[Fiktion] Emmergens

Ich habs während des Spiels einfach zu beschreiben begonnen und mir überlegt, wies am sinnvollsten sein kann. Eine Mischung aus Handstaubsauger, Staubwedel und Robosauger irgendwie... und dann hats so gepasst und ich habs direkt in die Welt übernommen.
 
Und ein neues Kapitel der Abenteuerchronik zu Thuêban, der kleinen Hexenjäger-Kampagne, die ich mit @Conquistador und @Dyesce spiele:

DICKE WOLKEN HINGEN über dem sumpfigen See, dessen Wasser das Licht der untergehenden Sonne reflektierte. Die schneidende Kälte vereiste die feine Schneeschicht, die sich auf den kleinen Inseln gesammelt hatte. Weidendickichte hatten sich dort angesiedelt und ragten in den dunklen Himmel empor.

Thuêban hockte am Ufer und blickte in den Schlamm, in dem die Spuren der verschwundenen Abenteurergruppe zu erkennen waren. Guikut sah kurz zu Wanda, die beim etwas entfernten Weg an einem kleinen Baum gebunden worden war, dann blinzelte er mit seiner schwarzen Augentraube. Er konnte keine Details im gefrorenen Boden erkennen.



"Mindestens drei Menschen, vielleicht vier," erklärte Thuêban, während sie die Umrisse der Abdrücke mit ihren Fingern nachzeichnete. "Abenteurer oder Soldaten, ansonsten wird niemand mit solcher Ausrüstung herumlaufen."



...sieht aus wie Schlamm...



Die Hexenjägerin tippte auf eine Stelle. "Gute Stiefel mit Stahlkappen. Und hier sind weitere Abdrücke. Kniekappen und anscheinend auch ein Schulterschutz." Ihr Blick folgte den Rillen. "Die Schleifspuren führen ins Wasser."



Guikut sah zur dünnen Eisschicht, die das Ufer umringte. Sie wirkte nicht durchbrochen. Dann blieb sein Blick an einem Schwertknauf hängen, dessen Klinge nach zwei Fingerbreit abgebrochen war. Beinahe vom Schlamm des Sees bedeckt lag die Waffe unter Wasser.

Mit einem dünnen, beinahe vollständig nachgewachsenen Arm, deutete er auf den Fund. Thuêban beugte sich näher an den Knauf und griff ins kalte Nass, zog das zerbrochene Schwert aus dem See. Mit einem leichten Nicken wiegte sie es in der Hand.



"Recht leicht." Mehr zu sich, als zu ihrem Gefährten. "Dies war eine feine Klinge."



Sie drehte den Griff, betrachtete die Bruchstelle und auch Guikut rückte mit seinem Körper näher an sie heran. Es war keine Spur von Kraftanwendung zu sehen. Die beiden sahen sich irritiert an, dann schob Thuêban das Fundstück in ihren Gürtel und sah nach beiden Seiten.

Zu ihrer Linken war ein dichter Schilfgürtel, vor dem Enten im Wasser schwammen und nach Nahrung suchten. Zu ihrer Rechten sah sie eine kleine Landzunge, auf der einige ältere Weiden und Buchen wuchsen. Die Hexenjägerin erhob sich und ging zu den Weiden, kam mit einem langen Ast wieder zurück zur Stelle, an der immer noch Guikut wartete.

Mit dem Weidenast begann sie im Wasser herumzustochern und wo es einige Handbreit hinter dem Eis noch flach war, begann es danach ziemlich schnell stufenweise tiefer zu werden. Mit dem Stiefel brach die die dünne Eisschicht auf und watete dann vorsichtig in den kalten Schlick, den Ast in der einen Hand und eine gezogene Axt in der anderen.



Dann blickten beide Hexenjäger auf, als die Enten am Schilf quakend aufflogen. Das Wasser bewegte sich, als würde sich etwas Großes unter der Oberfläche verschieben. Einen Schritt machte Thuêban in diese Richtung, als die Sporenwolke von Guikut sie erreichte.



...mich mitnehmen...



Kurz zögerte Thuêban, dann kam sie zurück ans Ufer und nahm den Mycnoiden auf ihren Rücken. Die Arme schwang er um ihre Schultern, die Beine um den Bauch und so stapfte Thuêban wieder ins knietiefe Wasser hinein, kämpfte dort mit dem Schlick, der an ihren Stiefeln zog.

Dann eine Bewegung im Schilf. Drei humanoide Schatten, die dort standen, aufrecht und vom Licht der rötlichen Sonne umkranzt.



Thuêban hob ihren Stock, winkte den Gestalten zu. "He da!"



Nun hob auch die vorderste der Figuren einen Arm und eine dünne Stimme erklang. "He!"



Guikut winkte und kurz darauf taten es ihnen die beiden Schatten hinter dem Ersten gleich.



Weitere Rufe wehten zu den beiden Hexenjägern.



"He da!"



"He!"



Guikut wickelte seine Arme und Beine enger um Thuêbans Körper.



...hab komisches Gefühl dabei... sind Spiegelbilder... winken uns selber zu...



