[Fiction] Aus Freund wird Feind

Gewissheit​



Von einem Moment auf den anderen schien alle Benommenheit von Obi-Wan ab zufallen. Die Gedanken rasten nur so durch seinen Kopf.
Königin Tylaa war hier auf dem Gelände. Sie wusste, dass diese furchtbaren Dinge hier passierten und offensichtlich war sie damit einverstanden. Er kam zu keinem anderen Schluss, wenn sie hier in diesen sauberen und gepflegten Räumlichkeiten saß und mit genau den Leuten Tee trank, die ihr Volk versklavten. Und das alles in gelöster Atmosphäre. Es erschien ihm so lächerlich, in Anbetracht der Tatsache, dass die Menschen da draußen ununterbrochen schuften mussten, um wenigstens am Leben zu bleiben.
Damit hatte sich ihr Verdacht bestätigt. Zumindest konnten sie jetzt beweisen, dass die Königin von den Geschehnissen auf ihrem Planeten wusste. Die anderen Anschuldigungen, beispielsweise die Kolonialpolitik und die Erpressung gegen andere Planetensysteme würden durch andere Untersuchungen aufgeklärt werden, davon war Obi-Wan überzeugt.
Er selbst hockte immer noch auf den Knien, während die Königin ihn nur anstarrte. Ihr Gesicht spiegelte abwechselnd Angst, Fassungslosigkeit und Wut wider.
Dann schien sie sich wieder unter Kontrolle zu bekommen. Ihr Gesicht wirkte jetzt wieder wie eine Maske und sie hatte denselben Gesichtsausdruck wie an dem Tag, als er ihr das erste Mal begegnet war.
„Könntet Ihr mir wohl erklären, was fremde Eindringlinge auf diesem Mienenkomplex verloren haben, den ich Euch freundlicherweise zur Verfügung gestellt habe?!“, fragte sie, weiterhin um Fassung bemüht. Wahrscheinlich bemerkte nur Obi-Wan das leichte Zittern in ihrer Stimme und den panischen Seitenblick, den sie ihm zuwarf.
„Ich hatte gehofft, Ihr könntet mir das sagen, Eure Majestät.“ Die Stimme des Neimoidianers hatte etwas Abschätzendes und Bedrohliches an sich.
„Ich weiß absolut nicht, was Ihr meint, Mol Rank.“, stotterte Tylaa.
Obi-Wan seufzte innerlich. Selbst ein zweijähriges Kind aus dem Jedi-Tempel hätte diese Lüge durchschaut. Er war sich nicht sicher, ob ihr überhaupt auffiel, dass sie ihre Hände immer wieder an ihrem Gewand abwischte, hektisch im Raum umherblickte und auf ihrer Unterlippe herum kaute. Alles typische Signale für eine Lüge.
Er erinnerte sich wieder daran, was sein Meister ihm über Tylaa gesagt hatte. Sie war keine besonders intelligente Person, die dabei war, die Kontrolle über dieses ganze Vorhaben zu verlieren. Dieser Verdacht schien sich zu bestätigen. Sie wirkte extrem unsicher.
„Hört auf, mich zum Narren zu halten!“, donnerte Mol Rank und schlug mit der Faust auf den Tisch, sodass seine Tasse auch noch vom Tisch fiel und zerbrach.
Obi-Wan rührte sich, er konnte sich kaum noch halten, so gerne wäre er eingeschritten und hätte seine Meinung zum Besten gegeben. Doch sein Gefühl sagte ihm, dass das unklug wäre. Sein Leben oder seine Meinung zählten hier nicht viel. Bevor er aufstehen konnte, spürte er den Lauf eines Gewehrs im Nacken.
„Du bist noch nicht dran, mein Kleiner.“, knurrte einer der Whipiden hinter ihm. Er konnte das böse Grinsen auf seinem Gesicht praktisch vor seinem geistigen Auge sehen.
Der Neimoidianer trat zu ihm und hob seinen Kopf mit einem Finger unterm Kinn an, sodass er Königin Tylaa direkt ansehen musste. Doch die Königin schwieg beharrlich und tat unbeteiligt.
„Ihr seid noch naiver, als ich gedacht hatte, wenn Ihr annehmt, dass wir Euch nicht überwachen lassen. Die Ankunft Eurer beiden Freunde haben wir nicht bemerkt, das muss ich zugeben. Sie scheinen Ahnung von unauffälligen Auftritten zu haben. Aber natürlich haben die Abfanggeräte sie aufgespürt, die wir rund um unsere Anlage im Dschungel verteilt haben. Noch bevor sie wussten, dass sie in unserer Nähe sind, haben wir von ihnen gewusst. Nach dem Angriff der Bestien im Wald hatten wir eigentlich angenommen, dass sie tot seien, aber so kann man sich täuschen. Sie sind anscheinend putzmunter und haben es auch noch irgendwie geschafft, hier unbemerkt einzudringen! Eigentlich hätten wir es gleich besser wissen müssen. Mit Spionen hatten wir gerechnet, vielleicht fähige Pavlinianer, haben wir vermutet. Aber dass Ihr uns gleich so besonderen Besuch schickt, habe ich mir nicht mal in meinen kühnsten Träumen vorzustellen gewagt.“
Er ließ Obi-Wans Padawanzopf durch seine Finger gleiten. Dieser ruckte mit dem Kopf zur Seite, um der Berührung zu entgehen, wofür er sich allerdings einen unsanften Tritt von einem der Whipiden einfing.
„Also, Eure Majestät. Ich stelle Euch jetzt eine einfache Frage und ich möchte, dass Ihr mir eine ehrliche Antwort darauf gebt. Wie könnt Ihr Euch anmaßen, Jedi zu uns zu schicken?!“ Auf diesen Ausbruch hin herrschte einige Sekunden lang Ruhe. Nur der immer schneller werdende Atem der Königin war zu hören.
„Jedi? Woher wollt Ihr wissen, dass der Junge ein Jedi ist und dass es mehrere sind!? Ich meine...-“, stammelte Tylaa.
„Keine Ausflüchte mehr!“, unterbrach sie Mol Rank. „Dieser Junge ist ein Jedi. Allerdings ist er zu jung, um schon ein Ritter zu sein. Folglich ist er noch ein Schüler und die sind niemals allein auf einer Mission unterwegs.“ Jetzt wandte er sich direkt an Obi-Wan. „Also sagst du uns besser, wo dein Meister steckt!“
„Boss, dürfte ich vielleicht was dazu sagen?“, warf einer der Whipiden ein, doch der Neimoindianer wedelte nur ungeduldig mit der Hand in seine Richtung, was ihn verstummen ließ.
„Belästige mich nicht, sonst wirst du die Seiten wechseln und deine Arbeit nicht mehr als Wache, sondern als Arbeiter in den Mienen fortsetzen.“
Daraufhin nuschelte der Whipide irgendetwas in seiner Muttersprache, dass wahrscheinlich niemand außer der andere Whipide verstand, was sich für den Padawan aber stark nach einem Fluch anhörte.
Obi-Wan nahm all seinen Mut zusammen und tat plötzlich sehr betroffen. Das trockene Schluchzen, das er folgen ließ, klang, als hätte er es nur mit Mühe bis zu diesem Moment zurückhalten können.
„Mein Meister ist tot. Eure Leute haben ihn umgebracht und dafür werdet Ihr bezahlen!“, knurrte er und verlieh seiner Stimme so viel Wut wie er konnte.
„Boss...-“, setzte einer der Whipiden erneut an. Doch dieses Mal war es nicht der Neimoidianer, der ihn unterbrach, sondern sein Kollege. Er hielt ihn zurück, bevor er weiter sprechen konnte.
Obi-Wan hatte sich einen vergleichsweise einfachen Plan während des Gesprächs zwischen Königin Tylaa und Mol Rank einfallen lassen. Wenn die Anwesenden glaubten, dass Qui Gon tot war, würde ihnen das einen Vorteil verschaffen. Sein Meister war bestimmt schon dabei, zu fliehen. Er würde es wesentlich einfacher haben, wenn sie nicht nach ihm suchten. Er wusste, dass er nicht entkommen konnte, trotzdem musste er einen möglichst echt aussehenden Fluchtversuch vortäuschen. Ansonsten würde der Neimoidianer ihm seine Geschichte niemals abkaufen.
Die ganze Zeit über hatte er seine Kräfte mobilisiert, was erstaunlich gut funktionierte. Er hatte eigentlich angenommen, dass er länger für eine halbwegs anständige Regeneration brauchen würde. Vielleicht hatten die harten Trainingseinheiten mit Qui Gon endlich etwas gebracht.
Es konnte aber auch daran liegen, dass die Medikamente, die man ihm verabreicht hatte, keine besonders lange Wirkzeit hatten. So etwas konnte verschiedene Gründe haben. Zum Beispiel war es möglich, Patienten durch Verabreichung solcher Mittel nach einer Betäubung sehr schnell wieder wach zu bekommen. Der Nachteil war allerdings, dass man ständig Nachschub bereit stellen musste. Nachdem er sich die Infusion gezogen hatte, flossen keine Narkotika mehr nach und er erholte sich wieder.
Doch auch, wenn er seine Kraft gesammelt hatte, er würde nicht viel davon benötigen. Seine Gegner, die beiden Whipiden, waren ihm in Punkto Stärke weit überlegen. Zwar waren sie relativ schlank, aber dennoch groß und schwer, was in dem kleinen Raum, in dem sie sich befanden, einen deutlichen Nachteil darstellte. Und ihr Nachteil war sein Vorteil.
„Ihr werdet es noch bereuen, einen Jedi getötet zu haben!“, sagte er voller Inbrunst.
Bei diesen Worten suchte und fand er mit einem Ausfallschritt einen stabilen Stand und duckte sich unter dem Blaster des Whipiden weg, der ihn die ganze Zeit von hinten bedroht hatte. Gleich darauf wich er dem anderen aus, indem er sich fallen ließ und zur Seite abrollte. Ein Blasterschuss zuckte an ihm vorbei und schlug in den edlen Tisch hinter ihm ein, sodass Holz splitterte und quer durch den Raum flog.
„Nicht schießen, ihr Idioten! Ihr bringt uns noch alle um. Fangt ihn lebend wieder ein!“, befal der Neimoidianer.
Leichtfüßiger, als er es sich in seinem momentanen Zustand zugetraut hatte, kam Obi-Wan wieder auf die Beine, warf einen verräterischen Blick zum Fenster, der keinen Zweifel an seinem Vorhaben lassen dürfte und sprintete los. Gerade, als er mitten im Sprung über die Reste des Tisches war, traf ihn etwas Großes von hinten, warf ihn zu Boden und begrub ihn unter sich. Es fühlte sich genauso an, als wäre erneut ein Nympah auf ihm gelandet. Genauso wie vor dieser scheinbar so ewig langen Zeit, als sie im Dschungel abgestürzt waren.
Der Whipide stand auf und zerrte ihn mit auf die Füße.
„Dachtest du, du könntest uns so leicht entkommen?“, fragte Mol Rank grinsend und legte die Fingerspitzen aneinander.
Obi-Wan gab sich zerknirscht, doch innerlich war er heilfroh, denn sein Plan war aufgegangen. Der Fluchtversuch hatte authentisch gewirkt, zumindest soweit er das beurteilen konnte. Und auch die Whipiden hatten mitgespielt, obwohl sie nichts von ihrer wichtigen Rolle in diesem kleinen Schauspiel gewusst hatten. Nicht einmal ihren Geist hatte er beeinflussen müssen, damit sie ihm zuarbeiteten. Ganz allein der Stolz der beiden Wachen hatte sie davon abgehalten, den Verdacht, den sie wahrscheinlich hegten, nicht zu äußern. Jedes Lebewesen, das halbwegs bei Verstand war, wäre dahinter gekommen, dass der Mann im Krankensaal, der doch genauso gekleidet war wie Obi-Wan, sein Meister gewesen sein könnte. Er hatte wirklich Glück gehabt, dass die Whipiden entgegen der landläufigen Meinung noch einen Funken Stolz im Leib hatten und ihrem Herren aufgrund der respektlosen Behandlung diese wertvolle Information vorenthielten.
„Ich frage jetzt noch einmal, Majestät.“ Die Stimme Mol Ranks war so schneidend wie ein Vibromesser. „Wie kamt ihr auf die dumme Idee, die Jedi hierher zu schicken?“
Obi-Wan stöhnte schmerzerfüllt auf, als ihm beide Arme hinter dem Rücken verdreht und festgehalten wurden. Jetzt konnte er sich gar nicht mehr bewegen. Eines musste man den Whipiden wirklich lassen: Sie verstanden etwas von ihrem Job. Wenn er versuchen würde, sich loszureißen, würde er sich unweigerlich eine oder beide Schultern auskugeln.
Währenddessen schien Königin Tylaa sich für eine neue Taktik entschieden zu haben.
„Ich hatte keine andere Wahl. Mein Volk hat mitbekommen, dass ihr die Größe des Geländes um mehr als das Doppelte erweitert habt.“, jammerte sie.
„Ihr ward es doch, die diesem Antrag zugestimmt hat!“, entrüstete sich Mol Rank.
„Schon, aber da konnte ich ja noch nicht ahnen, dass irgendwer etwas davon mitbekommen würde. Ich habe mir nicht vorstellen können, dass Euer Vorhaben unsere Natur so beeinträchtigen würde. Alle denken, dass unser Planet vom Tourismus lebt und ich gedenke, es dabei zu belassen. Stets habe ich vor meinem Volk geheim gehalten, dass unsere Wirtschaft den Bach runter ging. Die Todesfälle im Dschungel häuften sich in den letzten Jahrzehnten und die Besucherzahlen nehmen drastisch ab. Was hätten meine Vorfahren denn tun sollen? Die Pavlianer sind sehr naturverbunden, wie hätten wir ihnen erklären sollen, wie wir unsere Staatskassen wirklich füllen?! Sie hängen an der Natur ihrer Heimat. Hättet Ihr nur ein wenig mehr im Verborgenen gearbeitet!“, keifte Tylaa.
„Was habt ihr denn erwartet? Dass wir um Eure Bäume herum bauen? Ihr seid mit diesem Angebot der Landpachtung an uns herangetreten, nicht umgekehrt. Und zu allem Überfluss hetzt Ihr uns Spürhunde der Republik auf den Hals, die zu allem Überfluss auch noch Jedi sind!“, schoss der Neimoidianer zurück.
Es herrschte einen Augenblick lang unheilvolles Schweigen, währenddessen sich ein Lächeln auf Mol Ranks Gesicht ausbreitete.
„Andererseits würde es den Senat bestimmt brennend interessieren, worin die wahre Einnahmequelle Eurer Welt besteht. Aber vielleicht würde ich mich vorerst auch nur an Euer Volk wenden.“, sagte er leise.
„Nein! Die Jedi um Hilfe zu bitten, war eine notwendige Maßnahme, um mein Volk zu beruhigen. Sie wollten Taten sehen, nichts lag da näher, als eine Anfrage an den Senat zu stellen. Normalerweise dauert es Monate, bis so etwas bearbeitet wird.“
Obi-Wan musste unwillkürlich grinsen. So etwas nannte man dann wohl Ironie des Schicksals. Hätte Tylaa einen Vertreter für den Senat bestimmt, hätte sie ihre Spielchen noch eine ganze Weile weiter spielen können.
„Bitte, es kommt nicht wieder vor.“, sagte sie flehentlich.
„Das hoffe ich für Euch, Eure Majestät.“, sagte der Neimoidianer kalt. „Eine Frage ist allerdings noch offen. Was machen wir mit ihm?“ Er nickte dabei mit dem Kinn in Obi-Wans Richtung.
„Wir könnten ihn sofort töten, dann macht er garantiert keinen Ärger mehr.“ Hatte Obi-Wan da gerade Vorfreude aus der Stimme des Whipiden herausgehört?
„Nein! Wir können doch nicht direkt anordnen, einen Jedi zu exekutieren. Wenn das raus kommen sollte! Bringt ihn in die Mienen zum Arbeiten, so wie wir es mit den Kindern von Gado gemacht haben.“, sagte die Königin ruhig.
„Ihn gefangen zu nehmen, würde in der Öffentlichkeit auch nicht besser aussehen. Außerdem kommt es einer Tötung gleich, wenn ihr ihn in die Mienen schickt. Der Hohe Rat auf Coruscant wird andere Jedi schicken, um ihren Tod aufzuklären.“, sagte Mol Rank gelangweilt.
„Sie können ruhig kommen. Wir sagen einfach, dass die beiden im Dschungel verschwunden und vermutlich tot sind. Dann werden sie ein paar Monate nach ihnen suchen und es schließlich aufgeben, denn sie werden nichts finden. Unsere Regenwälder sind ein regelrechtes Labyrinth. Das wird schon alles klappen, keine Sorge.“ Die Stimme der Königin war mit jedem Wort aufgeregter geworden.
„Die Mission der beiden wurde nicht beendet. Der Oberste Kanzler wird weitere Untersuchungen anordnen.“, gab Mol Rank zu bedenken.
„Ich werde die Anfrage zurückziehen. Vertraut mir. Alles wird wieder ins Lot kommen.“
„Das hoffe ich, das hoffe ich wirklich für Euch, Euer Majestät.“ Er wandte sich an seine Wachen. „Ihr habt sie gehört. Schafft ihn zu den anderen Sklaven. Er soll arbeiten. Und passt auf, dass er keine Dummheiten macht und womöglich noch entkommt. Wenn nötig, verpasst ihm einen Chip, aber tötet ihn nicht. Vielleicht brauchen wir ihn nochmal als Druckmittel. Und sollte diese ganze Sache wider Erwarten doch ans Licht kommen, können wir immer noch sagen, wir hätten nicht gewusst, dass er ein Jedi ist und er hätte es uns verschwiegen. Ein tragischer Fehler, für den keiner etwas kann.“ Er sah Obi-Wan direkt an. „Und du wirst dann nicht mehr aussagen können, mein Kleiner. Die Mienen überlebt jemand von deiner Statur nicht lange, das garantiere ich dir.“, sagte Mol Rank.
„Geh schon!“, herrschte ihn der Whipide an. Als Obi-Wan keine Anstalten machte, sich von allein in Bewegung zu setzen, spürte er zwar den Hieb mit dem Kolben ins Genick kommen, aber er konnte sich aufgrund der Fixierung durch die Wache trotzdem nicht wehren.
 
