. Der, der den Sternjägern den Abflug befohlen hatte, war in einen bodenlangen, schwarzen Mantel gekleidet und hielt einen Blaster in der linken Hand. Es handelte sich um einen Zabrak mit wilden Hornformationen auf dem kahlen Schädel und extrem blasser Haut. Sein Begleiter war ein Twi'lek und wirkte wie ein Bodyguard, denn er hatte einen Blasterpistole am Gürtel und einen Karabiner um die Schulter hängen. Seine Hautfarbe war dunkel, sie wirkte in der Düsternis des Sturms grau, und seine weißen Raubtierzähne stachen aus seinem finsteren Gesicht hervor. Naven Vuin lockerte unauffällig seinen Blaster.

„Naven Vuin?“, wollte der Zabrak wissen. Jetzt konnte Gavin auch sein Gesicht besser sehen. Seine Augen hatten eine seltsame hellgelbe Farbe, die zusammen mit seiner fast durchscheinend hellen Haut irgendwie ungesund wirkte. Sein Gesicht war mit einem Muster aus feinen Linien tätowiert, dass entfernt an eine Zielscheibe erinnerte, bei der unten ein Viertel fehlte.

„Ja, der bin ich.“, antwortete Naven. Er wirkte gelassen, so als hätte er alles unter Kontrolle. Gavin dagegen war gespannt wie eine Bogenwerfer-Sehne. „Und wer sind Sie?“, fragte der Sullustaner barsch.

„Nennt mich Belas. Wir gehen lieber hinein, hier draußen holt man sich ja den Tod. Ich hoffe, Ihr wisst Euch zu benehmen, ansonsten wird Lad'oin Euch zurechtweisen müssen...“ Mit diesen Worten drehte er sich um und ging zurück zu dem Tor in der Wand. Sie folgten ihm und der bedrohliche Lad'oin reihte sich hinter ihnen ein. Naven schwieg, also beließ es Gavin lieber auch dabei. Sie erreichten die Pforte und er war froh, sich im Raumhafen auf Gizer eine gute Jacke gekauft zu haben, ohne die er jetzt zweifellos bis auf die Haut durchnässt gewesen wäre. Als sie den Korridor betraten, flackerten entlang der Wände grelle Leuchtröhren auf. Der Gang wirkte insgesamt eher industriell, mit der billigen Beleuchtung, den sich überall stapelnden Kisten und den Öllachen am Boden. Sie kamen zu einer kleinen Seitentür, die Belas mit einem Code öffnete und fanden sich scheinbar in dessen Privatapartment wieder. Der Zabrak führte sie zu einem Tisch und ließ sich in einem prächtigen Nerfledersessel nieder. Gavin sah sich um. Die Räumlichkeiten hatten offensichtlich schon bessere Zeiten gesehen: Die Wände waren mit dunklen Flecken übersät, Möbelstücke waren verwahrlost und in einer der großen Fensterwände war ein Sprung. Aber man musste zugeben, dass der Raum wohl einst sehr luxuriös gewesen war. Eine Wand bestand komplett aus Fenstern, die vom Boden bis zur Decke reichten. Die Aussicht war allerdings nicht so berauschend. Scheinbar hatte es aufgehört zu regnen und schmierige Rinnsale flossen die Scheiben hinab. Draußen sah Gavin eine Fußgängerbrücke, die eine Straßenschlucht überspannte und auf der etliche Passanten unterwegs waren.

Belas ließ sich Zeit. Er saß in seinem Sessel, der Leibwächter hatte an der Tür Stellung bezogen und Naven und der Gavin standen unentschlossen vor dem Schreibtisch. Schließlich wurde es dem Sullustaner zu blöd.

„Also, was wollen Sie von mir? Ich habe noch nie zuvor von Ihnen gehört und Sie verursachen mir eine inakzeptable Verspätung meiner Lieferung!“, rief er aufgebracht.

„Wellard ist tot.“, sagte ihr Gegenüber knapp.

„Was soll das heißen?“, wollte Vuin wissen.

Der Andere grinste und entblößte seine Spitzen Zähne. „Es ist ihm ein Unglück zugestoßen, mehr kann ich dazu nicht sagen. Ich hatte nichts damit zu tun.“

„Das klingt mir nicht sehr überzeugend!“, behauptete Vuin.

Der Zabrak lachte trocken. „Mir ist auch egal, ob Sie mir das glauben. Allerdings habe ich mitbekommen, was Sie ihm liefern wollen. Und da der Deal jetzt ja wohl geplatzt ist, dachte ich mir, dass niemand diese Anlage vermissen wird. Also werde ich sie mir kurzerhand aneignen...“, entgegnete er bedeutsam.

Naven sagte gar nichts sondern lief nur im Gesicht rot an wie eine von Tatooines Sonnen.

Belas fuhr fort: „Das einzige was ich nun noch benötige, ist Wellards Kontakt auf Kessel. Und ich denke, dass Sie ihn mir geben werden.“

„Ich habe nicht den Schimmer einer Ahnung, von wem Wellard das präparierte Glitzerstim bekommen sollte. Ich bin nur mit dem Transport der Anlage beauftragt worden. Da können Sie mir noch so große Löcher in den Bauch fragen, ich kenne keinen Namen.“

„Vielleicht sollte ich euch Löcher in den Bauch schießen!“

Belas erhob sich vom Sessel und stellte sich breitbeinig vor den kleinen Sullustaner. Dieser wich langsam in Richtung Fensterwand zurück, bis er dort mit dem Rücken anstieß. Gavin folgte den beiden in gewissem Abstand. Er warf einen kurzen Seitenblick auf Lad'oin, der das Geschehen neugierig von der Tür aus beobachtete.

Naven, dem langsam die Nerven verließen, erhob flach die Hände und beteuerte, nichts zu wissen. Plötzlich packte der Zabrak den Sullustaner am Hals und hob ihn mit einer Hand hoch, was Gavin erstaunte, da er Belas wegen seiner kränklich aussehenden Haut nicht so viel Kraft zugetraut hatte. Er hatte das Gefühl, dass die Situation außer Kontrolle geriet. Erneut sah er kurz zu dem Twi'lek der das Schauspiel grinsend verfolgte. Da streifte sein Blick den Sprung in einem der Fenster und auf einmal war ihm bewusst, wie sie vielleicht aus dem ganzen Schlamassel entkommen konnten.
 
Seine Gedanken überschlugen sich. Er war davon ausgegangen, dass die Fenster aus Transparistahl waren, aber dieses extrem stabile Material wurde bei Überbelastung undurchsichtig bevor es brach. Er rannte los und rammte Belas von hinten mit der Schulter. Weder dieser, noch Lad'oin, der Leibwächter, konnten schnell genug reagieren. Der kleine Sullustaner wurde gegen das Glas gedrückt und der Zabrak stolperte über ihn, mit dem Kopf voran in die Fensterscheibe. Mit einem lauten Schmettern zerbarst das Quarzglas in tausende von kleinen Splittern. Gavin flog, durch seinen Schwung unfähig abzubremsen, durch den Schauer aus glitzernden Fragmenten, überschlug sich einmal und landete dann auf etwas Hartem, dass aber unter ihm nachgab. Er rappelte sich benommen auf und wurde sofort heftig vor die Brust gestoßen. Er sah sich einem Ithorianer gegenüber, der wütend gestikulierte und dann seinem Freund, auf den Gavin gefallen war, aufhalf. Der junge Mann hob entschuldigend die Hände, als ein Blasterschuss den aufgebrachten Ithorianer an der Schulter traf. Der wurde herumgerissen und zu Boden, neben seinen verwirrten Freund, geschleudert. Gavin drehte sich um und sah zu der zerbrochenen Fensterwand hinauf. Belas lehnte aus dem lehren Rahmen und zielte mit seiner Waffe auf ihn, sein Gesicht war von Blut überströmt, dass ihm in die Augen lief. Gavin machte kehrt und rannte zwischen die in Panik weglaufenden Passanten. Er hörte Belas irgendetwas rufen, verstand aber nichts. Nachdem er die andere Seite der Häuserschlucht erreicht und in eine Passage zwischen zwei Gebäuden eingebogen war, hielt er an.

Er verschnaufte und dachte nach. Der Gangsterboss würde ihm sicher seine Leute auf den Hals hetzen und wer wusste, was sie nun mit Naven anstellten. Er hatte gehofft, irgendwie zusammen mit diesem zu entkommen. Und am meisten, tat es ihm um den fremden Ithorianer leid, der wegen ihm wahrscheinlich tödlich verwundet worden war. Dieser Mond war wirklich schrecklich! Jetzt musste er erst einmal ein Schlupfloch finden. Er arbeitete sich durch die Massen an unterschiedlichen Lebewesen, die sich auf den Straßen Nar Shaddaas tummelten, bis er zu einer Bahnstation kam. Er nahm wahllos einen Schwebezug und stieg vierzehn Stationen später und viele Kilometer entfernt wieder aus. Er befand sich nun anscheinend in den unteren Bereichen der Oberstadt. Die Wege waren nicht mehr voller Müll und es waren weniger Leute unterwegs. Er ging einige Schritte auf einer breiten Balustrade entlang bis ihm ein grell Leuchtendes Schild auffiel, auf dem 'Callimores Cantina' stand. Als Gavin durch die offene Tür eintrat schlug ihm beißender Rauch entgegen. Gleich rechts des Eingangs befand sich die offenliegende Küche, und ein Mensch hantierte hektisch an Pfannen und Töpfen, über denen der dicke Rauch aufstieg. Es roch nach gebratenem Fleisch und Tabakrauch. Je weiter er sich von der Kochstelle entfernte, desto besser wurde die Sicht. Auf einigen Tischen in der Mitte der Gaststube saßen viele Gäste beim Essen, hauptsächlich Menschen. Jetzt fiel Gavin auf, dass er ziemlichen Hunger hatte. Er warf einen Blick auf ein prunkvoll verziertes Chrono, das an der Wand prangte, und stellte zu seiner Zufriedenheit fest, dass es um die Mittagsstunde war. Sein körperlicher Rhythmus schien zufällig mit der Tageszeit übereinzustimmen. Er setzte sich an einen freien Tisch für zwei Personen. Während er darauf wartete, eine Bestellung aufgeben zu können, betrachtete er seine Umgebung genauer. Der Raum umfasste sechs Tische und weitere fünf Sitznischen an den Wänden und war mit angenehmem gelbem Licht ausgeleuchtet. Eine zweite Tür führte wohl in ein Hinterzimmer. Die Küche dominierte die gesamte Stube. Keiner der Gäste schenkte ihm Beachtung, obwohl seine abenteuerlich wirkende Kleidung nicht sehr hierher passte. Erneut dachte er über seine Situation nach. Ca. 30.500 Credits hatte er noch übrig, damit konnte sich einiges machen lassen.