Thuêban stutzte. Kurz dachte sie nach, dann festigte sie ihren Griff um den Griff ihrer Axt. Schließlich wagte sie einige weitere Schritte auf den Schilfgürtel zu, wo nun eine Frau mit langen, dunklen Haaren zum Vorschein kam. Sie war nicht viel größer als Thuêban selber, aber vollends nackt und bis zu den Oberschenkeln im eisigen Wasser versunken. Immer noch winkte sie.



...Vorsicht...



Thuêban drehte ihren Kopf, flüsterte Guikut leise über ihre Schulter hinweg zu: "Ich denke, wir sollten wieder festen Boden gewinnen."



Der Mycnoid nickte mit seinem Pilzschirm und die im Schlamm um Halt ringende Frau stakste schräg zum Ufer zurück. Die anderen beiden Gestalten schoben sich nun auch hinter dem Schilf hervor und auch sie waren nackte Frauen, die im Wasser standen und winkten.



"He!"



Die andere versuchte etwas zu sagen, presste dann letztendlich schwerfällig etwas zwischen ihren Lippen hervor. "Wwwwartet..."



Guikut verkrampfte sich auf Thuêbans Rücken. Keine der seltsamen Frauen rührte auch nur eines ihrer Beine, während sie näher und näher kamen. Es sah aus, als würden sie im Wasser gezogen werden, die Beine immer in der selben Stellung zusammengedrückt, nur Arme, Mund und Haare in Bewegung.



...Samthaut-Krake...



Thuêban atmete scharf ein. Sie kannte Geschichten über diese Wesen, die normalerweise im und in der Nähe der Sternsee lebten, wo die magische Verseuchung seit dem Fall des Sterns mitunter am höchsten war. Soweit angepasst hatten sie sich an ihre schnell verändernde Umwelt, dass sich einzelne Fangarme durch Muskel- und Hautkontrolle verändern ließen und sie als Köder verwendet wurden. Große Exemplare fraßen Menschen und Vertreter der anderen Völker, wenn die Süßwasserkraken sie ins Nass locken konnten.

Aber seit wann gab es diese Kreaturen auch hier, mehrere Wochenreisen entfernt von der Sternsee? Hatten Wasservögel die klebrigen Eier eingeschleppt? Waren sie von sich aus von See zu See und von Teich zu Teich gewandert? Oder waren sie durch unachtsame oder sogar böswillige Personen hier her gebracht worden?



Kurz hauchte Thuêban ein unverständliches Gebet und das Blatt ihrer Axt glimmte bläulich auf. Dann bewegte sie sich schnell zum Ufer, die drei Nackten stets im Auge behaltend. Die folgten ihr wortlos aber an Geschwindigkeit gewinnend und eine kleine Bugwelle hob sich vor ihren Beinen, die sich immer noch starr durchs Wasser schoben.

Mit einem letzten Satz konnte sich die Hexenjägerin ans Ufer retten und ging in eine geduckte Abwehrhaltung, während die vorderste Frau der Länge nach auf die dünne Eisschicht am Rand des Wassers klatschte. Dann verformte sich der Körper, wurde schrumpelig und glich nach nur einigen Augenblicken einem großen, dicken Tentakel, der sich im Schlamm wand und zurück in den See gezogen wurde.

Die anderen beiden Gestalten rückten weiter zum Ufer, ihre Züge immer noch Frauen gleichend. Doch war das Trugbild nun zerstört, das Geheimnis offen gelegt...



Eine im Abendlicht glitzernde Wolke aus Sporen breitete sich von Guikuts Lamellen aus und ein Zucken durchfuhr die beiden Gestalten. Ein weiterer Ruck und hinter den beiden Frauen hob sich zuerst die Wasseroberfläche, dann schob sich ein großer Klumpen Fleisch ins Freie.

Zwischen unzähligen Augen öffnete sich ein scharfer Hornschnabel und ein tiefer, nasser Laut, wie eine Mischung aus dem Blubbern von heißem Teer und dem Fauchen einer Katze, erklang. Dann verschwand die Bestie unter den aufgewühlten Wogen.

Die beiden Frauen standen noch kurz an ihrer Stelle bevor sie überraschend schnell mit in die Tiefe gezogen wurden. Die Wasseroberfläche beruhige sich langsam und nur noch einige wenige Luftblasen kamen empor gestiegen.



...weg vom See...



Eilig lief Thuêban zurück zu Wanda, die ihnen neugierig entgegen starrte, ließ den Mycnoiden von ihrem Rücken gleiten. Unschlüssig sah sie zurück zum See. Guikut bemerkte ihren Blick.



...Tierchen lebt hier... lassen es in Ruhe... kein Grund zu töten...



Thuêban berührte den Schwerknauf, der immer noch in ihrem Gürtel steckte, meinte dann leise, wieder Kontrolle über ihren Atem erlangend: "Und wir haben etwas, was wir zu Geld machen können..."



...Behörden warnen... damit niemand mehr gefressen wird...



Die Hexenjägerin nickte ihrem Gefährten zu.