Unsicherheit​


Er lag auf dem Bauch, seine Stirn ruhte auf dem angewinkelten Arm. Er wagte es einfach noch nicht, die Augen zu öffnen, sondern blieb ganz still liegen. Der Geräuschkulisse nach zu urteilen, befand er sich wieder auf dem Gelände. Er konnte die heiseren Rufe von Wachen hören, den Klang von Waffen, die durchgeladen wurden, leise Gespräche und schwere Schritte ganz in der Nähe. Ein dumpfes Wummern pulsierte mit jedem Herzschlag durch seinen Schädel und jagte eine Schmerzwelle nach der anderen hindurch, die ihren Ursprung in seinem Genick zu haben schien. So wie es sich anfühlte, musste der Whipide ein oder zwei Nächte lang auf ihm geschlafen haben. Natürlich war das totaler Quatsch. Tatsächlich sagte ihm sein Zeitgefühl, dass erst wenige Stunden seit seiner Begegnung mit der reizenden Königin Tylaa und dem überaus charmanten Neimoidianer Mol Rank vergangen sein konnten. Vorsichtig schob er eine Hand in seinen Nacken und strich über die Schwellung an einem seiner Halswirbel. Genau da musste ihn der Kolben des Gewehrs getroffen haben. Gut gezielt.
Er ging die Geschehnisse noch einmal im Kopf durch. Der Kratzer an seinem linken Arm war verschwunden. Sie mussten ihn mit Bacta versorgt haben, sonst wäre die Wunde nicht schon verheilt. Man erzählte sich zwar überall Geschichten über die außergewöhnlichen Heilkünste der Jedi, aber er bezweifelte, dass er in seinem zugedröhnten Zustand eine so grandiose Selbstheilung vollbracht hatte. Bis auf das Gefühl, furchtbaren Muskelkater zu haben und die lähmende Erschöpfung, die mit Müdigkeit einher ging, war von all seinen Verletzungen, die er sich im Laufe dieser Reise zugezogen hatte, nichts übrig geblieben.
Was sagte Siri immer? 'Solange du noch alle Gliedmaßen hast, gibt es keinen Grund zum Rumjammern.' Er lächelte, als er an den überzeugten Gesichtsausdruck dachte, den sie jedes Mal aufgesetzte, wenn sie das sagte. Höchstwahrscheinlich war sie noch nie in einer Situation gewesen, in der sie wirklich ihr Leben hätte verlieren können. Trotzdem hatte sie das Talent, Menschen von etwas zu überzeugen. Hätte sie nicht so ein offenes Wesen und eine so direkte und ehrliche Art gehabt, wäre sie mit Sicherheit eine hervorragende Politikerin geworden.
Er fasste sich ein Herz und öffnete die Augen. Ein Seufzen suchte sich seinen Weg, als er seine Umgebung erkannte. Die Hölle hatte ihn wieder.
Noch ein wenig schwerfällig stützte er sich hoch, blieb aber hocken, um so wenig Aufmerksamkeit wie möglich zu erregen. Immerhin wollte er nicht gleich wieder irgendwelche Wachen am Hals haben. Offenbar hatten sie ihn einfach hier abgelegt und dann sich selbst überlassen.
Während er sich noch umsah, spürte er plötzlich, wie sich jemand von hinten näherte. Er fühlte, dass dieser Jemand die Hand ausstreckte, um ihn an der Schulter zu berühren. Noch bevor es dazu kommen konnte, wirbelte er herum. Eine Sekunde später staunte er nicht schlecht, als er sah, wen er da vor sich hatte. Es war eines der Kinder, dass er bei der Gruppe von Menschen gesehen hatte, die versucht hatten, ihnen bei der Flucht zu helfen.
„Was machst du denn hier?“, fragte er. Das Mädchen blickte sich nur hektisch um und deutete auf einen großen Felsen in der Nähe. Als Obi-Wan nur Stirn runzelnd hocken blieb, zog sie ihn kurzerhand am Arm mit sich. Das Mädchen war vermutlich nicht älter als sechs Jahre und trotzdem reichte sie ihm schon bis zur Brust. Als sie ihn zu dem Felsbrocken geführt hatte, sah er auch, worauf die Kleine hinaus gewollt hatte. Da war, gut verborgen vor neugierigen Blicken, ein Eingang. Das war kein einfacher Felsen, sondern eine Höhle, gar nicht unähnlich der, in der sie sich noch vor ein paar Stunden aufgehalten hatten. Er folgte ihr. Seine Augen brauchten anschließend ein paar Augenblicke, bevor sie sich an das wenige Licht, dass von ein paar improvisierten Fackeln ausging, gewöhnt hatten.
„Hallo.“, sagte er unsicher und hob die Hand zum Gruß. Neben ihm befanden sich noch rund 30 andere Pavlinianer hier unten.
Ein kräftiger Mann löste sich aus ihren Reihen und blieb mit ernstem Gesichtsausdruck genau vor ihm stehen. Nachdem sie sich eine Weile bedeutungsschwer angestarrt hatten, griff der Mann in seine Tasche und gab ihm ein kleines Gerät. Er nahm es zaghaft entgegen.
„Wo habt Ihr denn einen Comlink her?“, fragte er verwirrt und erwartete für ein paar Sekunden tatsächlich eine Antwort, bis ihm wieder einfiel, dass sie überhaupt nicht dieselbe Sprache sprachen. Er nahm stark an, dass sie den Comlink von den Wachen gestohlen hatten, die Qui Gon und er getötet hatten.
Unwillkürlich musste er an seinen Meister denken. Wie gerne hätte er ihn jetzt um Rat gefragt, was als nächstes zu tun sei. Einen Moment lang konzentrierte er sich auf die bekannte Präsenz in der Macht. Zwar spürte er da eindeutig Qui Gon, aber seine Aura war immer noch genauso flatterhaft und unstet wie das letzte Mal, als sie sich im Krankensaal begegnet waren. Möglicherweise war er ja verletzt und Schmerzen riefen diese Unregelmäßigkeiten hervor. Andererseits hatte Obi-Wan so etwas noch nie bei seinem Meister erlebt. Auch nicht, als dieser verwundet gewesen war. Er hatte ein schlechtes Gefühl bei der Sache, da musste irgendetwas nicht stimmen.
Er sah auf den Comlink in seiner Hand und fragte sich, was er damit sollte. Nachdem ein fragender Blick in die Runde nichts gebracht hatte, ging er probehalber alle Frequenzen durch. Überall begrüßte ihn nur statisches Rauschen. Außer auf einer. Hier konnte er den Klang leiser Stimmen vernehmen, die angespannt flüsterten.
„Obi-Wan? Obi-Wan Kenobi?“, fragte eine Stimme, die er als die des Jungen vom Planeten Gado erkannte.
„Ja, ich bin es. Erklär mir bitte, was genau das hier alles soll.“
„Die Menschen, die mit dir in der Höhle sind, sind alle freiwillig dort. Sie wollen sich nicht weiter unterdrücken und ausbeuten lassen, sondern alles dafür tun, um diesen Albtraum für sich, ihre Freunde und ihre Familien zu beenden. Die Ankunft von zwei Jedi hat uns die Hoffnung zurück gegeben, sie wir schon so lange verloren glaubten. Daran wollen wir jetzt fest halten.“ Die Worte des Jungen verwirrten Obi-Wan ein wenig.
„Wo befindest du dich jetzt? Und wieso sprichst du nicht selbst mit mir, sondern über Funk?“, fragte er.
„Ich werde dir gleich alles erklären, aber vorher möchte ich dich noch um etwas bitten.“ Obi-Wan wartete schweigend ab. „Ich habe Foche im hinteren Teil der Höhle in einem geheimen Versteck zurückgelassen. Bitte geh und hol sie. Und dann versprich mir, dass du auf sie aufpassen wirst, bis ich wieder zurück bin. Ihr darf nichts geschehen.“ Erneut verwirrte der angeschlagene Tonfall den Padawan sehr.
„Ich werde auf sie achten, ich verspreche es.“, sagte er dennoch.
„Warte, willst du denn nicht wissen, wo...-“ Doch Obi-Wan hatte die Verbindung bereits unterbrochen.
„Nicht nötig.“, nuschelte er, steckte den Comlink an seinen Gürtel und machte sich auf den Weg.
Er musste ungefähr fünf Minuten laufen, bevor er die Kleine in der Nähe spürte. Er schloss die Augen und ließ sich von der Macht leiten. Als er sie wieder öffnete, stand er vor einer Wand. Behutsam begann er, mit den Fingern über den feuchten Lehmboden zu fahren, bis er eine sanfte Erhebung spürte. Dann strich er die lockere Erde zur Seite, sodass schon bald eine Art Griff zum Vorschein kam. Obi-Wan stellte sich breitbeinig darüber und zog mit aller Kraft. Den darauf folgenden Schmerz in seinem Kopf, der wieder vom Nacken aus strahlte, ignorierte er. Krachend fiel eine bisher verborgene Falltür auf den Boden und gab ein mittelgroßes Erdloch frei, in dem Foche hockte und ihn mit großen Augen anstarrte. Sie sah dreckig und verängstigt aus, wirkte aber unversehrt.
„Keine Angst, Foche. Ich werde dir nicht weh tun, hörst du. Erinnerst du dich an mich?“, fragte er leise und streckte ihr vorsichtig eine Hand entgegen.
Er hatte schon immer einen guten Draht zu Kindern gehabt. Außerdem wusste er, dass sie ihn verstehen konnte, aber ihr Bruder hatte ihm gesagt, dass sie noch kein einziges Wort gesprochen hatte, seit er mit ihr von zu Hause weggeholt worden war.
Er drehte den Kopf ein bisschen weiter ins schwache Licht, damit sie sein Gesicht erkennen konnte. Er machte wahrscheinlich keinen besonders Vertrauen erweckenden Eindruck, wenn er genauso aussah, wie er sich gerade fühlte. Nach einigem Zögern reichte sie ihm jedoch die Hand und er half ihr wieder ins Freie.
„Dein Bruder schickt mich. Ich passe jetzt eine Weile auf dich auf. Keine Angst, dir wird nichts passieren.“, sagte er und lächelte sie an, auch wenn er nicht gerade von dem Umstand begeistert war, jetzt ein sechsjähriges Kind bei sich zu haben. Diese ganze Geschichte war auch so schon kompliziert genug. Er zog den Comlink hervor, während er Foche an der Hand wieder mit in den vorderen Teil der Höhle nahm.
„Ich habe sie.“
„Wie hast du sie so schnell gefunden, ohne zu wissen-“, setzte sein Gesprächspartner an.
„Du scheinst schon vergessen zu haben, dass ich ein Jedi bin.“
„Gut.“, sagte Foches Bruder nach kurzem Zögern. „Ist sie bei dir?“
„Ja. Sie steht direkt neben mir.“
„Okay. Sorg bitte dafür, dass sie das jetzt mitbekommt.“ Er wartete einen Moment, in dem Obi-Wan sich hin hockte und das kleine Mädchen ein wenig näher zu sich zog, damit auch sie ihr Ohr an den Comlink halten konnte.
„Foche, Süße, ich bin es. Kannst du mich hören?“
„Sie hört dich.“, sagte Obi-Wan nur.
„Ich bin bald wieder da, Liebling. Ich sorge dafür, dass wir wieder nach Hause können. Hör mir jetzt gut zu. Ich möchte, dass du bei Obi-Wan bleibst und auf ihn hörst. Er wird uns helfen und auf dich aufpassen. Wir sehen uns bald wieder. Ich hab dich lieb.“ Foche schluchzte herzzerreißend und vergrub ihr Gesicht in Obi-Wans Halsbeuge. Irgendetwas an seiner Stimme war komisch gewesen. Sogar Foche hatte das mitbekommen und angefangen, zu weinen. Per Handzeichen bat er eine Frau in der Nähe, ihm das Kind abzunehmen. Dann ging er ein Stück weg von der Gruppe.
„Okay. Sie hört nicht mehr zu. Würdest du mir jetzt freundlicherweise erklären, wieso das eben wie eine Verabschiedung klang? Sag mir endlich, wo du bist!“, forderte er.
„Ich bin mit den Männern und Frauen unterwegs, die dir helfen wollen.“
„Mir? Wieso nur mir?“, warf Obi-Wan ein.
„Die, die wir in der Höhle zurückgelassen haben, sind verletzt oder konnten uns aus anderen Gründen nicht begleiten.“, erklärte er weiter.
„Wohin begleiten? Sag mir endlich, wo du bist!“ Er spürte Ungeduld in sich hoch kochen und konnte diese nur mit Mühe wieder in den Griff bekommen. Er hatte ein flaues Gefühl in der Magengegend und das dringende Bedürfnis, irgendetwas zu tun.
„Der Anführer der kleinen Gruppe, der ihr zuerst begegnet seid, hat diesen Vorschlag gemacht. Er wurde von allen angenommen und ich habe mich ihnen angeschlossen. Ich muss endlich auch mal etwas dafür tun, damit Foche wieder nach Hause kommt und nicht nur reden. Ich meine, sie ist meine kleine Schwester. Ich trage die Verantwortung für sie.“ Er war fertig, seine Stimme brach fast. Mitleid wechselte die Ungeduld in Obi-Wan ab.
„Es ist gefährlich, was du da im Begriff bist zu tun, oder?“ Er hörte durch den Comlink nur, wie sich jemand räusperte. „Du könntest dabei sterben.“, stellte der Padawan fest. Er konnte diese Gefahr plötzlich so deutlich spüren, als würde sie direkt ihm drohen.
„Wir werden die Stromversorgung lahm legen. Das wird allgemeine Verwirrung auslösen. Es sollte dir genug Zeit verschaffen, um von hier zu verschwinden. Wenn du im Dschungel bist, sende einen Notruf an die Hauptstadt und versteck dich dann, wir wissen nicht, wie die Königin zu dir steht. Wir vermuten, dass sie auf Swoops kommen werden, um dich zu holen. Dann musst du zeigen, aus welchem Holz du geschnitzt bist. Überwältige einen der Fahrer und flieg in die Hauptstadt zurück. Dort musst du dann eine geeignete Kommunikationsmöglichkeit finden. Nimm Kontakt mit der Regierung von Gado auf, man wird dir dort helfen oder informiere direkt Coruscant. Und dann komm um der Götter Willen mit Hilfe zurück.“
„Moment mal. Wenn ihr die Stromversorgung abschalten wollt- Da müssen viele Wachen sein und...-“, setzte Obi-Wan an.
„Wir sind bereit, Opfer für unsere Freiheit zu bringen.“, kam es nur per Comlink zurück.
Die Gedanken überschlugen sich in Obi-Wans Kopf. Er fragte sich, was Qui Gon an seiner Stelle wohl getan hätte. Er fühlte sich furchtbar überfordert.
„Warte!“, sagte er, bevor die Verbindung beendet würde. „Ihr müsst das nicht tun. Wir werden einen anderen-“
„Nein. Es ist notwendig, damit du entkommen kannst. Verstehst du das denn nicht? Du bist der einzige, der dazu in der Lage ist. Du bist unsere letzte Hoffnung.“
„Warum redest du immer nur von mir? Ich kann nicht von hier verschwinden, wenn ich Qui Gon nicht gefunden habe und das weißt du ganz genau.“ Daraufhin herrschte einen Moment lang Stille.
„Du musst deinen Meister nicht mehr suchen.“
„Ist er tot?“
„Nein.“
„Dann werde ich ihn auch suchen. Ich habe Zeit, mindestens so lange, bis ihr euer Vorhaben in die Tat umgesetzt habt.“
„Das geht nicht. Wenn sie dich wieder fassen, war alles umsonst.“ es knackte kurz in der Leitung. „Ich muss aufhören. Pass gut auf Foche auf.“ Bevor Obi-Wan etwas sagen konnte, wurde die Verbindung beendet.
„Möge die Macht mit dir sein.“, flüsterte Obi-Wan noch, bevor er das Gerät wieder verstaute.
Während er wieder zu den anderen ging, versuchte er, nachzudenken und zu entscheiden, wie er handeln sollte. Wenn er versuchte, der Truppe zu helfen, würde es keinen geben, der Hilfe zu holen könnte. Aber wenn er hier blieb, wäre es möglich, dass sie alle ihr Leben wegen ihm verlieren würden.
In seine Gedanken versunken, stieß er mit jemandem zusammen.
„Oh, entschuldi-“ Er unterbrach sich. „Lanaa!?“
„Du klingst ja nicht gerade begeistert. Hast wohl nicht mehr damit gerechnet, mich wieder zu sehen, hä?“, sagte sie ruppig wie es ihre Art war.
„Natürlich freue ich mich, dass es Euch gut geht.“, sagte er sofort. Alles andere wäre schändlich gewesen.
Sie wirkte zwar mitgenommen, aber größtenteils unverletzt. Einen Moment lang überlegte er, ihr von seiner Begegnung mit der Königin zu berichten. Doch er verwarf den Gedanken sofort wieder. Sie hätte ihm eh nicht geglaubt und das hätte in ihrer derzeitigen Situation wiederum nur zu Problemen geführt.
„Bist du schon in den Plan eingeweiht worden?“, fragte sie und zog die Schnallen an ihren Stiefeln enger.
„Ihr wusstet davon?“, fragte er überrascht.
„Ob ich davon wusste?“ Sie lachte auf. „Ich war maßgeblich an seiner Entwicklung beteiligt.“ Natürlich. Obi-Wan hätte es ahnen müssen.
„Also, bist du bereit?“, fragte sie enthusiastisch.
„Ich, ich weiß noch nicht, ob ich...- Ich meine, wenn ich wüsste, wie Qui Gon-“
„Vielleicht hörst du endlich mal auf damit, darüber nachzudenken, was dein Meister in dieser Situation tun würde und einfach machst, was du für das Richtige hältst! Du hast noch genau zwei Aufgaben zu erledigen. Erstens: Halt dich bereit, von hier zu verschwinden. Zweitens: Beschütz die Menschen, die man dir anvertraut hat, so lange wie möglich.“ Sie bohrte ihm einen Finger in die Brust.
„Werd endlich ein Mann und tu, was nötig ist!“
 
Entscheidung​

Lanaa hatte recht.
Diese Erkenntnis hatte Obi-Wan viel Nachdenken und somit Zeit gekostet. Qui Gon war nicht hier, er war auf sich allein gestellt. Viele Menschenleben hingen davon ab, ob er scheiterte oder erfolgreich war. Entsetzlich viele.
Da war die Verantwortung vor der er sich so lange gefürchtet hatte, der er so lange aus dem Weg gegangen war. Bisher war sein Meister immer an seiner Seite gewesen, er hatte die Entscheidungen getroffen, wenn es brenzlig geworden war.
Obi-Wan fragte sich, ob auch andere Padawane in dieser Situation solch eine Angst gehabt hätten, wie er sie jetzt verspürte.
Siri bestimmt nicht. Etwas, dass Siri Tachi Angst einjagte, musste erst noch erfunden werden.
Und Bant? Seine beste Freundin würde sich jetzt sicher mit stoischer Ruhe einen Überblick verschaffen und im Endeffekt das Richtige tun. Ihr Vorgehen hatte sich unzählige Male im Tempel bewährt. Bei speziellen Übungen wurden sie Jedi-Schüler hypothetischen Situationen ausgesetzt und mussten innerhalb kürzester Zeit Entscheidungen treffen.
Einmal war Obi-Wan im Simulator der Absturz eines Raumschiffs vorgetäuscht worden. Seine Aufgabe hatte lediglich darin bestanden, zu entscheiden, ob er versuchen wollte, den Transporter zu retten oder die Crew und die Passagieren anweisen sollte, die Rettungskapseln zu benutzen. Diese Aufgabe hatte Logik erfordert, er musste seine Entscheidung später auch begründen. Das Ende vom Lied war gewesen, dass er sich falsch entschieden hatte und beim anschließenden Absturz, den er nicht mehr zu verhindern in der Lage gewesen war, all seine Passagiere, die Crew und sein virtuelles Selbst gestorben waren.
Er und Garen verloren sich bei solchen Trainingseinheiten meistens schon nach kurzer Zeit in einem heillosen Chaos, aber Bant blieb immer ruhig und bekam hohe Punktzahlen. Wie gerne hätte er sie jetzt um Rat gefragt.
Da kamen ihm Lanaas Worte wieder in den Sinn. Er musste auf sich selbst und auf seine Fähigkeiten vertrauen. Bisher hatte er in ihr nur eine nicht besonders vielschichtige und unsympathische Person mit schlechten Manieren gesehen. Aber er erkannte allmählich, was sein Meister von Anfang an in ihr gesehen hatte: Eine starke Persönlichkeit mit Durchhaltevermögen, der man vertrauen konnte. Es beruhigte ihn, sie an seiner Seite zu wissen, ganz egal welche Differenzen sie im Vorfeld miteinander gehabt hatten.
Plötzlich hörten sie Stimmen. Viel zu nah für Obi-Wans Geschmack. Er bedeutete den anderen, still zu sein. Sogar die Kinder schienen den Ernst der Lage zu begreifen und gaben keinen Mucks von sich. Lanaa und er tauschten einen Blick. Es war klar, dass es sich bei den Personen in der Nähe um Wachen handeln musste. Dem Grunzen nach zu urteilen, dass sich manchmal unter das Gesprochene mischte, musste es sich um Gamorreaner handeln.
Nach einigen spannungsgeladenen Minuten entfernten sie sich wieder. Deutlich erleichtertes Aufatmen ging durch die Reihen.
Obi-Wan bedeutete Lanaa, zu ihm zu kommen. Foche ließ er bei der Frau zurück, die sich bisher um die Kleine gekümmert hatte.
„Diese Höhle ist ein gutes Versteck, aber wir brauchen ein besseres. Früher oder später werden sie uns hier entdecken. Wahrscheinlich sind sie schon auf der Suche nach den fehlenden Arbeitern.“
Lanaa nickte nur. Irrte er sich, oder hatte sie ihm zugestimmt, ohne vorher zu schreien oder ihn zu schlagen? Das war ein deutlicher Fortschritt in ihrer Beziehung zueinender.
„Ich habe mich vorhin, als du da draußen noch ein Nickerchen gehalten hast, mit einer Frau unterhalten. Sie hat mir erzählt, dass sich unter dem Gelände ein altes Tunnelsystem befindet. Wäre das eine Möglichkeit?“
„Ja.“, sagte er. Diese Idee war wirklich gut.
„Viele von den Gängen sind durch die Baumaßnahmen und den Einsatz von schwerem Gerät eingestürzt, aber einige von ihnen existieren noch. Sie sagen, dass die Eingänge gut versteckt sind und die Wachen nichts von ihnen wissen. Nur die anderen Sklaven kennen das unterirdische Tunnelsystem ebenfalls.“
„Das ist gut. Diese Menschen sind Eingeborene. Sie müssen die Gegend wie ihre Westentasche kennen. Das könnte uns einen Vorteil verschaffen, sollten die Wachen uns entdecken.“ Er überlegte noch einmal genau, bevor er sich endgültig entschied.
„Helft mir bitte, die Leute zum Aufbruch bereit zu machen.“, bat er.
„Nur, wenn du endlich dieses Höflichkeitsgeplänkel sein lässt. Oder rede ich etwa mit dir, als wärst du mein Vorgesetzter?“, entgegnete Lanaa. Der Padawan war verunsichert.
„Wie meint Ihr das?“, fragte er nach.
„Lass dieses 'Ihr' einfach, okay?“ Sie drehte sich von ihm weg und begann, den Leuten leise zu erklären, was sie jetzt tun würden.
Obi-Wan war erstaunt. Wieder einmal hatte sie ihn überrascht. Sie war ihm auf persönlicher Ebene entgegen gekommen und offenbar gewillt, nicht nur notgedrungen mit ihm zusammenzuarbeiten, sondern sich auch mit ihm zu verbünden.
Er beobachtete Lanaa, wie sie die Menschen leise und schnell in Reihen aufstellte, immer darauf achtend, dass jedes Kind einen Erwachsenen an seiner Seite hatte. Anschließend unterhielt sie sich noch mit einem älteren Mann, als Obi-Wans Hand zu seinem Gürtel wanderte, genau über die Stelle, wo sonst seine Waffe hing. Eine seichte Panikwelle schwappte über ihn hinweg. Er brauchte jedoch nicht lange, um sich wieder unter Kontrolle zu bekommen. Ohne sein Lichtschwert fühlte er sich irgendwie... nackt. Es war nicht nur, dass er sich jetzt gegen bewaffnete Angriffe nicht mehr verteidigen konnte und somit relativ schutzlos war. Das Unwohlsein, das ihm zu schaffen machte, beruhte zu einem Großteil auf Gewöhnung, dass wusste er. Seit er klein war, hatte er außerhalb des Tempels immer ein Laserschwert getragen. Es war die bevorzugte Waffe der meisten Jedi. Ohne es fühlte er sich ausgeliefert. Er atmete tief durch und rief sich Qui Gons Worte noch einmal in Erinnerung.
~Du bist auch ohne Lichtschwert ein Jedi.~
Das stimmte. Außerdem konnte er neben seinen Fähigkeiten mit der Macht auch halbwegs mit einem Blaster umgehen. Bei Gelegenheit würde er sich einen besorgen.
Lanaa kam auf ihn zu und er befreite sich von allen Gedanken, die ihn ablenkten.
„Anscheinend gibt es da unten sogar befestigte Tunnelwände und Durastahltüren, die man verriegeln kann.“, berichtete sie.
Das war endlich mal eine erfreuliche Nachricht.
„Sehr gut.“, sagte er.
Aber diese Neuigkeit brachte nicht nur Vorteile mit sich, wie Obi-Wan nach einigem Überlegen feststellte. Sicher könnten sie sich verbarrikadieren und so auch eine ganze Weile standhalten, sogar wenn die Wachen schwer bewaffnet versuchen würden, sich Zugang zu verschaffen. Doch je besser sie sich einschlossen, desto schwerer würde es für ihn werden, wieder hinauszukommen, wenn endlich der Strom ausfiel.
Soweit er wusste, wurde die Miene durch mitgebrachte Generatoren versorgt und nicht durch das hiesige Stromnetz. Es bestand also die Gefahr, dass sie nicht einmal bemerken würden, wenn es so weit war. Allerdings könnte er sich auch irren. Deswegen bat er Lanaa, sich zu erkundigen. Es dauerte nicht lange, bis sie wieder da war.
„Anscheinend fahren die hier zweigleisig. Einerseits benutzen sie irgendwelche Generatoren, andererseits haben sie sich an das vorhandene Stromnetz angeschlossen.“
„Okay, danke.“, sagte er nur. Damit war ein Teil seiner Befürchtungen hinfällig. Trotzdem gab es da noch das Problem, dass er vielleicht nicht rechtzeitig verschwinden könnte. Notfalls musste er die Leute und Lanaa in Sicherheit bringen und sich dann einen Weg nach draußen suchen.
Doch sie mussten zuerst einmal bis dahin kommen. Um aus der Höhle zu gelangen, mussten sie sich durch eine Öffnung zwängen, die knapp über Obi-Wans Kopfhöhe lag. Für ihn selbst und die Kinder würde das kein großes Hindernis darstellen. Etwas schwieriger würde es da schon für Lanaa und die anderen pavlinianischen Eingeborenen werden. Das Loch nach draußen war für ihn schon ein wenig eng, die anderen würden mehr Zeit brauchen, um ins Freie zu gelangen.
Vorsichtig näherte er sich dem Ausgang. Den Angaben der Leute zufolge kannten alle bis auf Lanaa den Weg zu den Tunneln. Dieser schien nicht besonders weit entfernt zu sein. Also musste er ihnen nur ein bisschen Zeit verschaffen.
Mit den Fingern suchte er Halt und zog sich hoch, sodass er nach draußen spähen konnte. Es waren zwar Wachen in der Nähe, aber sie befanden sich nicht auffällig nah an der Höhle. Also hatten sie sie noch nicht bemerkt. Es ließ sich wieder fallen und landete leichtfüßig. Lanaa trat an ihn heran.
„Sie sind noch immer in der Nähe. Ich werde sie ablenken.“, sagte er mit fester Stimme. Lanna nickte nur. Wieder eine Zustimmung ihrerseits. Entweder vertraute sie ihm langsam oder er war ihr egal, wenn er nicht wieder zurück käme.
„Du hast keine Waffe.“, sagte sie nach einer eingehenden Musterung.
„Ich werde keine brauchen, wenn alles so läuft, wie ich es mir vorstelle.“
Lanaa lachte auf. „Bei deinem Glück wirst du ein ganzes Waffenarsenal brauchen.“ Mit diesen Worten zog sie einen Dolch aus ihrem Stiefel. Der Griff war aus verziertem Holz und die Klinge glänzte.
„Kannst du mit sowas umgehen oder fuchtelt ihr in eurer Jedi-Schule nur mit diesen komischen Licht-Dingern herum?“ Obi-Wan musste grinsen. „Wir werden im Umgang mit vielen Waffen-Typen ausgebildet.“
„Seid Ihr...-“ setzte er an, doch sie warf ihm einen mörderischen Blick zu und er besann sich eines besseren. „Bist DU jetzt unbewaffnet?“
„Mach dir nicht ins Hemd, Kleiner. Du hast das normale Messer, ich die Vibro-Klinge.“
Wie sie beide Waffen verborgen hatte, nachdem sie gefangen und kontrolliert worden war, würde wohl ihr Geheimnis bleiben.
„Was hast du vor?“, fragte sie ihn.
„Ich werde ein bisschen Fangen spielen. Bring die Leute in die Tunnel. Ich komme nach.“ Er lächelte, aber in Wirklichkeit schlug ihm das Herz irgendwo hinter dem Kehlkopf.
„Ganz wie du meinst.“, war ihre knappe Antwort, bevor sie damit begann, die Leute in ihren Plan einzuweihen.
Obi-Wan verlor keine weitere Zeit, sondern steckte den Dolch in seinen Gürtel. Dann tauschte er einen letzten Blick mit Lanaa und machte sich auf den Weg.
Noch während er sich aus dem Loch zog, begann er damit, die Macht um sich zu sammeln. Wenn er sich auf sie verließ, würde ihm nichts passieren, dessen war er sich absolut sicher.
Als er sich endlich wieder unter freiem Himmel befand, spürte er die beruhigende Energie überall um sich herum. Zwar tobte in seinem Kopf noch ein wütender Schmerz, er war müde und hatte Hunger, aber das alles war unwichtig im Vergleich zu den Gefühlen der Stärke und Ruhe, die ihn erfüllten.
Rasch ging er in Deckung und sondierte die Lage. Dieser Moment der Ruhe gab bisher unterdrückter Nervosität in ihm die Gelegenheit, Überhand zu gewinnen.
„Vertraue dir und deinen Fähigkeiten.“, murmelte Obi-Wan vor sich hin. Qui Gon hatte das ständig zu ihm gesagt. „Ich vertraue mir selbst.“, sagte er bestimmt, wischte sich die feuchten Handflächen an der Hose ab und huschte geduckt zur nächsten Deckung.
Die Wachen waren in Zweier-Gruppen unterwegs. Er hatte ihr System, wenn man das denn so nennen durfte, durchschaut. Sie bewegten sich in Ellipsen über den Bereich, den sie zu bewachen oder zu durchsuchen hatten. Er zählte sechs von ihnen in seiner unmittelbaren Umgebung. Mit ein wenig Glück sollte er es schaffen.
Er hatte vor, sich gegenüber der Höhle, in der Lanaa und die Leute sich noch immer verbargen, zu zeigen. Anschließend würde er ein bisschen Katz und Maus spielen und dann, wenn alles glatt lief, zu den anderen stoßen.
Nach einiger Zeit war er in der richtigen Position. Lanaa beobachtete ihn sicher und wartete nur auf den richtigen Moment um los zu laufen.
Obi-Wan nahm noch einmal all seinen Mut zusammen und trat hinter dem Schrotthaufen hervor, hinter dem er sich bisher versteckt hatte. Ohne sich umzudrehen, begann er zu laufen.
Bei vielen Lebewesen reagierte das visuelle Wahrnehmungsvermögen vor allem auf Bewegungen, auch wenn sie nur im Augenwinkel passierten. Er musste sich also nicht umschauen, um zu wissen, dass sie ihn entdeckt hatten.
Wenn jemand weg rannte, erzeugte das immer einen verdächtigen Anschein. Sie würden ihn verfolgen.
Er lief an einer Unterkunft für die Wachleute vorbei, um eine Ecke und drückte sich dort gegen die Wand. Rufe erklangen. Er konnte hören, wie die Wachen zu rennen begannen. Niemand forderte über Funk Verstärkung an. Für sie war er einfach ein kleiner Sklavenjunge, mit dem man leicht fertig wurde. Als Jedi lernte man, den Gegner niemals nach seinem Aussehen zu beurteilen, denn die Augen konnten einen täuschen. Nur wäre es zu spät, wenn sie merken würden, dass sie ihn unterschätzt hatten.
Die Schritte kamen immer näher und zwar von zwei Seiten, wie er erwartet hatte. Obi-Wan versuchte, ruhig zu bleiben und wartete die quälenden Sekunden auf genau den richtigen Augenblick. Timing war in verfahrenen Situationen einfach alles.
Er sprang mit den Füßen voran hinter der Hauswand hervor, als die Wachen genau auf seiner Höhe waren. Der erste Whipide stolperte über seine Beine. Der andere konnte nicht mehr rechtzeitig bremsen und fiel über seinen Kollegen. Masse war eben doch nicht alles.
Obi-Wan sprang wieder auf die Füße, griff sich einen Blaster und lief los. Gerade, als er um die nächste Hausecke war, kündigte Stimmgewirr davon, dass die Wachen, die sich von der anderen Seite genähert hatten, eben auf die gestoßen waren, die er fluchend zurück gelassen hatte. Jetzt musste er schnell sein.
Mit drei sicheren Teilsprüngen gelang es ihm, über gestapelte Kisten auf das flache Dach zu gelangen. Er rollte ab und blieb einen Moment lang still liegen. Aufregung durchströmte ihn, als ihm klar wurde, dass er es tatsächlich geschafft hatte. Bis hierher zumindest.
Auf Knien und Ellenbogen kroch er, den Blaster im Anschlag, zum Rand des Daches und spähte vorsichtig über die Kante.
Nachdem die vier Whipiden und zwei Gammoreaner ein paar Mal ums Haus gelaufen waren und endlich begriffen, dass er nicht mehr da war, befanden sie sich genau da, wo er sie haben wollte: auf der höhlenabgewandten Seite des Hauses.
Ein kurzer Schulterblick zeigte ihm, dass Lanaa und die anderen es beinahe geschafft hatten. Also würde er sie noch ein wenig beschäftigen müssen.
Er legte den Blaster an, zielte genau und schoss mehrmals. Gleich darauf folgte der wütende Aufschrei eines Gamorreaners, als er sah, dass jemand die Schusswaffe in seiner Hand zu Klump geschossen hatte. Orientierungslos sahen sie sich um, doch niemand kam auf die Idee, einfach mal nach oben zu schauen. Er entwaffnete noch zwei von ihnen, bevor er den Blaster, den er benutzt hatte, unbrauchbar machte, indem er die Energiezelle entfernte und das Ganze anschließend in verschiedene Richtungen davon warf.
Dann krabbelte er zur anderen Seite des Daches und ließ sich geräuschlos zu Boden fallen. Anschließend lief er so schnell und unauffällig er konnte, zu der Stelle, an der er Lanaa das letzte Mal gesehen hatte.
Plötzlich zog ihn jemand aus vollem Lauf durch einen bisher verborgenen Eingang. Die Stahltür schlug zu und hüllte ihn in Dunkelheit, die in Wirklichkeit ein sehr schwaches Licht war, wie er kurz darauf erkannte. Sein keuchender Atem hallte von den Wänden wider.
„Du hast es tatsächlich geschafft.“, sagte die Person, die ihn immer noch am Kragen gepackt hatte. Er grinste nur und wischte sich mit dem Ärmel Schweiß von der Stirn.
„Du klingst überrascht. Die Macht war mit mir.“, sagte er nur.
Jemand flüsterte etwas und kurz darauf tauchten wenige Lampen ein wahres Labyrinth von Gängen in ein unheimliches, kaltes Licht.
Obi-Wan zog den Dolch aus seinem Gürtel und hielt ihn Lanaa hin.
„Ich hab ihn nicht gebraucht.“
„Behalt ihn. Vielleicht wirst du ihn ja noch brauchen.“
Sie hörten gedämpfte Schritte. Wachen waren in der Nähe.
„Wir verschwinden lieber von hier.“
„Wollte ich auch gerade vorschlagen.“, stimmte Lanaa zu.
Nachdem er sich vergewissert hatte, dass es Foche gut ging, führte eine Frau sie in einen Raum. Er war hell erleuchtet. Das Licht hier unten funktionierte noch.
Abrupt blieb er stehen, als er sah, dass sie nicht die ersten waren, die hier Zuflucht gesucht hatten. Lanaa lief in ihn hinein und fluchte unschön in ihrer Muttersprache.
Unglaubliche Erleichterung spülte über Obi-Wan hinweg, als er den einzelnen Mann erkannte, der da mit dem Rücken zur Tür im Zimmer stand.
„Meister.“
 