Nachdem er ein ordentliches Steak mit köstlichen Beilagen verspeist hatte fühlte er sich gestärkt und beschloss, das Vorhaben, seinen Bruder zu finden, aufzugeben und stattdessen zu versuchen, Naven Vuin zu retten.
 
Gavin wollte nichts überstürzen. Er war zu der Überzeugung gekommen, dass es, wenn er Naven Vuin retten wollte, klüger war, alles so gut wie möglich zu planen und sich ein bisschen mehr Zeit zu lassen. Denn wenn der Gangsterboss Belas den Sullustaner nun umbringen wollte, hätte er es sowieso längst getan. Aber trotzdem wollte er sich natürlich beeilen, denn wer wusste schon, was diese Schergen seinem Freund in der Zwischenzeit antun würden!

Zuerst besorgte er sich einige Ausrüstung, die er für nützlich hielt: In einer der unteren Ebenen kaufte er in einem Secondhandshop eine Model 434 Blasterpistole. Die Waffe lag zwar gut in der Hand, zeigte aber deutliche Gebrauchsspuren und war ungewöhnlich schwer. Der Händler versicherte ihm, dass dies an der speziellen Hülle lag, die aus Durastahl hergestellt sei. Deshalb seien die Kratzer und der stellenweise abgeplatzte Lack vollkommen unbedenklich.

„Dieses gute Stück ist wirklich unverwüstlich.“, beteuerte der beleibte Mensch. „Das können ihnen mehrere meiner Kunden bestätigen, Kopfgeldjäger oder abgebrühte Söldner, die den 434 auch wegen seiner großartigen Durchschlagskraft schätzen.“ Der Mann nickte heftig, sodass sein Doppelkinn wackelte. Dann lehnte er sich leicht vor und sagte leiser: „Außerdem kann ich dir einen hervorragenden Preis machen, mein Junge. 600 Credits!“ Er breitete jovial die Hände aus. Gavin drehte den schweren Blaster in den Händen und betrachtete ihn. „Na, was sagst du?“, fragte der Händler nach.

„Ich sage, dass das ein bisschen teuer ist, dafür dass er gebraucht ist? Wie viel kostet der denn neuwertig?“

„Normalerweise 650 Credits.“

Gavin schaute den Mann verwirrt an.

Dieser nahm ihm die Waffe ab und führte sie vor. „Aber dieses Exemplar ist modifiziert: in dem leicht verlängerten Lauf wurden die Magnetbündler eines E-11 Karabiners eingebaut um eine größere Reichweite zu erzielen. Entsprechend wurde die Standard-Zielvorrichtung durch ein BlasTech SC-3 Zielfernrohr ersetzt. Der Typ, dem ich sie abgekauft habe, war ein richtiger Freak. Mit diesem Prachtstück kannst du eine Ratte aus hundert Metern Entfernung abschießen!“ Der dicke Händler lachte dreckig, gab Gavin die Waffe zurück und bückte sich, um etwas unter dem Tresen hervorzuholen. „Ich kann dir ein Bild eines unmodifizierten Modells zeigen, warte...“ Er kramte einige Sekunden und richtete sich dann mit rotem Kopf wieder auf. Auf einem Datapad, das er Gavin hinhielt, wurde ein Merr-Sonn Munitions, Inc. Modell 434 angezeigt. Der Lauf war deutlich kürzer und das Zielfernrohr oben auf dem Lauf war dicker und kürzer. Außerdem sah das kleine Display auf der Seite der Waffe anders aus. Gavin entschied sich, die Waffe zu kaufen. Dieser Ladenbesitzer kam ihm relativ seriös vor, er hatte nicht das Gefühl, übers Ohr gehauen zu werden. Natürlich versuchte er, den Preis noch etwas herunterzuhandeln, aber der Verkäufer gab nicht nach, was Gavin für ein gutes Zeichen bezüglich der Qualität des Blasters hielt.

Nachdem er noch einige andere Besorgungen gemacht hatte, wie zum Beispiel seine Wäsche zum Wechseln zu waschen, machte er sich auf die Suche nach einem kleinen Apartment, das er mieten und als vorübergehendes Schlupfloch nutzen konnte. Die 'preiswertesten' Wohnungen gab es auf den unteren Ebenen der Stadt. In den zwielichtigen Gassen, tief in den Schluchten zwischen den gewaltig aufragenden Gebäuden, gab es viele leerstehende Etagen mit zahllosen heruntergekommenen Apartments, aber Gavin war es zu riskant, sich einfach in solchen Räumlichkeiten niederzulassen. Schließlich stolperte er über eine Bar in einem verwahrlosten Wohnungskomplex, neben der ein Schild mit der leuchtenden Aufschrift: „Zimmer dauerhaft zu vermieten“ prangte. Der Wirt der Bar war der Vermieter und verlangte eine wöchentliche Miete von 20 Credits, was Gavin nicht besonders teuer vorkam. Das Zimmer war etwa zwölf Quadratmeter groß und komplett eingerichtet, obwohl das Mobiliar, wie der Raum selbst, ziemlich heruntergekommen war. Aber etwas anderes hatte er auch nicht erwartet. Dies sollte nur als Unterschlupf dienen, bis er Naven befreit hatte. Danach war es wahrscheinlich sowieso unklug auf Nar Shaddaa zu bleiben. Er verstaute seinen Rucksack in der Lade unter der Pritsche und hockte sich noch auf einen Drink in die Bar, bevor er, mit dem neuen Blaster unter dem Kopfkissen, zum Schlafen ging. Morgen würde wohl einiges auf ihn zukommen.
 
Gavin lehnte an einer Wand und späte immer wieder um die Ecke. Er war früh aufgestanden, hatte sich seinen Blaster umgeschnallt und seinen schwarzen Mantel übergeworfen, der die Waffe gut verbarg. Jetzt beobachtete er das Apartment auf der gegenüberliegenden Seite einer Straßenschlucht. Um diese Tageszeit waren noch nicht so viele Passanten unterwegs und Gavin konnte nicht einfach in einer Menschenmenge verschwinden. Deshalb hielt er sich hinter der Gebäudeecke versteckt und spähte gelegentlich zu der Wand hinüber, in der ein großes Fenster, einige Meter oberhalb des Fußgängerwegs, zerstört war. Offensichtlich hatte Belas das Glas noch nicht auswechseln lassen und jetzt wurde die offene Stelle durch eine provisorische Plastikwand bedeckt. Gavin zog den Kopf wieder zurück. Gerade bog eine Gruppe schwarzgekleideter Aliens in die Gasse ein, in der er sich aufhielt. Also lehnte er sich lässig an die Mauer zurück und überlegte. Irgendwie musste er in das Gebäude der Gangster gelangen. In der Nähe, an einer anderen Seite des Gebäudes dürfte sich die Landeplattform befinden, auf der die 'Händlerbeute' gelandet war. Vielleicht hatte er dort besser Chancen.

Um an eine Position zu kommen, von wo aus er die Landeplattform sehen konnte, brauchte er fast eine halbe Stunde, in der er über Fußgängerbrücken und Promenaden, durch eine schmale Gasse und eine Tunnelpassage in einem Hochhaus lief und einen Turbolift benutzte, der ihn vier Stockwerke höher brachte. Jetzt lehnte er an dem Geländer einer Balustrade und blickte auf den mitgenommenen YV-660 Frachter hinunter, der wie selbstverständlich auf der Plattform stand. Die 'Händlerbeute' ruhte immer noch genau so, wie sie sie gestern abgestellt hatten. Das kam Gavin irgendwie seltsam vor. Er war sich sicher gewesen, dass Belas' Leute sie längst irgendwo hin gebracht hätten. Aber er sah es als ein gutes Zeichen in Bezug auf Naven Vuins Lage. War vielleicht sogar diese Anlage zur Glitzerstim-Aufbereitung noch im Laderaum? Dann fiel dem jungen Mann ein schwarzer Gleiter auf, der langsam um die Plattform herumflog und dann hinter der Gebäudeecke verschwand. Gavin glaubte, am Steuer einen schwarzgekleideten Twi'lek erkannt zu haben. Aber auf diese Entfernung war das schwer zu sagen. War es dieser Lad'oin, der Leibwächter Belas' gewesen? Wie der Gleiter da so langsam geflogen war, hatte es den Anschein gehabt, als patrouilliere er. Waren sie auf der Suche nach ihm, weil sie dachten, er würde zurückkehren um Naven oder den Frachter zu befreien? Diese Typen mussten wirklich denken, er sei verrückt, um so etwas von ihm zu erwarten... Nun ja eigentlich nicht – immerhin hatte er ja genau dies vor. Und es war tatsächlich nicht so abwegig: Die Anlage im Frachter war wohl ein Vermögen wert, in den richtigen Händen und mit den richtigen Kontakten. Gavin wüsste zwar nicht, was er damit anfangen könnte, aber das wiederum wusste Belas nicht.