***​



Solonios Juhnkraut saß an seinem Arbeitstisch, einen Teller mit Schmalzkringeln und einen Becher dampfenden Tee vor ihm ruhend. Der gnomische Landbüttel sah die ungleichen Kameraden eindringlich an, schrieb dann einige weitere Sätze in sein Notizbuch.



"Ich werde da ein Schild aufstellen," brummte er, als er wieder zu ihnen hoch sah. "Und in der Umgebung die Kunde verbreiten, dass man nackten Damen im und am See nicht vertrauen sollte."



Thuêban blickte aus dem Fenster der kleinen Schreibstube. Dieser Ort hatte nicht einmal einen Namen. Lediglich drei Häuser an einer Kreuzung, nicht mehr. Aber wenigstens war hier der Posten der Landbüttel. Wenigstens konnten sie hier ihre Meldung machen.

Der Gnom lächelte sie warm an, kratzte sich im purpurroten Haar.



"Wenn die vermisste Gruppe nur aus Männern bestand..." Er zuckte mit seinen schmalen Schultern. "...und das habe ich gehört... ist es eigentlich klar, dass die armen Teufel auf diese List hereingefallen sind."



...armes Tierchen will nur essen...



Solonios Juhnkraut sah Guikut zufrieden an. "Dann muss es sich in Zukunft mit Gänsen zufrieden geben."



***​



Das Seeufer lag kalt und einsam unter der winterlichen Wolkendecke. Vereinzelte Schneeflocken fielen auf den Weg, der in Steinwurfweite am Wasser vorbeiführte und auf der eine kleine Gruppe Abenteurerinnen wanderte. Sie redeten ausgelassen miteinander, lachten und deuteten zum See, vor dessen dichtem Schilfgürtel ein einsames Schild in den Boden gehämmert worden war.

Unbeschwert schritten sie zum auf die Eisfläche am Rand des Gewässers zu, hielten kurz erstaunt an und begannen dann zu winken. Drei nackte Männer, die einige Meter vom Ufer entfernt bis zu den Waden im Wasser standen, erwiderten ihren Gruß...

Jetzt haben wir schon ein ganzes Jahr in-game zurückgelegt und nur noch an die sechs Abenteuer vor uns, dann sollte es auch wieder genug sein mit der Monsterjagd ^^
Macht aber immer noch ungemein Spaß zu meistern!
 
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Kapitel 11 der Thuêban Geschichte!

WANDA GEFIEL ES nicht, sich durch den Schneesturm kämpfen zu müssen, schwer bepackt mit der neuen Kriegsaxt der Hexenjägerin, die vor ihr an den Zügeln zerrte. Auch Guikut kämpfte mit dem Wind, war nach vorne gebeugt und hielt seinen Pilzschirm mit den Händen, als könnte er davon fliegen. Nur für Thuêban selbst schien die Lage einigermaßen erträglich zu sein, war sie doch in ihren neuen Mantel gehüllt, den sie in der selben Ortschaft hatte anfertigen lassen, wie ihre neue, meisterlich gearbeitete Waffe Arfas.

Aus dem Fell des im Frühling getöteten Riesenmaulwurfs war das Kleidungsstück geschneidert worden, genauso wie die Mütze mit dem langen Ohrenschutz. Den Rest des Maulwurfpelzes hatte sie für viel Geld verkauft, ebenso den Schwertknauf, den sie aus dem See gefischt hatten.

Doch der Winter hatte nun in diesem Teil des Landes unerbittlich zugeschlagen und wo einst eine weite Moorlandschaft und Heiden den Blick auf sich gezogen hatten, war gerade nur noch Schnee zu sehen.



Wieder eine starke Böe. Wieder wehten Thuêban vereiste Schneepartikel horizontal ins Gesicht. Dann sah sie einige Schatten, die sich bei weiteren Schritten aus dem weißen Treiben schälten. Ein Hain aus alten, knorrigen Bäumen wuchs dort in nicht allzu weiter Entfernung und sie drehte sich zu ihrem mycnoiden Begleiter um, deutete auf die Umrisse im Schnee.



"Guikut!" schrie sie mit all ihrer Kraft, das Heulen des Windes übertönend. "Wir sollten dort Unterschlupf suchen!"



Mühsamen Schritt für mühsamen Schritt näherten sie sich dem Hain und als sie zwischen die Bäume traten, nahm der Wind um sie herum schon spürbar ab. Die dicken, alten Stämme wehrten die meiste Wucht des Sturmes ab, verteilten sie und bildeten zudem einen Schutz vor Schnee und Eis.

Tot wirkten die Bäume, vertrocknet und knorrig, die Rinde beinahe glatt und geschmolzen. Kein dünner Ast war mehr nach den großen Verzweigungen übrig geblieben und in ihrer Form wirkten sie wie gefrorene Tänzer, die vor langer Zeit einer unheimlichen Musik gefolgt waren.



Bei einem breiten Stamm, der sich nach nur einem Meter in zwei große Teile aufspaltete, blieben sie stehen und drückten sich in seinen Windschatten. Sogar Wanda fand dort genügend Platz, um nicht vollends im Gestöber zu stehen und mit steifen Gliedern wanderte Thuêban im Hain umher, um an den schneefreien Stammseiten zwischen den Wurzeln abgebrochenes Holz zu sammeln.