Fassungslosigkeit​

Er ging einen Schritt auf Qui Gon zu. Pure Erleichterung erfüllte jede noch so kleine Faser von Obi-Wans Körper. „Meister“, wiederholte er.
Erneut keine Reaktion. Doch das war nicht so wichtig, er hatte ihn gefunden. Endlich war er nicht mehr allein und das war ein äußerst beruhigendes Gefühl. Mit seinem Meister reduzierte sich die Gefahr, zu versagen auf ein Minimum. Ihrer weiteren Flucht würde nichts mehr im Wege stehen.
Wie von allein setze er sich in Bewegung, doch jemand hielt ihn zurück. Lanaa hatte ihn am Arm gepackt und beäugte den Mann am anderen Ende des Raums argwöhnisch.
„Warte, da stimmt etwas nicht.“, raunte sie ihm zu. Obi-Wan sah seinen Meister an. Was sollte schon nicht stimmen? Das da war eindeutig Qui Gon Jinn. Seine Aura pulsierte in der Macht, sie brannte förmlich. Aber nicht aus Freude oder Angst. Es war anders, irgendwie verwirrend.
Der Padawan machte sich jedoch nicht die Mühe, nach dem Ursprung dieses bisher unerkennbaren Gefühls zu suchen. Zu groß war die Wiedersehensfreude.
Er machte sich von Lanaa los und durchquerte den relativ großen Raum. Die Wände und der Boden waren ohne jede Verzierung, sondern bestanden nur aus nacktem Beton. Die Beleuchtung ging von Neonröhren aus, die grelles kaltes Licht gleichmäßig verteilten.
„Meister, Ihr werdet nicht glauben, wen ich getroffen habe, nachdem die Whipiden mich mitgenommen haben. Und dann habe ich diesen Comlink bekommen- wir waren in einer Höhle und die ganzen Menschen- Foches Bruder und die Wachen“, sprudelte es einfach so aus ihm heraus, bevor er merkte, dass er völlig ohne Zusammenhang daher redete. Deswegen klappte er den Mund schlichtweg wieder zu und schwieg.
Während er ohne zu zögern und mit einem Lächeln auf Qui Gon zuging, fiel ihm auf, dass der Jedi-Meister zwei Lichtschwerter am Gürtel trug. Wahrscheinlich war er an den Ort, an dem die Wachen sie gefangen hatten, zurückgekehrt nachdem man ihn frei gelassen hatte und hatte die beiden Waffen eingesammelt.
„Ich bin so froh, dass ich Euch gefunden habe. Sie beabsichtigen, den Strom ausschalten und dann müssen wir...- Wieso sagt Ihr denn gar nichts?“ Obi-Wan hatte damit gerechnet, dass der Angesprochene sich endlich umdrehen würde, dass er ihn endlich begrüßen würde und ihm sagte, dass alles gut werden würde. Doch nichts davon geschah. Stattdessen wirbelte Qui Gon herum, holte aus und schlug Obi-Wan mitten ins Gesicht.
Die Wucht des Schlages hatte den Jungen in die Knie gezwungen. Die Ohrfeige hallte in seinem Kopf wider. Er konnte sich weder bewegen, noch aufstehen. Er konnte nur fassungslos zu den Boden anstarren.
Erst dann schoss heißer Schmerz durch seine rechte Gesichtshälfte, die Haut brannte, sein Jochbein fühlte sich an, als wäre es zertrümmert worden. Tränen füllten seine Augen doch er erlaubte sich jetzt nicht, zu weinen. Nicht in so einer Situation.
Zum zweiten Mal auf dieser Mission war er geschlagen worden. Doch dieser Hieb verursachte mehr als körperlichen Schmerz. Der Padawan verstand schlichtweg die Welt nicht mehr.
Qui Gon hatte ihn noch nie geschlagen, körperliche Strafe war kein Mittel der Jedi-Erziehung. Und sein Meister war es, der Gewalt und ihre Anwendung immer so konsequent ablehnte, außer wenn es unumgänglich war.
Das konnte doch eben nicht wirklich passiert sein. Gleich würde er aufwachen und feststellen, dass alles nur ein böser Traum gewesen war. Doch die Schmerzen erinnerten ihn daran, dass das alles keine Einbildung war. Aber wieso sollte der Jedi-Meister so etwas tun? Obi-Wan hatte doch nichts falsch gemacht, oder? Und selbst wenn...-
„Meister, was-“, setzte er an, doch Qui Gons Ausdruck, als ihr Blick sich traf, ließ ihn verstummen. Sein Gesicht war eine Maske des Zorns. Wenn er es nicht mit eigenen Augen gesehen hätte, hätte er nicht geglaubt, denselben Mann vor sich zu haben, den er schon so lange kannte, er war nicht wieder zuerkennen.
Fassungslosigkeit ließ den Padawan erstarren und so wich er nicht zurück, als Qui Gon noch einmal ausholte.
Er ging erneut zu Boden. Es fühlte sich an, als würde sein Gehirn rotieren, so schwindlig war ihm. Er versuchte aufzustehen, doch ein gut gezielter Tritt beförderte ihn wieder in seine Ausgangsposition zurück. Erbärmlich hustend blieb er liegen, die Arme schützend vor dem Gesicht um eventuelle neue Angriffe abzuwehren. Er biss die Zähne zusammen. Die Rippenverletzung, die er sich bei seinem Kampf mit dem Nympah zugezogen hatte, meldete sich wieder. Er keuchte, jeder Atemzug schmerzte und ließ ihn blind werden für alles andere um ihn herum.
Die Leute, mit denen Obi-Wan gekommen war, hatten die beiden Jedi als Verbündete, sogar als Freunde kennen gelernt. Sie jetzt gegeneinander kämpfen zu sehen, verwirrte sie. Im nächsten Augenblick wurde ihre Verwirrung von Furcht abgewechselt. Kinder weinten, die Gruppe wich vor dem Jedi-Meister zurück, als er sich jetzt ihnen zu wandte und langsam auf sie zu kam.
Währenddessen verschwand bei Obi-Wan ganz langsam das Gefühl, sich übergeben zu müssen. Er kämpfte verbissen, um den Schmerz zu bekämpfen- um das Feuer, dass so zerstörerisch in seinen Lungen loderte, zu ersticken.
Um jeden Preis musste er verhindern, dass sein Meister diesen Menschen, irgendetwas antat.
Das Summen eines Lichtschwertes ließ ihn hoch schrecken. Verzweifelt versuchte er, Kraft aus der Macht zu schöpfen und richtete sich auf. Er sprang auf die Füße und lief durch den Raum. Dann griff er von hinten nach seinem Laserschwert an Qui Gons Gürtel.
Anschließend wich er einige Schritte zurück und aktivierte seine Waffe. Er hörte das Blut in seinen Ohren rauschen. Wie war es nur dazu gekommen, dass er und sein Meister sich mit gezogenen Schwertern gegenüber standen!?
„Lasst sie ihn Ruhe. Sie haben Euch nichts getan, Meister. Wenn Ihr unbedingt kämpfen wollt, dann bin ich Euer Gegner.“, sagte Obi-Wan leise. Seine Stimme war brüchig und er fühlte sich fiebrig. Seine eigene relativ schwache Erscheinung in der Macht stand im krassen Gegensatz zu dem lodernden Inferno, welches seinen Meister darstellte.
Die grüne Klinge kreuzte sich mit der blauen. Einmal, zweimal- schneller, als das menschliche Auge folgen konnte. Qui Gons Schläge regneten auf Obi-Wans Schwert nieder wie Blasterfeuer.
Mit Absicht ließ er sich zurück fallen, um so viel Abstand wie möglich zwischen den beiden Kämpfenden und der Gruppe zu schaffen.
„Bitte, Meister. Was macht Ihr denn? Ich bin es, Obi-Wan.“
Doch Qui Gon schien ihn nicht zu hören. Aus dem Augenwinkel sah er, das Lanaa die Truppe zusammen hielt und sich wappnete, sollte er versagen und Qui Gon sie erneut angreifen. Doch gegen den Jedi-Meister, der im vollen Besitz seiner Fähigkeiten war, hätte sie nicht den Hauch einer Chance gehabt, selbst wenn sie besser bewaffnet gewesen wäre, als mit einem Vibro-Messer.
Dieser Umstand ließ Obi-Wan neue Kraft schöpfen. Er hüllte sich in einen starken Machtkokon. Ihre Klingen kreuzten sich erneut. Qui Gon versuchte, nach unten abzuziehen. So würde er seinen Padawan am Oberschenkel verwunden. Dieser kannte diese Aktion jedoch und wendete sie mit einem anstrengenden Manöver ab. Ihre Schwerter verhakten sich.
Sie standen sich gegenüber. Jetzt würde er pure Kraft brauchen und er wusste, dass sein Meister ihm darin haushoch überlegen war. Er konzentrierte sich und stieß Qui Gon mit einem Macht-Schub von sich. Es waren nur ein paar Zentimeter, die der andere Mann zurück wich, aber wenigstens hatte Obi-Wan sich so etwas Luft machen können und einige Sekunden Zeit, um sich zu sammeln.
Rasch schätzte er seine Chancen ein. Sie standen mehr als schlecht. Während sein abwesend wirkender Meister vor Kraft nur so strotzte, fühlte er sich schwächer denn je.
Dazu kam, dass sie beide denselben Kampfstil hatten, wie es bei Meister und Padawan üblich war. Beide praktizierten die vierte Form des Lichtschwertkampfes, genannt „Ataru“. Jedi-Schüler im Tempel wurden in der ersten Form „Shii Cho“ ausgebildet. Es war der Grundstein ihrer weiteren Ausbildung.
Obi-Wan erinnerte sich nur zu gut, wie schwierig es für ihn gewesen war, Ataru von Qui Gon zu lernen. Er war sehr streng, wenn es um das Kampftraining ging. Seiner Meinung nach konnte kein Jedi es sich leisten, seine geistige oder seine körperliche Ausbildung schleifen zu lassen. Er strebte immer die Perfektion an, auch bei seinem Schüler.
Bei ihrem Kampf war voller Körpereinsatz von Nöten, was Obi-Wan in seiner augenblicklichen körperlichen Verfassung Probleme bereitete. Er konnte momentan weder die Schnelligkeit noch die Präzision noch die Kraft aufbringen, die Form IV verlangte. Normalerweise verließ ein Ataru-Kämpfer sich darauf, dass er seinen Gegner durch seinen Angriff überraschte und so das Duell schnell beendete. Die fast fehlende Defensive würde Obi-Wan aufgrund des Nichtvorhandenseins seiner physischen und psychischen Kräfte früher oder später zum Verhängnis werden, das wusste er.
Als er einem abwärts gerichteten Hieb auswich und Qui Gon einen Ausfallschritt machen musste, bedeutete er Lanaa, dass sie die Menschen unauffällig hier raus schaffen sollte.
„Meister, bitte. Ich weiß nicht, was mit Euch los ist, aber Ihr solltet endlich wieder aufwachen.“
Hitze, wie sie nur ein Lichtschwert ausgehen konnte, verbrannte seinen Oberarm. Nur einen winzigen Moment lang war er unachtsam gewesen. Seine Waffe fiel ihm aus der Hand, landete auf den Kontrollen und deaktivierte sich, als es sie quer durch den Raum schlitterte.
Sofort entfernte er sich so weit wie möglich von seinem Meister. Er stützte sich an einer Wand ab und suchte verzweifelt nach einer Lösung. Ein schneller Blick zeigte ihm, das Lanaa mittlerweile alle Leute aus dem Raum gebracht hatte. Nun stand sie an der Tür und wartete auf ihn.
„Schließ die Tür!“, rief Obi-Wan ihr zu, doch sie zögerte. Qui Gon drehte sich zu ihr um. Sie spannte sich an.
Der Padawan nutzte die kurze Ablenkung seines Meisters und konzentrierte sich auf seine Waffe. Quälend lange Sekunden verstrichen, bis er sein Laserschwert endlich wieder in der Hand hielt. Er aktivierte es und griff Qui Gon von hinten an. Dieser wehrte seinen schlecht gezielten und nicht wirklich ernst gemeinten Hieb mühelos ab. Statistische Lösungsmöglichkeiten schossen ihm reihenweise durch den Kopf, doch keine wollte zu dieser Situation passen. Niemand rechnete damit, dass ein Meister seinen Schüler angriff.
Es folgte ein weiterer Moment der Unachtsamkeit. Noch ein Zischen, als Stoff und die darunter liegende Haut von der Laserklinge verbrannt wurde. Abermals verlor Obi-Wan sein Lichtschwert, aber dieses Mal konnte er sich nicht schnell genug entfernen.
Ehe er sich versah, hatte Qui Gon ihn von hinten an der Kehle gepackt und hielt ihn fest.
Er kniff die Augen zusammen. Ein grünes Schimmern, das durch seine Augenlider drang, verriet ihm, dass die Klinge nur Zentimeter von seiner Kehle entfernt war.
„Meister, bitte...-“, brachte er hervor. Ein Geräusch ließ Qui Gon mitsamt seinem Padawan herum fahren. Lanaa war einen Schritt in den Raum gekommen. Sie hatte ihr Vibro-Messer gezückt und funkelte Qui Gon böse an. „Lasst ihn los.“
Die Hand um Obi-Wans Hals packte immer fester zu, er bekam langsam keine Luft mehr.
Plötzlich schoss ihm ein Bild seines Gürtels durch den Kopf. Daran hing kein Laserschwert mehr, aber dafür eine andere Waffe: Lanaas Dolch! Seine Hand wanderte zu seiner Hüfte und suchte den unvertrauten hölzernen Griff. Er bekam ihn zu fassen und beugte sich nach vorn, auch wenn er dadurch den Druck auf seinen Kehlkopf noch erhöhte.
Panik drohte, ihn zu überwältigen, deswegen riss er die Waffe hervor und stach damit hinter sich.
Obwohl Qui Gon keinen Ton von sich gab, spürte Obi-Wan, dass der Schmerz ihn so sehr ablenkte, dass er ihn schließlich losließ.
Erschöpft lief er zu seinem Schwert, hob es auf und setzte dann seinen Weg zur Tür fort. Lanaa wartete immer noch auf ihn.
„Lauf!“, rief er ihr zu und sie begann, die schwere Tür zu schließen. Er schaffte es gerade noch, durch den Spalt zu schlüpfen. Als die Tür ins Schloss fiel, sank Obi-Wan erschöpft zu Boden. Lanaa verriegelte die Tür. Die Leute waren als geschlossene Gruppe weiter den Flur entlang gewandert und warteten jetzt in einiger Entfernung auf sie.
„Hast du ihn umgebracht?“, fragte sie und nickte mit dem Kinn auf den blutigen Dolch, den der Padawan immer noch in der Hand hielt. Er schüttelte den Kopf.
„Die Wunde ist nicht tödlich. Er ist nur verletzt.“
Tatsächlich hatte er die Seite seines Meisters nur gestreift. Eine Fleischwunde, mehr konnte er nicht davon getragen haben.
Plötzlich begann jemand, von innen gegen die Tür zu schlagen.
„Sie ist dicht, da kommt er nicht durch.“, sagte Lanaa, doch in ihrer Stimme schwang nicht so viel Selbstsicherheit mit wie sonst.
„Sei dir da nicht so sicher. Er hat noch immer sein Laserschwert.“, erwiderte Obi-Wan und richtete sich mit schmerzverzerrtem Gesicht auf. Sie warf der Tür, hinter der jetzt wieder Stille herrschte, einen misstrauischen Blick zu.
„Du hast deins doch auch noch.“, sagte die Pavlinianerin.
„Ja, aber ich kann nicht mehr viel gegen ihn ausrichten, wenn er uns wieder angreift.“ Er wusste, dass die Laserwunden nicht bluteten, die Hitze hatte die Gefäße sofort verschlossen. Trotzdem tat es deswegen nicht weniger weh.
„Na ganz toll. Einfach großartig!“, fluchte Lanaa vor sich hin.
„Nicht umsonst bin ich der Schüler und er ist der Meister. Er würde wenig Probleme damit haben, mich zu töten und sich dann Eurer anzunehmen.“
„Kann er sich mit diesem Ding durch die Wand schneiden?“, fragte sie.
„Höchstwahrscheinlich ja.“
Wie auf Kommando tauchte die Spitze einer grünen Laserklinge aus dem massiven Durastahl der Tür auf. Sie wichen zurück.
„Ich verstehe das nicht. Was ist nur mit ihm los?“, fragte Obi-Wan verzweifelt.
„Ich denke, ich weiß es.“, setzte Lanaa an. Doch bevor sie weiter ausführen konnte, wurde es plötzlich dunkel.
„Der Strom. Sie haben ihn abgeschaltet.“, flüsterte Lanaa aufgeregt.
 
Klarheit​

Ängstliches Flüstern erfüllte den Gang. Obi-Wab kniff die Augen zusammen und öffnete sie dann wieder. Nein. Es lag nicht an ihm, es war wirklich dunkel. Lediglich ein fahles, giftgrünes Glimmen ging von dem Lichtschwert aus, das immer noch in der Tür steckte. Im nächsten Moment erstarb auch dieses.
Unbändige Angst ließ den Padawan verkrampfen. War Qui Gon etwa schon durchgekommen? Er hatte sich noch nicht wieder so weit erholt, dass er einen erneuten Schlagabtausch überstehen würde.
Die Dunkelheit war jetzt so vollkommen, dass Obi-Wan nicht einmal mehr Schatten erkennen konnte. Er konnte sich nicht erinnern, jemals solche Finsternis gesehen zu haben. Sie gab ihm das Gefühl, verloren zu sein.
Er spürte, wie Lanaa sich neben ihn hockte, doch er reagierte nicht. Die Gedanken schwirrten nur so durch seinen Kopf und hinderten ihn daran, klar zu denken.
„Wir müssen los. Du musst hier raus. Der Stromausfall wird nicht ewig dauern.“, flüsterte sie neben ihm.
„Nein.“, entgegnete er nur.
„Komm schon! Das hier kann doch nicht alles umsonst gewesen sein.“
Sie ließ nicht locker und wollte ihn auf die Beine ziehen, doch er wand sich aus ihrem Griff und setzte sich wieder auf den Boden. Einerseits war er schlichtweg nicht in der Lage, jetzt wegzulaufen, andererseits lauschte er angestrengt und versuchte, alle anderen Geräusche auszublenden.
Wenn Qui Gon sie wirklich verfolgen würde, wären sie nirgendwo vor ihm sicher. Lanaa gab ein Raunen von sich, das keinen Zweifel an ihrer Ungeduld ließ.
„Du musst endlich los.“, redete sie ihm erneut ins Gewissen.
„Nein! Versteh doch, ich kann jetzt nicht einfach so gehen, wenn ich nicht weiß, was mit ihm los ist.“
Jetzt wurde sie eindeutig wütend.
„Was bist du nur für ein Narr?! Lass den alten Mann zurück und rette die Leben der Menschen, die sich auf dich verlassen!“
Der Zorn, den sie zu verbergen versuchte, schwappte zu ihm hinüber. Ein vertrautes Gefühl für ihn. Wenn er an Lanaa dachte, kam ihm eindeutig Wut in den Sinn. Es passte zu ihr, wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge.
„Hör zu-“, setzte er wütend an und war froh, dass es dunkel war und Lanaa nicht sehen konnte, dass er das Gesicht verzog. Diese Verbrennungen waren tückisch.
„Qui Gon ist nicht nur irgendein Lehrer für mich. Er ist mein Mentor, mein Meister. Seit ich dreizehn bin, gehen wir Seite an Seite durchs Leben. Er bedeutet mir weitaus mehr, als du dir überhaupt vorstellen kannst.“
Er dachte an sein letztes Treffen mit Bant und Garen. Nach einem gemeinsamen Bad im See des Tempels hatten sie gemeinsam im Gras gelegen und sich unterhalten. Schnell war ihr Gespräch auf ihre jeweiligen Meister gekommen. Sie waren sich einig darüber gewesen, dass sie alle drei jeder Zeit ihr Leben opfern würden, wenn es um ihre Meister ginge. Natürlich hatte er Qui Gon nichts davon erzählt. Wahrscheinlich wäre er wütend über solche unüberlegten Aussprüche gewesen.
„Ich dachte, ihr Jedi seid so edel und dient einem höheren Zweck! Jetzt beweise es und tu endlich mal das Richtige!“, brauste Lanaa auf.
Doch Obi-Wan hatte ihr nicht zugehört. Das Gefühl, dass der Mann hinter der Duratstahltür in ihm auslöste, hatte sich verändert. Es war nicht länger ein bedrohliches Brennen in der Macht, das von Qui Gon ausging, sondern ein stetiges Glühen, welches seiner gewohnten Aura sehr nahe kam.
„Warte.“, flüsterte er Lanaa zu.
„Worauf!? Dass du endlich erwachsen wirst?“, schnaubte sie wütend.

Er hatte alles nur verschwommen gesehen im grünen Schein seines Lichtschwertes. Aber wieso hatte er versucht, diese Tür auf zu schneiden!? Verwirrung überkam ihn. Er trat einige Schritte zurück. Sein Schwert hatte er abgeschaltet, seitdem war es dunkel. Was war nur passiert?
Er erinnerte sich, das wusste er genau. Nur schien sein Denken momentan so langsam zu funktionieren, dass ihm einfach nicht einfallen wollte, worauf er sich so verzweifelt konzentrierte. Der Reihe nach.
Sie hatten ihn gefangen genommen, er erinnerte sich an die Elektrizität des Fangnetzes. Sie waren getrennt worden, er und Obi-Wan und Lanaa. Was war danach geschehen?
Vor seinem geistigen Auge sah er einen weißen Krankensaal. Sie hatten ihn versorgt. Die anderen beiden auch?
Ja. Er hatte seinen Padawan kurz gesehen. Aber da hatte er sich auch schon so seltsam gefühlt. Gar nicht wie er selbst. Was dann?!
Angestrengt dachte er nach.
Dann, nachdem er schon aufgeben wollte, fiel ihm plötzlich alles wieder ein. Wie in Zeitraffer sah er die Ereignisse seit seiner Gefangennahme.
Die Whipiden im Krankensaal. Sei hatten Obi-Wan mitgenommen.
Er selbst, wie er sich draußen auf dem Gelände in den Schlamm kniete, um nach den beiden verlorenen Laserschwertern zu suchen. Er erschrak, als ihm klar wurde, dass er die Waffe seines Schülers nicht aufgehoben hatte, um sie ihm zurückzugeben. Er hatte schlichtweg nicht gewollt, dass dieser gefährliche Junge sie jemals wieder in die Hände bekam.
Dann waren da diese anderen Sklaven gewesen. Sie hatten das Gelände zusammen mit den Wachen abgesucht, man hatte es ihnen befohlen, er war dabei gewesen. Doch im Gegensatz zu den Whipiden und Gamorreanern war er nicht so dumm gewesen, sich offen zu zeigen.
Der so vertraut wirkende Junge hatte dafür gesorgt, dass diese Menschen fliehen konnten. In die unterirdischen Systeme. Dann hatte er gewusst, wo sie hin wollten, denn er hatte das Denkmuster seines Schülers leicht nachvollziehen können. Ein sicheres Versteck zu suchen, war klug gewesen. Also hatte er sich auf einem anderen Weg hier herunter begeben und auf sie gewartet.
Von da an waren seine Erinnerungen nur noch eine Sequenz aus grünem und blauem Licht. Hatten sie etwa miteinander gekämpft?
Qui Gon riss die Augen auf, als er auf einmal wieder wusste, was passiert war. Deutlich sah er das ungläubige, verzweifelte Gesicht seines Padawans vor sich. Dann war es plötzlich schmerzverzerrt. Er selbst hatte ihn angegriffen, er hatte ihm weh getan.
Nein. Das konnte doch nicht wahr sein. Das durfte einfach nicht wahr sein. Fahrig griff er an seine Seite und zog die Hand vor sein Gesicht. Die Flüssigkeit und der typische Geruch waren auch in der Dunkelheit verräterisch. Es handelte sich um Blut.
Verzweifelt keuchte er auf. Was war mit Obi-Wan geschehen!? Ein ungewohntes Gefühl ergriff von ihm Besitz: Panik.
Er wusste nicht, ob Drogen seine Sinne vernebelt hatten und seine Erinnerungen der Realität entsprachen. Alles war so gewesen, als hätte er sich selbst durch ein Fenster beobachtet ohne jedoch aktiv in das Geschehen eingreifen zu können. Aber die Wunde an seiner Seite war doch der beste Beweis, dass es wahr war oder nicht?
Er brauchte eine gefühlte Ewigkeit, um sich wieder zu fassen.
Die Macht. Sie würde ihm dabei helfen, die ganze Sache zu verstehen. Er konzentrierte sich. Schnell fand er die Verbindung zu ihr- und er spürte seinen Padawan ganz in der Nähe!

„Obi-Wan?“, erklang es leise und gedämpft durch die Tür. Schlagartig ruckte sein Kopf zur Seite. Das war eindeutig Qui Gons Stimme gewesen.
„Meister?“, fragte er vorsichtig nach. Sein Atem beschleunigte sich. Sein Meister hatte bis zu diesem Zeitpunkt noch keinen Ton von sich gegeben. Möglicherweise war er ja wieder zu sich gekommen.
Er rappelte sich auf. Lanaa wollte ihn zurückhalten, doch er schüttelte sie ab und näherte sich weiter der Tür. Man konnte die Spannung, die in der Luft lag, beinahe mit den Händen greifen. Zittrig zog er sein Laserschwert und aktivierte es. Als der blaue Lichtkegel unwirkliche Schatten auf die Angst erfüllten Gesichter um ihn herum warf, spürte er, wie sein Meister ihren gemeinsamen Kanal öffnete und so ihre Verbindung wieder herstellte.
Bevor Qui Gon abgesetzt hatte, war es ihm gelungen, einen schmalen Spalt in die dicke Tür zu schneiden. Das Metall war unter der extremen Hitze geschmolzen und hatte sich nach innen gebogen.
Nach einem kurzen Moment des Misstrauens deaktivierte Obi-Wan sein Schwert wieder, tastete im Dunkeln nach dem Hebel an der Tür und entriegelte sie.
„Bist du wahnsinnig geworden!?“, zischte Lanaa ihm zu.
„Es ist in Ordnung.“, sagte er schlicht.
Kurz darauf wurde die Szenerie wieder in bläuliches Licht getaucht, während Obi-Wan sich erschöpft an die Wand lehnte.