So in Gedanken bemerkte Gavin den schwarzen Gleiter zuerst gar nicht, als er wieder um die andere Gebäudeecke bog und somit eine Runde um den Komplex gemacht hatte. Es war also tatsächlich eine Patrouille. Gavin sah sich um. Er war alleine auf der Balustrade. Er griff in seinen Mantel und zog den Blaster hervor. Dann visierte er den Gleiter an und schaute durch das Zielfernrohr. In dem vergrößerten Bild konnte er den Twi'lek am Steuer deutlich erkennen. Es war nicht Lad'oin. Gavin schob den Blaster wieder zurück in seinen Holster und folgte mit dem Gleiter mit den Augen. Kurz vor der Gebäudeecke flog dieser knapp unter einem Fußgängerüberweg hindurch. Als er das sah, schoss ihm ein waghalsiger Plan durch den Kopf.
 
Er lief zu der Tür, die ins Innere des Gebäudes führte, auf dem er sich befand. Nun war er in einer Loge, auf deren beiden Seiten sich Turbolifte befanden. In einer Ecke saß ein Bith auf einem Stuhl und wippte mit dem Oberkörper vor und zurück, die Arme eng an die Seiten gepresst. Als Gavin ihn seltsam anschaute, nickte der höflich, während er fröhlich weiterwippte. Der Mensch zuckte die Schultern und betrat den Lift. Dieser brachte ihn drei Stockwerke hinunter, wo er einen Raum betrat, der exakt dem vorigen entsprach, nur einige Meter tiefer und ohne den seltsamen Alien. Er lief durch die Transparistahltüren nach draußen auf die Balustrade und dort weiter am Gebäude entlang, bis er die Fußgängerbrücke erreichte. Dann ging er gemächlich hinüber zu dem Hochhaus, aus dem weiter rechts die Landeplattform mit der Händlerbeute hervorragte. Nach zwei Dritteln des Weges blieb er stehen, lehnte sich an das der Plattform abgewandte Geländer und wartete, bis der Patrouillengleiter wieder unter der Brücke vorbeiflog. Unter ihm gähnte die bodenlose Tiefe. Naja, wahrscheinlich gab es einige Kilometer weiter unten schon einen Boden, aber der Dunst der Abgase und die morgendlichen Nebel, die noch immer durch die Schluchten der Stadt waberten, entzogen ihn jeglichen Blicken. Dann sah Gavin das schwarze Gefährt von hinten mit der Geschwindigkeit eines schnellen Läufers heranschweben und stieg auf das Geländer. Als der Gleiter aus seinem Sichtfeld unter die Brücke verschwand, lies er sich auf der anderen Seite hinunterfallen. Für die Sekunde, die er in der Luft war, war er sich sicher, dass er zu früh gesprungen war, aber noch bevor ein Schreckensschrei aus seiner Brust hervorbrach, presste ihm der Aufprall auf dem Heck des kleinen Fahrzeugs die Luft aus den Lungen. Der Gleiter schaukelte durch seinen Impuls und der blinde Passagier rutschte sofort nach hinten weg. Verzweifelt schlug er mit den Armen um sich und bekam eine Kante zu fassen. Und so lag er auf dem Rücken, hielt sich mit den Fingern fest, während seine Beine in der Luft baumelten. Was war nur in ihn gefahren! Um ein Haar wäre er in den Tod gestürzt, war er denn lebensmüde? Der Gleiter hatte den Kurs gewechselt und flog zurück zur Landeplattform. Ja, dachte Gavin, wahrscheinlich war er lebensmüde, aber das war nicht wirklich verwerflich in seiner Situation. Er dachte kurz an seine ermordete Familie und zog sich mit aller Kraft weiter hinauf. Jetzt gab es sowieso kein Zurück mehr, er musste sich beeilen. Seine Schuhe fassten Halt auf der Heckverkleidung und er krabbelte auf allen Vieren nach vorne auf das Cockpit. Sie hatten die Fußgängerbrücke hinter sich gelassen und würden gleich bei der Plattform ankommen. Gavin schlug mit der Faust auf das Dachfenster ein, das unter ihm war. Der Twi'lek starrte entgeistert den Irren an, der nun einen Blaster zog, auf ihn zielte und abdrückte.

Gavin warf es beinahe vom Gleiter. Die mäßige Rückschlag des schweren Blasters, kombiniert mit der Wucht, die die explodierende Scheibe direkt unter ihm entfesselte, hatte er unterschätzt. Splitter und Legierungsfetzen wurden vom Fahrtwind sofort weggerissen. Gavin sprang ins Innere, öffnete die seitliche Tür und stieß den Toten Fahrer hinaus. Dann setzte er sich ans Steuer und schwenkte von der schnell näher kommenden Gebäudewand ab. Er bremste ab und drosselte die Hubgeneratoren, um auf der Plattform zu landen. Dann durchsuchte er das Cockpit nach etwas Nützlichem, fand aber keine Zugangskarte oder dergleichen. Er hätte wohl den Overall des Piloten durchsuchen sollen, bevor er ihn „entsorgt“ hatte. Er stieg aus und ging langsam näher an den Transporter heran, der zwischen dem Zugangstor und dem Gleiter stand. Die Einstiegsrampe der 'Händlerbeute' war heruntergelassen aber es war niemand zu sehen. Gavin spähte um die Rampe herum zum Tor und entdeckte eine recht offensichtlich platzierte Kamera. Er fluchte leise. Natürlich war es nicht so einfach. Da er vorerst nicht weiterwusste, schlich er die Rampe hinauf und betrat den Transporter. Als erstes ging er zum Cockpit, das er verlassen vorfand. Dann drehte er um und überprüfte den Aufenthaltsraum - ebenfalls leer. Übrig blieb noch der Laderaum. Am Ende des Hauptgangs angekommen, horchte er an der Luke zum Ladedeck. Nichts war zu hören. Er betätigte den Türöffner und die Metallplatte vor ihm schoss mit lautem Zischen in die Wand. Gavin spähte vorsichtig in die Dunkelheit. Hier schien auch niemand zu sein, aber der Raum war voll von riesigen Kisten, die sauber geordnet und gesichert waren. Anscheinend war die Anlage noch da. Gavin kehrte ins Cockpit zurück und betrachtete nachdenklich das verschlossene Tor. Dann kam ihm eine tollkühne Idee. Er ließ sich in den Copilotensessel fallen und suchte nach dem Interface für manuelles Zielen. Ein handlicher, mit drei roten Knöpfen versehener Steuerknüppel, der in die Armaturen versenkt war, erschien ihm vielversprechend. Er zog an ihm und der Hebel klappte heraus. Auf das Cockpitfenster vor ihm wurde ein Fadenkreuz mit allerlei technischem Daten-Schnickschnack projiziert. Gavin bewegte das rote Kreuz mit dem Knüppel auf das Tor und drückte den Abzug. Das Schiff erschütterte leicht, als ein leuchtend roter Strahl den Bereich zwischen Tor und Transporter erhellte. Die augenblickliche Explosion rüttelte das Schiff um einiges mehr durch und das Tor schien Qualm und Funken zu speien. Der Rauch war so dicht, dass der Schütze das Resultat des Schusses zuerst gar nicht sehen konnte.
 
Jetzt, da er so begonnen hatte, beschloss Gavin es auf die harte Tour durchzuziehen. Er rannte aus dem Transporter, die Rampe hinunter und auf das Gebäude zu. Dort wo einst das Tor gewesen war, klaffte ein rauchendes Loch, dessen zerklüftete Ränder noch glühten. Den Blaster in der Hand sprang er durch die Öffnung und warf sich sogleich an die Wand zur Rechten, wo er hinter einigen Kisten in Deckung gehen konnte. Er spähte kurz über die Kartons und sah, dass der Gang leer war. Sofort sprang er wieder auf und hastete den unbeleuchteten Korridor entlang, bis er zu der Tür kam, die in Belas' Räumlichkeiten führte. Diese war natürlich verschlossen und Gavin hatte keine Ahnung, welchen Zugangscode der Zabrak benutzt hatte, um sie zu entsperren. Also rannte er den Gang weiter. Rechts und links gingen mehrere große und kleine Türen ab und der Mensch wunderte sich, warum sich hier niemand blicken ließ. Die Explosion des Tors konnte nicht unbemerkt geblieben sein, und offensichtlich war auch schon Alarm geschlagen, denn er rannte soeben an einem rot blinkenden Licht vorbei, das an der Decke hing. Nachdem der Gang eine Biegung gemacht hatte, endete er mit einer großen Fensterwand. Gavin kehrte um und nahm die nächste nicht verriegelte Tür. Augenblicklich zischte ein Blasterschuss an ihm vorbei. Er warf sich zu Boden und kroch zurück hinter die Wand. In der gegenüberliegenden Wand des Korridors befand sich ein rauchendes, kleines Loch. Er drückte sich gegen den Boden und spähte in die Türöffnung. Niemand war zu sehen. Der Raum war offensichtlich ein Aufenthaltszimmer, in dem einige Couchen standen. Zwei davon waren umgeschmissen und quer vor die Tür als Deckung geschoben worden. Die schwarzen Sofas waren so nah, dass sie die Sicht auf den Rest des Raums größtenteils versperrten. Gavin kroch langsam durch die Tür, auf die Deckung des Feindes zu. Dort angekommen verharrte er kurz still und horchte. Sein Feind auf der anderen Seite schien sich genauso still zu halten. Gavin bewegte sich zur Seite, lehnte sich etwas um die Ecke der Lehne und nahm ein Munitionspack in die Hand. Er streckte den Arm mit dem Blaster weiter aus und warf dann das Munitionspack mit der anderen weit in den Raum. Gleichzeitig streckte er den Blaster um die Ecke der Couch und drückte den Abzug so schnell hintereinander, wie möglich. Nach sechs Schüssen hielt er inne und hörte ein grausiges Stöhnen. Anscheinend hatte er getroffen. Er lugte über die Lehne und sah einen Twi'lek sich windend am Boden liegen. Er hatte seine Blasterpistole fortgeworfen und die Arme auf den Bauch gepresst. Das Zimmer füllte sich mit beißendem Gestank nach verbranntem Fleisch und Ozon. Gavin umschritt das Sofa und hob den fremden Blaster und das weggeworfene Munitionspack auf, bevor er an den stöhnenden Alien herantrat. Dessen Gesicht war blass und verkrampft vor Schmerz.