Mit einem kleinen Arm voll Aststücken kam sie wieder zurück zu Guikut und entzündete dort ein kleines, ständig mit dem Sturm kämpfendes Feuerchen. Zu dritt saßen sie einige Zeit um die wärmenden Flammen, dann lehnte sich Thuêban sichtbar erschöpft gegen den Baum.



...sollen Wache halten...? oder beide schlafen...?



Nur wenige Sporen des Mycnoiden erreichten die Nervenbahnen der Hexenjägerin, doch diese genügten, um sie mit Fokus aufblicken zu lassen.



"Vorsicht ist die Mutter des Tonkruges," murmelte sie, ein altes Sprichwort aus ihrer südlichen Heimat zitierend.



...dann Du zuerst... Sporen werden Euch beim Schlafen helfen...



Guikut blinzelte seine Gefährtin und die Maultierdame an. Thuêban nickte ihm dankbar zu und wickelte sich schon in ihren schwarzen Maulwurfpelzmantel ein, während sich die ersten Pilzsporen auf sie und die im Stehen dösende Wanda legten.

Sitzend hielt Guikut neben der kleinen Feuerstelle Wache und starrte hinein in die von weißen Wirbeln durchbrochene Dunkelheit. Immer wieder ebbte der Wind ab, dann nahm er wieder zu. Die Zeit verging langsam, doch Guikut störte dies nicht. Als Mycnoid hatte er alle Geduld der Welt und erst als die Äste über ihm zu knacken und zu krachen begannen, blickte er alarmiert nach oben.

Dann schreckte er auf, als Wanda plötzlich lauthals zu schreien begann, die Beine in den gefrorenen Boden gespreizt, die Ohren vor Angst nach hinten angelegt. Über Guikut gab es ein bedrohliches Geräusch, als würde ein großer Teil des Baumes durch den Sturm einfach abbrechen und mit einem Satz sprang er auf und packte Thuêban am Pelzkragen.



Doch bevor er die immer noch schlaftrunkene und durch die Sporen leicht benommene Thuêban aus der Gefahrenzone ziehen konnte, zischte ein dunkler Schatten von oben auf sie zu und durchbohrte die Seite seines Pilzschirms, zerfetzte das weiche Gewebe mit voller Kraft.

Thuêban, zuerst schon durch Wandas Warnlaute in einen unruhigen Halbschlaf gerissen, hatte gerade noch die Zeit gehabt, die Augen aufzureißen und Guikut anzustarren, wollte ihn gerade etwas fragen, als ein großer Teil des Mycnoidenkopfes in Stücke gerissen wurde.

Guikut wurde nach vorne geschleudert und versuchte sich neben der panischen Wanda im Schnee aufzurichten, während Thuêban entsetzt den Baum betrachtete. Es war ein Ast gewesen, der angegriffen hatte. Schnell und beweglich wie ein Tentakel, spitz und tödlich wie das Geschoss einer Balliste.



Eine Sporenwolke erhob sich von der Stelle, wo Guikut sich auf seine langen Beine drücken konnte, doch der Sturm wehte die meisten davon und der Ast des Baumes peitschte, richtete seine Spitze nun auf Thuêban. Sie rollte zur Seite, griff an die Seite von Wandas Trageaufsatz und löste die schwere Kriegsaxt Arfas, die dort hing. Mit einem mächtigen Schwung vergrub sie, immer noch auf dem Boden liegend, einen beachtlichen Teil des Axtblattes im Stamm des knorrigen Riesen.

Dickes, schwarzes Blut drang aus dem klaffenden Spalt und zischend fluchend erkannte Thuêban, mit was sie es hier zu tun hatten: Nachtkrümmer waren in vielen Mooren und Sümpfen der Reiche verbreitet und wurden immer wieder von besorgten Anwohnern verbrannt, waren die gefährlichen Lauerjäger doch für ihre tödliche und heimtückische List bekannt.

Aber von einem ganzen Hain dieser seltsamen Wesen, die im Grunde keine Pflanzen waren und doch von vielen für welche gehalten wurden, hatte selbst sie nie gehört...



Die Schatten um sie herum setzten sich in Bewegung und wie Peitschen schnalzten die Äste. Thuêban wollte sich erheben, doch der Ast, der zuvor Guikuts Pilzfleisch aufgerissen hatte, bohrte sich nun nach unten. Der obere Rand des Pelzkragens von Thuêban wurde aufgerissen, dann fuhr die lebendige Lanze das Rückgrat der Frau entlang, riss Haut und Fleisch auf und verfehlte nur knapp Knochen und wichtige Nervenbahnen. Dann zuckte der Ast zurück, ließ Thuêban laut und vor Schmerz schreiend und stark blutend zurück in den Schnee fallen, während er zu einem neuen Schlag ausholte.

