Obawan
seit ihrem 9. Lebensjahr heimlich in Obi-Wan verli
Gewissheit
Von einem Moment auf den anderen schien alle Benommenheit von Obi-Wan ab zufallen. Die Gedanken rasten nur so durch seinen Kopf.
Königin Tylaa war hier auf dem Gelände. Sie wusste, dass diese furchtbaren Dinge hier passierten und offensichtlich war sie damit einverstanden. Er kam zu keinem anderen Schluss, wenn sie hier in diesen sauberen und gepflegten Räumlichkeiten saß und mit genau den Leuten Tee trank, die ihr Volk versklavten. Und das alles in gelöster Atmosphäre. Es erschien ihm so lächerlich, in Anbetracht der Tatsache, dass die Menschen da draußen ununterbrochen schuften mussten, um wenigstens am Leben zu bleiben.
Damit hatte sich ihr Verdacht bestätigt. Zumindest konnten sie jetzt beweisen, dass die Königin von den Geschehnissen auf ihrem Planeten wusste. Die anderen Anschuldigungen, beispielsweise die Kolonialpolitik und die Erpressung gegen andere Planetensysteme würden durch andere Untersuchungen aufgeklärt werden, davon war Obi-Wan überzeugt.
Er selbst hockte immer noch auf den Knien, während die Königin ihn nur anstarrte. Ihr Gesicht spiegelte abwechselnd Angst, Fassungslosigkeit und Wut wider.
Dann schien sie sich wieder unter Kontrolle zu bekommen. Ihr Gesicht wirkte jetzt wieder wie eine Maske und sie hatte denselben Gesichtsausdruck wie an dem Tag, als er ihr das erste Mal begegnet war.
„Könntet Ihr mir wohl erklären, was fremde Eindringlinge auf diesem Mienenkomplex verloren haben, den ich Euch freundlicherweise zur Verfügung gestellt habe?!“, fragte sie, weiterhin um Fassung bemüht. Wahrscheinlich bemerkte nur Obi-Wan das leichte Zittern in ihrer Stimme und den panischen Seitenblick, den sie ihm zuwarf.
„Ich hatte gehofft, Ihr könntet mir das sagen, Eure Majestät.“ Die Stimme des Neimoidianers hatte etwas Abschätzendes und Bedrohliches an sich.
„Ich weiß absolut nicht, was Ihr meint, Mol Rank.“, stotterte Tylaa.
Obi-Wan seufzte innerlich. Selbst ein zweijähriges Kind aus dem Jedi-Tempel hätte diese Lüge durchschaut. Er war sich nicht sicher, ob ihr überhaupt auffiel, dass sie ihre Hände immer wieder an ihrem Gewand abwischte, hektisch im Raum umherblickte und auf ihrer Unterlippe herum kaute. Alles typische Signale für eine Lüge.
Er erinnerte sich wieder daran, was sein Meister ihm über Tylaa gesagt hatte. Sie war keine besonders intelligente Person, die dabei war, die Kontrolle über dieses ganze Vorhaben zu verlieren. Dieser Verdacht schien sich zu bestätigen. Sie wirkte extrem unsicher.
„Hört auf, mich zum Narren zu halten!“, donnerte Mol Rank und schlug mit der Faust auf den Tisch, sodass seine Tasse auch noch vom Tisch fiel und zerbrach.
Obi-Wan rührte sich, er konnte sich kaum noch halten, so gerne wäre er eingeschritten und hätte seine Meinung zum Besten gegeben. Doch sein Gefühl sagte ihm, dass das unklug wäre. Sein Leben oder seine Meinung zählten hier nicht viel. Bevor er aufstehen konnte, spürte er den Lauf eines Gewehrs im Nacken.
„Du bist noch nicht dran, mein Kleiner.“, knurrte einer der Whipiden hinter ihm. Er konnte das böse Grinsen auf seinem Gesicht praktisch vor seinem geistigen Auge sehen.
Der Neimoidianer trat zu ihm und hob seinen Kopf mit einem Finger unterm Kinn an, sodass er Königin Tylaa direkt ansehen musste. Doch die Königin schwieg beharrlich und tat unbeteiligt.