„Wo ist Naven Vuin?“, fragte Gavin knapp. Nachdem der Twi'lek nicht antwortete, fügte er hinzu: „Wenn du es mir sagst, erlöse ich dich von deinem Leiden.“

Sein verwundeter Feind grinste angestrengt. „Diese Bauchwunde ... ist zwar schmerzhaft, aber ... nicht tödlich.“, presste er unter krampfhaften Atemstößen hervor. Als Gavin darauf vielsagend mit der Blastermündung vor seinem Gesicht herumfuchtelte und böse lächelte verzog er das Gesicht zu einer Grimasse des Bedauerns. Er hustete und krümmte sich zusammen, dann antwortete er auf Gavins Frage. „Sie haben es mir nicht genau gesagt. Wir haben auf dich gewartet, er soll als Köder dienen. Ich -“, er hustete erneut, „sollte den Zugang hier bewachen.“

„Und wo ist er ungenau?“

Der Twi'lek starrte ihn wütend an und schüttelte den Kopf. Gavin drückte ihm sanft auf die, vor dem verwundeten Bauch verschränkten Hände. Der Verletzte schrie auf.

„Zwei Etagen weiter unten!“, krächzte er. „Ich weiß es nicht genau.“ Er nickte mit dem Kopf in Richtung der Hintertür des Raums.

Gavin stand auf und lies den Wächter am Boden liegend zurück. Der Raum war langgezogen und hatte Zugänge wie den, durch den er gekommen war auf der einen Seite, die wahrscheinlich in andere Räume führten. Gegenüber befanden sich zwei Turbolifte. Gavin überlegte. Wenn er einen der Lifte rief, würde das sicher zwei Stockwerke tiefer, wo zweifellos noch weitere Wachen lauerten, bemerkt werden. Andererseits wussten Belas und seine Männer sicher schon Bescheid, denn ... der Wachposten hatte sicher ein Kom bei sich gehabt! Gavin rannte zu dem Twi'lek zurück, der sich leise ächzend am Boden krümmte. Ein kleines, schwarzes Gerät lag auf dem Boden an der Wand. Anscheinend war es der Wache aus der Hand gefallen, als sie getroffen zu Boden gegangen war und bis dorthin geschlittert. Er hob es auf und kehrte zurück in den Gang mit den Liften. Er betrachtete das Funkgerät. Das Blinklicht zeigte einen ankommenden Funkspruch an. Gavin drückte die Lautlos-Taste, die der Wächter wohl aktiviert hatte. Knackend gab der Lautsprecher eine Stimme wieder: „... geben! Dunkelklau Sieben, wo befinden sich die Eindringlinge? ... Warum, verflucht nochmal hat der Bastard auf lautlos gestellt... Nein, jetzt kann er uns hören! Dunkelklau Sieben, bitte kommen.“
 
Offensichtlich konnte die Person am anderen Ende feststellen, ob Gavins Kom auf Lautlos gestellt war oder nicht. Gavin unterdrückte einen derben Fluch. Er sah sich um. Was sollte er tun? Er rannte ein paar Schritte zu der Tür neben der, aus der er gekommen war. Sie stand als Einzige offen und führte lediglich in ein leeres Büro. Der Mensch drehte sich wieder um, als die Stimme aus dem Kom erneut nach Dunkelklau Sieben rief. Dann hatte er eine Idee. Er hastete zurück zu dem verwundeten Twi'lek und kniete sich neben ihn.

„Ich muss dich leider um noch einen Gefallen bitten, mein Freund.“

Dunkelklau Sieben starrte ihn böse an.

„Du wirst nun auf diesen Funkspruch antworten“, verlangte Gavin und wedelte mit dem Kom, aus dem immer noch die Stimme drang, vor dessen Gesicht herum, während er ihm die Blastermündung an den Kopf hielt. Der Gesichtsausdruck des Twi'lek war hasserfüllt und schmerzverzerrt zugleich.

„Du wirst folgendes sagen: Du hast mich getötet, ich war alleine, aber du selbst hast einen Bauchschuss abbekommen und musst unbedingt verarztet werden.“ Er hielt ihm das Kom an den Mund, drückte aber noch nicht den Sprachknopf. „Und sollte ein falsches Wort über deine Lippen kommen so werde ich augenblicklich dein Gehirn zu Asche verwandeln!“, betonte Gavin. Dann betätigte er den Sprachknopf.

Der Twi'lek schluckte und antwortete dann mit brüchiger Stimme auf den Funkspruch, der darauf abrupt verstummte. „Dunkelklau Führer, hier Dunkelklau Sieben. Ich habe den Eindringling ausgeschaltet.“ Er räusperte sich angestrengt. „Wiederhole, habe den Eindringling ausgeschaltet. Er, ... er war alleine. Hat mich am Bauch erwischt.“, presste der Verletzte hervor und hustete dann. „Ich brauche medizinische Hilfe.“

Gavin lies den Sprachknopf los und eine kurze Sendepause folgte.

Die Stimme aus dem Kom erklang erneut. „Dunkelklau Sieben, bitte bestätigen sie: Eindringling ausgeschaltet, benötige medizinische Hilfe.“

Gavin drückte den Sprachknopf.

„Bestätige.“, keuchte der Twi'lek.

Gavin lies den Knopf los und heftete sich das Kom an den Gürtel. „Gute Arbeit, Partner.“, grinste er.

„Leck mich, Arschloch.“, stieß der Andere hervor.

Gavin erhob sich und rannte in das benachbarte Büro. Er versteckte sich hinter dem breiten Schreibtisch, und spähte dahinter hervor. Er hatte die beiden Turbolifte im Blickfeld. Die Kontrolltafel zwischen den beiden Türen leuchtete gelb auf und der rechte Lift öffnete sich mit einen scharfen Zischen. Drei Twi'leks, allesamt schwarz gekleidet, wie die andere Wache, rannten heraus und in den Aufenthaltsraum. Sofort sprang Gavin auf und sprintete auf den offenen Lift zu. Unterm Laufen schoss er auf die Kontrolltafel der Lifte und hechtete sich dann in die Kabine. Empörte Rufe erklangen aus dem Gang, Gavin drosch auf die Schaltfläche, die zwei unter der lag, die leuchtete und die Tür schloss sich mit der ihr eigenen Geschwindigkeit. Die Fahrtzeit über zwei Stockwerke reichte gerade um sich in eine stabile, kniende Position zu bringen und den Blaster auf die Tür zu richten. Dann zischte diese auch schon zur Seite.



„Ihr seid schon wieder da?“, rief eine Stimme aus einem Raum gegenüber dem Lift, aber Gavin konnte noch niemanden sehen. Er hastete aus dem Aufzug und drückte sich an die gegenüberliegende Wand. Der Liftraum war eine exakte Kopie des Raumes zwei Stockwerke weiter oben: Zwei Lifte waren mehreren Türen gegenüber, die in weitere Räume führten. Er hörte Schritte aus dem Raum neben dessen offener Tür er an der Wand lehnte, den Blaster erhoben.

„Das ging aber schnell.“, meinte eine andere Stimme und dann traten zwei schwarzgekleidete Wachmänner durch die Tür und betrachteten den leeren Turbolift. Gerade als der erste sich verwirrt umsehen wollte, schoss ihm Gavin in die Seite und rammte gleichzeitig den anderen Twi'lek mit aller Wucht, die er ohne Anlauf aufbieten konnte. Unglücklicherweise ging nur der vom Schuss getroffene Gegner zu Boden, während der andere sich in einer spontanen Umarmung an Gavin festhielt, um nicht umzufallen. Dann gingen die beiden in ein kurzes Ringen über, bis der Wachmann ihm sein Knie in den Bauch rammte. Gavin fiel hinten über und krümmte sich am Boden. Er konnte nicht atmen und seine Sicht verschwamm kurz. Die Wache verlor keine Zeit und wollte Gavin in die Seite treten, aber der rollte sich herum und trat wild mit den Beinen um sich. Er erwischte den anderen am Standbein und brachte ihn so zu Fall. Gavins Rollbewegung kam zum Stillstand als er gegen den anderen Wachmann stieß, der flach atmend am Boden lag. Der hatte einen Blaster mit der unverwundeten linken Hand gezogen und hielt ihn verkrampft an die Brust gedrückt; seine Augen waren geschlossen. Gavin kroch auf ihn und drehte ihm die Waffe aus der Hand, der Verletzte riss die Augen auf und schrie, wollte sich nach vorne beugen, aber dann traf Gavin ein heftiger Tritt auf den Hintern und er wurde über den Twi'lek hinweggeschleudert. Er machte einen Purzelbaum, drehte sich herum und schoss blind in die Richtung, aus der der Tritt gekommen war.