Erschrocken durch den Zustand seiner verletzten Gefährtin packte Thuêban die Hexenjägerin am Arm, zog sie auf die Beine und mehr Sporen wurden aus den Lamellen des beschädigten Schirms gepresst. Einige landeten nun auf der Pseudorinde des Nachtkrümmers und langsamer wurden die Peitschenschläge, träger die Bewegungen der anderen, dickeren Äste.

Mit einem gequälten Grunzen zog Thuêban die Axt aus dem Stamm, schlug dann mit der flachen Hand auf Wandas Hinterteil. Der unerwartete Klaps befreite die Maultierdame aus ihrer Angststarre und schickte sie in die Nacht hinein.



"Raus hier!"



Zusammen mit Guikut strauchelte sie Wanda hinterher, an weiteren Nachtkrümmern vorbei, die aus ihrem Schlaf erwacht waren, nun nach dem verrottenden Fleisch potentieller Beute hungernd. Immer wieder duckten sie sich unter Hieben der Baumwesen hinweg und nur durch Glück erwischte keiner der Peitschenäste die Maultierdame, die in vollem Galopp aus dem Hain floh.

Als sie den letzten Stamm passiert hatten, schlug ihnen der Schneesturm erneut mit voller Wucht ins Gesicht. Doch wenigstens mussten sie sich nicht mehr mit hungrigen Nachtkrümmern herumschlagen.

Kurz schauten sie außer Atem zurück, dann wandten sie sich gegenseitig zu. Guikuts Schirm würde nachwachsen, soviel stand fest. Außer dem großen Stück Fleisch schien ihm nichts zu fehlen. Aber Thuêban war kreide bleich und Schweiß hatte sich auf ihrer Stirn gebildet. Ein roter Fleck breitete sich unter ihr im Schnee aus.

Mit einem langsamen Schritt trat Guikut näher an die verletzte Frau hin und streckte einen dünnen Arm nach ihrer Hand auf, die immer noch verkrampft den Stiel der Kriegsaxt hielt. Ein Pilzgeflecht wuchs an ihrer Haut entlang, den Arm hoch und die dicken Tropfen, die aus dem Mantel hervor fielen, versiegten Herzschlag für Herzschlag.



Schwach nickte Thuêban Guikut zu und zusammen mit Wanda wankten sie entkräftet in den Schneesturm hinein...
 
Und das neue Thuêban Kapitel, früher als gedacht :D

DUNKEL WAREN DIE Straßen von Emerald und nur wenig Licht fiel aus den großen, einladenden Fenstern und einem schmalen Türspalt, die vom großen, dunklen Schatten eines Hauses umgeben waren. Ein Gefühl der Sicherheit wehte aus dieser Richtung und Thuêban ging langsam auf den Eingang zu. Harten Pflastersteine klackten unter ihren Stiefeln und aus dem Haus hörte sie die dumpfen Stimmen eines Gesprächs.

Sie schob die Türe auf und betrat die Stube, an deren hinteren Wand eine Treppe ins zweite Stockwerk führte. In der Mitte des Raumes stand ein runder Tisch, an dem vier Tiere auf Stühlen saßen, groß wie Menschen und Tee aus kleinen Tässchen trinkend: eine Haselmaus, ein Fuchs, ein Maulwurf und ein Kieselhörnchen. An der Wand stand ein großer Kamin, in dem ein warmes Feuer prasselte, und neben dem Kamin saß ein Schaf in einem Schaukelstuhl und strickte mit einem glückseligen Gesichtsausdruck.



Leicht verwundert über dies alles trat Thuêban zur Teegesellschaft. Ein unglaubliches Verlangen nach Flüssigkeit brannte in ihrer Kehle, vernebelte Teile ihres Verstandes. Ihr Blick fiel auf die Teekanne, die in der Mitte des Tisches stand. Ein feines Rütteln ging durch den kleinen, weißen Deckel. Schon wollte sie um einen Schluck bitten, als die Haselmaus ihr eine Tasse reichte, sie beruhigend mit großen Nageraugen anschaute.



"Verlier nicht den Kopf," quiekte sie schnuppernd. "Alles wird gut."



Sie nahm die Tasse aus den kleinen Pfoten entgegen und sah dann zum Schaf, das seine kleine Brille auf der langen Schnauze zurechtrückte. Dann strickte es mit flinken Hufen weiter und aus Schatten formten sich unter den Nadeln ein kleiner Nachtkrümmer, der sich quietschend streckte, als wäre er lebendig. Um den Schaukelstuhl herum waren schon einige der gestrickten Nachtkrümmer fertig, bildeten einen ganzen Hain.

Eine Bewegung ließ Thuêban aufblicken. Über dem Schaf hing eine große Spinne in der Ecke der Stube, beäugte die Hexenjägerin misstrauisch und versuchte sich tiefer ins Gemäuer zu drücken. Neben ihr und die ganzen Wände entlang waren kleine Portraits in wunderschönen Rahmen aufgehängt und ihr bekannte Gesichter lächelten ihr entgegen: Bauer Hommburch und die alte Perol, die Familie Einbrot und Hauptmann Mernot Jungwald, Harm Jossu und der Wirt Otto Hehlmandel. Aber auch Slithik, Lumpa, Aniya und andere Emeralder Bürger konnte sie entdecken.