„Ihr seid noch naiver, als ich gedacht hatte, wenn Ihr annehmt, dass wir Euch nicht überwachen lassen. Die Ankunft Eurer beiden Freunde haben wir nicht bemerkt, das muss ich zugeben. Sie scheinen Ahnung von unauffälligen Auftritten zu haben. Aber natürlich haben die Abfanggeräte sie aufgespürt, die wir rund um unsere Anlage im Dschungel verteilt haben. Noch bevor sie wussten, dass sie in unserer Nähe sind, haben wir von ihnen gewusst. Nach dem Angriff der Bestien im Wald hatten wir eigentlich angenommen, dass sie tot seien, aber so kann man sich täuschen. Sie sind anscheinend putzmunter und haben es auch noch irgendwie geschafft, hier unbemerkt einzudringen! Eigentlich hätten wir es gleich besser wissen müssen. Mit Spionen hatten wir gerechnet, vielleicht fähige Pavlinianer, haben wir vermutet. Aber dass Ihr uns gleich so besonderen Besuch schickt, habe ich mir nicht mal in meinen kühnsten Träumen vorzustellen gewagt.“
Er ließ Obi-Wans Padawanzopf durch seine Finger gleiten. Dieser ruckte mit dem Kopf zur Seite, um der Berührung zu entgehen, wofür er sich allerdings einen unsanften Tritt von einem der Whipiden einfing.
„Also, Eure Majestät. Ich stelle Euch jetzt eine einfache Frage und ich möchte, dass Ihr mir eine ehrliche Antwort darauf gebt. Wie könnt Ihr Euch anmaßen, Jedi zu uns zu schicken?!“ Auf diesen Ausbruch hin herrschte einige Sekunden lang Ruhe. Nur der immer schneller werdende Atem der Königin war zu hören.
„Jedi? Woher wollt Ihr wissen, dass der Junge ein Jedi ist und dass es mehrere sind!? Ich meine...-“, stammelte Tylaa.
„Keine Ausflüchte mehr!“, unterbrach sie Mol Rank. „Dieser Junge ist ein Jedi. Allerdings ist er zu jung, um schon ein Ritter zu sein. Folglich ist er noch ein Schüler und die sind niemals allein auf einer Mission unterwegs.“ Jetzt wandte er sich direkt an Obi-Wan. „Also sagst du uns besser, wo dein Meister steckt!“
„Boss, dürfte ich vielleicht was dazu sagen?“, warf einer der Whipiden ein, doch der Neimoindianer wedelte nur ungeduldig mit der Hand in seine Richtung, was ihn verstummen ließ.
„Belästige mich nicht, sonst wirst du die Seiten wechseln und deine Arbeit nicht mehr als Wache, sondern als Arbeiter in den Mienen fortsetzen.“
Daraufhin nuschelte der Whipide irgendetwas in seiner Muttersprache, dass wahrscheinlich niemand außer der andere Whipide verstand, was sich für den Padawan aber stark nach einem Fluch anhörte.
Obi-Wan nahm all seinen Mut zusammen und tat plötzlich sehr betroffen. Das trockene Schluchzen, das er folgen ließ, klang, als hätte er es nur mit Mühe bis zu diesem Moment zurückhalten können.
„Mein Meister ist tot. Eure Leute haben ihn umgebracht und dafür werdet Ihr bezahlen!“, knurrte er und verlieh seiner Stimme so viel Wut wie er konnte.
„Boss...-“, setzte einer der Whipiden erneut an. Doch dieses Mal war es nicht der Neimoidianer, der ihn unterbrach, sondern sein Kollege. Er hielt ihn zurück, bevor er weiter sprechen konnte.
Obi-Wan hatte sich einen vergleichsweise einfachen Plan während des Gesprächs zwischen Königin Tylaa und Mol Rank einfallen lassen. Wenn die Anwesenden glaubten, dass Qui Gon tot war, würde ihnen das einen Vorteil verschaffen. Sein Meister war bestimmt schon dabei, zu fliehen. Er würde es wesentlich einfacher haben, wenn sie nicht nach ihm suchten. Er wusste, dass er nicht entkommen konnte, trotzdem musste er einen möglichst echt aussehenden Fluchtversuch vortäuschen. Ansonsten würde der Neimoidianer ihm seine Geschichte niemals abkaufen.
Die ganze Zeit über hatte er seine Kräfte mobilisiert, was erstaunlich gut funktionierte. Er hatte eigentlich angenommen, dass er länger für eine halbwegs anständige Regeneration brauchen würde. Vielleicht hatten die harten Trainingseinheiten mit Qui Gon endlich etwas gebracht.
Es konnte aber auch daran liegen, dass die Medikamente, die man ihm verabreicht hatte, keine besonders lange Wirkzeit hatten. So etwas konnte verschiedene Gründe haben. Zum Beispiel war es möglich, Patienten durch Verabreichung solcher Mittel nach einer Betäubung sehr schnell wieder wach zu bekommen. Der Nachteil war allerdings, dass man ständig Nachschub bereit stellen musste. Nachdem er sich die Infusion gezogen hatte, flossen keine Narkotika mehr nach und er erholte sich wieder.