Mehrmals in den Oberkörper getroffen sank die Wache auf die Knie und knickte über ihrem Kumpanen ein. Gavin schob den Blaster unter den Gürtel und erhob sich keuchend. Sein Magen schmerzte und das Atmen fiel ihm noch schwer, aber das würde schnell besser werden. Er stand auf und humpelte zu seinem Blaster, der in der Tür am Boden lag. Nun hatte er schon vier Wachen ausgeschaltet und drei Männer waren noch oben, der Anführer mit eingeschlossen. Vom Funkspruch wusste er, dass es mindestens sieben von ihnen gab. Mit viel Glück waren das hier die letzten beiden gewesen. Er lief durch den Raum, aus dem die beiden gekommen waren und durch die Tür in einen Gang. Die Blasterschüsse waren ohnehin so laut gewesen, dass sie jeder in der Nähe gehört hätte. In dem Gang war nur die Notbeleuchtung aktiviert und alle Türen schienen geschlossen zu sein. Gavin drehte wieder um und sah sich genauer in dem Raum um. Aktenschränke standen an den Wänden und ein Schreibtisch war auf die Seite geschoben worden. Darauf lag ein schwarzer Rucksack. Gavin öffnete hastig die Tasche und entleerte den Inhalt auf den Boden. Drei Fragmentierungs-Granaten rollten klackernd heraus. Gavin schob sie sich in die Gürteltasche. Ansonsten war nichts dabei, dass auf irgendeine Weise nützlich aussah: Kleidung, Munitionspacks und Proviant. Ein Blick zum Turbolift zeigte ihm, dass die Kabine noch immer in diesem Stockwerk war. Aber die Wachen würden bestimmt einen anderen Weg hierher finden, und falls noch mehr von ihnen auf diesem Stockwerk waren, hatten sie diese bestimmt bereits alarmiert.

Gavin rannte zurück in den Gang, der wiederum dem zwei Stockwerke weiter oben glich: Linkerhand befand sich eine Fensterwand, rechts eine Biegung. Vorsichtig spähte er um die Ecke. Der Korridor schien leer, bis auf einige Kisten und eine massive Sitzbank, die am anderen Ende auffällig zusammengeschoben waren. Gavin wusste, dass Eile geboten war. Er zögerte kurz, dann zog er zwei Granaten hervor, drückte den Aktivierungsknopf von einer und schleuderte sie mit aller Kraft in den Gang. Ein Ruf erklang vom anderen Ende des Korridors und dann explodierte die Splittergranate mit einem ohrenbetäubenden Knall. Gavin rannte los, während Metallfragmente an ihm vorbeiflogen und gegen seine Brust und den Arm prallten, den er schützend vor die Augen hielt. Die Explosion war gute fünfzehn Meter weiter entfernt, die Projektile hatten keine gefährliche Geschwindigkeit mehr. Dann flogen Blasterschüsse durch den Raum, aber die Schützen konnten Gavin durch den Rauch der Detonation nicht sehen. Er aktivierte die zweite Granate, als er auf zehn Meter herangekommen war und schleuderte sie hinter die Barrikade. Dann warf er sich auf den Bauch und schlitterte über die verkohlten Bodenplatten, die von Splittern übersät waren, bis er gegen die Kisten der Barrikade stieß. Die zweite Explosion war noch lauter und ein kleiner Splitter, der von der Decke abgeprallt war, bohrte sich schmerzhaft in Gavins Oberschenkel. Kaum war der Splitterregen zu Ende, sprang er auf und kletterte über die Barrikade. Ein Twi'lek lehnte mit dem Rücken an der Barrikade, ein anderer lag am Boden. Ihre schwarze Kleidung war zerfetzt und blutig, ihre Haut verbrannt und die Gesichter von Splittern übersät. Der eine hob den Blaster und wollte auf Gavin schießen, aber er war schneller und jagte ihm einen Strahl roter Energie in den Schädel. Der andere blieb, sich winden, am Boden liegen und Gavin beachtete ihn nicht weiter. Er rannte zu der letzten verbleibenden Tür und sah, dass sie verschlossen war. Allerdings handelte es sich offensichtlich um kein spezielles Schloss, sondern nur um die Standard-Vorrichtung, die jede normale Tür besaß. Gavin zerschoss die Verankerungspunkte oben und unten am Türrahmen und trat die Metallplatte ein. Er hörte einen kurzen Aufschrei, der ohne Zweifel von einem Sullustaner stammte. Naven Vuin war aufgesprungen und stand mit dem Rücken zur Wand auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes. Seine ohnehin großen Augen weiteten sich, als er seinen Befreier erblickte.

„Gavin, das ist ja unglaublich! Wie hast du es geschafft, hier herein-“, schnatterte er drauf los.

Gavin schnitt ihm mit einer Handbewegung das Wort ab. „Los beeil' dich! Die Kerle werden nicht lange auf sich warten lassen!“ Er reichte Naven den erbeuteten Blaster und sie traten zurück auf den Gang.

„Wie kommen wir raus?“, wollte der Sullustaner wissen.

„Keine Ahnung.“, Gavin überlegte kurz, während Vuin die beiden Twi'lek am Boden wortlos betrachtete. „Ah! Los, komm, ich hab' eine Idee“, rief Gavin.

Sie kletterten über die Barrikade und liefen den Korridor entlang, um die Biegung und an der offenen Tür vorbei, aus der helles Licht in den schlecht beleuchteten Gang fiel.

„Wir hauen durch das Fenster ab.“ Gavin trat an die Scheibe heran und spähte nach draußen. Die untere Hälfte des Fensters war ganz trüb vor Dreck. „Haha!“, rief Gavin erfreut. Direkt auf der anderen Seite des Glases verlief ein schmaler Fußgängerweg entlang des Gebäudes, deshalb war die Scheibe auch so dreckig. Gavin zog seine letzte Fragmentierungs-Granate heraus, aktivierte sie und legte sie an der Scheibe auf den Boden. Dann packte er Naven am Arm und rannte weg.

„Zurück mit dir, wirf dich auf den Boden!“, schrie er und folgte seiner eigenen Anweisung.

Das Fenster zerbarst mit einem lauten Knall und draußen hörte man die Schreie von Passanten. Die beiden Flüchtenden rappelten sich hastig auf, als laute Rufe aus dem Raum mit den Turboliften erklangen: Die übrigen Wachen hatten einen Weg herunter gefunden. Naven und Gavin rannten durch die Fensteröffnung, sprangen auf die Balustrade hinunter und schlugen sich sofort nach links, durch die aufgeregte Menge hindurch und über eine Fußgängerbrücke. Mittlerweile waren so viele Passanten unterwegs, dass es ein Leichtes war, spurlos zu verschwinden.

Sie waren entkommen, aber die ‚Händlerbeute' stand noch immer auf Belas' Landeplattform.
 
Seit zwei Tagen verhielten sie sich nun ruhig und blieben meistens in dem winzigen Apartment, das Gavin gemietet hatte. Allerdings war der Raum so klein, dass es als dauerhafte Lösung keinesfalls geeignet war. Dabei war es gut, dass Sullustaner von kleinem Wuchs waren: Naven schlief auf dem schmalen Flecken Boden, der zwischen Pritsche und Schrank war. Denn ansonsten war das Zimmer bis auf den Türbereich völlig zugestellt. Deshalb verbrachten die beiden einen Großteil des Tages in der Bar – sehr zur Freude des Wirtes, der sich an ihnen eine goldene Nase verdiente. Dort saßen sie, Gavin trank meist ein gekühltes Lomin-Ale, und schmiedeten Pläne, wie sie die ‚Händlerbeute‘ zurückbekommen konnten. Aber da sie im Grunde rein gar nichts über Belas und seine Bande wussten, war das ein recht sinnloses Unterfangen. Am Abend des zweiten Tages war ihnen beiden klar: Sie konnten nichts weiter tun, solange sie sich nicht ein Bild über die Lage bei der Landeplattform gemacht hatten. Sie wussten ja nicht einmal, ob das Schiff noch dort stand und ob Belas oder seine Leute sich noch dort aufhielten. Also entschieden sie, dass Gavin am nächsten Vormittag die Gegend um die Plattform auskundschaften sollte, während Naven Vuin einige Besorgungen in den Läden der Unterstadt machen würde.

Als Gavin den Gebäudekomplex erreichte, erkannte er, dass Belas und seine Leute nicht mehr da waren. Die Fensterwand, durch die Naven und er vor drei Tagen geflohen waren, war noch immer zerbrochen und nicht einmal provisorisch verdeckt worden. Er überquerte die Fußgängerbrücke und umrundete das Gebäude, um die Landeplattform sehen zu können. Diese war vollkommen leer, von der ‘Händlerbeute‘ fehlte jede Spur. Gavin war ratlos. Was würde der Zabrak mit der Glitzerstim-Aufbereitungsanlage machen, ohne Bezugsquelle von Rohmaterial. Vielleicht hatte er Möglichkeiten, Kontakt nach Kessel aufzunehmen, aber Naven hatte das für unwahrscheinlich gehalten. Die Schmugglerkreise um Kessel waren eine eng eingeschworene Gemeinschaft, zu der man nicht einfach so Zugang erlangte. Ein 'Kleinkrimineller' wie Belas hätte dort keinen Zugriff. Also würde er die Anlage wahrscheinlich verkaufen. Aber auch das dürfte schwierig sein, wenn man nicht genau die richtigen Leute kannte. Auch Gavin schätzte den Zabrak als einen Ganoven mit eher kleinerem Wirkungsbereich ein. Deshalb vermutete er, dass dieser den Transporter mitsamt seiner Fracht erst einmal irgendwo auf dem Schmugglermond versteckt hatte um in der Zwischenzeit eine Möglichkeit zu finden, Geld aus der Sache zu holen. Für Gavin hieß das also, dass er Hinweise auf eine Lagerhalle oder ähnliches suchen müsste, die Belas zur Verfügung stand. Vielleicht würde er in dem verlassenen Apartment etwas finden.