Ein lautes Bellen ließ Thuêban aufblicken. Das riesige Gesicht von Kläffbert war vor dem geschlossenen Fenster zu sehen, der Welpe sichtlich erfreut über Thuêbans Anwesenheit im Haus. Die rosa Zunge hing ihm sabbernd aus dem Mund. Immer noch empfand Thuêban keinerlei Bedrohung. Alles wirkte friedlich... normal...? Jedoch erschien alles, als würde es durch dichtes Stroh zu ihr dringen. Und nicht nur die Geräusche... sondern alles...

Nun griff der Fuchs zur Teekanne und kurz rüttelte erneut der Deckel und ein winzig kleines Blutkonstrukt hob seinen Körper einen Fingerbreit aus dem Gefäß, wurde dann aber vom Fuchs mit dem Deckel wieder nach unten gedrückt. Er schenkte Thuêban etwas Tee in die Tasse, der schmierig und seltsam dunkel war.

Das Bellen von draußen veränderte sich, wurde dunkler. Thuêban sah zum Fenster und nun war dort nicht mehr der der gigantische Welpe, sondern Guikut, ebenfalls riesenhaft und immer noch mit einem halb weggerissenen Pilzschirm über den langsam blinzelnden Augentrauben. Thuêban sah den Mycnoiden irritiert an, drehte sich dann zum Fuchs.



"Danke." Sie stellte die Tasse auf die Tischplatte. "Darf mein Freund auch zur Teegesellschaft dazustoßen?"



Bevor der Fuchs auch nur zu einer Antwort ansetzen konnte, zersplitterte das Fenster in einen Sturm aus Glas und Holz. Ein großes Stück Wand wurde ebenfalls mit eingedrückt, als Guikuts gigantischer Arm ins Hausinnere griff und die kleinen Bilder flogen an Thuêbans Kopf vorbei, fielen klappernd gegen die Treppe. Sie konnte Gemälde erkennen, die den Magier Wulv und den Landbüttel Gerald zeigten.



Das Kieselhörnchen drehte sich aufgebracht zum Loch in der Wand. "Das ist unerhört," fing es an, sich zu beschweren: "wie hier mit dem Eigentum anderer Leute umgegangen wird!"



Der Maulwurf putzte sich lediglich Staub aus dem Fell, während die große Mycnoidenhand nun weiter in die Stube griff und mit seinen wurzelartigen Fingern nach Thuêban tastete. Eine tiefe, den Boden zum Vibrieren bringende Stimme erklang aus Richtung des Pilzkörpers.



"EINE SEITE...!"



Beinahe so laut, dass der Brustkorb schmerzte. Thuêban machte einen Schritt zurück. Plötzlich wirkte alles sehr wohl bedrohlich. Doch als ihr Blick zur Teegesellschaft huschte, saßen die noch entspannt auf ihren Stühlen und plauderten in leisen Stimmen miteinander.

Als sie wieder zur riesigen Hand sah, hatte sie diese beinahe erreicht. Schützend wickelte sie ihre Arme um den Körper, drehte sich weg und schrie.



"Neeeeeein!"



Doch die Hand konnte sie packen und überrascht keuchte Thuêban, als Guikut sie wieder losließ, den langen Arm zitternd zurückzog. Roter Schleim klebte an der riesigen Hand und fraß sich in das weiche Fleisch des Mycnoiden.

Erstaunt sah die Hexenjägerin an sich herab und zu ihrem Entsetzen war sie nicht mehr die Hexenjägerin. War sie nicht mehr Thuêban Aq Ramin. Nichtmal ein Mensch. Aus braunem Schorf und flüssigem Blut war sie geformt und von ihrem Körper breitete sich langsam ein unebener Belag aus, der schon den Tisch erreicht hatte. Nach weiteren Augenblicken waren die Tischbeine eingesponnen. War sie wirklich ein Blutkonstrukt?

Hilfesuchend blickte es sich um, erkannte schnell, dass die Spinne sich soweit in den Schatten der Zimmerecke gedrückt hatte, dass sie vollends verschwunden war. Die anderen Bewohner der Stube schienen dagegen weniger erstaunt über die neuesten Entwicklungen zu sein...



"Was passiert mit mir?" rief das Blutkonstrukt, das einmal Thuêban gewesen war, in die Nacht hinaus.



Die tiefe, ohrenbetäubende Stimme antwortete ihm: "EINE SEITE...!"



Vorwurfsvoll blickte der Fuchs zum Blutkonstrukt. "Bitte sei etwas leiser."



Mit angelegten Ohren hob er eine Kralle seiner Tatze und legte sie sich an die Lippen. Die Tassen und die Teekanne waren verschwunden, die vier Tiere spielten nun Karten. Und anscheinend, so verrieten die vielen ansatzweise versteckten Karten im Fell der Haselmaus, nahmen nicht alle Mitspieler die Regeln allzu ernst.