Der erste Eindruck von seinem Padawan war schockierend für Qui Gon. Noch viel schockierender war jedoch die Tatsache, dass er für den Zustand seines Schülers verantwortlich war. Sein Blick wanderte zu Lanaa, die sich mit gezücktem Dolch schützend vor der kleinen Gruppe, die sie und Obi-Wan begleiteten, aufgebaut hatte.
„Wartet. Was immer es war. Es ist vorbei, denke ich. Ich werde euch allen nichts tun.“
„Meister-“ Die Stimme seines Padawans klang verzweifelt. Er brach ab, konnte nicht weiter sprechen. Die Erleichterung, die von ihm ab fiel, war ganz deutlich zu spüren.
„Ich...ich weiß nicht genau, was passiert ist, aber ich-“, setzte Qui Gon an.
Ein Schluchzen unterbrach ihn. Weinte der Junge etwa? Es war schwer auszumachen in dem schwachen Licht.
„Obi-Wan, was...-“ Der Padawan schniefte ein paar Mal und riss sich dann wieder zusammen. Fahrig wischte er sich über die Augen.
„Nichts. Es ist nur...“ Er seufzte. „Ich bin nur so unbeschreiblich froh darüber, dass Ihr nicht mehr versucht, mich umzubringen.“
Nichts Anklagendes hatte in seiner Stimme gelegen und doch stiegen Schuldgefühle in dem Jedi-Meister hoch, die ihresgleichen suchten.
Wie von unsichtbaren Fäden gezogen trat Qui Gon an Obi-Wan heran. Dieser zuckte zurück, doch er ignorierte es, auch wenn die Reaktion ein schmerzhaftes Ziehen hinter seinem Herzen zur Folge hatte. Mit einem Finger hob er das Kinn des Jüngeren an, sodass dieser ihm ins Gesicht blicken musste. Er registrierte die deutliche Schwellung über dem Jochbein, die aufgeplatzte Unterlippe, die seitlastige Haltung, die durch die alte Verletzung an den Rippen hervorgerufen wurde. Vorsichtig schob er den versengten Stoff zur Seite. Die darunter liegende Wunde war durch sein Lichtschwert entstanden.
Er schluckte schwer und besah sich auch die zweite Laserwunde. Die Verletzung war nicht annähernd so tief, wie die am Oberarm, aber deswegen nicht weniger schmerzhaft. Eine typische Schlitzwunde, wenn einer der Kämpfer weit ausholte und der andere im letzten Augenblick zurückwich. Offenbar war der jüngere Jedi ein wenig zu langsam gewesen.
Geduldig ließ Obi-Wan die oberflächliche Untersuchung seines Meisters über sich ergehen. Tausend Fragen gingen ihm durch den Kopf, doch keine einzige fand den Weg über seine Lippen.
Er hob den Blick. Sein Meister schaute ihm tief in die Augen.
„Ich schwöre, dass ich mir nicht erklären kann, wieso ich das getan habe.“, sagte er ehrlich. Gerade als Obi-Wan den Mund öffnen wollte um zu antworten, mischte sich Lanaa ein.
„Das können wir alles später klären. Am besten, Ihr haltet Euch von uns fern. Besonders dann, wenn der Strom wieder angehen sollte.“ Obi-Wan drehte sich halb zu ihr.
„Hast du etwa eine Ahnung, wieso er sich so verhalten hat?!“
Qui Gon war einen Moment lang überrascht von der Tatsache, dass sein Schüler Lanaa duzte. Zwischen den beiden musste eine Menge passiert sein. Ihre Beziehung hatte sich verändert, das fühlte er.
Auf Obi-Wans Frage hin machte die Pavlinianerin einen zerknirschten Eindruck.
„Ja, ich denke, ich weiß es.“, sagte sie.
„Wie lange schon?“, fragte der Padawan.
Sie trat von einem Fuß auf den anderen.
„Seit wir gefangen genommen worden sind. Der Anführer der Gruppe hat mir davon erzählt, nachdem ich zu ihnen gestoßen bin. Sein Sohn ist ebenfalls betroffen.“
„Was!? So lange schon und du hast mir nichts gesagt?“
„Ich hielt es nicht für wichtig.“, entgegnete sie mit einem Schulterzucken.
„Nicht wichtig? Für mich ist es schon von Bedeutung, wenn mein Meister versucht, mich zu töten!“
„Du hast jetzt erstmal Wichtigeres zu tun! Denk an die Menschen hier! Du musst den Plan durchziehen!“
„Welchen Plan?“, erlaubte Qui Gon sich, einzuwerfen.
In aller Kürze erklärte Obi-Wan ihm, was sie vor hatten. Nachdem er geendet hatte, fiel ihm auf, wie intensiv die Schuldgefühle waren, die Lanaa momentan beherrschten.
„Ich gehe nirgendwo hin, bevor du mir die Sache nicht erklärt hast.“ Er funkelte sie an, sie starrte zurück.
„Na schön! Aber wenn wegen dir irgendwas schief geht, kannst du was erleben!“, knurrte sie. Obi-Wan nahm die leere Drohung schweigend hin und versuchte, den Druckschmerz in seiner Seite weg zu atmen, während er darauf wartete, dass sie anfing.
„Als ich zu den anderen zurück kam, sahen wir den Jedi-“, sie ruckte mit dem Kopf zu Qui Gon- „in eine andere Richtung laufen. Sie erzählten mir, dass er sich seltsam benommen hatte. Das und die Beobachtung, die ich während unserer Gefangennahme gemacht habe, ließen mir keinen Zweifel: Er wurde gechipt.“
Sie machte eine Pause.
„Das schockt mich irgendwie nicht, Lanaa. Was hat das zu bedeuten?“, fragte Obi-Wan.
Qui Gon fuhr sich in den Nacken. Er erinnerte sich daran, dass ein kaum wahrzunehmendes Geschoss ihn getroffen hatte. Mittlerweile war die Haut an dieser Stelle ein wenig geschwollen und entzündet. Beinahe so wie nach einem Insektenstich oder als würde sein Körper...einen Fremdkörper abstoßen.
„Ich werde kontrolliert, oder?“, fragte er.
Obi-Wan sah ihn verständnislos an, doch Lanaa nickte.
„Der Chip, der in Euren Nacken implantiert wurde, ist von der pavlinianischen Regierung entwickelt worden. Das, was Ihr da in Euch tragt, sind die Ergebnisse der neuesten Forschung. Ursprünglich wollten wir damit Raubtiere wie Nympah oder Latox kontrollierbar machen.“, sagte sie.
„Wie ist die Handelsförderation dann dazu gekommen?“, warf Obi-Wan ein.
„Ich weiß es nicht. Dass sie es benutzen, kann nur bedeuten, dass sie es uns gestohlen haben.“
Obi-Wan nickte, doch er hätte seine rechte Hand darauf verwettet, dass Königin Tylaa es einfach an den Meistbietenden verkauft hatte.
„Wie bringt dieser Chip mich dazu, grundlos gewalttätig gegenüber Menschen zu werden, die sonst Vertraute für mich sind?“, fragte Qui Gon.
„Wir haben modernste Bio-Technologie verwendet. Die äußeren Membranen des kleinen Senders verbinden sich mit dem Nervensystem. Dort übernehmen sie dann die Kontrolle über den Wirt und können beliebig gesteuert werden. Eigentlich hatten wir die Chips so programmiert, dass die Tiere, die ihn tragen, ruhiger werden. Sie müssen ihn modifiziert haben. Ihr solltet nur elementare Gefühle empfinden und fügsam sein. Bei euch haben sie den Schalter anscheinend auf 'Wut' gestellt.“, erklärte sie.
„Wie kann ich ihn wieder loswerden?“
„Nur operativ.“
„Und bis dahin?“
„Wir hatten Glück, dass der Strom ausgefallen ist. Die Steuerung der Chips erfolgte bei uns über einen zentralen Hauptcomputer. Da sie es von uns haben, nehme ich an, dass es jetzt nicht anders ist.“
„Also bin ich nur nicht mehr aggressiv, weil die Energieversorgung ausgefallen ist.“, schlussfolgerte Qui Gon. Lanaa nickte erneut.
„Sie haben keine Batterien. Funktioniert der Strom nicht, funktioniert Euer Chip nicht.“
„Was ist, wenn der Strom wieder anspringt?“, fragte Obi-Wan und erschrak furchtbar, als im nächsten Moment genau das geschah.
Zuerst hörte er nur ein dunkles Brummen in den Leitungen über ihren Köpfen. Dann flackerten die Lampen.
Er sah, wie Qui Gon die Hände zu Fäusten ballte.
 
Abschied​

Er wirbelte zu Lanaa und den Leuten herum. Sein Blick fiel auf die kleine Foche, die sich panisch an eine Frau zu ihrer Rechten klammerte und an das Versprechen, das er ihrem Bruder gegeben hatte. Wenn der Strom jetzt wieder dauerhaft funktionierte, würde er es vielleicht nicht halten können. In den Augen der Kleinen sah er pure Angst. Auch wenn das Mädchen nicht genau wusste was los war, so spürte sie doch die Gefahr die ihr drohte.
„Lauft!“, rief er Lanaa zu, die sich schleunigst daran machte, alle irgendwie außer Reichweite zu bringen. Er selbst blieb, wo er war. Dann tauschte er einen letzten Blick mit ihr. Fast erleichtert registrierte er, dass ihre Wut verschwunden war. Stattdessen überlegte sie, ihm zur Hilfe zu kommen. Natürlich konnte sie sich ausrechnen wie lange ein erneuter Kampf zwischen ihm und seinem Meister dauern würde, bevor er sein Leben verlieren würde.
„Nein! Denk nicht mal dran! Dreh dich um und lauf! Nun mach schon!“ Er war selbst überrascht, wie viel Autorität in seiner Stimme mit schwang. Sie schien noch einmal kurz mit sich zu hadern, dann drehte sie sich um und verschwand endgültig.
Obi-Wan wandte sich wieder zu Qui Gon um. „Meister?“, fragte er vorsichtig nach. Sein Lichtschwert lag fest in seiner Hand. Noch flackerte die Aura seines Gegenübers wie eine Fackel im Sturm, so als würde er gegen die Kontrolle durch den Chip ankämpfen.
Jetzt konnte er nur abwarten und darauf hoffen, dass Qui Gon diesen Kampf gegen sich selbst gewinnen würde. Sein Blick fiel auf dessen Gürtel. Dort hing zu seinem Entsetzen immer noch seine Waffe. Innerlich fluchte er, denn er war nachlässig gewesen. Wieso hatte er auch nicht daran gedacht, das Laserschwert an sich zu nehmen? Nun würde dieser Fehler ihn womöglich das Leben kosten.
„Egal was passiert oder Ihr Euch entscheidet zu tun, Meister, ich werde Euch weder töten noch absichtlich schwer verletzen. Wenn Ihr im Gegenzug mein Leben fordert, dann soll es so sein.“
Seine Unterlippe zitterte. Er biss sich darauf, um es zu stoppen.
„Aber bitte versucht, Euch dagegen zu wehren. Ich möchte nicht, dass es zum Äußersten kommt und ich weiß, dass Ihr das auch nicht wollt.“
Gerade, als Qui Gon sich umdrehte und in der Bewegung nach seiner Waffe griff, wurde es von einer Sekunde auf die andere dunkel.
Er schob den Ärger, weil seine Augen sich gerade erst wieder an das Licht gewöhnt hatten und er jetzt schon wieder nichts sehen konnte, beiseite. Er durfte sich nicht auf das Negative konzentrieren. So schnell seine Verletzungen es ihm erlaubten, näherte er sich Qui Gon. Sie waren im Geiste noch miteinander verbunden, deswegen wusste Obi-Wan auch, dass er gefahrlos näher kommen konnte.
Der ältere Jedi wirkte vollkommen verwirrt. Im Schimmer seines Lichtschwertes erkannte der Padawan ein ungewohntes Gefühl auf dem Antlitz seines Meisters. Er hatte Angst- Angst vor sich selbst.

Innerhalb von Sekunden fällte Qui Gon eine Entscheidung. Damit hatte er sich noch nie so schwer getan, wie sein Padawan, der alles erst noch einmal gründlich durchdachte, bevor er einen endgültigen Schritt wagte. Er selbst hatte sich immer schon auf seine Gefühle und die Macht verlassen.
Jetzt hatte Entschlossenheit die Züge des Jungen verhärtet, als er Qui Gon die Hand entgegen streckte.
„Gebt mir bitte Euer Lichtschwert, Meister. Es ist zu gefährlich, wenn Ihr es behaltet.“, sagte er ruhig.
Während Qui Gon seiner Aufforderung unverzüglich nach kam, spürte er, wie Stolz und Bewunderung ihn erfüllten. In der relativ kurzen Zeit, die sein Schüler auf sich allein gestellt gewesen war, hatte er sich enorm entwickelt. Er wirkte längst nicht mehr so unsicher wie früher. Das war sehr gut, denn es verbesserte die Chance, dass der Plan gelingen würde, um ein Vielfaches. Fest sah er seinem Schüler nun in die Augen.
„Hör mir jetzt gut zu. Sie haben anscheinend Probleme, die Generatoren wieder zum Laufen zu bringen. Es ist fraglich, wann die Energieversorgung wieder hundertprozentig stehen wird. Ich möchte, dass du mich hier einsperrst. Verriegle die Tür gut, hast du gehört? Dann werde ich eine Weile brauchen um mich zu befreien, vielleicht werde ich es auch gar nicht schaffen.“, sagte er und versuchte dabei, seine Stimme so ruhig wie möglich klingen zu lassen.
„Aber ich kann Euch nicht einfach so hier zurück lassen!“, protestierte Obi-Wan.
„Das wirst du müssen. Von dir hängt viel ab.“
„Aber Ihr...-“
„Ich wäre im Augenblick eine größere Gefahr für dich und die anderen als dass ich euch helfen könnte. Ich werde um jeden Preis verhindern, dass es zum Äußersten kommt, wie du es ausgedrückt hast, und ich dir noch mehr antue.“
„Aber...-“, setzte Obi-Wan an.
„Nein! Ich könnte es mir niemals verzeihen! Wenn der Strom angeht, ist es, als würde mein Geist meinen Körper auf Standby schalten und mit Autopilot weiterlaufen. Ich kann es nicht beeinflussen, egal wie sehr ich mich anstrenge.“ Er machte eine kurze Pause. „Ich möchte, dass du euer Vorhaben genau so in die Tat umsetzt, wie du es mir geschildert hast.“
Gerade, als Obi-Wan Luft holte, um ihm zu widersprechen, hob Qui Gon den Finger.
„Warum sollte man einen guten Plan verwerfen, nur weil sich die Umstände geändert haben? Deine Worte, Padawan. In ihnen liegt viel Weisheit, jetzt handle auch danach.“, sagte er und begab sich in den Raum, in den Obi-Wan ihn schon vor wenigen Minuten eingeschlossen hatte.
„Aber das ist etwas vollkommen Anderes.“, wandte der Padawan ein.
„Nein, es ist genau dasselbe, Obi-Wan. Wieso sollte es etwas Anderes sein? Weil ich ein Meister bin und du ein Padawan?“ Er lachte auf.
„Du solltest mich gut genug kennen, um zu wissen, dass ich dich und deine Meinung respektiere.“
„Das tue ich ja auch, aber...-“, setzte der Junge erneut an, doch Qui Gon schüttelte nur den Kopf.
„Ich möchte, dass du das tust.“, sagte er fest.
Es dauerte einige Momente, doch dann spürte der Jedi-Meister, wie Obi-Wans Trotz verflog und Vernunft an dessen Stelle trat. Der Junge hatte dennoch Angst. Ihm ging es nicht anders.
„Du wirst es gut machen, das weiß ich. Pass bitte auf dich auf.“ Er lächelte. „Wir sehen uns bald wieder.“, fügte er noch hinzu.
„Und was, wenn nicht?“, fragte sein Schüler offenbar nicht wirklich überzeugt.
„Dann sehen wir uns trotzdem wieder- irgendwann.“, antwortete er mit einem unergründlichem Gesichtsausdruck. Und das würden sie, dessen war Qui Gon sich sicher. Die Macht hatte sie zusammen geführt und ihre Schicksale eng miteinander verwoben. Sie würden sich immer wieder sehen.
Eine scheinbare Ewigkeit lang blickten sie sich an.
„Ich weiß, du kannst es schaffen. Und jetzt geh. Möge die Macht mit dir sein.“ Damit trat er weiter in den Raum zurück und drehte sich von der Tür weg. Er hörte noch ein „Möge die Macht mit Euch sein, Meister.“, bevor er die Augen schloss und sich in eine Meditation versenkte.

Es war zwar ein Abschied, aber keiner für immer. Das redete der Padawan sich zumindest so lange ein, bis er selbst daran glaubte. Ohne weiterhin Zeit zu verlieren, schloss er die schwere Tür und verriegelte sie gründlich. Anschließend besah er sich noch einmal kurz seine Wunden und nahm Erstversorgungen vor. Als er fertig war, befestigte er Qui Gons Lichtschwert an seinem Gürtel und legte ein letztes Mal seine Hand auf die Tür hinter der sein Meister fest saß. Danach rannte er los, um Lanaa zu suchen.
Als er um die nächste Ecke schoss, sah er plötzlich eine Vibroklinge auf sein Gesicht zu rasen. Er hatte Glück, dass seine Reflexe ihn nicht im Stich ließen. Im Bruchteil einer Sekunde war er abgerollt und wieder auf die Füße gekommen. Die gefährliche Waffe hatte ihn nur knapp verfehlt.
„Bist du übergeschnappt?“, fragte er Lanaa außer sich. Sein Herz schlug immer noch, als wäre er gerade einen Marathon gelaufen. Die Angesprochene zuckte mit den Schultern und spähte aufmerksam hinter ihn.
„T´schuldigung. Kann ja keiner ahnen, ob dein Papa-Ersatz dich zu Hackfleisch verarbeitet hat und jetzt auf der Suche nach einem Nachtisch ist.“
Auch, wenn sie locker tat. Ihr Irrtum schien ihr doch irgendwie Leid zu tun.
Der Padawan holte seinen Comlink hervor und versuchte, mit Foches Bruder Kontakt aufzunehmen. Doch nachdem es ein paar Mal in der Leitung geknackt hatte, herrschte endgültige Funkstille.
„Mist!“, knurrte Obi-Wan zwischen zusammen gebissenen Zähnen.
„Oh, was für ein ausgefallenes Schimpfwort! Hättest du jetzt wohl freundlicherweise die Güte, mich darüber aufzuklären wie es weitergehen soll?!“, murrte Lanaa.
„Wir ziehen es genauso durch, wie geplant. Ich werde mit Hilfe zurückkehren und dich, meinen Meister und die Sklaven hier raus holen. Ich verspreche es.“
„Wenigstens eine gute Nachricht: du gehst endlich! Und was ist mit deinem Zwilling? Der wird doch versuchen, uns alle zu lynchen, wenn sie die Energieversorgung wieder in Gang bekommen, oder? Und das werden sie. Du wirst nicht nur ein paar Stunden weg sein, sondern ein paar Tage.“
Obi-Wan schluckte schwer. Das würde alles noch furchtbar schwierig werden.
„Er ist eingesperrt und wird es sehr schwer haben, sich zu befreien. Versteckt euch und ihr werdet sicher sein, bis ich wieder zurück bin.“
„Du hast ihn nur eingesperrt?“, fuhr Lanaa auf. „Wo ihr Jedi doch mit euren Gedankentricks nahezu jeden Schloss öffnen könnt!“
„Dazu muss man eine ruhige und tiefe Verbindung mit der Macht haben und die hat Qui Gon nicht, so lange Wut das vorherrschende Gefühl in ihm ist.“ Lanaa zog eine Grimasse. „Was hätte ich bitteschön tun sollen? Ihn töten!?“, grummelte der Padawan.
„Nicht gleich so radikal. Es hätte ja schon ausgereicht, wenn du ihm die ein oder andere Gliedmaße abgehackt hättest, damit er uns nicht mehr so schnell hinterher laufen kann!“, schnappte die Pavlinianerin.
„Ich hoffe, das war einer deiner schlechten Scherze.“ Er hielt sein Schwert wie eine Fackel hoch und suchte Foche unter den Anwesenden.
Er kniete sich vor sie. „Ich muss jetzt gehen. Lanaa wird weiterhin auf dich aufpassen.“ Er sah die stumme Frage in ihren Augen. „Ich werde deinen Bruder ganz bestimmt finden.“, sagte er zu ihr, lächelte so aufmunternd er konnte und wandte sich dann noch einmal Lanaa zu.
„Noch irgendwelche Unklarheiten?“, fragte er.
„Ja. Findest du den Weg allein?“
Obi-Wan grinste, obwohl ihm nicht danach zumute war.
„Du unterschätzt uns immer noch, nicht wahr? Außer meinem recht guten Orientierungssinn wird mich die Macht leiten. Das mag für dich nicht nachvollziehbar sein, aber sei dir sicher, dass ich mir sicher bin.“ Er wandte sich ab.
„Warte.“ Er drehte sich um. „Viel Glück. Und pass auf. Nicht, dass wir hier noch fest sitzen, wenn du drauf gehst. Ich werde zu den Göttern beten, dass die Nympah dich nicht finden, solltest du es bis in den Dschungel schaffen.“
Der Jedi hörte an ihrer Stimme, dass sie nicht wirklich gläubig war. Aber verzweifelte Menschen taten verzweifelte Dinge.
„Wir sehen uns.“, sagte er nur, drehte sich auf dem Absatz um und lief den Weg zurück den er gekommen war. Vorbei an Qui Gons Gefängnis bis hin zu der verborgenen Tür. An dieser Stelle kannte er sich am besten aus und würde so die besten Chancen haben.
Als er nach draußen schlüpfte, beschleunigte sich sein Puls. Die Sonne war nach ewigen Zeiten endlich untergegangen. Die Dunkelheit würde ihm die Deckung geben, die er dringend benötigte. Er hockte sich hin und kontrollierte ein letztes Mal den Sitz der beiden Lichtschwerter an seinem Gürtel. Er spürte ein Stechen in der Brust. Zwar wusste er, dass er das Richtige tat, aber ein Teil von ihm wollte nichts anderes, als hier bleiben und seinem Meister zur Seite stehen. Er verdrängte das Bedürfnis. Dann versuchte er erneut, Funkkontakt zu Foches Bruder herzustellen. Vielleicht war der Empfang hier oben ja besser.
Zuerst hörte er nichts weiter, als ein typisches Rauschen. Dann kündigte ein Klicken an, dass jemand das Gespräch angenommen hatte. Er wollte schon etwas sagen, als ein heiseres Lachen vom anderen Ende der Leitung erklang. Jemand sprach etwas in einer fremden, aber ihm keineswegs unbekannten Sprache. Die Worte ließen ihm das Blut in den Adern gefrieren. Das waren eindeutig Whipiden.
„Welche schleimige Ausgeburt von einem Sklaven ist da?“, knurrte eine tiefe Stimme. Obi-Wan schwieg. Er hätte gar nichts sagen können, selbst wenn er gewollte hätte.
Wenn diese Wachen diesen Comlink hatten, dann mussten Foches Bruder und die Gruppe, die er bei sich gehabt hatte, entweder in Gefangenschaft geraten sein oder ihnen war etwas zugestoßen.
„Ich weiß, dass du mich hören kannst. Und da ich annehme, dass du der Anführer dieser kleinen wirkungslosen und unbedeutenden Sabotage-Rebellion bist, würde ich vorschlagen, dass du hier herkommst und dich stellst. Sonst sehe ich mich gezwungen, andere Seiten aufzuziehen. Ich hoffe, wir haben uns verstanden.“
Wieder sagte Obi-Wan nichts, doch sein Hirn arbeitete dafür auf Hochtouren. Plötzlich ertönte eine andere, ihm bekannte Stimme durch das kleine Gerät in seiner Hand. „Nein, tu es nicht! Hast du gehört!? Du kannst nicht...-“ Er keuchte auf. Foches Bruder.
„Wenn du nicht in nächster Zeit hier auftauchst, wird dein kleiner Freund hier meine nächste Mahlzeit!“, knurrte der Whipide. Dann wurde die Verbindung unterbrochen.
Zurück blieb ein ratloser und geschockter Padawan-Schüler. Er biss sich auf die Lippe. Diese ganze Sache wurde von Minute zu Minute verworrener und komplizierter.
Schließlich machte er sich in die Richtung auf, in der er das Hauptenergierversorgungszentrum vermutete. Egal wie er es drehte und wendete. Sie alle hatten ihr Leben für ihn riskiert, er konnte sie nicht einfach so im Stich lassen. Zwar würde er genau in eine Falle tappen, aber es war immer gut, diesen Umstand vorher zu kennen und es bewusst zu tun. Das konnte einen klaren Nachteil schnell in einen Vorteil verwandeln.
„Beruhige dich. Atmen.“, murmelte er während er mit den Schatten verschmolz und schon bald ein Gebäude in Sicht kam, welches sich bei näherer Betrachtung als sein Ziel herausstellte.
Er dachte an Qui Gons Worte.
~Denk nach. Was tut dein Gegner? Mit welchem Ziel tut er es? Wie musst du reagieren, um dein eigenes zu erreichen? Was ist am sinnvollsten? Wäge die Risiken ab. Entscheide. Und dann tu es.~
Sie wollten nicht explizit ihn schnappen, sondern nur den vermeidlichen Anführer einer vermeidlichen Rebellion. Mit einem bewaffneten Jedi würden sie weder rechnen, noch würden sie eine Chance gegen ihn haben, wenn er mit Bedacht zuschlug.
Er hatte keine Ahnung, wie viele Gegner ihn erwarteten, aber ein Gebäude, das mit so viel Elektronik voll gestopft war, war meistens verwinkelt und unübersichtlich. Wenn er Glück hatte, würden die Whipiden den Behauptungen über ihre Rasse alle Ehre machen und sich gnadenlos überschätzen während sie ihn unterschätzten. Mit der entsprechenden Konzentration und einer gehörigen Portion Glück würde er es vielleicht schaffen, seine Freunde zu befreien, sie in Sicherheit zu bringen und dann von diesem Komplex zu verschwinden.
Durch ein angeklapptes Fenster brach er leise und schnell in den riesigen Betonklotz ein und schlich über einen Flur. Nach einer Weile hörte er Stimmen. Er spähte durch einen Spalt in der Tür. Was er sah, ließ ihm den Atem stocken.
 