Gavin näherte sich der zerbrochenen Fensterwand inmitten des Stromes von Passanten. Dies war eindeutig der einfachste Zugang zum Gebäude, allerdings würde er vor aller Augen einsteigen müssen. Er setzte einfach darauf, dass sich auf diesem Mond voller Krimineller aller Art niemand um einen eventuellen Plünderer scherte. Als er nun die Stelle erreichte, an der der Gehweg noch immer von Glassplittern übersät war, kletterte er einfach in die einen Meter höher gelegene Öffnung und verschwand im Gebäude. Er befand sich wieder in dem weißen, schlichten Gang mit den Türen, die links und rechts abgingen. Von draußen erklangen keine empörten Rufe, nur der alltägliche Verkehrslärm und das Stimmengewirr der verschiedenen Spezies. Er schätzte seine Chancen, Hinweise zu finden, in Belas Apartment, zwei Stockwerke weiter oben, am größten ein. Also ging er zum Liftraum. Der Lift war seit dem letzten Mal benutzt worden, die Anzeigetafel zeigte an, dass der Lift sich zwei Stockwerke weiter oben befand. Er betätigte den Rufschalter und fuhr mit dem Lift wieder dorthin. Er durchquerte den Liftraum, der unverändert aussah und betrat den Pausenraum, in dem er sich drei Tage zuvor mit der Wache ein Gefecht geliefert hatte. Die Couchen waren zur Seite geschoben worden. Er öffnete die Tür zum Korridor dahinter. Das Licht schaltete sich automatisch ein und Gavins Blick fiel auf die Einschusslöcher in der gegenüberliegenden Wand. Er lief nach rechts, den Gang entlang und um die Ecke. Es roch nach Öl und Ruß. Als er um die Ecke bog konnte er sehen warum: In dem Tor zur Landeplattform klaffte immer noch das Loch, das Gavin mit den Geschützen der ‚Händlerbeute‘ hineingebrannt hatte. Auf dem Boden schimmerten Lachen aus Schmieröl, die Wände am Ende des Korridors waren geschwärzt. Die Kartons und Kisten, die ganze Unordnung, die Gavin hier schon beim ersten Mal aufgefallen war, waren verschwunden. Anscheinend hatte Belas all das bei seinem Umzug mitgenommen. Gavin erreichte die Tür, die zu Belas' Appartement führte und mit einem Sicherheitsschloss verriegelt war. Irgendwie hatte er gehofft, dass sie auf wundersame Weise nicht verschlossen war. Nun ja, hier war nichts zu machen. Er warf einen Blick durch das Loch im Tor, hinaus auf die verwaiste Landeplattform. Vielleicht ließ sich ja in einem der anderen Räume etwas finden. Er drehte um und probierte alle Türen des Korridors durch. Die dritte war offen; ein Büro. Das Zimmer machte den Eindruck, in Eile verlassen worden zu sein: der Schreibtisch stand schief und eine Box mit Datenkarten war aus einem offenstehenden Schrank gefallen, ihr Inhalt über den Fußboden verteilt. Gavin hob eine auf. Sie war mit 'Quartalsabrechnung 402' beschriftet. Er ließ sie wieder fallen. Dann fiel ihm ein langsam pulsierendes Leuchten auf, das von einem kleinen Lämpchen in der Schreibtischplatte ausging. Er trat näher und berührte die schwarze Tischoberfläche. Ein eingebautes Terminal erwachte zum Leben. Es war von seinem letzten Benutzer nicht ausgeschaltet worden. Nach einigem Suchen stieß er im Dateisystem auf ein Verzeichnis mit dem Namen 'Transaktionen'. Es beinhaltete offensichtlich alle Waren Ein- und Ausgänge in chronologischer Reihenfolge. Der letzte Eintrag war von vor zwei Tagen:

Ausgang Diverses und Restbestände, Transport durch Belunta Arrive, Auftragsnummer 22768.

Gavin zog sein Datapad heraus und notierte sich die Daten. Vielleicht hatte Belas seine Habseligkeiten durch diese Transportfirma namens Belunta Arrive in seinen neuen Unterschlupf bringen lassen, wo sich hoffentlich auch Naven Vuins Schiff befand. Zufrieden mit seinem Fund deaktivierte er wieder das Display des Terminals und kehrte zu seinem Apartment zurück.
 
Naven Vuin hatte sich ein besseres Datapad besorgt, das sie über den Anschluss in ihrem Zimmer als Terminal nutzen konnten. Darüber hatten sie nun Zugriff auf das globale Netzwerk von Nar Shaddaa und aufs Holonet. Auf diesem Wege hatten sie schnell den Standort von Belunta Arrive ausfindig gemacht. Sie holten noch ein paar Informationen über die Firma und das Gebäude ein, in dem sich die Lagerräume befanden. Das Unternehmen bot seine Dienste angeblich für Umzüge im größeren Maße und Transporte an, die sich auf den Planeten beschränkten. Es befand sich in einem alten, gewaltigen Gebäudekomplex auf ungefähr halber Höhe, erstreckte sich über vier Etagen und es gab offensichtlich zwei Laderampen. Genauere Daten konnten sie sich leider nicht beschaffen, die Informationen über die Firma waren erstaunlich rar.

„Das macht auf mich keinen besonders seriösen Eindruck.“, kommentierte Naven Vuin.

Selbst auf dem offiziellen Netzwerkportal des Unternehmens waren nicht einmal brauchbare Kontaktdaten oder dergleichen angegeben.

„Allerdings. Was für mich darauf hinweist, dass das Ganze im Grunde nur ein Deckmantel für Belas Machenschaften ist.“, sagte Gavin. „Schauen wir uns die Sache doch mal aus der Nähe an, vielleicht haben wir ja ähnliches Glück wie ich heute Vormittag.“

„Gut, aber lass uns zuerst noch was essen. Mit leerem Magen bin ich unruhig.“

Mittlerweile hatten sie die schlichte aber gute Küche ihres Vermieters zu schätzen gelernt, die sich erfreulicherweise mit der dürftigen Unterkunft und der heruntergekommen Einrichtung der Bar selbst nicht auf einem Niveau befand. Nachdem beide im Schankraum einen deftigen Nerf-Burger verspeist hatten, fühlten sie sich wagemutig genug, weiter vorzugehen. Draußen herrschte miserables Wetter. Gavin zog die Kapuze seines Mantels tief ins Gesicht um sich vom schmierigen Regen abzuschirmen, den ihnen der scharfe Wind, der durch die Häuserschluchten wehte, ins Gesicht peitschte. Und nicht zum letzten Mal war er froh, dass er sich auf Gizer diese All-Wetter-Ausrüstung gekauft hatte.

Nach kurzem Fußmarsch nahmen sie die Schwebebahn und stiegen nach einigen Stationen bei einem Terminal aus, das sich direkt inmitten des Gebäudekomplexes befand, in dem auch Belunta Arrive untergebracht war. Die Bahn führte durch einen breiten Tunnel, der in früherer Zeit anscheinend eine Einkaufspassage gewesen war. Jetzt allerdings machte das Ganze einen verkommenen Eindruck und Gavin konnte kein einziges geöffnetes Geschäft entdecken. Die meisten der großzügigen Ladeneingänge, die die breite Promenade säumten, waren vergittert oder mit herablassbaren Rollläden geschlossen. In den wenigen, die offen standen, stapelten sich Kisten aller Größen und auch weite Bereiche der gefliesten Fläche davor waren vollgestellt mit allem nur erdenklichen Gerümpel. Ein paar vereinzelte Fußgänger eilten durch die Passage, ein Speederrad flitzte an den beiden Neuankömmlingen vorbei und wich geschickt den kreuz und quer stehenden Kisten aus. Naven zog sein Datapad hervor, auf dem er einen groben Gebäudeplan gespeichert hatte.

„Mal sehen, wo wir hier sind.“, murmelte er.

Gavin sah nach links und rechts. Die ehemalige Einkaufspassage schien sich beiderseits ungefähr fünfhundert Meter zu erstrecken. „Ich würde sagen, ziemlich genau in der Mitte.“

„Ja. Also hier entlang.“ Der Sullustaner wies nach links. „Vielleicht gibt es von hier aus einen Zugang.“

Sie gingen eine Strecke in die Richtung, aus der sie mit der Bahn gekommen waren, bis Naven vor einigen Containern stehenblieb. Gavin konnte den grauen Regenschleier erahnen, der durch die große Öffnung im Gebäude sichtbar war, die das Ende der Passage kennzeichnete und auch als Einflugschneise für die Schwebebahn diente.

„So, hier dürfte es sein.“, meinte Vuin.

Sie bahnten sich einen Weg zwischen den abgestellten Behältern hindurch zur Seitenwand der Passage, die auch hier einmal Läden oder Warenhäuser beherbergt hatte. Der steinerne Boden war dreckverkrustet von vertrockneten, alten Öllachen und bedeckt von neueren, die den wahrscheinlich einst weißen Platten einen schmierigen, schwarzen Glanz verliehen. Der Geruch nach Schmierstoffen und Metall war allgegenwärtig in der kühlen Luft. In der Wand befanden sich zwei große Öffnungen, die allerdings mit schweren Stahltoren verschlossen waren.