Durch die neue Entwicklung abermals leicht stutzig geworden wandte sich das Blutkonstrukt wieder dem riesigen Guikut zu, der mit seinem Gesicht nun direkt vor dem Loch hockte und in die Stube starrte.



"Welche Seite?" wollte es wissen, flehte seinen ehemaligen Gefährten geradezu an.



"EINE SEITE...!"



Nun räusperte sich das Schaf auf seinem Schaukelstuhl. Einen Huf hatte es gemütlich auf die Lehne gelegt, mit dem anderen hielt es eine schön geschwungene Pfeife aus edlem Zuruler Holz. Das Strickzeug hing vor dem Schaf in der Luft und die Nadeln arbeiteten unaufhörlich weiter, formten bereits einen neuen Nachtkrümmer.



"Hören Sie nicht, werte Dame?" wollte es mit wohl modulierter, tiefer Stimme wissen. "Eine Seite. Eine Seite!"



Das Blutkonstrukt blickte nach oben, als Guikut das Dach und den oberen Stock des Hauses wegriss, diesen Teil des Gebäudes wie einen Truhendeckel zur Seite klappte. Es regnete Staub und Holzsplitter herab, Putz, Glühwürmchen und Schnee. Mehr Schnee. Es begann zu schneien.

Der Mycnoide sah von oben in die deckenlose Stube und betrachtete die Kartenspieler, die mit Mützen, Handschuhen und Schals bekleidet ihren Wettstreit fortsetzten. Das kleine Blutkonstrukt aus der Teekanne formte einen Schneeball, hinterließ bei jeder Berührung rote Flecken auf der weißen Oberfläche. Auch von ihm ging ein kleiner Schorfteppich aus, der bereits fast die Hälfte der Tischplatte bedeckte.

Mit böser Vorahnung betrachtete das Blutkonstrukt seine eigene Wucherung. Die pulsierenden Ranken hatten den Kamin erreicht, hinderten den Schaukelstuhl des Schafes am Auf und Ab.



Erneut griff Guikut in die Stube und voller Entsetzen wollte das Blutkonstrukt ausweichen, wurde aber gepackt und in die Höhe gerissen. Der Schorf breitete sich rasend schnell auf der Wurzelhand aus, als der Mycnoid das Blutkonstrukt vor seine Augentraube hielt.



"EINE SEITE...!"



Dann holte Guikut aus und warf es quer über die Straße und mit voller Wucht gegen die nächste Hauswand. Mit einem schmerzhaften Schlag prallte es vom Putz ab und fiel dem Straßenbelag unter ihm entgegen, landete dann unsanft auf dem eigenen Schorfteppich vor dem Schaf. Verwundert sah das Blutkonstrukt durch das Loch in der Wand zur Straße. Warum war es nicht dort aufgekommen?

Der Nachtkrümmerhain aus gestrickten Schatten wiegte um das Konstrukt herum in einem nicht existierenden Wind, wurde aber ebenfalls langsam von den Schorftentakeln überwachsen. Blut tropfte von den kleinen Ästen.

Das Blutkonstrukt versuchte sich aufzurichten, fühlte sich alles andere als gut. Irgendetwas war nicht in Ordnung. Irgendetwas zehrte an ihm.



"Welche Seite...?" ächzte es gequält.



Besorgt nahm das Schaf die Brille von der langen Schnauze, steckte sich die Sehhilfe ins Kleid und paffte an der einfachen Kornpfeife, die es im Mund hatte.



"Na," sagte es, den Rauch aus Mund und Nüstern blasend. "Die andere Seite, kleine Dame."



Guikut richtete sich zu seiner vollends überwältigenden Größe auf und hob eines seiner langen Beine, begann einen gewaltigen Schritt in die Stube hinein zu nehmen. Endlich wurden auch die Kartenspieler panisch und liefen kreischend und Karten durch die Gegend werfend davon und nur das kleine Blutkonstrukt verweilte noch auf dem Tisch und formte weiter an seinem Schneemann. Kurz kehrte der Maulwurf gehetzt zurück und leerte seine Teetasse in nur einem Zug, dann floh auch er wieder Hals über Kopf.

Wie unter Wasser fühlte sich jede Bewegung an, vibrierte jeder Ton und sah alles aus, als sich das Blutkonstrukt... als sich Thuêban schwerfällig erhob. Alles war zu warm und die Geräusche klangen entfernt, wie wenn jemand von weit weg etwas zu ihr sagen wollte. Der große Mycnoidenkörper thronte über ihr und als sie ihm verängstigt zusah, wie er seinen endlos langsamen Schritt ins Hausinnere nahm, spürte sie plötzlich die Berührung von Händen auf ihren Schultern. Von dünnen Fingern.

Dann weitere Hände. Eine leise Stimme drang an ihr Ohr, wie ein säuselndes Krächzen und nicht jedes Wort konnte Thuêban verstehen, während mehr und mehr Hände ihre Schultern berührten.



"...die Seite.." konnte Thuêban aus dem Murmeln der Spinne heraus hören. "...eine giftige... und die andere..."



Gehetzt drehte sich die Hexenjägerin um, doch dort war niemand, nur die zerstörte Treppe, die ins Nichts führte.