Teilsieg​


Durch den Spalt in der Tür sah er die Leichen von Foches Bruder und den Einheimischen, die bei ihm gewesen waren.
Auf den ersten Blick sah der Raum aus wie ein altes Lager. Improvisierte Fackeln warfen ein schwaches Licht auf diesen Ort, der mehr einem Schlachthaus glich als allem anderen.
Er ballte die Hände zu Fäusten. Sie zitterten. Alle Vorsicht war vergessen und er betrat den Raum. Der Übelkeit erregende Geruch von Blut lag in der feuchten Luft und machte es noch unerträglicher, sie zu atmen.
Viele der Menschen waren einfach erschossen worden, doch andere waren den scharfen Klauen der Whipiden zum Opfer gefallen. Ihr Blut hatte Pfützen auf dem Boden gebildet. Nur ihre verzerrten Gesichter zeugten davon, wie große Schmerzen sie vor ihrem Tod ertragen hatten.
Behutsam hockte er sich neben den leblosen Körper von Foches Bruder, die Lippen fest aufeinander gepresst um sich nicht übergeben zu müssen. Er war einer derjenigen, die nicht das Glück gehabt hatten, durch einen sauberen Schuss ihr Leben zu verlieren.
Zögernd berührte er seine Hand, die fast schon entspannt auf dem schmutzigen Boden ruhte. Sie war bereits eiskalt. Also musste er schon eine ganze Weile tot sein. Obi-Wan erstarrte. War er schuld an ihrer aller Tod? War er nicht früh genug hier gewesen? Hatten die Whipiden bemerkt, dass er nicht vorgehabt hatte, in ihre Falle zu tappen?
Quälende Schuldgefühle verwandelten sich in Selbsthass und wieder zurück. Wie sollte er Foche nur beibringen, dass er es nicht geschafft hatte, ihren Bruder zu retten? Und wie sollte er es jemals wieder wagen, seinem Meister mit dem Wissen, dieses Massaker verschuldet zu haben, unter die Augen zu treten?
Er starrte auf die Leichte vor sich. Zu etwas anderem war er im Moment nicht in der Lage. Zuerst empfand er nichts. Da war nur eine unerklärliche Leere in ihm, die er bisher erst wenige Male gespürt hatte. Dann war da ein ungläubiges Entsetzen, dass sich schließlich in Zorn verwandelte, wie er ihn noch niemals so intensiv in seinem Leben gefühlt hatte.
Egal was er auch versuchte, er kam einfach nicht über ihn hinweg. Einige Augenblicke lang befand er sich in einer wütenden Ohnmacht, der er nicht entkommen konnte. Als Jedi sollte er aber dazu in der Lage sein! Dieses Wissen steigerte die emotionale Zwickmühle noch, in der er sich befand.
Es wäre so einfach gewesen, sich den Flur hinunter zu schleichen und diese grausamen Kreaturen dafür zu bestrafen, was sie Unschuldigen angetan hatten. Er sah sich vor seinem inneren Auge selbst, mit vor Hass verzerrtem Gesicht vor den Wachen, vor seinen Opfern stehen. Sein blaues Lichtschwert lag in der einen, das grüne seines Meisters in seiner anderen Hand. Es wäre nur gerecht, sie wie Tiere ab zu schlachten. Genau wie sie es getan hatten. Sie hatten es eindeutig verdient, keine moralisch denkende Kreatur würde Obi-Wan dafür verurteilen!
Niemand, bis auf ihn selbst. Plötzlich spürte er Qui Gon in seinem Geist. Zwar wusste sein Meister nicht, was los war, aber er spürte die Gefühle seines Padawans, die momentan einem wahren Wirbelsturm gleichen mussten.
Kurz überlegte er, ihren Kontakt zu blockieren und sein blutiges Vorhaben doch noch in die Tat umzusetzen. Letztendlich entschied er sich dagegen.
Als Jedi war es seine Aufgabe, Leben zu beschützen und zu bewahren, egal wie wertlos es ihm erschien.
Mit fahrigen, wenig geschickten Bewegungen schloss er die Augen des Jungen zu seinen Füßen und erhob sich. Ohne einen weiteren Gedanken an die Wachen zu verschwenden, drehte er sich um und verließ diesen schrecklichen Ort. Hoffentlich für immer.
Im Dauerlauf war er unterwegs zur Grenze des Geländes. Doch der Anblick der Toten ließ ihn nicht los. Er schien sich in seine Netzhaut gebrannt zu haben. Dabei brauchte er doch Konzentration für die Aufgabe, die er zu erfüllen hatte. Zu viel konnte dabei schief gehen.
Er erinnerte sich nur zu gut an die hervorragend gesicherte Grenze dieses Gebietes. Sie war beinahe unmöglich zu überwinden. Und da durch den Stromausfall heilloses Durcheinander herrschte, fiel die Option, auf dem selben Weg wieder zu entkommen auf dem sie gekommen waren, schlicht und ergreifend weg. Frachtschiffe würden bei solchen Problemen nicht starten.
Also musste er es direkt an der Grenze versuchen.
Die Zeit verging langsam, mit jedem Schritt wurden seine Beine schwerer. Bisher hatte er die Weitläufigkeit des Geländes offenbar unterschätzt.
An der Südgrenze angekommen, sah er sich mit dem nächsten Problem konfrontiert. Einige Sklaven, die nicht eingesperrt worden waren, hatten die Gelegenheit ergriffen und versuchten ebenfalls, zu entkommen.
Er verbarg sich hinter einem der Wachtürme. Gamorreaner und Whipiden hatten eine Art Kreis gebildet und erschossen jeden, der sich ihnen näherte. Die verängstigten Menschen wichen zwar zurück, gaben aber nicht auf.
'Wie eine Herde Nutzvieh vor der Schlachtung', schoss es ihm durch den Kopf. Beim Anblick dieses Szenarios verließ ihn der Mut. Wie sollte er da nur jemals vorbei kommen?
Selbst wenn er es schaffen sollte, sich durch die dichten Reihen der Wachen zu kämpfen, hätte er nichts anderes vor sich als nicht enden wollenden Dschungel.
Doch würden sie es überhaupt wagen, ihm in den Wald zu folgen? Die Angestellten der Handelsförderation waren alle nicht von hier und kannten sich wenig aus. Höchstwahrscheinlich würden sie ihn lieber entkommen lassen um auf Nummer sicher zu gehen.
Trotzdem wollte sich bei ihm keine rechte Hochstimmung einstellen. Denn so gut sich diese ganzen Überlegungen auch anhörten, sie brachten zwei Probleme mit sich. Erstens: Er musste sich irgendwie einen Weg an den Wachen vorbei nach draußen bahnen. Zweitens: Es gab einen guten Grund, wieso sie ihn nicht verfolgen würden. Dieses gigantische Ökosystem quoll praktisch über vor gefährlichen Raubtieren, giftigen Pflanzen und allerhand anderem Getier, das einen das Leben kosten könnte. Außerdem war ihm die letzte Begegnung mit einem Nympah lebhaft in Erinnerung geblieben und so schnell wiederholen wollte er sie ganz bestimmt nicht.
Nachdem er alles genau abgewägt hatte, blieb ihm keine andere Möglichkeit, als zu kämpfen.
Unauffällig mischte er sich unter die Menschenmenge, wo er wegen seiner Körpergröße kaum auffiel. Sein Blick richtete sich gen Himmel. Massiv wirkende, sturmgraue Quellwolken verdunkelten den Himmel und ließen fast kein Mondlicht hindurch. Ein Gewitter zog auf. Gut. Das würde ihm vielleicht von Nutzen sein können. Ab und an zuckten Blitze vom Himmel und tauchten die abscheuliche Szenerie einen Herzschlag lang in gleißend helles Licht.
Es war ein heilloses Durcheinander. Und genau das war seine Chance. Obi-Wan arbeitete sich bis zum Rand der Menge vor. Niemand nahm wirklich Notiz von ihm.
Dann erkannte er an der Körpersprache einiger Männer ganz in seiner Nähe, dass sie sich wahrscheinlich zusammen rotten und als Gruppe versuchen wollten, die Linie der Wachen zu durchbrechen. Die Gedanken, die der Padawan von ihnen auffing, passten dazu. Mut und Entschlossenheit waren die vorherrschenden Empfindungen.
Unauffällig näherte er sich ihnen. Er nutzte die Macht und ahnte voraus, wann sie los laufen würden. So konnte er sich anschließen, ohne dass jemand auf den ersten Blick Verdacht schöpfen würde.
Er war sich bewusst darüber, dass einige der Menschen um ihn herum gleich sterben würden. Doch ihm blieb keine Zeit, um über so etwas nachzudenken oder darüber, ob er körperlich zu seinem Vorhaben in der Lage war. Es war genauso wie Meister Yoda immer gesagt hatte: Tu es oder tu es nicht. Es gibt kein Versuchen. Qui Gon wäre bestimmt stolz auf ihn gewesen.
Kaum hatten die Wachen bemerkt, was vor sich ging, zuckten Blasterschüsse durch die Luft. Obi-Wan sah ein rötliches Glühen vor seinem Vordermann. Der Mann wurde getroffen und blieb reglos liegen. Der Padawan wandte den Blick ab.
Mit wütenden Schreien liefen die Einheimischen auf die Wachen zu. Ihre Gesichter waren zu grimmigen Masken des Zorns verzogen. Zwar schossen die Gamorreaner und Whipiden wahllos in die Menge, aber sie waren so viele, dass es ihnen trotzdem gelang, bis zu ihnen vorzudringen.
Mit Hilfe der Macht konnte Obi-Wan den auf ihn abgefeuerten Schüssen ausweichen. Er sah noch die verdutzten Gesichter der Wachen, als sie durch ihre Reihen brachen. Kurz vor seinem Aufprall drehte Obi-Wan sich halb nach links, zog mit der rechten Hand ein Lichtschwert, vollendete seine Drehung und streckte mit einem wuchtigen, schräg nach unten gerichteten Hieb zwei Gamorreaner nieder. Noch bevor die beiden Toten auf dem Boden aufschlugen, hatte der Padawan seine Waffe schon wieder deaktiviert. Er wollte um jeden Preis verhindern, dass man ihn als Jedi erkannte. Mit ein wenig Glück würden Beobachter das kurze Aufleuchten seines Laserschwertes für einen der Blitze halten, die in immer kürzeren Abständen den Himmel zerrissen.
Er fing seinen Schwung mit entsprechenden Ausfallschritten ab und staunte nicht schlecht, als er plötzlich völlig unbehelligt außerhalb des Industriekomplexes stand. Es begann, heftig zu regnen. Innerhalb von Sekunden durchtränkte der für Pavlin 4 typische Platzregen seine Kleidung. Schadstoffe, die durch die massive Luftverschmutzung im Regenwasser gelöst waren verursachten einen unangenehmen Schmerz in den Wunden, die Qui Gons Schwert geschlagen hatte. Er blinzelte heftig, denn auch in den Augen brannte es.
Trotzdem hing sein Blick auf dem Wald, der vor ihm lag. Die Freiheit war zum Greifen nah, sein Ziel beinahe erreicht. Aber wie konnte er an Freiheit denken, wenn keine zehn Meter von ihm entfernt Menschen ums Leben kamen? Ein heftiger innerer Kampf tobte in ihm.
Die Schreie der Sterbenden und immer noch verzweifelt Kämpfenden in den Ohren, biss er sich auf die Lippen und wirbelte mit aktiviertem Lichtschwert herum.
Blitzschnell schätzte er die Lage ein. Es waren ungefähr 30 Wachen, ein Großteil von ihnen massige Gestalten. Die meisten Whipiden hielten sich also wahrscheinlich weiter im Innern der Anlage auf. Der Regen bildete vereint mit der Dunkelheit der Nacht einen dichten, grauen Vorhang, der ihm hoffentlich ein Sichtschutz sein würde. Er lief an und sprang gerade noch rechtzeitig hinter einem Mann hervor, bevor ihn ein Schuss in die Brust traf. Der rote Blitz flog zu seinem Absender zurück und tötete ihn. Das überraschte Obi-Wan. Er hatte nichts dergleichen beabsichtigt.
Schnell deaktivierte er seine Waffe und rannte in einem Bogen auf die nächste kleine Gruppe von Wachen zu, die gerade vier Männer bedrohten.
Er bewegte sich schnell, präzise und koordiniert. Ohne das ständige blaue Leuchten seiner Klinge war er kaum zu sehen, was ihm einen riesigen Vorteil verschaffte. Ohne viel Federlesen tötete er die Wachen beinahe im Vorbeilaufen.
Allmählich bemerkte die ständig schrumpfende Gruppe der Einheimischen, dass er ihnen half und versuchten jetzt, ihn zu unterstützen. Doch auch ihre Widersacher waren nicht so begriffsstutzig, wie erhofft.
Plötzlich fühlte er zwei Schüsse auf sich zukommen. Beide aus verschiedenen Richtungen. Sie versuchten also, ihn in die Mangel zu nehmen. In dieser Situation war er mehr als dankbar für das harte und kontinuierliche Training im Tempel.
Fast wie von allein flossen die routinierten Bewegungsabläufe mit der Macht zusammen. Nach einigen für einen Außenstehenden waghalsig wirkenden Überschlägen und Wendemanövern war das gewünschte Ziel erreicht. Die Wachen in ihrer unmittelbaren Umgebung waren entweder tot oder bewegungsunfähig.
Obi-Wan kontrollierte das rasch. Einer der wenigen Whipiden hatte überlebt. Der Padawan zerstörte seinen Blaster, ließ ihn aber am Leben.
Er sah auf. Fassungslos blickten die Männer ihn an.
„Lauft!“, rief Obi-Wan ihnen zu, doch sie reagierten nicht.
„Natürlich, die Sprache.“, murmelte er und widerstand dem Drang zu fluchen. Stattdessen unterstützte er seine Worte mit entsprechenden Gesten.
„Nun lauft schon! Los, los, los!“
Er wirbelte herum und wehrte Schüsse ab. Danach lief er so schnell er konnte davon. Mit Erleichterung stellte er fest, dass die Männer endlich genau dasselbe taten. Ungefähr 50 Meter lagen zwischen ihnen und dem Waldrand. Noch immer regnete es in Strömen.
Als sie endlich die schützenden Bäume erreichten, waren sie im Trockenen gelandet, so dicht waren die Baumkronen. Nur hier und da flossen kräftige Rinnsale von herunter hängenden Blättern.
Während des Laufens drehte Obi-Wan sich immer wieder um. Sein Herz machte einen freudigen Hüpfer, als er sah, dass ihnen wirklich niemand folgte.
Er schaute sich nach den Männern um, denen er geholfen hatten. Gerade noch so sah er den Letzten hinter einem Baum verschwinden. Offenbar wussten sie genau, wohin sie wollten.
Er ging seinen eigenen Weg. Trotz des Adrenalins, das vom Kampf eben noch durch seinen Körper raste, suchte er sich einen Baum und kletterte, wegen seiner Verletzungen ein wenig langsamer und weniger elegant als sonst, hinauf. Wenn das Glück ihm weiterhin treu war, würden ihm vielleicht sogar die Raubtiere vom Hals bleiben. Als er an sein letztes Zusammentreffen mit den Nympah dachte, war das sogar sehr wahrscheinlich. Es schien ihm eine Ewigkeit her zu sein, doch auch da hatte es geregnet und die Tiere hatten nicht gerade den Eindruck gemacht, in Jagdstimmung zu sein. Eher im Gegenteil. Sie hatten den Regen sichtlich genossen und einen entspannten Eindruck gemacht.
Er atmete tief durch und fummelte dann den Comlink von seinem Gürtel um die richtige Frequenz zu suchen. Hoffentlich war er schon weit genug vom Komplex entfernt, sodass die Frequenz störenden Elemente hier nicht mehr wirkten.
Die Königin würde sicher Leute schicken, um ihn zu holen. Doch im Gegensatz zu Lanaa war er sich sicher, dass sie ihn nicht mit offenen Armen empfangen würden. Höchstwahrscheinlich würde sie genau das Gegenteil tun und ihn entweder zurück in die Miene schicken oder die einfache Variante wählen und ihn beseitigen lassen.
Ein Lächeln stahl sich auf seine Lippen. Das sollten sie erstmal versuchen. Er hatte da schließlich auch noch ein Wörtchen mit zu reden.
Fünf oder sechs Mal atmete er sehr tief ein und aus. Dabei spannte er ruckartig die Muskeln in seinem Bauch und Oberkörper an, um realistisch außer Atem zu wirken. Dann aktivierte er den Comlink.
„Hallo? Hallo!? Kann mich jemand hören?!“ Er wiederholte sich zwei Mal mit verzweifelter Stimme, bis ihm eine schroffe Stimme aus dem Gerät antwortete.
„Identifizieren Sie sich!“
„Hier ist Obi-Wan Kenobi. Ich bin Mitgleid des Jedi-Ordens auf Coruscant.“
Einen Moment lang herrschte Stille, dann hörte er dieses mal eine andere Stimme. Sie klang noch viel unfreundlicher als die erste.
„Sprechen Sie!“
„Ich bin im Auftrag von Königin Tylaa auf diesem Planeten. Vor einigen Tagen sind wir mit unserem Schiff in den Dschungel gestürzt. Mein Meister und unsere einheimische Führerin sind dabei ums Leben gekommen. Ich brauche Hilfe!“
„Geben sie uns ihre Koordinaten durch!“
Obi-Wan schaute kurz auf die Anzeige seines Comlinks und gab seine Position durch.
„Wir werden jemanden schicken. Bleiben sie, wo sie sind und nehmen sie sich vor eventuellen Raubtieren in Acht!“
Die Verbindung wurde beendet.
„Wieso soll ich mich in Acht nehmen? Damit die Nympah mich nicht fressen und ihr der Königin eine Leiche zeigen könnt?“, murmelte Obi-Wan sarkastisch.
Sein Kontakt hatte weder gefragt, wie er an einen Comlink mit dieser Registrierungsnummer gekommen war, noch hatte ihn interessiert, dass er sich nur wenige Hundert Meter vom Industriekomplex der Handelsförderation entfernt befand. Also wussten sie schon Bescheid.
Er lachte auf. 'Wir werden jemanden schicken.' Davon war er überzeugt. Seine verbliebene Zeit würde er dazu nutzen, dringend notwendigen Schlaf nachzuholen. Wenigstens ein bisschen.
Er zog die Knie an den Körper und verschränkte die Arme.
Sollten sie nur kommen.
 
Spur​

Blutige Träume verfolgten ihn und machten das bisschen Schlaf, welches er sich gönnte, mehr zu einer Qual denn einer Erholung.
Als er ruckartig hoch schreckte und dabei fast vom Baum gefallen wäre, wusste er einige Augenblicke lang weder wo er war noch was er hier eigentlich machte.
Doch die Erinnerung kehrte schnell zurück- für seinen Geschmack sogar etwas zu schnell. Mühsam streckte er seine steifen Gliedmaßen so gut es in dieser unbequemen Sitzposition eben ging. Gegen das hier kamen ihm die Sitze aus ihrem Raumschiff vom Hinflug plötzlich wie purer Luxus vor.
Nachdem Obi-Wan festgestellt hatte, dass er sein Zeitgefühl jetzt wohl vollständig eingebüßt hatte, rieb er sich den immer noch schmerzenden Nacken. Er konnte nicht lange geschlafen haben. Trotzdem spürte er seine Verletzungen nach dieser kurzen Ruhepause mehr denn je.
Ein Blick gen Blätterdach zeigte ihm, dass der Regen zwar nicht nachgelassen zu haben schien, dafür die Sonne aber wieder aufgegangen war. Ob der Tagesanbruch von Vor- oder Nachteil war, würde sich noch herausstellen.
Einerseits war er erstaunt darüber, dass er in diesem Dschungel eingeschlafen und noch am Leben war, andererseits musste er sich eingestehen, dass sein Versteck wirklich gut gewählt war und in dieser Nacht anscheinend weder Nympah noch irgendwelche anderen Raubtiere unterwegs gewesen sein konnten. Das Glück schien ihm wirklich treu gewesen zu sein, denn der ständige Wind trug seinen Geruch in die Richtung des Industriekomplexes, wo garantiert keine Räuber lauerten. Zumindest nicht solche mit scharfen Reißzähnen und Klauen.
Auch wenn es Obi-Wan schwer fiel, so raffte er sich dennoch auf und kletterte ein wenig umständlich höher auf den Baum, bis er in ungefähr zehn Metern Höhe einen Platz fand, der ebenfalls gut geschützt war. Dabei achtete er peinlich genau darauf, weder irgendwelche Insekten noch die verführerisch duftenden der Schmarotzerpflanzen zu berühren, die sich in Astgabelungen des großen Baumes niedergelassen hatten. Er kannte diesen Planeten mittlerweile gut genug um zu wissen, dass er keinerlei Risiko eingehen durfte.
Von Lanaa hatte er erfahren, dass die Pavlinianer für solche Rettungsaktionen im Wald fast immer Swoops benutzten. Mit diesen schnellen und besonders wendigen Speeder Bikes war es möglich, bis zu 25 Meter über dem Boden zu schweben. Obi-Wan hatte selbst schon ein Swoop gesteuert und erinnerte sich nur zu gut, wie schwer es ihm am Anfang gefallen war. Die am Lenker und am Sattel befindlichen Kontrollen reagierten schon auf die kleinsten Berührungen und waren schwer in den Griff zu bekommen. Trotzdem war der Padawan sich sicher, dass er eines dieser Gefährte steuern konnte, wenn sein Leben davon abhinge. Und das würde es, wenn sie ihn erstmal gefunden hatten.
Wenn sie ihn ENDLICH fanden.
Langsam aber sicher wurde er ungeduldig. Mit jeder verstrichenen Minute schwanden seine Kräfte und das Schicksal der Menschen im Komplex und das seines Meisters nahmen ihren ungewissen Lauf.
Er schluckte schwer. Seine Kehle war so trocken, als hätte er monatelang nichts getrunken. Einen kurzen Moment nahm er sich Zeit, um seinen genauen Zustand einzuschätzen und hielt seine Hände vor sein Gesicht. Sie zitterten. Und egal, wie sehr er sich bemühte, er war einfach nicht in der Lage, damit aufzuhören.
So weit war die Dehydrierung seines Körpers also bereits fortgeschritten. Kurz leckte er sich über die trockenen Lippen und schloss die Augen. Das Schwindelgefühl war wieder zurückgekommen und hatte unterschwellige Kopfschmerzen mitgebracht, die schlimmer waren, als alle Schläge dieser Reise zusammen. Doch auch wenn er das Gefühl hatte, langsam zu verhungern und zu verdursten, so wusste er doch zwei Sachen genau. Erstens: Sollte er plötzlich Todessehnsucht verspüren würde er etwas essen oder trinken, dass er in diesem Wald fand. Vorher nicht. Zweitens: Er würde es viel länger ohne Nahrung und Wasser aushalten, als er sich selbst zutraute. Jedi waren Meister in dieser Disziplin. Normalerweise stellte er diese Fähigkeiten nicht besonders gern unter Beweis, aber was hatte er schon für eine Wahl.
Die Sehnsucht nach dem Ende dieser Mission war übermächtig. Obi-Wan hatte schlichtweg keine Lust mehr, ständig sein Leben riskieren zu müssen, von wütenden Whipiden oder Einheimischen niedergeschlagen zu werden oder vor Nympah davon zu laufen. Dazu kamen noch die Pavlinianer, die hierher unterwegs waren und vermutlich den Auftrag hatten, ihn zu töten. Nicht nur, dass sie aufgrund ihrer Herkunft ein ganzes Stück größer und auch schwerer sein würden als er selbst. Sie kamen auch noch auf Speeder Bikes und hatten wahrscheinlich eine militärische Ausbildung genossen. Da noch in den Sternen stand, wie viele genau es sein würden, konnte er sich nicht darauf verlassen, dass er es schaffen würde sie zu überwältigen.
Er hatte alles in seiner Macht stehende getan, um die Situation für sich und den Plan günstig zu beeinflussen. Jetzt musste er Vertrauen in die Macht haben und hoffen, dass er richtig reagieren würde.
Nachdem er eine Weile stumpfsinnig vor sich hin gestarrt hatte, kam ihm eine Idee. Sie war gefährlich und würde wahrscheinlich nicht mal funktionieren, aber jede Chance, um seine Lage zu verbessern, war ihm recht.
Umständlich holte er den Comlink hervor, stellte die Frequenz ein und wartete. Eine raue Stimme antwortete.
„Ja?“
„Wie lange dauert es noch, bis Ihre Männer hier sind? Ich bin verletzt und brauche dringend Hilfe. Meine Waffe ist bei meiner Flucht verloren gegangen. Ich bin nicht in der Lage, mich zu verteidigen, wenn Tiere mich angreifen sollten.“ Er hustete, damit es noch authentischer wirkte.
„Die letzte Positionsmeldung kam vor zehn Minuten rein. Sie dürften nur noch 850 Kilometer entfernt und in zwei bis drei Stunden bei Ihnen sein. Ich gebe Bescheid, dass sie sich beeilen sollen. Over.“
Obi-Wan beendete die Verbindung ebenfalls. Sicher würde er seinen Leuten sagen, dass sie sich beeilen sollten. Aber nur damit sie wussten, dass er noch am Leben und leichte Beute war.
Nach diesem Gespräch standen mehrere Dinge fest. Zum einen waren es sicherlich mehr als zwei oder drei, die nach ihm suchten und sie würden bald hier sein. Zum anderen wusste er, dass sie- dank seiner Täuschung eben- dachten, er sei schwer verletzt und unbewaffnet. Doch auch, wenn das nicht ganz der Wahrheit entsprach, hätte er auch mit zwei Lichtschwertern gut organisierten Pavlinianern auf Swoops wenig entgegen zu setzen. Er nicht. Aber er wusste, wer.
Nachdem er mehrere Minuten lang gelauscht hatte, begann er langsam und vorsichtig damit, wieder nach unten zu klettern. Es hatte aufgehört zu regnen und der Wind hatte vor wenigen Minuten gedreht.
Als er auf dem Boden landete, opferte er wieder einige Zeit, um sich zu vergewissern, dass er noch immer allein auf der kleinen Lichtung war. Dann lief er ein Stück von seinem Baum fort, schaute sich noch einmal kurz um und zog den Dolch, den Lanaa ihm geschenkt hatte. Kurz schwankte er, verdrängte dann aber den Schwindel und schnitt sich in den Finger.
Sofort quoll der rote Lebenssaft aus der kleinen Wunde. Er zählte zehn Tropfen ab, die er etwas verteilt vor sich auf den Boden fallen ließ. Dann hielt er seine Hand ausgestreckt von sich, um auch ja nichts an die Kleidung zu bekommen und ging zum nächsten Baum. Er rammte die Klinge hinein und bewegte sie ein paar Mal kraftvoll auf und ab.
Blass goldenes Harz trat aus dem Schnitt in der dünnen Rinde wie das Blut aus seinem Finger. Kurzerhand hielt er diesen unter das kleine Rinnsal bis die Verletzung vollständig bedeckt war und ließ das blutige Messer zurück.
Während er wieder zurück zu seinem Platz kletterte, fiel ihm ein, dass auch das Baumharz, mit dem er die Wunde luftdicht verschlossen hatte, toxisch sein könnte.
Erst als er wieder auf seinem Baum in zehn Metern Höhe saß, beruhigte sich sein Herzschlag allmählich. Er überprüfte seine Körperfunktionen, konnte aber bis auf das Übliche keine gravierenden Veränderungen fest stellen. Also entschied er, die Frage nach seiner möglichen Vergiftung erstmal zu verdrängen.
Während er wartete und die Lichtung mit seiner Spur im Auge behielt, überprüfte er immer wieder, ob der provisorische Verschluss der Wunde auch hielt.
Vor Langeweile zählte er irgendwann die Sekunden und Minuten. Nach einer Stunde nahm er endlich eine Bewegung im Augenwinkel wahr.
Automatisch verkrampfte er sich, zwang sich aber gleich darauf zur Ruhe. Sie wussten nicht, dass er hier war und wenn das auch so bleiben sollte, musste er still sein.
Zwei Tiere trauten sich auf die Lichtung. Zu verführerisch war der Geruch von frischem Blut. Die Nympah waren genau so, wie Obi-Wan sie in Erinnerung hatte. Jede einzelne Bewegung dieser Geschöpfe, war sie auch noch so unscheinbar, zeugte von der Kraft und Präzision mit der sie auch ihre Angriffe ausführten. Ihre Körper waren vollkommene Tötungsmaschinen.
Aufgeregt schnüffelten sie auf dem Boden herum und gaben immer wieder eine Reihe von kurzen Pfeiftönen und abgehacktem Brüllen von sich, die je nach Tier mal heller und mal dunkler klang.
Alle paar Sekunden schaute der Padawan hinter sich, um sicher zu gehen, dass kein Nympah ihn bemerkt hatte und sich jetzt hinterrücks anschlich.
Nach einiger Zeit zogen sie sich in den dichten Dschungel zurück. Doch Obi-Wan wusste, dass sie keineswegs verschwunden waren. Dazu waren sie viel zu gerissen. Eine einzelne Blutspur, die nirgendwo hinführte, aber kein totes Beutetier in der Nähe konnte nur eins bedeuten. Das Objekt ihrer Begierde musste noch hier sein.
Und so erreichte Obi-Wan genau das was er wollte. Die Nympah entfernten sich nicht weit, sondern blieben in der nahen Umgebung um in Lauerstellung zu gehen. Sehr gut. Wenn alles glatt lief, brauchte er jetzt nichts anderes mehr zu tun als zu warten.
Die Minuten flossen zäh dahin, doch die Nympah schienen alles andere als ungeduldig zu werden. Das war der evolutionäre Vorteil eines Beutegreifers, der sowohl große Tiere im Rudelverband als auch kleinere Tiere einzeln jagte. Er konnte blitzschnell zuschlagen UND stundenlang in freudiger Erwartung verbringen.
Plötzlich spitzte ein Nympah die Ohren. Alle anderen folgten seinem Beispiel. Lange Zeit verging, bis auch Obi-Wan das dumpfe Wummern von Repulsoren hörte. Der Geräuschkulisse nach zu urteilen waren es mindestens zehn oder zwölf. Mit langsamen Bewegungen deaktivierte er den eingebauten Peilsender in seinem Comlink. Kurz darauf tauchten die lärmenden Maschinen durch die Kronen der Bäume. Sie konnten die drohenden Laute der Nympah nicht hören.
Mittlerweile schwebten sie in nur noch 15 Metern Höhe über dem Boden. Der Anführer der Truppe teilte seine Männer mit Handzeichen in Paare ein.
„Ich sehe ihn nirgendwo!“, brüllte einer.
„Er hat den Peilsender ausgeschaltet!“, antwortete ein anderer nach einem kurzen Blick auf ein Gerät in seiner Hand.
„Oder er ist tot!“
„Das würde weniger Arbeit für uns bedeuten! Aber er ist ein Jedi, die sterben nicht einfach so! Seht zu, dass ihr ihn findet!“
Sie schwärmten aus. Derweil beobachte Obi-Wan sechs Nympah, wie sie, mit Hilfe ihrer widerhakenförmigen Klauen blitzschnell und durch ihre Fellfarbe hervorragend getarnt, die Bäume hinauf kletterten. Der Rest des Rudels wartete unten auf die Beute, die ihre Treiber vom Himmel holen sollten. Genauso waren sie auch mit ihnen vor ein paar Tagen verfahren. Die Erinnerung an das Poltern und das metallische Kreischen, als die Räuber ihren Gleiter angesprungen hatten, holte ihn wieder ein.
Diese Aktion der Nympah wirkte dermaßen routiniert, als würden sie oft fliegende Tiere jagen.
Genau wie er und sein Meister, bemerkten auch die Pavlinianer auf den Swoops die Räuber erst, als es schon zu spät war.
Alles ging sehr schnell. Wie aus dem Nichts sprangen die großen Vierbeiner die Männer auf den Gefährten an. Ein Weibchen spukte Gift und traf. EinNympah war doppelt so groß wie ein Swoop. Durch ihr Gewicht und ihren Schwung rissen sie die Maschinen einfach mit sich in die Tiefe.