„Du suchst links, ich rechts.“, schlug Gavin vor. Er quetschte sich zwischen zwei Containern hindurch um sich in einer weiteren engen Gasse wiederzufinden. Zu beiden Seiten türmten sich die Behälter dreistöckig und auch hier war kein Eingang. Diesmal war die Lücke zu eng. Er verließ den Gang in Richtung Mitte der Passage.

„Ich komm hier nicht weiter!“, gab er Zwischenmeldung. Seine Stimme hallte in dem weiten Tunnel wieder.

„Komm hierher!“, erklang die quäkende Stimme seines Freundes aus der anderen Richtung.

Er fand den Sullustaner in einer Containergasse.

„Jemand hat die Haustür offen gelassen.“, sagte dieser und stieß mit einem Lachen eine eiserne Tür auf.

Sie spähten in den dunklen Gang dahinter, an dessen Ende ein schwacher Lichtschein zu sehen war.

„Ich schätze, ab jetzt sollten wir uns ruhiger verhalten.“, riet Gavin.

Ganz unbewusst prüften sie beide den Sitz ihrer Blaster in den Holstern, bevor sie durch die Tür traten.
 
Die Wände waren mit verkratzten Metallplatten verkleidet. Ein leises Brummen vor den beiden Eindringlingen deutete auf irgendeine Maschine hin, die gerade lief. Nach einigen Metern machte der Gang eine Biegung, hinter der schwaches, gelbes Licht schien. Gavin beugte sich vorsichtig vor und spähte um die Ecke. In dem schlecht beleuchteten Raum war niemand zu sehen. Er trat vor und Naven Vuin hinter ihm folgte. Sie befanden sich anscheinend in einem Abluftentsorger. Zu dem beständigen Brummen der Gebläse war nun noch ein leises Rauschen hinzugekommen, das an einen Luftzug erinnerte. Der Großteil der Wände war mit dicken Rohren besetzt, welche von der Decke zu den surrenden Kästen führten, die den Raum dominierten. Gavin wandte sich zur Tür auf der anderen Seite und drückte sie einen Spalt breit auf. Sie führte in ein Treppenhaus, das nur nach unten weiterführte. Er trat hinaus und warf einen Blick nach unten. Drei weitere Stockwerke, also genau die Etagen von Belunta Arrive.

„Gavin, sieh mal.“, sagte Naven aus dem Lüftungsraum. Er stand vor den Rohren und wischte den Staub von kleinen Plaketten.

„Hier steht, wo die Leitungen hinführen.“ Der Sullustaner wies auf die Dickste.

Gavin beugte sich vor und las. „Verladebucht.“

Naven nickte. „Ich schätze mal, falls die ‘Händlerbeute‘ hier irgendwo ist, dann dort. Der leichteste Weg, dorthin zu gelangen, ist wahrscheinlich durch diesen Schacht.“

Der Mensch sah zweifelnd von dem Rohr an sich selbst hinab und wieder zurück.

„Ja, für dich wäre es wohl ein bisschen schwieriger.“, gab der kleine Humanoide zu. Er runzelte kurz die tätowierte Stirn. „Wir teilen uns auf.“, schlug er vor.

„Na gut.“, sagte Gavin zögernd. So recht gefiel ihm diese Idee nicht. Aber Naven war schon daran, eine Klappenöffnung am Schacht zu öffnen. Und außerdem wusste er selbst auch nicht recht, wie sie vorgehen sollten. Er würde einfach auf die Erfahrung des Frachterpiloten vertrauen. Der hatte inzwischen die Abdeckung abgenommen und warf einen Blick in den Schacht, aus dem nun kühle Luft drang.

„Lass uns die Koms testen.“

Gavin aktivierte den kleinen Sender, den er an seinem Jackenkragen befestigt hatte. „Hallo?“, sprach er leise und gleichzeitig wurde seine Stimme vom Navens Kom wiedergegeben. Der pustete kurz in sein Mikro – die Koms funktionierten. Der Sullustaner kraxelte in den Lüftungsschacht und verschwand. Gavin steckte den Kopf in die Öffnung und rief hinterher. „He, Naven! Dass ich nur nicht wieder deinen Arsch retten muss.“

Ein gackerndes Lachen hallte aus dem düsteren Schacht. „Ich denke hier drin bin ich relativ sicher. Im Gegensatz zu dir.“ Ein kleines Licht flackerte auf, als Vuin einen Taschenstrahler aktivierte. „Viel Glück.“

Gavin zog den Kopf zurück und ging ins Treppenhaus. Bis auf ein paar Kisten schien es leer zu sein. Ein Stockwerk tiefer gab es eine Tür hinter der Stimmen zu hören waren. Schnell huschte er die Treppe weiter hinab und horchte. Hier war es ruhig. Er zog den Blaster und öffnete mit der anderen Hand die Tür. Ein beleuchteter Flur mit einigen Türen auf der rechten Seite lag dahinter. Gavin betätigte den Komschalter. „Naven, wie sieht's aus bei dir?“

Ein Knacken ertönte, als der Sullustaner sein Gerät aktivierte. „Ich komme vorwärts. Aber im Hangar bin ich noch nicht.“ Er war leicht außer Atem von der Kriecherei im Lüftungsschacht.

Gavin ging leise weiter, angespannt horchend, was sich hinter den allesamt geschlossenen Metalltüren abspielte. Hinter einer hörte er Maschinen wummern, hinter einer anderen ein regelmäßiges Piepen, vielleicht von einem Computerterminal, hinter wieder einer anderen das unmelodiöse Brummen irgendeines Arbeiters. Gavin entschied sich für die letzte Tür, hinter der es still war. Auf einen Überraschungseffekt bauend riss er sie auf, den Blaster vor sich erhoben und warf sich sofort zu Boden, hektisch wieder in den Gang zurückkriechend. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals. In der Ecke des Raumes, direkt auf die Tür gerichtet, stand ein E-Web Repetierblaster.

„Was ist passiert?“, drang Vuins besorgte Stimme aus dem Kom, das Gavin vergessen hatte zu deaktivieren.

Er warf einen schnellen Blick in den Raum und sah, dass das Geschütz unbemannt war. „Ah nichts, ich bin nur etwas erschrocken.“ Der Mensch deaktivierte das Kom und wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn. In dem Raum befanden sich noch weitere schwere und weniger schwere Waffen. Also nur ein Lager. Gavin trat zu dem E-Web und sah sich das dreibeinige Geschütz an. Irgendjemand schien sich die Arbeit gemacht haben, es aufzubauen, vielleicht einfach aus Spaß. Die Tür zum nächsten Raum machte er diesmal vorsichtig auf. Der Raum war bis auf einige Terminals leer. Gavin wollte zur nächsten Tür gehen als er plötzlich von hinten gepackt wurde. „He!“, rief er und versuchte sich von der Umklammerung eines Menschen zu befreien, der sich hinter der Tür versteckt hatte.

„Was schleichst du hier herum, du Mistkerl!“, erwiderte der bärtige Mann. „Gerome! Kommt mal her, ich hab hier einen unbefugten Ein...“ Der Ruf des Arbeiters ging in dem lauten Kreischen eines Blasterschusses unter und der Mann viel schreiend zu Boden. Gavin hatte ihm in den Fuß geschossen und dabei seine eigenen Stiefel angesengt.

„Ralf?“, hörte er den alarmierten Ruf eines anderen Menschen von hinter der Tür. 'Ralf' wand sich stöhnend am Boden und hielt sein verkohltes Bein. „Der Hurensohn hat einen Blaster!“, schrie er gepresst, währen Gavin zurück in das Waffenlager floh.
 
Einer spontanen Eingebung folgend rannte er zum E-Web-Geschütz, trat mit dem Fuß auf den Ein-Schalter des Bodengenerators und riss die Waffe herum, sodass sie auf die Tür zeigte. Im nächsten Raum hörte er mehrere aufgeregte Stimmen und diesen Ralf, der rief, man solle dieses Schwein kalt machen.

„Ich hab hier die verdammte halbe Arbeitsmannschaft am Hals, Naven.“, gab Gavin übers Kom ab, erhielt aber keine Antwort. Dann wurde die Tür aufgestoßen und ohne zu zögern deckte er die Öffnung mit einem Schwall aus Energie ein. Der Lärm in dem kleinen Raum war ohrenbetäubend und die Rauchentwicklung enorm. Gavin konnte die Wirkung der Salve überhaupt nicht erkennen. Dann brach die Energieversorgung des Geschützes zusammen. Ohne lange Aufwärmzeit waren die Dinger vollkommen unzuverlässig. Als er wieder Geschrei im anderen Raum hörte rannte er geduckt durch die andere Tür zurück in den Gang, den Blaster schussbereit erhoben.

„Naven, was treibst du?“, brüllte er ins Kom.

„Ich hab sie gefunden, Mann!“, drang der aufgeregte Ruf des Sullustaners knackend aus dem Lautsprecher. „Die Typen haben sie hier einfach im Hangar stehen.“

„Das trifft sich gut, wir sollten hier nämlich schleunigst verschwinden!“, er hastete den Gang entlang zur letzten Tür vorm Treppenhaus. Auf dem Flur wäre er seinen Verfolgern ohne Deckung ausgeliefert. Nun war er in einem unbeleuchteten Korridor mit Rechenanlagen auf beiden Seiten.