Doch auch, wenn er seine Kraft gesammelt hatte, er würde nicht viel davon benötigen. Seine Gegner, die beiden Whipiden, waren ihm in Punkto Stärke weit überlegen. Zwar waren sie relativ schlank, aber dennoch groß und schwer, was in dem kleinen Raum, in dem sie sich befanden, einen deutlichen Nachteil darstellte. Und ihr Nachteil war sein Vorteil.
„Ihr werdet es noch bereuen, einen Jedi getötet zu haben!“, sagte er voller Inbrunst.
Bei diesen Worten suchte und fand er mit einem Ausfallschritt einen stabilen Stand und duckte sich unter dem Blaster des Whipiden weg, der ihn die ganze Zeit von hinten bedroht hatte. Gleich darauf wich er dem anderen aus, indem er sich fallen ließ und zur Seite abrollte. Ein Blasterschuss zuckte an ihm vorbei und schlug in den edlen Tisch hinter ihm ein, sodass Holz splitterte und quer durch den Raum flog.
„Nicht schießen, ihr Idioten! Ihr bringt uns noch alle um. Fangt ihn lebend wieder ein!“, befal der Neimoidianer.
Leichtfüßiger, als er es sich in seinem momentanen Zustand zugetraut hatte, kam Obi-Wan wieder auf die Beine, warf einen verräterischen Blick zum Fenster, der keinen Zweifel an seinem Vorhaben lassen dürfte und sprintete los. Gerade, als er mitten im Sprung über die Reste des Tisches war, traf ihn etwas Großes von hinten, warf ihn zu Boden und begrub ihn unter sich. Es fühlte sich genauso an, als wäre erneut ein Nympah auf ihm gelandet. Genauso wie vor dieser scheinbar so ewig langen Zeit, als sie im Dschungel abgestürzt waren.
Der Whipide stand auf und zerrte ihn mit auf die Füße.
„Dachtest du, du könntest uns so leicht entkommen?“, fragte Mol Rank grinsend und legte die Fingerspitzen aneinander.
Obi-Wan gab sich zerknirscht, doch innerlich war er heilfroh, denn sein Plan war aufgegangen. Der Fluchtversuch hatte authentisch gewirkt, zumindest soweit er das beurteilen konnte. Und auch die Whipiden hatten mitgespielt, obwohl sie nichts von ihrer wichtigen Rolle in diesem kleinen Schauspiel gewusst hatten. Nicht einmal ihren Geist hatte er beeinflussen müssen, damit sie ihm zuarbeiteten. Ganz allein der Stolz der beiden Wachen hatte sie davon abgehalten, den Verdacht, den sie wahrscheinlich hegten, nicht zu äußern. Jedes Lebewesen, das halbwegs bei Verstand war, wäre dahinter gekommen, dass der Mann im Krankensaal, der doch genauso gekleidet war wie Obi-Wan, sein Meister gewesen sein könnte. Er hatte wirklich Glück gehabt, dass die Whipiden entgegen der landläufigen Meinung noch einen Funken Stolz im Leib hatten und ihrem Herren aufgrund der respektlosen Behandlung diese wertvolle Information vorenthielten.
„Ich frage jetzt noch einmal, Majestät.“ Die Stimme Mol Ranks war so schneidend wie ein Vibromesser. „Wie kamt ihr auf die dumme Idee, die Jedi hierher zu schicken?“
Obi-Wan stöhnte schmerzerfüllt auf, als ihm beide Arme hinter dem Rücken verdreht und festgehalten wurden. Jetzt konnte er sich gar nicht mehr bewegen. Eines musste man den Whipiden wirklich lassen: Sie verstanden etwas von ihrem Job. Wenn er versuchen würde, sich loszureißen, würde er sich unweigerlich eine oder beide Schultern auskugeln.
Währenddessen schien Königin Tylaa sich für eine neue Taktik entschieden zu haben.
„Ich hatte keine andere Wahl. Mein Volk hat mitbekommen, dass ihr die Größe des Geländes um mehr als das Doppelte erweitert habt.“, jammerte sie.
„Ihr ward es doch, die diesem Antrag zugestimmt hat!“, entrüstete sich Mol Rank.
„Schon, aber da konnte ich ja noch nicht ahnen, dass irgendwer etwas davon mitbekommen würde. Ich habe mir nicht vorstellen können, dass Euer Vorhaben unsere Natur so beeinträchtigen würde. Alle denken, dass unser Planet vom Tourismus lebt und ich gedenke, es dabei zu belassen. Stets habe ich vor meinem Volk geheim gehalten, dass unsere Wirtschaft den Bach runter ging. Die Todesfälle im Dschungel häuften sich in den letzten Jahrzehnten und die Besucherzahlen nehmen drastisch ab. Was hätten meine Vorfahren denn tun sollen? Die Pavlianer sind sehr naturverbunden, wie hätten wir ihnen erklären sollen, wie wir unsere Staatskassen wirklich füllen?! Sie hängen an der Natur ihrer Heimat. Hättet Ihr nur ein wenig mehr im Verborgenen gearbeitet!“, keifte Tylaa.