Eine gefühlte Ewigkeit verging, bis die Schreie der Sterbenden endlich verklangen.
Während der Padawan wartete, quälten ihn Schuldgefühle. Zwar hatte er diese Leute nicht selbst getötet, aber er hatte ihr Ableben dafür umso eindeutiger verschuldet, indem er die Nympah angelockt hatte. So sehr er sich auch zwang, an etwas anderes zu denken- die Schuld blieb. Und so konzentrierte er sich und verbannte alle negativen Gefühle weit nach hinten in sein Bewusstsein, wo sie ihm nichts mehr anhaben konnten. Irgendwann jedoch würde er sich mit all dem auseinandersetzen müssen. Vor diesem Tag fürchtete er sich beinahe mehr als vor allem anderen.
Eine weitere Periode des Wartens fesselte ihn an diesen Baum. Die Geräusche der fressenden Nympah wollten einfach nicht verstummen. Irgendwann fiel er wieder in einen unruhigen Schlaf, der ihm abermals mehr Kraft kostete, als er ihm gab.
Als er erwachte, war die Sonne wieder untergegangen und die Nympah waren fort. Konnten sie tatsächlich weg sein!?
Stunden vergingen, bevor er es wagte, sich in Bewegung zu setzen. Das protestierende Knurren seines Magens strafte er mit Schweigen und sah sich nach den Absturzstellen der Swoops um.
Im nächsten Moment war er froh, nichts im Magen zu haben. Was die Nympah zurückgelassen hatten, war wirklich kein besonders schöner Anblick. Schon jetzt machten sich kleine Aasfresser darüber her. Ihre Anwesenheit, so hoffte er, konnte nur bedeuten, dass die Nympah weiter gezogen waren.
Sechs Mal wurde er enttäuscht. Die Swoops waren beim Absturz entweder explodiert oder so schwer beschädigt worden, dass es ihm unmöglich war sie wieder in Gang zu bekommen.
Erst beim Siebten hatte er Glück. Die beige Farbe war abgesplittert und eine Delle jagte die nächste, doch wenigstens sprang das Speeder Bike an, als er es startete.
Erleichtert stieg er auf, stützte sich einen Moment lang auf den Lenker und schloss die Augen. Er fühlte sich, als hätte man ihm das Gewicht von drei Frachtschiffen von den Schultern genommen.
Er hatte es geschafft. Er war nicht tot- noch nicht- und die Aufgabe, die jetzt noch vor ihm lag, war zu bewältigen.
Sonst zog der Padawan zwar die Natur jederzeit der Technik vor, aber im Moment war er dankbar dafür, das kühle Metall und die vielen Schaltkreise unter sich zu wissen.
 
Schritt​

Durch das Loch, welches er mit dieser Laserwaffe in die Tür geschmolzen hatte, bevor der Strom ausgefallen war, beobachtete Lanaa den Jedi-Meister. Mittlerweile funktionierten die Generatoren wieder einwandfrei, die Elektrizität floss und unwillkürlich fragte sie sich, was zur Hölle der alte Mann da tat. Völlig bewegungslos saß er in der hintersten Ecke des Raumes.
Auf einen Außenstehenden hätte er möglicherweise entspannt gewirkt, aber einem geübten Blick wie dem von Lanaa entging nicht, dass seine Haltung extrem verkrampft war. Seine Hände umklammerten einander, die Knöchel traten bereits weiß hervor, sein Gesicht war eine verzerrte Maske der Anstrengung.
Insgeheim bewunderte Lanaa die Willenskraft dieser Jedi. Dass er immer noch in der Lage war, sich gegen die Kontrolle durch den Chip in seinem Nacken zu wehren, zeugte von der Nutzung dieser ominösen Macht, die ihr schon ein Rätsel war, seitdem sie das erste Mal davon gehört hatte.
Sie wandte sich von der Tür ab. Eigentlich war sie nur hier gewesen, um zu kontrollieren, dass er noch da war.
Zwei Tage waren jetzt bereits vergangen, seit sie hier unten waren. Und zwei Tage waren eine verdammt lange Zeit auf Pavlin 4. Sie benötigten dringend Nahrung und Wasser. Deswegen hatte sie sich davon überzeugt, dass die tickende Zeitbombe von einem Jedi, mit der sie hier unten eingesperrt waren, auch immer noch tickte.
Sie lief das kurze Stück bis zum nächsten Ausgang, auch wenn ihr nicht wohl dabei war. Sie musste diese Aktion einfach riskieren. Vor allem die Kinder brauchten endlich Verpflegung.
Während sie auf gut Glück die Tür zur Anlage öffnete und hinaus trat, dachte sie über den Jungen nach, über diesen Obi-Wan. Er war da draußen im Dschungel, völlig auf sich allein gestellt. Das würde er niemals schaffen. Auch dann nicht, wenn er nicht der tollpatschiger Hornochse gewesen wäre, der er leider nun einmal war. Falls er sich nicht schon längst vergiftet hatte, indem er gedankenlos irgendetwas gegessen oder getrunken hatte, so hatten die Nympah ihn garantiert schon erwischt.
Zwar stimmte alles, was man sich so über die Jedi erzählte: Er war schnell und stark und konnte die Macht nutzen und das alles. Doch das würde ihm rein gar nichts nützen, wenn er sich nicht aus kannte. Und das tat er nicht.
Bevor sie den Jungen geschickt hatte, hatte sie lange mit dem Gedanken gespielt, selbst zu gehen. Ihre Überlebenschancen im Dschungel wären tausend Mal höher, als die dieses Jungen, der noch grün hinter den Ohren war. Dagegen entschieden hatte sie sich wegen den Menschen hier, die ihre Hilfe brauchten. Sie hätte sie nicht einfach mit einem durchgeknallten Jedi-Meister allein lassen können, denn sie fühlte sich verantwortlich.
Vielleicht sollte Lanaa es einfach mal wie dieser Qui Gon versuchen und ein wenig Vertrauen haben. Doch sie wusste, dass sie sich nicht einfach so auf jemanden verlassen konnte. Das lag nicht in ihrer Natur. Einzig und allein ihre Königin genoss ihr vollstes Vertrauen
Ungesehen bahnte sie sich ihren Weg zu den Lagerhäusern. Mit den Beschreibungen, die die Sklaven ihr gaben, fand sie sich mittlerweile ziemlich gut zurecht. Eilig setzte sie ihren Weg fort, denn sie hatte sie verborgene Tür offen gelassen um die Luftzirkulation der steinzeitlichen Klimaanlage zu unterstützen.
Sie drückte sich an eine Wand und gerade als sie um die Ecke wollte, sah sie, dass ein Droide genau auf sie zu kam. Sofort zog sie sich wieder zurück. Dabei stieß sie an ein Schrottteil, das gleich darauf scheppern um fiel. So leise sie konnte, verbarg sie sich hinter einer Reihe von Fässern und rührte sich nicht. Erleichtert ließ sie Atem entweichen, als die Droiden nach einiger Zeit wieder abzogen ohne weiter nach dem Verursacher des Lärms zu suchen. Der junge Jedi hatte Recht behalten: Maschinen waren zwar stark, aber dumm. Uns das war ihr in diesem Fall auch ganz recht.
Sie spähte aus ihrem Versteck hervor. Jetzt waren auch noch einige dieser schrecklichen, mit Fell bedeckten Wachen aufgetaucht.
„Es ist eine verdammte Schweinerei, was da neulich an der Grenze passiert ist!“, grollte einer der Whipiden. Der andere grunzte zustimmend. Lanaa war erstaunt darüber, dass sie die Fremden verstand.
„Haben sie den kleinen Jedi-******* schon erwischt?“ Der andere lachte aufgrund des Spitznamens für Obi-Wan auf.
„Seine Knochen vermodern wahrscheinlich schon in diesem verfluchten Dschungel. Vorhin ist ´ne Meldung rein gekommen, dass er zusammen mit der Staffel, die die Königin von dieser pflanzenverseuchten Kugel geschickt hat, verschollen ist.“ Sie lachten wieder bei dem Gedanken. Lanaa hingegen hatte die Hände zu Fäusten geballt. Sie musste sich sehr zusammen reißen, um sich auch weiterhin still zu verhalten.
Auch wenn sie vorhin selbst darüber nachgedacht hatte. Dieser verdammte Bengel durfte nicht tot sein. Er konnte noch nicht tot sein. Sonst hätten sie eine Leiche.
„Menschen sind eben doch zu nichts zu gebrauchen. Diese Idioten! Töten sollten sie IHN und nicht sich selbst umbringen lassen.“
Bei dieser Bemerkung fiel Lanaa aus allen Wolken. Sie musste sich verhört haben. Das konnte doch gar nicht sein. Die königlichen Truppen sollten den Auftrag gehabt haben, den Jungen umzubringen? Wieso sollte Tylaa so etwas nur befehlen? Das ergab doch keinen Sinn. Sie selbst hatte den Orden der Jedi auf Coruscant um Hilfe ersucht.
Diese Gedanken ließen Lanaa die ganze Zeit über nicht los während sie, so leise wie es ihr möglich war, in eines der Lagerhäuser einbrach und mitnahm was sie tragen konnte. Schnell räumte sie die restlichen Vorräte so zurecht, dass es nicht auffallen würde, dass etwas fehlte.
Auch auf dem Rückweg beschäftigte sie immer noch, was sie eben erfahren hatte. Natürlich kam ihr in den Sinn, was die beiden Außenweltler wahrscheinlich schon die ganze Zeit über vermutet hatten und wofür sie dem Jungen auch eine runter gehauen hatte. Sie glaubten, ihre Königin wäre korrupt, machtbesessen und geldgierig. Unwillkürlich fragte sie sich noch einmal selbst, ob das stimmen konnte. Ob sie Lanaa seit ihrer Kindheit belogen und getäuscht haben konnte. Stets hatte sie nur das Beste für Pavlin 4 gewollt.
Das Leben hatte der Pavlinianerin bereits gezeigt, dass Menschen wahrlich nicht immer das waren, was sie vorgaben zu sein. Aber doch nicht Tylaa. Nein. Sie schüttelte den Kopf während sie die Tür zu den geheimen, unterirdischen Gängen wieder schloss.
Das war unmöglich. Niemals würde die großherzige und gerechte Herrscherin ihres Heimatplaneten absichtlich gemeinsame Sache mit solchen Verbrechern wie den Leuten von der Handelsförderation machen und so ihrem Volk schaden. Die Jedi waren durch ihre ständige Konfrontation mit den mannigfaltigen Übeln der Galaxis schlichtweg paranoid geworden. Sie konnten die Situation doch gar nicht richtig einschätzen, sie kannten Tylaa überhaupt nicht. Aber Lanaa kannte sie und das genügte.
Als die Lebensmittel und das Wasser an die Menschen verteilt waren, die unter ihrem Schutz standen, verdrängte sie diese düsteren Gedanken wieder und konzentrierte sich auf ihre Aufgabe.
Doch als sie noch einmal nach dem älteren Jedi sah, der in genau derselben Position da saß wie vorhin, erkannte sie zum ersten Mal, dass Zweifel damit begonnen hatten, unterschwellig ihre gefestigte Meinung zu unterhöhlen. Und das nicht erst seit kurzem.

Zur gleichen Zeit schoss Obi-Wan irgendwo rund 500 km weit entfernt auf die Hauptstadt von Pavlin 4 zu. Nach einigen anfänglichen Schwierigkeiten mit dem Swoop, im Zuge derer er mehrmals beinahe mit einem der vielen Baumriesen zusammen gestoßen wäre, hatte er den Dreh doch relativ schnell raus bekommen.
Nachdem die anfängliche Freude verflogen war, bemerkte er, dass er eigentlich keine Ahnung hatte, wohin er unterwegs war. Er drosselte die Maschine und kratzte das letzte bisschen Konzentration zusammen, dass er noch besaß.
Leise vor sich hin murmelnd untersuchte er über den kleinen Bildschirm vor sich am Lenker den Bordcomputer. Erleichtert stellte er fest, dass dieser weder durch ein Passwort gesichert noch besonders kompliziert zu bedienen war. Schnell fand er die Navigationsfunktion und gab den Namen der Hauptstadt ein. Nach einigen Sekunden piepte es und zeigte ihm den kürzesten Weg zu seinem Ziel an. Komplizierte Koordinaten, Windrichtungen und Wetterwarnungen reihten sich aneinander und er brauchte ziemlich lange um das Wichtige von dem Unwichtigen zu trennen. Schließlich veränderte er die Perspektive ein wenig und passte seine Richtung den Angaben an. Dann gab er wieder Vollgas.
Als Jedi besaß er die praktische Fähigkeit, seine Aufmerksamkeit teilen zu können. Während er sich nur vergleichsweise wenig darauf konzentrieren musste, den Swoop zwischen den Bäumen hindurch zu lenken, verwendete er viel Energie darauf, zu überlegen was er tun sollte, wenn er erst einmal in der Hauptstadt angekommen war.
Bevor er überhaupt irgendetwas unternahm, musste er essen und – was noch viel wichtiger war- trinken.
Doch wie sollte er das wieder anstellen? Er hatte kein Geld um etwas zu kaufen. Wenn es wirklich nicht anders ging, würde er über seinen Schatten springen und stehlen müssen. Später dann würde er die Credits dafür zurück bringen.
Wie sollte es dann weiter gehen? Soweit er mitbekommen hatte, waren alle Pavlinianer dem Königshaus treu ergeben. Niemand würde ihm helfen wollen.
Und dann? Was dann?
Wenn er etwas getrunken und gegessen hatte, wenn es ihm wieder einigermaßen gut ging, was sollte er dann machen?
Irgendwo einbrechen und versuchen, ein Signal nach Coruscant zu senden. Oder ein Schiff entwenden und bei einer waghalsigen Flucht einen Raumkampf und sein Leben dazu riskieren. Kalte Schauer liefen ihm bei solchen Überlegungen den Rücken hinunter. Diese Option strich er wieder von seiner imaginären Liste.
Doch was ihm jetzt noch blieb, wirkte aber auch nicht besonders einladend. Wenn er hier blieb und ein Signal absetzte, konnte es sein, dass er entdeckt wurde. Möglicherweise wurde der Funk auf dem Planeten überwacht. In diesem Fall wäre er ohne Hilfe nicht mehr allzu lange auf freiem Fuß. Doch ihm bleib nichts anderes übrig, als es zu versuchen. Wenn er daran dachte, was er bisher schon alles geschafft hatte, blickte er zuversichtlicher in die nahe Zukunft.
Um Sekundenschlaf vorzubeugen, summte er ein Lied vor sich hin, das Bant ihm früher oft vorgesungen hatte, wenn sie zusammen schwimmen gewesen waren. Sie hatte es aus ihrer kurzen Kindheit auf ihrem Heimatplaneten behalten. Die komplizierte und relativ schwierige aber gleichzeitig fröhliche Melodie war genau das Richtige, um ihn zu beschäftigen. Die Gedanken an seine Freunde auf Coruscant füllten sein Herz mit Wärme und gaben ihm noch einmal neue Kraft.
Als eine gigantische Lichtkuppel am Horizont sichtbar wurde, wusste er auch ohne auf das Navi zu schauen, dass erendlich da war.
„Also dann los.“, sagte er fest entschlossen und trieb die Maschine zu Höchstleistungen an.
 