„Versuch den Hangar zu erreichen. Dein abenteuerliches Ablenkungsmanöver hat die ganzen Arbeiter weggelockt.“, drang Vuins Schnatterstimme aus dem Sprechgerät, während an Gavin die im Zwielicht blinkenden Lämpchen der Computerterminals links und rechts vorbeiflogen.

„Ich hab das Schiff mit dem Fernmelder angesteuert, die Generatoren laufen warm.“

Gavin erreichte das Ende des Gangs und schlug sich instinktiv nach rechts. Hier war alles hell erleuchtet und plötzlich erschien weiter vorne eine menschliche Frau in Arbeiterkleidung mit einem Blaster in der Hand. Ohne nachzudenken gab Gavin unter vollem Lauf einige Schüsse in ihre Richtung ab. Er hatte getroffen. Lautlos kippte die Frau vornüber, von ihrem Gesicht war nur mehr eine verkohlte Masse übrig. Wie in Trance sprang er einfach über die Leiche hinweg durch ein großes Schiebetor und befand sich im Hangar. Weiter ging es zwischen sauber aufgereihten Frachtcontainern hindurch in Richtung des großen Landebuchttores, vor dem die 'Händlerbeute' wie ein riesiges Ungetüm aufragte. Als er zwischen den Containern hervorkam, sah er Naven Vuin gerade die Einstiegsrampe hinaufrennen.

„Hör auf zu Brüllen, Mann!“, rief der während er sich kurz umdrehte.

Erst jetzt merkte Gavin, dass er die ganze Zeit wie ein Verrückter geschrien hatte. Seine Stimmbänder brannten und er war völlig außer Atem. Gerade als er die Rampe erreichte, schlug kreischend ein Blasterstrahl rechts von ihm in die Schiffsverkleidung. Blind nach hinten feuernd hastete er ins Innere. Naven saß im Pilotensessel und richtete die Bordkanone aus.

„Heb ab und bring uns in Position. Das Tor schießen wir nach guter alter Manier in Stücke.“, erteilte er als Anweisung. Gavin ließ sich in den Copilotensessel fallen und riss den Steuerknüppel der Hubgeneratoren an sich. Durch die Cockpitfenster sahen sie ein halbes Dutzend mit Blastern Bewaffnete zwischen den Containern umherrennen und wild auf sie feuern. Naven deckte den gesamten Verladebereich mit rotem Laserfeuer ein. Während Gavin die 'Händlerbeute' herumschwenkte folgte irgendeine heftige Explosion, die die schweren Frachtbehälter im Hangar herumrutschen lies und sogar das Schiff zum Erzittern brachte. Beim Gedanken an die Arbeiter wurde Gavin plötzlich furchtbar schlecht.

„Du übertreibst, Naven!“, keuchte er. „Das hier sind nur ganz normale Arbeiter!“

Mit wutverzerrtem Gesicht schaute der Sullustaner zu ihm herüber und nickte nach einem kurzen Zögern. „Du hast Recht. Jetzt das Tor“

Mit einer weiteren Salve brachte er die große Schleuse zum Zerbersten und aktivierte den Schub. Durch einen infernalischen Funkenregen stob der YV-660 hinaus in die verregneten Häuserschluchten Nar Shaddaas.
 
„Du siehst nicht besonders gesund aus“, bekundete Naven Vuin nach einem kurzen Seitenblick auf seinen jungen Copiloten.

Gavin fühlte sich in der Tat elend. Sein Hals brannte fürchterlich und ihm war so speiübel und schwindlig, dass er sich kaum im Sessel halten konnte. Wenigstens brauchte Naven seine Hilfe nicht bei dem rasanten Flug, den er gerade durch die Häuserschluchten der Stadt vollführte.

„Ich muss kotzen...“, antwortete er tonlos und stolperte in die Erfrischungszelle im hinteren Teil des Schiffs. Als die halbverdauten Überreste des Frühstücks langsam in den Abfluss des Waschbeckens rannen fühlte er sich trotz leerem Magen nicht besser. Er sah sie so deutlich vor sich. Das verkohlte Gesicht der Frau, die er im Korridor getötet hatte. Wieder musste er würgen, aber es war nichts mehr in seinem Bauch als gelbliche Magensäure. Er drehte das Wasser auf und wusch sich Gesicht und Mund aus. Aber das Bild verschwand nicht. Gut möglich, dass er nicht nur sie auf dem Gewissen hatte: Wer konnte sagen, welche Wirkung sein Feuer aus dem E-Web-Geschütz gehabt hatte. Aber er konnte sich einreden, dass er nur die Tür zerschossen hatte, die Arbeiter zurückgewichen waren. Die rauchende Leiche konnte er hingegen nicht verdrängen. Noch einmal spritzte er sich das kühle Wasser ins Gesicht und atmete tief durch. Er schleppte sich zurück ins Cockpit und ließ sich in den Copilotensessel fallen. Naven hatte die rasante Flucht gezügelt und sich in den normalen Verkehr eingereiht.

„Besser?“, fragte er.

Gavin stöhnte nur. Ihm war kein Stück besser.

„Du musst dich jetzt noch ein bisschen zusammenreißen, Gavin.“, sagte der Sullustaner ruhig. „Ich fliege zur Wohnung und du springst raus und holst die Sachen. Und bezahl den Wirt.“ Er sah Gavin in die Augen und deutete ein sanftes Lächeln an. „Und dann verschwinden wir von diesem Drecksklumpen von einem Mond in Richtung Nal Hutta.“

Gavin nickte und versuchte wieder, das scheußliche Bild zu verdrängen, das wie in seine Netzhaut eingebrannt war. „Ich hab eine junge Frau getötet. Eine von den Arbeiterinnen oder so, keine Ahnung.“ Er musste sich räuspern, seine Kehle war staubtrocken.

Naven schwieg eine Weile, während sie weiter in Richtung Appartement flogen. Dann brummte er leise und murmelte: „Das erste Mal, dass du jemanden...?“ Er seufzte verstohlen. „Naja, ich weiß auch nicht. Ich kann dir nur sagen, du wirst damit zurechtkommen müssen. Also, ich meine, du wirst damit zurechtkommen. Du musst davon ausgehen, dass, wenn nicht du sie erwischt hättest, dann hätte sie dich erschossen, oder?“

„Woher soll ich das wissen?“, entgegnete Gavin und rutschte tiefer in den Sessel. „Das war keine Sicherheitsbeamte oder so. Sie hatte einen Overall an, wie die anderen Arbeiter. Irgendeine verdammte Mechanikerin, verflucht!“

„Hatte sie einen Blaster?“

Nach weiteren fünf Minuten, in denen Naven seinen jungen Freund den düsteren Gedanken überließ, steuerte er die 'Händlerbeute' nahe genug an einen Fußgängerweg heran dass die Ausstiegsrampe die Plattform erreichte.

„Los geht’s. Und beeil dich.“, rief er während er leicht nervös die Sensoren im Auge behielt.

Gavin erhob sich langsam. Wenigstens war ihm nicht mehr ganz so schlecht.

„Raus mit dir, du Waschlappen, ich hab gesagt, du sollst dich zusammennehmen!“, scheuchte ihn der Sullustaner schnatternd hinaus. Die Bar lag gleich in der Nähe. Grußlos durchquerte er den Schankraum und betrat das Zimmer, räumte ihre wenigen Habseligkeiten zusammen und zahlte dem Wirt wortlos die Miete aus. Der Macht sei Dank machte der kein großes Gewese sondern nickte nur knapp. Mit seinem Rucksack und Vuins Tasche bepackt eilte er zum Schiff zurück und kletterte die Rampe hinauf ins Innere. Die Luke schloss sich zischend und Gavin sank völlig erschöpft auf den kalten Metallboden, als sich die 'Händlerbeute' in den Orbit erhob und in Richtung Nal Hutta raste.
 
Nachdem er sich aufgerafft hatte um die kurze Flugzeit für eine Dusche zu nutzen, fühlte er sich endlich besser. Er betrat das Cockpit, während er sich noch die schulterlangen Haare mit einem Handtuch trocken rubbelte. Durch die Frontscheibe betrachtete er die Planetenoberfläche, die unter ihnen dahinraste: graubraune Ödnis, mit unregelmäßigen Furchen und Schluchten durchzogen erstreckte sich soweit man durch den schlierigen Dunst sehen konnte, der in der Atmosphäre hing.

„Nicht gerade ein erhebender Anblick“, beschied Gavin und hing sich das Handtuch über die Schulter.

„Allerdings. Die Hutts passen die Schönheit ihres Planeten ihrer eigenen an.“, antwortete Naven Vuin.

„Wo werden wir landen?“, fragte der Mensch.

„Bilbousa Spaceport. So ungefähr der größte Raumhafen auf diesem riesigen Haufen Huttscheiße.“

Gavin setzte sich in den Copilotensessel.

„Ich bin eigentlich nicht wirklich scharf drauf, dort zu landen, aber falls es stimmt, was dieser Belas gesagt hat – dass mein Kontakt hier tot ist -, dann wäre es wohl unklug direkt zum vereinbarten Treffpunkt zu fliegen. Ich will mich erst einmal unauffällig erkundigen, und das geht in Bilbousa wohl am besten.“, fügte Naven hinzu.

„Du willst also diese Glitzerstim-Anlage immer noch abliefern?“

„Es wäre das Beste. Ansonsten hab ich keine Ahnung, was ich damit anfangen soll. Ich hoffe wirklich, dass dieser Wellard nicht tot ist.“, antwortete der Sullustaner.

„Dein Kontaktmann.“, wollte Gavin wissen.

„Ja. Ach, und wenn wir in der Stadt sind, können wir uns auch gleich nach deinem Bruder umhören. Ich hab das nicht vergessen.“

Gavin nickte stumm.
 
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