„Was habt ihr denn erwartet? Dass wir um Eure Bäume herum bauen? Ihr seid mit diesem Angebot der Landpachtung an uns herangetreten, nicht umgekehrt. Und zu allem Überfluss hetzt Ihr uns Spürhunde der Republik auf den Hals, die zu allem Überfluss auch noch Jedi sind!“, schoss der Neimoidianer zurück.
Es herrschte einen Augenblick lang unheilvolles Schweigen, währenddessen sich ein Lächeln auf Mol Ranks Gesicht ausbreitete.
„Andererseits würde es den Senat bestimmt brennend interessieren, worin die wahre Einnahmequelle Eurer Welt besteht. Aber vielleicht würde ich mich vorerst auch nur an Euer Volk wenden.“, sagte er leise.
„Nein! Die Jedi um Hilfe zu bitten, war eine notwendige Maßnahme, um mein Volk zu beruhigen. Sie wollten Taten sehen, nichts lag da näher, als eine Anfrage an den Senat zu stellen. Normalerweise dauert es Monate, bis so etwas bearbeitet wird.“
Obi-Wan musste unwillkürlich grinsen. So etwas nannte man dann wohl Ironie des Schicksals. Hätte Tylaa einen Vertreter für den Senat bestimmt, hätte sie ihre Spielchen noch eine ganze Weile weiter spielen können.
„Bitte, es kommt nicht wieder vor.“, sagte sie flehentlich.
„Das hoffe ich für Euch, Eure Majestät.“, sagte der Neimoidianer kalt. „Eine Frage ist allerdings noch offen. Was machen wir mit ihm?“ Er nickte dabei mit dem Kinn in Obi-Wans Richtung.
„Wir könnten ihn sofort töten, dann macht er garantiert keinen Ärger mehr.“ Hatte Obi-Wan da gerade Vorfreude aus der Stimme des Whipiden herausgehört?
„Nein! Wir können doch nicht direkt anordnen, einen Jedi zu exekutieren. Wenn das raus kommen sollte! Bringt ihn in die Mienen zum Arbeiten, so wie wir es mit den Kindern von Gado gemacht haben.“, sagte die Königin ruhig.
„Ihn gefangen zu nehmen, würde in der Öffentlichkeit auch nicht besser aussehen. Außerdem kommt es einer Tötung gleich, wenn ihr ihn in die Mienen schickt. Der Hohe Rat auf Coruscant wird andere Jedi schicken, um ihren Tod aufzuklären.“, sagte Mol Rank gelangweilt.
„Sie können ruhig kommen. Wir sagen einfach, dass die beiden im Dschungel verschwunden und vermutlich tot sind. Dann werden sie ein paar Monate nach ihnen suchen und es schließlich aufgeben, denn sie werden nichts finden. Unsere Regenwälder sind ein regelrechtes Labyrinth. Das wird schon alles klappen, keine Sorge.“ Die Stimme der Königin war mit jedem Wort aufgeregter geworden.
„Die Mission der beiden wurde nicht beendet. Der Oberste Kanzler wird weitere Untersuchungen anordnen.“, gab Mol Rank zu bedenken.
„Ich werde die Anfrage zurückziehen. Vertraut mir. Alles wird wieder ins Lot kommen.“
„Das hoffe ich, das hoffe ich wirklich für Euch, Euer Majestät.“ Er wandte sich an seine Wachen. „Ihr habt sie gehört. Schafft ihn zu den anderen Sklaven. Er soll arbeiten. Und passt auf, dass er keine Dummheiten macht und womöglich noch entkommt. Wenn nötig, verpasst ihm einen Chip, aber tötet ihn nicht. Vielleicht brauchen wir ihn nochmal als Druckmittel. Und sollte diese ganze Sache wider Erwarten doch ans Licht kommen, können wir immer noch sagen, wir hätten nicht gewusst, dass er ein Jedi ist und er hätte es uns verschwiegen. Ein tragischer Fehler, für den keiner etwas kann.“ Er sah Obi-Wan direkt an. „Und du wirst dann nicht mehr aussagen können, mein Kleiner. Die Mienen überlebt jemand von deiner Statur nicht lange, das garantiere ich dir.“, sagte Mol Rank.
„Geh schon!“, herrschte ihn der Whipide an. Als Obi-Wan keine Anstalten machte, sich von allein in Bewegung zu setzen, spürte er zwar den Hieb mit dem Kolben ins Genick kommen, aber er konnte sich aufgrund der Fixierung durch die Wache trotzdem nicht wehren.