Stadt​


Darum bemüht, nicht laut zu fluchen, setzte Obi-Wan sich auf einen Stein um eine kurze Pause zu machen.
Er war mit dem Swoop so nah an die Hauptstadt herangefahren, wie er es wagte. Da der Übergang zwischen Dschungel und Stadt sehr abrupt war, konnte er es durchaus riskieren, sein Fahrzeug wenige hundert Meter von den ersten Straßen entfernt stehen zu lassen. Schwer atmend wischte er sich den Schweiß von der Stirn und schluckte schwer. Der Durst wurde langsam unerträglich.
Frustriert schaute er an dem Baum hoch, den er bis eben noch bearbeitet hatte. Noch nie in seinem Leben hatte er Holz gesehen, das so hart war.
Schon öfter hatte Qui Gon spaßeshalber mit ihm geübt, wie man die verschiedensten Dinge mit dem Laserschwert zerschnitt. Er hatte ein Gefühl dafür bekommen sollen, wie viel Druck er ausüben musste und wie der die Macht dabei einsetzen konnte. Denn auch, wenn ein Lichtschwert durch beinahe alle bekannten Materialien schnitt, so brauchte man doch Kraft, Präzision und ein gewissen Körpergefühl wenn man wollte, dass nicht mehr Schaden als Nutzen aus der Aktion entstand.
Bisher hatte Obi-Wan gedacht, er würde all diese Fähigkeiten besitzen und dass er mit seiner Waffe gut umzugehen wusste. Doch wie schon bei einigen Dingen in seinem Leben hatte Pavlin 4 ihn eines besseren belehrt. In diesem speziellen Fall waren es die Bäume des Planeten, die ihm das Leben schwer machten.
Seine ursprüngliche Idee war es gewesen, rasch ein paar Äste von den Bäumen zu schneiden und sein Swoop darunter zu verstecken. Da das Speederbike besondere Wappen auf seiner blechernen Haut trug, würde man es in der Stadt garantiert erkennen. Und wie hätte er auch erklären sollen, dass er das Fahrzeug einer toten königlichen Wache führte?
Allerdings hatte er bald gemerkt, dass aus der schnellen Tarnaktion wohl nichts werden würde. Normalerweise dauerte es selten länger als ein paar Sekunden, bis er einen Ast von der Dicke seines Arms durchtrennt hatte. Doch während ein Nympah für einen Ast dieser Größe wahrscheinlich nicht mehr als einen lässigen Hieb mit der Tatze gebraucht hätte, benötigte er mehrere Minuten. Nicht mal speziell gehärteter Durastahl leistete solchen Widerstand.
Ob es nun an der ungewöhnlichen Härte des Holzes oder an seinem geschwächten Zustand lag, dass er für diese einfache Aufgabe so lange brauchte, wusste er nicht. Im Endeffekt entschied er sich für eine Mischung aus beidem und machte sich wieder an die Arbeit.
Nachdem er sein Gefährt entsprechend verborgen hatte, war der Fußmarsch nach Pavkon, der Hauptstadt von Pavlin 4, vergleichsweise erholsam. Hin und wieder schaffte er es sogar, in einen langsamen Dauerlauf zu verfallen.
Als er endlich wieder asphaltierten Boden unter den Füßen hatte, war er froh. Doch sofort nach der Erleichterung darüber, die nächste Etappe seiner Reise erreicht zu haben, ergriff Unwohlsein von ihm Besitz, welches nichts mit seinen Verletzungen, seinem Hunger oder seinem Durst zu tun hatte. Er hatte keinen Mantel mehr, unter dem er sein Gesicht hätte verbergen können. Doch andererseits: Wer sollte ihn hier schon erkennen?
Als er zunächst ziellos durch Pavkon wanderte, fiel ihm die Schönheit der Stadt auf. Es war ungewöhnlich sauber und leise. Die Repulsoren der vielen Fahrzeuge, die ähnlich wie auf Coruscant auf festgelegten Luftstraßen in der Luft schwebten, waren offenbar modifiziert, damit sie besonders geräuscharm liefen. Wieder fiel ihm auch die bewusste Wahl von hellen Farben wie weiß oder beige auf. Es gab breite Hauptstraßen, die mit weißen Laternen gesäumt waren. Im hellen Sonnenlicht schienen diese noch intensiver zu strahlen.
Bezeichnend war auch die völlige Abwesenheit von Pflanzen, die größer als kniehoch waren. Man hatte peinlich genau darauf geachtet, einen möglichste krassen Gegensatz zum pavlinianischen Dschungel darzustellen.
Hell und dunkel.
Vielfalt und Mangel an Pflanzen.
Pure Natur und diese kleine, von Menschenhand geschaffene Welt.
Seine im Vergleich zu den Pavlinianern doch eher geringe Körpergröße war im Moment Fluch und Segen zugleich. Einerseits konnte er sich gut und unbemerkt zwischen den Menschen fortbewegen, andererseits hatte er oft keinen Überblick darüber, wohin er gerade unterwegs war. Trotzdem schien niemand Notiz von ihm zu nehmen, obwohl er im Augenblick wirklich hilfebedürftig aussehen musste.
Während er noch überlegte, wo er am besten als erstes nach etwas Ess- und Trinkbarem suchen sollte, fielen ihm Zettel auf, die an die sonst leeren Wände geklebt worden waren.
Als er sie sich genauer ansah, gefror ihm das Blut in den Adern. Schnell schnappte er sich einen Zettel und verschwand damit in einer der zahlreichen kleineren Gassen um ihn sich genauer anzusehen.
Schockiert starrte er in sein eigenes Gesicht. Unter dem Foto stand in großen Buchstaben sein Name. Die nachfolgenden Angaben zu seiner Person waren sowohl in der Muttersprache der Pavlinianer als auch in Basic verfasst, damit die Touristen, die sich hier zahlreich tummelten, es lesen konnten.
Laut diesem Flugblatt war er 1,75 m groß, schlank, bewaffnet und gefährlich. Neben Verrat an der Republik und dem Königshaus von Pavlin 4 warf man ihm auch noch den Mord an über einem Dutzend königlicher Wachen vor.
Weder sein Alter noch die Tatsache, das er ein Jedi war, wurden erwähnt. Also bediente Tylaa sich bereits so dreister Lügen um seiner habhaft zu werden. Aber woher wusste sie, dass er überhaupt noch am Leben war?
Plötzlich fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Er hatte vollkommen vergessen, dass im Swoop wahrscheinlich ein Peilsender eingebaut war. Es dürfte sogar für die Königin, die nun wirklich nicht die Hellste war, nicht schwer gewesen sein, zu erraten, wer sich auf dem einzelnen Speederbike befand, dass sich der Stadt näherte.
Er faltete den Steckbrief zusammen und schob ihn unter sein Gewand. Anschließend setzte er sich wieder in Bewegung.
Dass er nicht einfach weiterhin völlig ungeschützt auf den Straßen herum irren konnte, war ihm klar. Das Foto von ihm auf den Fahndungsplakaten war von guter Qualität. Es sah aus, als hätten sie es aus einer Überwachungsaufnahme des Industriekomplexes geschnitten und dann digital bearbeitet.
Mit gesenktem Blick folgte der dem Strom der Menschenmassen. Auf einmal fiel ihm ein Summen auf. Er kannte dieses Geräusch und es kündigte das allerletzte an, was er in seiner Situation gebrauchen konnte: Sucherdroiden!
Er behielt seinen ruhigen Schritt bei, um möglichst nicht aufzufallen. Ein Kribbeln im Nacken verriet ihm, dass sie bereits ganz nah waren.
Sucherdroiden arbeiteten mit optischer Erkennung. Man gab ihnen Bilder der Zielperson und sie durchsuchten ganze Stadien voller Menschen in kürzester Zeit.
Vielleicht waren sie auch gar nicht hinter ihm her. Dieser winzige Funke Hoffnung wurde allerdings zerstört, als er einen Blick riskierte und genau in das rot leuchtende Kameraauge eines kleinen, schwebenden Droiden schaute. Dieser piepte beinahe fröhlich auf und sendete wahrscheinlich just in diesem Moment seine Erfolgsmeldung schon an seinen Auftraggeber.
Abrupt blieb Obi-Wan stehen, machte kehrt und lief davon. Geschickt schlängelte er sich durch die Menge, um so schnell wie möglich voran zu kommen.
Jetzt hatten sie ihn entdeckt. Er konnte rennen, es war egal.
Blindlinks bog er in eine kleine schon nicht mehr ganz so saubere Gasse ein. Als er sich eben fragte, ob die Sucherdroiden wohl mit Waffen ausgestattet waren, schlug Blasterfeuer in die Wand neben ihm ein. Der Putz flog ihm um die Ohren und staubte furchtbar. Er hustete.
Eine ganze Schar der kleinen Plagegeister, die ihn verfolgten war eben in die Gasse eingebogen. Ihr Piepen klang jetzt eine ganze Spur unfreundlicher und aus ihrem Rümpfen ragten kleine Blasterkanonen hervor.
Tödliche Blitze zuckten durch die Luft und trafen auf zwei aktivierte Laserklingen. Jeder Padawan im Tempel lernte sowohl mit einem als auch mit zwei Schwertern zu kämpfen. Doch nur die wenigsten wendeten ihre Fähigkeiten auch an.
Die Sprünge und Wirbel, die Obi-Wan vollführte um seine Gegner auszuschalten, kosteten ihn viel Kraft. Kraft, die er eigentlich nicht hatte.
Der Kampf hatte bisher nur wenige Minuten gedauert und trotzdem schwitzte er und war ziemlich außer Atem. Der Boden war übersät mit zerstörten Droiden und als weitere ihrer Art auftauchten, trat er den Rückzug an.
Immer wieder Blasterschüsse abwehrend, lief er kreuz und quer durch die Straßen von Pavkon, ohne eigentlich zu wissen, wo er war oder wohin er lief.
Irgendwann blieb er keuchend stehen und stützte sich mit den Händen auf seine Knie. Er strengte sich an, etwas zu hören, doch das Summen war verschwunden. Er hatte sie abgehängt. Vor Anstrengung zitternd ließ er sich neben einer Mülltonne nieder, doch seine Pause sollte nicht allzu lange währen.
Hektisch klingende Männerstimmen und hastige Schritten ließen ihn wieder hoch schrecken.
Wenigstens saß er in keiner Sackgasse.
„Er muss hier irgendwo sein. Die Sucherdroiden haben ihn ganz in der Nähe verloren.“
Rasch warf Obi-Wan einen Blick nach oben. Da gab es eine Leiter, die bei Notfällen der Evakuierung des Gebäudes diente. So leise wie möglich sprang er, von der Macht geleitet, an die unterste Sprosse und klammerte sich fest. Mit dieser Aktion ging er ein hohes Risiko ein. Sollten sie im die Ecke biegen und ihn entdecken, würde er sich höchstens mit einer Hand verteidigen können, dann aber nicht mehr in der Lage sein, seinen Weg fortzusetzen.
Er verzog das Gesicht bei dem Gedanken und zog sich ächzend hoch. Würde er doch immer erst denken und dann handeln.
Sein Puls beschleunigte sich, als die Stimmen plötzlich viel näher waren. Der Befehl zum Feuern erklang und kaum dass er sich versah, musste er sich entscheiden. Entweder die Leiter loslassen oder eine Hand verlieren. Es war ein Wunder, dass die Schüsse ihn während des freien Falls verfehlten. Doch der Sturz hatte auch etwas Gutes. Er schüttete so viel Adrenalin in seinem Körper aus, dass er reagieren, sich im Flug drehen und auf den Füßen landen konnte. Um die enorme Energie, die dabei auf seinen Gelenken lastete, um zulenken, rollte er über die Schulter ab und kam wieder auf die Beine.
Kurz sah er in die fassungslosen Gesichter der bewaffneten Sicherheitskräfte von Pavkon. Sie alle trugen das königliche Siegel auf ihren Uniformen. Der ranghöchste Offizier schien seine Sprache als Erster wiederzufinden.
„Keine Bewegung! Tritt einen Schritt zurück und heb die Hände so hoch, dass ich sie sehen kann! Mach ja keinen Ärger, Freundchen oder wir erschießen dich!“, bellte er mit tiefer Stimme.
„Ich fürchte, ich kann nicht darauf verzichten, euch Ärger zu machen. Und zu der Sache mit dem Erschießen: Dazu müsst ihr mich erstmal fangen.“, erwiderte Obi-Wan ruhig.
Mit einer blitzschnellen Bewegung, die die Wachen erst registrierten als sie schon passiert waren, zog er dieses Mal nur sein eigenes Lichtschwert und lief davon. Blasterfeuer folgte ihm, doch er schoss um eine Ecke und hatte so wertvolle Sekunden gewonnen. Vorhin hatte er ein Muster erkannt, in dem die Straßen und Gassen von Pavkon angelegt worden waren. Das würde ihm möglicherweise helfen.
Als er um die nächste Ecke lief, blieb er plötzlich stehen. Beinahe wäre er in einen seiner Verfolger hinein gelaufen. Mit Leichtigkeit schlug er ihm den Blaster aus der Hand und versetzte ihm einen Schlag, der ihn bewusstlos zu Boden gehen ließ. So etwas war eigentlich nicht seine Art, aber manchmal heiligte der Zweck eben doch die Mittel.
Er hatte das Gefühl, schon stundenlang unterwegs zu sein und irgendwann verlor er vollkommen den Überblick.
Gerade war er Hals über Kopf einer Wache entkommen, als auch schon die nächste aus auftauchte. Zwar war es ihm durch geschickte Manöver gelungen, sie zu trennen, aber sie hatten Comlinks und entsprechend wenig Probleme damit, sich wiederzufinden.
Schon minutenlang trieb einer der Sicherheitsmänner ihn jetzt schon im Dauerlauf vor sich her.
Sein Gefühl sagte ihm, dass es eine Falle war, sogar die Macht warnte ihn. Doch er konnte es einfach nicht richtig erfassen und so auch keinen Ausweg finden.
Plötzlich sprang ihn jemand mit Wucht von der Seite an. Er war wie aus dem Nichts gekommen!
Gemeinsam flogen sie durch das Schaufenster eines einsamen Ladens und landeten krachend auf dem gefliesten Boden der Verkaufsräume. Glassplitter regneten auf sie nieder. Der harte Aufprall hatte Obi-Wan alle Luft aus den Lungen gepresst. Benommen richtete er sich wieder auf und schnappte nach Luft. Sein Gegenüber hatte den Blaster schon in der Hand und schoss. Im nächsten Moment schützten zwei wirbelnde Lichtschwerter ihren Träger. Schon bald war auch Obi-Wans Verfolger Nummer zwei in den Laden gesprungen.
Es war vorbei, sie hatten ihn in eine Ecke gedrängt, die Zeit für Gefälligkeiten war abgelaufen. Er biss die Zähne zusammen- es gab keine andere Möglichkeit mehr. Sie wollten ihn nicht gefangen nehmen sondern töten.
Obi-Wan sprang vor, wehrte einen Schuss ab und tötete den Mann vor sich mit einem sauberen aufwärts gerichteten Stoß seiner Waffe. Bevor der andere reagieren konnte, befand er sich schon auf dem Boden. Der Padawan hatte ihn kurzerhand K.O. geschlagen.
Als die beiden außer Gefecht gesetzt waren, herrschte plötzlich Stille. Nur sein keuchender Atem war in dem kleinen Raum ungewöhnlich laut zu hören.
Dann war da etwas in der Macht. Noch andere Lebewesen befanden sich hier. Er wandte sich um und entdeckte einen grauhaarigen Pavlinianer, der hinter seinem Tresen hervor kam und sich scheinbar belustigt das Chaos anschaute, dass Obi-Wan in seinen Verkaufsräumen hinterlassen hatte.
„Könnt ihr jungen Leute denn nicht einfach die Tür benutzen?“, fragte er lachend.
 
Hilfe​

Entgeistert stand Obi-Wan inmitten der Scherben, die einmal das Schaufenster des Ladens gewesen waren. In beiden Händen hielt er je ein aktiviertes Lichtschwert. Sein blaues in der Rechten und Qui Gons grünes in der Linken.
Zerstreut kratzte sich der alte Mann am Kopf und betrachtete die Katastrophe, die Obi-Wan in seinem Geschäft angerichtet hatte.
Der junge Jedi hätte jetzt normalerweise so etwas wie eine Entschuldigung gemurmelt, doch etwas hielt ihn davon ab.
Plötzlich war es nicht mehr ein alter Pavlinianer, der hinter seinem Tresen stand sondern zwei. Sie schienen sich irgendwie zu teilen. Dann tauchten auch noch zwei andere Männer auf. Offenbar Zwillinge und vielleicht ein paar Jahre älter als Obi-Wan. Jetzt waren es vier.
Nein.
Stopp.
Er schüttelte den Kopf um ihn zu klären. Ihm war bloß schwindlig und er sah doppelt. In Wirklichkeit standen da nur zwei Männer.
„Bist du ein Rebell?“, fragte der Alte und beäugte Obi-Wan jetzt durchaus interessiert.
Der Jüngere der beiden verdrehte genervt die Augen, fast so als würde er diese Frage öfter am Tag hören.
„Es ist sechzig Standardjahre her, seit die Rebellen aktiv waren, Großvater. Er kann gar kein Rebell sein. Die existieren überhaupt nicht mehr, sondern haben sich schon vor langer Zeit aufgelöst.“ Der, der gesprochen hatte, wusste anscheinend nicht so recht, ob man sich Obi-Wan gefahrlos nähern konnte. Er zögerte und blieb lieber hinterm Tresen stehen, während der Alte auf Obi-Wan zu kam.
„Rebellen?“, fragte der junge Padawan. Seine Stimme war schwach und brüchig. Er wunderte sich, dass sie ihn überhaupt verstanden.
„Ganz recht, Rebellen! Eine Gruppe von mutigen und edlen Männern, die furchtlos gegen die Tyrannei der Monarchen auf Pavlin 4 auf begehrten! Das waren noch Zeiten, sage ich euch. Als sie sich aus dem Untergrund erhoben mit nichts als dem Traum von einer besseren Welt, da herrschten plötzlich wieder wieder Moral und Werte im Volk anstatt der Willkür und dem Terror der Könige!“
Wieder rollte der junge Mann mit den Augen.
„Wie immer übertreibt er etwas.“, sagte er und warf dem anderen dabei einen scharfen Blick zu.
„Die glorreichen Rebellen, von denen er spricht, waren wohl kaum viel mehr als eine Bande herrenloser Banditen, die versucht haben, der Regierung durch Erpressung das Geld aus der Tasche zu ziehen.“
„Du bist doch noch grün hinter den Ohren! Was verstehst ausgerechnet du in deinem Alter von solchen Sachen?“, fuhr der Alte auf.
„Wenigstens bewundere ich keine Verbrecher!“, konterte sein Gegenüber.
„Verbrecher? Wo haben sie dir das denn beigebracht? Etwa in der Schule?!“
„Mit der ich schon sechs Jahre lang fertig bin, falls du das noch nicht mitbekommen haben solltest! Und ja, dort bringen sie einem bei, logisch zu denken. Diese sogenannten Rebellen haben diesem Planeten nichts anderes gebracht, als jahrelang am Rande der Anarchie zu stehen.“
Von dem Streitgespräch der beiden bekam Obi-Wan nur die Hälfte mit. Mittlerweile hatten sich weiße Punkte an den Rändern seines Blickfelds gebildet, die stetig größer wurden. Er hörte die Stimmen der beiden Einheimischen, als wären sie unter Wasser.
„Sag mal Jungchen, ist alles in Ordnung mit dir?“, fragte der Alte ihn und kam ein paar Schritte auf ihn zu.
„Ich...ich denke, nicht...-“, nuschelte Obi-Wan. Als nächstes merkte er, wie ihm beide Waffen aus den Händen rutschten. Dann kam der Boden plötzlich viel zu schnell näher. Das Letzte, woran er sich erinnerte, waren Stimmen und jemand der versuchte, ihn auf den Rücken zu drehen.
„Pass doch auf die Glassplitter auf!“
„Ich kann ihn auch alleine anheben.“
„Damit ich mich als alten Tattergreis abstempeln lassen kann, der zu nichts mehr zu gebrauchen ist? Das kannst du ganz schnell wieder vergessen.“

Während seiner kurzen Ohnmacht bekam der junge Jedi nicht mit, dass der Ladenbesitzer und sein Enkel einen Verkaufstisch für ihn frei räumten und ihn vorsichtig darauf legten. Erst als er wieder wach wurde und die leichte Taubheit in seinen Fingern spürte, registrierte er, was überhaupt passiert war.
„Was sollen wir mit diesen komischen Laserstäben machen?“ Obi-Wan erkannte die Stimme des Alten.
„Am besten lassen wir sie da liegen und warten, bis er wieder wach wird.“, antwortete sein Enkel.
Genau in dem Moment öffnete Obi-Wan die Augen und setzte sich auf. Ein wenig zu schnell vielleicht, denn ihm schwirrte schon wieder der Kopf.
„Da ist er ja wieder!“, sagte der Grauhaarige mit einem gutmütigen Lächeln. „Nur ein bisschen Kreislauf, mmh? Hab ich auch manchmal. Aber weißt du, in meinem Alter soll das alles ganz normal sein hab ich mir sagen lassen und...-“, plapperte er vor sich hin, doch sein Enkel unterbrach ihn.
„Nein, Großvater. Siehst du denn nicht, dass er verletzt ist? Ich hätte das Geld für die neue Brille doch nicht für ein Schaufenster ausgeben sollen.“, fügte er das Letzte murmelnd hinzu.
Obi-Wan sah an sich hinunter auf die Laserwunden, die man problemlos durch den zerrissenen Stoff hindurch erkennen konnte.
„Das mit ihrem Laden tut mir alles sehr leid. Wie lange war ich bewusstlos?“, fragte der Padawan peinlich berührt.
„Nicht lange. Wir hatten dich kaum hier drauf gelegt, da bist du auch schon wieder wach geworden.“, antwortete der Enkel.
Obi-Wans Blick fiel auf die beiden Laserschwerter. Seines war auf den Kontrollen gelandet und hatte sich deaktiviert, doch Qui Gons Klinge leuchtete immer noch giftgrün.
So rasch er es sich zutraute, stand er auf und nahm beide Waffen wieder an sich. Für Leute, die im Umgang damit nicht ausgebildet waren, stellten Laserschwerter eine große Gefahr dar.
„Vielleicht sollten wir uns erst einmal vorstellen. Ich bin Rondaa und das ist mein Großvater Tombaa. Ihm gehört der Laden hier.“
„Ja, und wir waren ganz normale Bürger, bevor du so schwungvoll in unser Leben getreten bist.“, fügte Tombaa grinsend hinzu.
Obi-Wan zögerte, sich vorzustellen. Würden sie ihn verraten, wenn sie erstmal herausgefunden hätten, dass er von der Königin höchst persönlich gesucht wurde? Allerdings wirkte der alte Mann nicht gerade wie ein Freund der Regierung.
„Du bist ein Jedi, oder?“, fragte Rondaa zaghaft nach.
„Ein Jedi? Was soll denn das für ein Tier sein?“
Rondaa ignorierte seinen Großvater dieses Mal einfach.
„Nur Jedi tragen solche Laserwaffen.“, sagte er und deutete dabei auf Obi-Wans Gürtel.
„Ihr seid Hüter des Friedens, hab ich Recht?“, Begeisterung leuchtete kurz in seinen Augen auf.
Obi-Wan nickte zaghaft.
„Wir versuchen es zumindest.“, sagte er leise.
„Wow! Ich meine, ich habe so viel über den Orden der Jedi gelesen. Kommst du von Coruscant?“
Statt zu antworten, sah der Angesprochene sich hektisch um. Er hatte etwas gehört. Die Wache, die er K.O. geschlagen hatte, kam langsam wieder zu sich. Mit einem gut gezielten Tritt beförderte er ihn kurzerhand zurück ins Land der Träume.
„Ha! Endlich zeigt einer diesen dämlichen Sicherheitsfutzis mal, wie das Nympah läuft!“, rief Tombaa triumphierend.
„Ich fürchte, ich muss eure Hilfe in Anspruch nehmen, wenn ihr sie mir gewähren wollt.“, sagte Obi-Wan und stützte sich unauffällig an einem Regal ab.
„Aber natürlich helfen wir dir! Rebellen sind bei uns immer willkommen!“, tönte der Alte.
„Gibt es eine Möglichkeit, die Fensterfront zu verriegeln, falls seine Freunde hier vorbei kommen sollten?“, fragte er und zeigte dabei mit der Stiefelspitze auf den Besinnungslosen zu seinen Füßen.
„Na klar gibt es die!“ Tombaa ging zu seinem Tresen und betätigte einen verborgenen Knopf. Sofort fielen Schotts herunter, die die gesamte Ladenfront verdeckten. Alles sah sehr stabil und sogar schussfest aus.
Das Licht wurde eingeschaltet. Flackernd erwachten die Lampen zum Leben. Auf einem Planeten, auf dem es so selten dunkel war, wurden sie logischerweise sehr selten benutzt.
„Großvater, jetzt warte doch mal kurz. Ich weiß nicht, ob wir ihm wirklich helfen sollten. Immerhin verfolgen die Sicherheitskräfte niemanden ohne Grund.“, warf Rondaa ein. Die Begeisterung war aus seiner Stimme verschwunden. Offenbar war er sich nicht mehr so sicher, was den Fremden betraf.
„Man wirft mir Verbrechen vor, die ich nicht begangen habe. Das ist die Wahrheit. Ihr habt mein Wort als Jedi. Ich verspreche, friedlich woanders mein Glück zu versuchen, wenn ihr es nicht tun solltet. Ich kann euch beide nicht zwingen, mir zu helfen.“
„Aber sicher glauben wir dir!“, rief Tombaa, kam zu Obi-Wan und zwickte diesem beinahe liebevoll in die Wangen.
„Großvater...-“, setzte Rondaa an.
„Ach nun hör aber auf! Wann hast du das letzte Mal so viel Spaß gehabt?“
Seufzend gab Rondaa schließlich nach.
„Ich brauche etwas, womit ich die Wache fesseln kann.“
Sie gaben ihm ein dünnes Seil. Damit fixierte er den Sicherheitsbeamten an Händen und Füßen. Rondaa warf einen fragenden Blick auf dessen Kollegen.
„Der wird nicht mehr aufwachen.“, sagte Obi-Wan nur und breitete eine Plane über den Leichnam aus. Im Nachhinein tat es ihm sehr Leid, die Wache getötet zu haben. Doch er wusste, dass ihm nichts anderes übrig geblieben war.
Mit schmerzverzerrtem Gesicht hielt Obi-Wan sich die Seite. Die körperliche Anstrengung vorhin hatte ihm den Rest gegeben. Rondaa stieß ihn sachte am Arm an.
„Soll ich mir das mal ansehen?“
„Von mir aus kannst du mir einen Arm abhacken, wenn ihr nur etwas zu trinken für mich habt.“, sagte Obi-Wan mit schwachem Lächeln.
„Humor hat der Junge auch noch! Du hast echt das Zeug zum Rebellen, mein Junge!“, warf Tombaa ein.
Sein Enkel seufzte nur schwer und holte Verbandszeug aus einem der hinteren Lagerräume.
Kurze Zeit später hatte Obi-Wan sein Oberteil abgelegt, während Rondaa die Laserwunden und die Prellungen an den Rippen mit Bacta ein rieb. Dabei trank er- immer nur kleine Schlucke, damit er sich nicht gleich wieder erbrach- Wasser aus einem großen Becher.
Rondaa verzog das Gesicht, als er Obi-Wans Wunden genau betrachtete.
„Du siehst aus, als hättest du ein paar Jahre in vorderster Front eines Bürgerkrieges hinter dir.“
Obi-Wan lachte schwach, ließ es aber gleich wieder.
„Nur ein paar Tage im Dschungel, zwei Begegnungen mit Nympah und noch so einiges anderes, dass ich lieber vergessen würde.“
„Holla! Nympah und du lebst noch?“
Der Padawan nickte nur, da er mittlerweile dazu übergegangen war, sich wahllos Sachen in den Mund zu stopfen, die Tombaa ihm gebracht hatte.
„Dann ist an den Geschichten, die man so über euch Jedi hört, wohl doch was dran, oder?“
„Eigentlich bin ich ein Padawan-Schüler und noch in der Ausbildung.“, sagte Obi-Wan nur, weil er eigentlich keine Lust hatte, jetzt über die Macht oder Sonstiges zu reden. Er stellte jetzt seinerseits eine Frage.
„Was verkauft ihr hier?“ Er hatte zwischen dem ganzen Glas vorhin ein paar Teile gesehen, die sehr nach Comlinks ausgesehen hatten.
Rondaa erklärte ihm, dass er hier mit seinem Großvater abhörsichere Comlinks und Hardware für Kommunikationssysteme anbot.
„Das ist auch der Grund, weswegen sie mich mit meinem Laden in die schäbigste Ecke von Pavkon verbannt haben.“, sagte Tombaa. „Aber die Leute kaufen trotzdem bei mir. Sind nämlich nicht alle so blöd wie diese Hexe von einer Königin vielleicht denken mag.“ Er zwinkerte schelmisch.
„Die Regierung hört jeden Funkverkehr auf Pavlin 4 stichprobenweise ab. Da kommt es ihr natürlich ungelegen, dass mein Großvater solche Sachen verkauft.“
Beide schienen sich zu wundern, dass Obi-Wan grinste. Zum ersten Mal seit Tagen.
„Wisst ihr, das trifft sich ganz hervorragend!“ Offenbar war ihm das Glück doch noch hold.
„Wie meinst du das?“, fragte Rondaa nach.
„Ich brauche im Moment nichts dringender, als ein sicheres Kommunikationssystem.“
„Na wenn´s weiter nichts ist!“, grinste Tombaa und verschwand hinten im Laden.
Obi-Wan bekam ein neues Oberteil und die Gelegenheit, sich frisch zu machen, wofür er sehr dankbar war. Zwar war ihm die Kleidung von Rondaa viel zu groß, aber das störte ihn wenig. Er schlang sich den strahlend weißen Stoff einfach eng um den Körper und befestigte ihn dann entsprechend mit seinem Gürtel. Nachdem Rondaa ihm Bacta-Verbände angelegt hatte, veränderte sich sein Zustand von Minute zu Minute zum Positiven hin.
„Nehmt es mir bitte nicht übel, aber es ist sicherer, wenn ihr nicht dabei seid.“
Kurz darauf saß Obi-Wan allein vor einem Com-Unit im Lager und versuchte, eine Verbindung nach Coruscant herzustellen, was ihm mehrmals misslang. Doch als er endlich eine Stimme am anderen Ende der Leistung hörte, machte sein Herz vor Freude einen Hüpfer.
Das Gesagte wurde verzerrt und unverständlich, weil die Verbindung sich noch aufbaute.
„Meister Yoda?“, fragte Obi-Wan. Das Holobild entstand und zeigte ihm den Ratsaal des Jedi-Tempels. Alle Mitglieder waren anwesend.
„Eine Sitzung wir gerade halten ab. Wer der Störenfried ist, unsere Frage war.“
Er schluckte schwer. Plötzlich war er nervös.
„Hier ist Obi-Wan Ken-“
„Ja, wir sehen dich jetzt auch, junger Kenobi.“, sagte Meister Windu. „Wir spüren große Dringlichkeit hinter deinen Worten. Welchen Grund hast du, direkt Verbindung mit dem Ratsaal aufzunehmen?“
„Unsere Mission auf Pavlin 4 ist nicht ganz so verlaufen, wie wir es uns vorgestellt hatten.“, sagte der Padawan.
„Hast du dir von Qui Gon jetzt noch die Eigenschaft angenommen, in Rätseln zu sprechen?“
Also erzählte Obi-Wan ihnen von Anfang an. Dabei bemühte er sich, alles Unwichtige aus seinen Worten heraus zu filtern. Er berichtete vom noch relativ normalen Beginn ihrer Mission, von ihrem Absturz im Dschungel, wie sie den Nympah entkommen waren, vom Industriekomplex und was sie über Königin Tylaa herausgefunden hatten. Als er die Situation erläutert hatte, in der Qui Gon sich befand und sein Vorgehen bis zum jetzigen Moment geschildert hatte, kam es ihm vor, als hätte er stundenlang geredet.
Die zwölf Jedi-Meister hatten die ganze Zeit über konzentriert zugehört ohne ihn zu unterbrechen.
„Du in einer Lage dich befindest, in der warten dir möglich ist?“, fragte Yoda schließlich.
„Ja, Meister.“
Es dauerte nicht einmal zehn Minuten, bevor die Meister sich wieder meldeten. Es war Meister Windu, der sprach.
„Wir möchten, dass du genau dort bleibst, wo du jetzt bist. Versteck dich, bis Hilfe eintrifft. Wir schicken zwei Jedi-Teams in Begleitung von so vielen republikanischen Sicherheitsbeamten wie wir organisieren können. Die Handelsförderation wird sich nicht widersetzen und Qui Gon und die Sklaven, die du uns beschrieben hast, frei lassen. Davon sind wir überzeugt. Sobald sie auf Pavlin 4 ankommen, werden die Jedi dich über diese Verbindung kontaktieren. Bis dahin jedoch: Bleib wo du bist.“
„Das werde ich, Meister. Welche Jedi-Teams werdet ihr schicken?“, fragte er nach. Als er und Qui Gon aufgebrochen waren, hatten keine anderen mehr zur Verfügung gestanden.
„Adi Gallia und Siri Tachi sind gestern von einer Mission zurückgekehrt. Außerdem sind der Jedi-Meister Tholme und sein Padawan Quinlan Vos ebenfalls seit kurzem wieder auf Coruscant.“
Damit verließ Mace Windu das Hologramm und somit auch den Raum.
„Eines noch, junger Obi-Wan.“, sprach Yoda ihn an.
Er wartete schweigend.
„Gut gemacht du das hast. Probleme sich lösen werden. Du dich weiterentwickelt und viel gelernt hast auf dieser Mission ich spüre. Möge die Macht mit dir sein.“
„Danke, möge die Macht mit Euch sein, Meister.“
 
so. das war erstmal das letzte kapitel. aber wer "Good boy gone bad" gelesen hat, weiß, dass noch eine kleine Überraschung folgt!

Viel Spaß dabei und sagt mir, was ihr davon haltet!

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Epilog​


Nach einer Standardwoche war Obi-Wan endlich wieder zurück im Jedi-Tempel auf Coruscant.
Zwar hatte es kaum zwei Tage gedauert bevor die beiden Jedi-Teams zusammen mit fast 50 Sicherheitsoffizieren auf Pavlin 4 gelandet waren, doch er war nicht sofort zum Inneren Kern zurückgekehrt. Zusammen mit seinem Freund Quinlan Vos, dessen Meister und den Sicherheitsbeamten war er zurück zum Industriekomplex geflogen, während Adi Gallia und Siri in Pavkon geblieben waren um die Königin unter Arrest zu stellen.
Während der Reise hatten sie kaum ein Wort gesprochen. Er hatte auch das Angebot von medizinischer Versorgung abgelehnt. Nachdem Tombaa ihn behandelt hatte, ging es ihm soweit wieder gut. Er hatte genau gewusst, dass tausend Liter Bacta und die besten Heiler des Tempels ihm nicht so gut geholfen hätten wie einige Stunden ruhigen Schlafes. Aber das hatte immer noch warten müssen. Da war noch jemand auf dem Gelände gewesen, für den er sich verantwortlich gefühlt hatte.
Wie erwartet hatte der Neimoindianer von der Handelsförderation einer vom Obersten Kanzler und dem Jedi-Orden kommenden Anweisung wenig entgegen gesetzt und sie problemlos passieren lassen. Wahrscheinlich glaubte er, die Königin für seinen finanziellen Schaden aufkommen lassen zu können.
Was danach gekommen war, hatte ihn geprägt. Vor seinem geistigen Auge tauchten Bilder von Qui Gon auf, der den Kampf gegen den Chip in seinem Nacken mittlerweile verloren hatte. Der Jedi-Meister hatte getobt und geschrien; so heftig, dass sie ihn schließlich mit einem starken Betäubungsmittel hatten ruhig stellen müssen.
Obi-Wan hatte sich noch einmal persönlich von seinem Zustand überzeugt, bevor sie sich in die unterirdischen Tunnel begeben hatten. Vorher hatte er dem Chef der mitgebrachten Sicherheitstruppe das Versprechen abgenommen, dass er selbst Qui Gon so schnell und unbeschadet wie möglich nach Coruscant zurückbringen würde.
Die Wiedersehensfreude hatte Lanaa im Gesicht geschrieben gestanden, als sie sich getroffen hatten.
„Das wurde aber auch Zeit!“, hatte sie gesagt und ihm freundschaftlich auf die Schulter geklopft.
„Wo ist Foche? Ich will sie mitnehmen.“, hatte er geflüstert.
„Ihr Bruder?“ Lanaas Blick war fragend gewesen. Doch Obi-Wan hatte nur den Kopf geschüttelt und sie hatte verstanden.
Er hatte ihr nichts von der Festnahme ihrer Königin erzählt. Sollte sich dieses Mal doch einer der Sicherheitsbeamten die Ohrfeige einfangen, wenn er ihr erklärte, wieso sie plötzlich arbeitslos war.
Noch bevor er Quinlan die Situation mit Foche richtig zu erklären begonnen hatte, hatte Meister Tholme schon eine Hand gehoben um ihn zum Schweigen zu bringen und per Comlink ein Schiff beordert, dass sie zum Planeten Gado gebracht hatte.
„Ich habe ihm versprochen, mich um sie zu kümmern.“, hatte er auf halber Strecke zu Quinlan gesagt, als dieser sich einfach neben ihn gesetzt hatte während Foche an ihn geschmiegt geschlafen hatte. Da Foche nicht sprach, hatte sie auch nicht nach ihrem Bruder gefragt. Das war Obi-Wan ganz recht gewesen. Sie musste es noch nicht erfahren und schon gar nicht von ihm.
Es war eine tränenreiche Begrüßung gewesen, als Obi-Wan dem Vorsitzenden der Vereinten Planeten des Systems seine Tochter überreicht und gewartet hatte, bis sie ihre Mutter stürmisch begrüßte, um ihrem Vater dann mitzuteilen, dass er ihm seinen Sohn nicht hatte wiederbringen können.

Tief atmete der Padawan ein, spürte die Trauer und das Bedauern ganz bewusst. Schließlich ließ er diese Gefühle durch sich hindurch fließen.
„Hey, Obi-Wan! Hallo! Bant Eerin an Obi-Wan Kenobi, bitte kommen!“
Er schreckte aus seinen Gedanken hoch und blickte direkt in die freundlichen, wenn auch ein bisschen besorgt drein blickenden Augen seiner besten Freundin.
„Du bist dran.“, sagte sie nur. Kurz richtete er seinen Blick wieder auf das komplizierte Brettspiel, dass sie auf einer Bank im Saal der Tausend Quellen aufgebaut hatten.
Egal wie sehr er sich anstrengte, hierbei verlor er sowieso immer gegen Bant. Das war schon immer so gewesen. Doch ihr zu Liebe tat er gerne so, als würde er wirklich über seinen nächsten Zug nachdenken.
Sie war vorgestern von einer Mission mit ihrem neuen Meister Kit Fisto zurückgekehrt und hatte dann auf ihn gewartet. Und offenbar hatte sie es sich zur persönlichen Aufgabe gemacht, ihn von seinen trübseligen Gedanken abzulenken bis Qui Gon zurück kam.
Obi-Wan setzte seinen Spielstein wahllos auf irgendein Feld.
„Du gibst dir überhaupt keine Mühe!“, beschwerte sich die junge Mon Calamari und stieß ihn freundschaftlich an.
Er tat so, als hätte sie ihm ernstlich weh getan, obwohl er nichts weiter als ein leichtes Ziehen in der Seite spürte.
„Aua! Jetzt pass doch auf oder willst du mich umbringen? Ein Rudel Nympah hat es nicht geschafft, aber du wirst noch mein Ende sein.“, grinste er. Sie zog eine Augenbraue hoch.
„Jetzt übertreibst du aber! Zeig mir lieber nochmal die Narbe von der Laserwunde.“ Seufzend zeigte er ihr bestimmt schon zum fünften Mal heute seinen Oberarm.
„Cool.“
„Besonders cool fand ich das in dem Moment aber nicht.“, sagte er mit plötzlich belegter Stimme.
„Du hast recht. Ich vergaß die Umstände unter denen du sie dir zugezogen hast. Es tut mir leid.“
Einen Moment lang schwiegen sie.
„Genug von meiner Mission! Erzähl mir von deiner. Wie ist Meister Fisto denn so?“, fragte er rasch. Auf keinen Fall wollte er, dass die unbeschwerte Stimmung zwischen ihnen verschwand. Wenn er mit Bant zusammen war, musste er sich nicht besonders höflich oder vernünftig benehmen. Hier konnte er einfach nur er selbst sein, ein noch nicht ganz erwachsener junger Jedi.
„Oh, es war ein ruhiger Auftrag. Viel Gerede, wenig Taten. Aber im Endeffekt ist mir das auch lieber so. Und mein Meister ist sehr... einfühlsam. Seine Verbindung mit der Macht ist einfach unglaublich. Er scheint immer genau zu wissen, was ich denke und fühle. Auf der anderen Seite aber auch wieder sehr direkt und kann ziemlich ungestüm sein. Ganz anders als Tahl.“
Das Schweigen, das jetzt einkehrte, war keineswegs unangenehm. Es war ein friedliches Schweigen, wie es nur zwischen Freunden herrschen konnte.
„Stören ich euch tue?“
Bant und Obi-Wan hoben die Köpfe. Keiner von ihnen hatte Yoda näher kommen gespürt.
„Nein, wir spielen nur eine Runde Blando, Meister.“, antwortete Bant. Der kleine Jedi warf einen Blick auf das Brett.
„Viel üben du noch musst, junger Obi-Wan.“, sagte er mit einem Lächeln in der Stimme.
„Eine gute Nachricht ich für dich habe.“
Hoffnung regte sich in Obi-Wan und ließ den Kokon, den er um seine Sehnsucht nach der Rückkehr seines Meisters gehüllt hatte, rissig werden.
„Kommt er etwa endlich zurück?“
Yoda nickte nur.
„Wann?“
„Jetzt sofort. Früher als erwartet sie konnten aufbrechen. Qui Gon eilig zu haben es schien, dich wieder zu sehen.“
Aufregung überspülte ihn und er konnte sich kaum noch halten. Bant sah ihn strahlend an.
„Nun geh schon.“, sagte sie und schubste ihn sacht, sodass er aufstand. Dann lief er zur Landeplattform ohne sich noch einmal um zudrehen.
Das Schiff setzte gerade auf und noch während er über das Feld rannte, hatten Adi und Siri es auch schon betreten. Ihnen folgte Qui Gon.
„Meister!“, rief Obi- Wan ein wenig außer Atem und kam schlitternd vor den Dreien zum Stehen. Eines dieser Lächeln, die er für besondere Menschen in seinem Leben aufhob, lag auf Qui Gons Lippen, als sie sich die Hand schüttelten indem sie jeweils den Unterarm des anderen umfassten.
„Hallo, ich freue mich auch, dich zu sehen.“, grinste Siri, woraufhin Obi-Wan sie und Adi ebenfalls eilig begrüßte.
„Wie war eure Reise?“, fragte er automatisch.
„Keine Piraten, keine Meteoritenfelder. Was will man mehr.“, grinste die andere Padawan nur.
„Außerdem bin ich dieses grässliche Ding im Nacken wieder los.“, sagte Qui Gon und zeigte ihm ein Pflaster im Nacken, dass von dem chirurgischen Eingriff zeugte, bei dem er den Chip entfernt bekommen hatte.

Noch am selben Abend saß Qui Gon Jinn mit seinem Padawan in Didis Café. Er hatte Obi-Wan gesagt, dass er nach dieser langen Zeit der Entbehrungen seinen Lieblingstee trinken wollte. In Wahrheit allerdings war es ihm ein Bedürfnis, etwas mit seinem Padawan zu unternehmen. Etwas Besonderes. Und immerhin gingen sie nicht jeden Abend nur so zum Vergnügen aus.
Den halben Nachmittag hatten sie damit verbracht, über das zu reden, was zwischen ihnen vorgefallen war. Zu einem wirklichen Schluss waren beide allerdings nicht gekommen.
Alles was Qui Gon ganz sicher wusste, war, dass die Ereignisse wieder einen neuen Aspekt ihrer Meister-Padawan-Beziehung aufgedeckt hatten. Sie hatten sich entwickelt. Doch in welche Richtung, vermochte er noch nicht zu sagen.
„Der Senat hat Untersuchungen gegen Pavlin 4 und Königin Tylaa eingeleitet. Ihre geheimen Machenschaften werden nicht länger geheim bleiben, davon bin ich überzeugt.“, sagte er und nippte an seinem Tee.
„Welches Team schicken sie?“
„Nun, sie hatten uns gefragt, ob wir die Sache übernehmen wollen, aber ich sagte ihnen, dass wir vorerst kein Bedürfnis nach einer weiteren Reise nach Pavlin 4 hätten. Ich hoffe, das war in deinem Interesse.“
„Darauf könnt Ihr Gift nehmen.“, grinste sein Gegenüber und drehte den noch vollen Trinkbecher in Händen. Diddi hatte darauf bestanden, Obi-Wan ein alkoholisches Getränk zu bringen, das aufs Haus ging. Und obwohl er es ihm nicht einmal verboten hatte, rührte sein Padawan es nicht an. Qui Gon wünschte sich, auch er hätte immer solche Disziplin an den Tag legen können.
„Übrigens soll ich dir einen Gruß von Lanaa bestellen. Als sie aufgehört hatte zu schreien und nicht mehr versuchte, Adi und Siri zu verprügeln, weil sie ihr alles über das Verfahren gegen Königin Tylaa mitgeteilt hatten, war sie eigentlich ganz umgänglich. Als wir uns verabschiedeten, sagte sie mir, dass sie sich von jetzt an der Nympah-Forschung zuwenden würde.“
„Sehr interessant.“, murmelte Obi-Wan mit leicht ironischem Unterton und verdrehte die Augen.
Qui Gon beobachte seinen Schüler genau. Die Freude, dass sie endlich wieder zusammen waren, überwog bei ihm. Doch da war noch etwas anderes, dass ihn bedrückte.
„Du gibst dir immer noch die Schuld an dem, was mit Foches Bruder geschehen ist, habe ich recht?“
Der Blick seines Padawan verriet alles. Er hatte eben noch nie etwas vor seinem Meister verheimlichen können.
„Das Gefühl der Schuld bleibt immer, denke ich. Er hat mit seinem Tod so vielen und nicht zuletzt mir dabei geholfen, zu überleben. In dieser Erinnerung möchte ich ihn behalten.“
„Du hast viel gesehen auf dieser Mission. Dinge, die ich dir eigentlich noch eine Weile vorenthalten wollte bis du älter bist.“, sagte Qui Gon leise.
„Es passiert viel, das wir nicht beabsichtigt haben, Meister. Wir können uns nur in den Strom der Zeit einreihen und versuchen, damit klar zu kommen. Alles hängt irgendwie zusammen. Vielleicht war es ja wichtig, dass diese ganzen Ereignisse geschehen sind.“
„Wann bist du nur so weise geworden, Obi-Wan?“, fragte Qui Gon halb belustigt halb ernsthaft erstaunt über die Worte seines Padawans. Doch sein Schüler blieb ihm eine Antwort schuldig und er hakte nicht weiter nach. Nicht jetzt.
„Ich möchte, dass du gut nachdenkst und mir dann sagst, was du auf dieser Mission gelernt hast.“
Es dauerte eine Weile, bis der Junge antwortete.
„Ich habe gelernt, dass ich Euch vertraue.“
Qui Gon zog eine Augenbraue hoch.
„Selbst wenn es dich dein Leben kosten könnte?“
„Gerade dann, Meister.“, sagte sein Gegenüber.
„Ich muss zugeben, dass ich das nicht verstehe.“
Ein ehrliches Lächeln breitete sich auf Obi-Wans Gesicht aus.
„Vielleicht erkläre ich es Euch eines Tages einmal, Meister.“, sagte er.

Er sollte niemals die Gelegenheit dazu bekommen.

~The End~
 
Dann ist die Story also zuende, werde zusehen, dass ich sie am kommenden langen Wochenende gelesen krieg...:D

Danke nochmal, Obawan!

Gruß, Kevora
 
SO! Hier wie versprochen die kleine Überraschung!

Ich hoffe sehr, es gefällt euch und ihr könnt wenigstens ein bisschen schmunzeln. Ich möchte mich nochmal herzlich dafür bedanken, dass ihr meine FF gelesen habt und versichern, dass es in naher Zukunft noch mehr von mir geben wird! In ein oder zwei Wochen wahrscheinlich die letzte Sache zu Obi-Wan und Qui Gon in direkter Verbindung.(Kurzgeschichte, höchstens 3 Kapitel)

Selbstironie gehört dazu und macht vieles wesentlich leichter! Also: Nehmt euch selbst nicht zu ernst, sondern lacht auch einfach mal drüber!

Wer hier nicht mindestens schmunzeln kann, versteht den Text nicht.

Achja. Und noch was ganz Wichtiges! Ich möchte diese Story noch im Nachhinein jemandem widmen! Meiner Muse Anna R.!
Danke für die wundervolle Inspiration durch deinen bissigen Sarkasmus und die endlose Flut an Adjektiven, mit der du mich jeden Tag wieder beglückst!
Und auch Sophie will ich danken! Dafür, dass du nie an das hier geglaubt hast und mich somit animiertest, weiter zu machen! <3Schweinebuckel<3

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Man stelle sich vor, dass in einem ganz normalen Standardjahr mit 365 Standardtagen, rund 52,1486 Standardwochen, 8760 Standardstunden, 525600 Standardminuten und 31536000 Standardsekunden eine aufstrebende junge Autorin mit einem Hang zu cholerischen Anfällen, Schimpfwörtern und langen Sätzen zu einem eingebildeten Agenten in den mittleren Ebenen von Coruscant kommt und ihm ihre Idee vorlegen möchte, in die sie eine ganze Menge Arbeit und Herzblut gesteckt hat.
Man stelle sich weiterhin vor, dass Filmaufnahmen dieses ganz besonderen Termins durch einen anonymen Beobachter als Holo-Datei angefertigt und an die entsprechenden Behörden weitergeleitet wurden.
Was ist also auf diesen Aufnahmen zu sehen?
Da wir gerade beim Vorstellen sind, stellen sie sich ein verrauchtes kleines Hinterzimmer irgendeiner schäbigen Baracke vor. Die dreckigen Fenster sind mit kitschigen Gardinen abgedunkelt, auf dem Schreibtisch herrscht Chaos. Kein geordnetes Chaos, sondern reines pures Chaos.
Hinter dem wackligen Tisch sitzt ein Zigarre rauchender Besalisk und zwar einer von der richtig angenehmen Sorte. Während sie sich noch fragen, ob sich sein Körpergeruch wohl an sein Erscheinungsbild angepasst hat oder umgekehrt, spuckt er fast schon galant auf den Boden neben sich und verleibt sich ein in eine gelbe Flüssigkeit eingelegtes Pelztierchen ein. Eins von der Art, wie sie es sonst ihrem Neffen zu Weihnachten geschenkt hätten um es am nächsten Tag gleich wieder ins Tierheim zu bringen.
Diesem charmanten Zeitgenossen hat die junge Autorin nun ihr zukünftiges Leben in die vier klebrigen Finger gelegt. Habe ich schon die überaus gut aussehende, intelligente und gelockte Freundin der Autorin erwähnt, die durchaus daran interessiert ist, die Romanvorlage zu illustrieren und anschließend zu verlegen? Sie sitzt als moralische Stütze mit in diesem Kabuff und atmet tapfer den für ihre strapazierten Lungen tödlichen Zigarrenqualm ein.
Nein?
Dann sei das hiermit erledigt.

Ihr Gegenüber schnalzt mit der Zunge und schüttelt den massigen Kopf, wobei seine Kehlwamme in einem ganz bestimmten Rhythmus hin und her schaukelt.
„Wieso hungert und durstet dieser Bengel in ihrer Geschichte tagelang?“, dröhnte er und rieb sich die Augen. „Gleich nach Veröffentlichung würden die Verfassungsschützer und Kinderrechtler mir die Bude einrennen. Immerhin ist der Bursche hier nicht älter als zwölf.“
„Sechzehn.“, wirft die elegante Begleiterin der Autorin so gelassen wie möglich von der Seite ein. Der Besalisk winkt ab.
„Ja, ja. Wer hält sich schon an solchen Kleinigkeiten auf.“
„Welche Verfassung?“, fragt die andere junge Dame zaghaft nach.
„Bei den Sternen, das sagt man doch so, oder?“, antwortet er wirsch und ascht ab, natürlich in den Mülleimer neben sich.
Er liest weiter und die beiden Frauen warten gespannt. Es dauerte gar nicht lange, da schnaubt er ungläubig.
„NATÜRLICH stand nur dieses Jedi-Team zur Verfügung. Es gibt über zweitausend Jedi in der Galaxis und nur diese beiden Trantüten haben Zeit. Und mit diesem für einen solchen Hanswurst wie ihre Hauptfigur natürlich viel zu engen Transporter begann dann auch dessen Leidensweg, hä? Und dann noch diese unerträglichen Bälger, von denen keiner weiß, wie sie vom ominösen Planeten Gado an Bord dieses Schiffes gelangt sind.“ Er blättert weiter. „Und dann noch der Auftritt dieser Teilzeit-Wrestlerin Lanaa!“
„Nun hören sie mal! Diese Figur macht über die Geschichte hinweg eine Entwicklung durch. Erst hasst man sie und dann mag man sie. Das ging mir nicht anders!“, meldet sich jetzt die Autorin höchstpersönlich zu Wort während ihre hübsche Freundin nur in ihren nicht vorhandenen Bart brubbelt. Auch sie kann Lanaa nicht leiden.
Mit einem ekelhaft klingenden Geräusch gibt der Besalisk ihr zu verstehen, dass Lanaa bleiben darf. Er liest weiter und bekommt einen Gesichtsausdruck als wäre gleich eine spannende Runde Bingo angesagt.
„Dieses Gejammer!! Kann es sein, dass dieser Obi-Wan deutsche Wurzeln hat? Es ist grässlich!“
Er verstellt die Stimme wie die eines kleinen Kindes.
„Mir ist heiß, mein Hals tut weh, mir ist schwindlig, ich hab Fieber, mir tut alles weh...nimmt das auch irgendwann mal ein Ende?“
Er blättert weiter.
„Und dann der Dschungel!“, stöhnt er.
„Was soll denn mit dem jetzt schon wieder sein? Der ist gut!“, verteidigt die junge Frau ihr Werk wie eine Löwin- pardon- ein Nympah-Weibchen ihre Jungen.
„Mag ja alles sein, aber diese säbelzahntigerähnlichen Urzeitmonster und komische Kühe mit fünf Beinen! Also bitte! Jetzt dürfen wir FSK 12 und nicht mehr 6 drauf schreiben.“, schnaubt er und macht sich eine Notiz auf seinem vergilbten Schreibblock.
Er schnalzt mit der Zunge.
„Ah ja. Ich sehe schon. Da kommt erstmal eine Weile gar nichts, außer Obi-Wans Gejammer in perversester Weise. Überhaupt hat er sich ja alles geholt, was auch nur in irgendeiner Weise möglich ist. Es wundert mich, dass er sich keinen Tripper eingefangen hat. Obwohl er in der Hinsicht ja in Kapitel 10 arg gefährdet ist, wie ich sehe.“
Die Autorin sieht betreten aus.
„Ich habe darauf verzichtet, sie eines qualvollen Todes sterben zu lassen wie ein gewisser Jemand es von mir verlangte.“ Betreten warf sie einen schnellen Seitenblick auf ihre Begleiterin, die jedoch mit Engelsmiene geradeaus schaute und sich nicht das geringste anmerken ließ.
„Wenn ich mir ihre Reviewforderungen so ansehe, sind sie sowieso nichts anderes als ein notgeiler, narzistischer Freak, der seinen Hauptcharakter gerne quält, nur um sich daran zu ergötzen.“
Die Autorin scheint ihr Selbstvertrauen wiedergefunden zu haben und zuckt nur mit den Schultern, während sie unschuldig ihr Fingernägel begutachtet.
„Na und? Lassen Sie mich doch. Kommt in den besten Familien vor. Leid ist des Dichters Brot.“
„Sie sind süchtig nach Aufmerksamkeit, ganz zu schweigen von ihrer Selbstherrlichkeit.“
„Das muss der Leser doch nicht wissen. Die Leute kaufen eher ein Buch von Jack the Ripper als von Mutter Theresa.“
„Von wem?“
„Ach, schon gut.“
„Wenn ich mir diese Lanaa nochmal genauer ansehe, dann muss ich sagen, dass das so nicht geht. Gewaltausbrüche und Tätlichkeiten Minderjährigen gegenüber und zu allem Überfluss auch noch die Loyalität zu einer Verbrecherin. Es mag ja manche Leute geben, die das als Charakter bezeichnen. Ich bezeichne es eher als einen Fall für die Supernanny. Sowas kann man in unserer politisch korrekten Welt nicht mehr anbieten!“
Er schlägt mit der flachen Hand auf den Stapel Papier vor sich.
„Und als Überraschungsgäste natürlich die kleine Foche und ihr namenloser, tragisch verarmter Bruder. Flüchtlingskinder, die die Welt verändern wollen. Das nenne ich den Stoff, aus dem die Träume sind. Zumindest die feuchten Träume von makaberen Senatoren.“
Er schüttelt sich, als hätte er eine Gänsehaut beim bloßen Gedanken daran.
„Übrigens kotzt mich dieses ganze Flower-Power-wir-beide-haben-uns-ja-so-lieb- Getue echt an.“
„Aber Jedi sind nun mal harmonische Wesen!“, wirft die Autorin ein.
„Ja, ja-“, er macht eine ungeduldige Geste mit der Hand, „das müssen Sie streichen. Das wirkt schwul. Für sowas gibt’s eine extra Filmbranche noch ein paar Ebenen weiter unten. Da ist eine kleine Agentur, da kann man schlechte Pornos drehen lassen...-“
„Schon gut, schon gut. Wir streichen es.“, seufzt die Autorin.
„Was soll denn bitte das Verbrennen der Arbeiterleichen in Kapitel 13? Und die brutale Ermordung von Foches Bruder! Wenn der sich nicht mindestens noch als schwul herausstellt, dann streichen Sie seinen Tod!“
„Aber alles weitere baut darauf auf!“, sagt die Autorin entsetzt. Man sieht, wie sie in Gedanken bereits diverse Metallgegenstände in den Körper ihres Gegenübers bohrt.
„Das ist mir egal! Streichen sie es!“
„Zwischen Obi-Wan und Qui Gon wirkt eine Vater-Sohn-ähnliche Beziehung schwul, aber der kleine 15-Jährige mit der kleinen Schwester soll auf einmal zum Homofürsten avancieren!“, empört sich die Autorin. Zu recht.
„Stellen Sie meine Meinung nicht in Frage, sonst-“, er zeigt mit dem Daumen hinter sich und grinst, „ein paar Ebenen tiefer. Sie wissen schon.“
„Schon gut.“, murrt die Autorin verbissen und scheint nur mit Mühe und Not abfällige Bemerkungen über die Berufswahl seiner Mutter zurückhalten zu können.
„Der Auftritt dieses schleimigen Neimoindianers fördert doch nur Rassismus im Volk.“
„Aber den Jungen mit seiner kleinen Schwester soll ich schwul machen.“
Dieses Mal war es an dem Geschäftsmann, klein bei zu geben.
„Das mit den Chips wirkt unglaubwürdig, es gibt zu wenig Action-“
„So oft, wie Obi-Wan verletzt wird!?“, wirft dieses Mal die Freundin der Autorin entsetzt ein.
„Es gibt keine Feuergefechte mit fliegenden Innereien , keine explodierenden Autos, sowas in der Richtung.“
„Es gibt in Star Wars aber keine Autos.“
„Star Wars?“, fragt der Agent blinzelnd.
Es folgt ein Geräusch, als ob ein großer Schrank einen sehr großen hohlen Kopf trifft und das Bild verwackelt kurz.
Als man wieder sehen kann, scheint der Besalisk plötzlich lammfromm geworden zu sein und kriecht buchstäblich zu Kreuze.
„Eine unglaubwürdige Story, plötzliche Wendungen, aufkommende Langeweile und ein Happy End. Wir verlegen es.“, er grinst doch er scheint ein paar Zahnlücken mehr zu haben als noch vor einigen Minuten.
„Na also, es geht doch.“
Sie stehen auf und verabschieden sich.
„Gestern habe ich ein Konzept auf den Tisch bekommen, dass wir angenommen haben. Allerdinsg fehlt hier die Handlung völlig und das Buch spricht nur die Sehnsüchte einer suizidgefährdeten Generation von Dummköpfen an. Sie können mal einen Blick drauf werfen, wenn sie wollen.“
„Gern. Bei der Konkurrenz sollte man immer mal horchen.“, entgegnen die beiden jungen Frauen.
Ungläubig drehte die junge Autorin das Buch in den Händen und las kurz den Klappentext.
„Twilight? Ich wette mit Ihnen um 100 Credits, dass das floppt.“
Lachend verließen sie das Büro und mussten in den nächsten Monaten hilflos dabei zusehen, wie „Bedward“ die Mädchen von tausenden von Planeten mit seinem akuten Nonsense vergiftete.

~tragical end~
 
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