"DIE ANDERE SEITE...!"



Die Gewalt des Schreis drückte Thuêban zu Boden und gegen die zersplitterten Stufen der Treppe. Guikuts Schritt kam endlich genau an der Stelle zu seinem Ende, an der Thuêban lag. Nur mit Mühe konnte sie sich zur Seite rollen, wurde aber dennoch von der Wucht des Aufpralls zur Seite geschleudert. Von den Stufen war nur noch ein Krater aus Holzsplittern übrig.

Sie hatte keine Kraft mehr. Keine Möglichkeiten, dieser Situation zu entkommen. Über ihr war ein riesiger, dunkler Guikut, der sie anstarrte, die eine Seite seines Pilzschirmes rund und vollständig. Die andere durch den Angriff des Nachtkrümmers aufgerissen und fransig. Zerstört durch den Tentakelast, der auch sie verletzt hatte...



Mit einem gewaltigen Rauschen beugte sich Guikut nach unten und griff Thuêban mit seiner Wurzelhand, zog sie bis zu seinen Augen empor und richtete sich dann zu seiner vollen Höhe auf. Unter ihnen waren nur ein paar wenige Häuser zu sehen und nur ein Teil der Straße. Alles andere war einfach nur Schwärze, als wäre gar nichts vorhanden. Als bestünde außer diesem Fleckchen Emerald nichts in der Welt.

Die Hand um ihren Körper herum begann sich fester zu schließen, quetschte ihren kleinen Körper schmerzhaft zusammen. Die Lamellen unter dem beschädigten Schirm bebten rhythmisch und eine Welle aus einem körperlich gewordenem Trommelschlag raste über Thuêban hinweg. Sie spürte, wie sie schwächer wurde. Wie sie an Selbst verlor. Verging.

Zu einem neuen Schlag pumpten sich die Lamellen auf und beinahe schon ihr Schicksal akzeptierend, betrachtete Thuêban den fehlenden Teil des Schirms, wo lose Lamellenenden herabhingen. Sie versteifte sich, schüttelte ihren Kopf. Versuchte sich zu konzentrieren.



Der Schirm. Die Verletzung durch den Nachtkrümmerast. Der selbe Ast, der zuvor Guikuts Kopf durchdrang und an dem immer noch Teile des Mycnoiden hingen, als er ihre Wirbelsäule entlang riss. Die zerstörte Seite... und die andere Seite...

Thuêban drückte sich eng zusammen, machte sich so klein, wie sie nur konnte und flutschte aus dem Griff des Mycnoidengiganten. Dann sammelte sie all ihre Willenskraft und katapultierte sich nach oben, schleuderte sich gegen die unverletzte Seite des Pilzhutes. Der gepeinigte Schrei Guikuts wandelte sich von einem tiefen Brummen in ein höheres Trompeten und voller Angst wich Guikut zurück, bäumte sich auf.

Doch Thuêban landete direkt auf dem Schirm, krallte sich daran fest und öffnete ihren Mund. Dann versenkte sie ihre Zähne im weichen Fleisch des Pilzmannes...



Flackernd öffnete Thuêban ihre Augen und sah Guikut über ihr. Er tupfte ihr Schweiß von der Stirn und nickte ihr aufmunternd zu. Hinter ihm stand Wanda, genüsslich ein Maul voll Heu kauend.

Sie selber lag auf Stroh, bemerkte Thuêban, und draußen heulte der Schneesturm weiter, während sie nur einige Bretter und Balken neben und über sich ausmachen konnte. Sie erkannte das Innere einer alten Schäferhütte, wie es viele auf dem Lande gab. Die eine Seite von Guikuts Schirm war immer noch zerfetzt und sie wunderte sich, wieviele Tage seit der Flucht aus dem Nachtkrümmerhain vergangen waren. Seitdem die giftigen Fasern des Mycnoiden in ihren Körper gezwungen worden waren. Ein Tag? Zwei Tage?

Sie versuchte sich aufzurichten, doch Guikut drückte sie wieder sanft ins Stroh zurück.



...wie geht es Dir...?



"Besser," begann Thuêban mit rauer Stimme. "Besser als... vorher..."



...Fieberträume müssen heftig gewesen sein...



Thuêban nickte schwach, hustete kurz. "Die Haselmaus hat beim Kartenspielen beschissen..."



Dann schloss sie ihre Augen und atmete tief durch, während Guikut über ihr wachte und sie lange und fragend ansah...
 
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Gestern sind wir wieder dazu gekommen und haben ein neues Kapitel Thuêban gespielt :)

DER WINTER HATTE Tarleen immer noch in seinem Griff, doch langsam wurden die Tage länger und der Wind wärmer. Thuêban hatte sich vom Fieber erholt und das beschädigte Stück in Guikuts Schirm sah man nur noch, wenn man wusste, wohin man blicken musste.

Kurz nach Mittag saßen sie in der fast leeren Schankstube des "Betrunkenen Bogenschützen" in der kleinen Stadt Holz. Bei ihnen war eine kleine, unauffällige Frau, die nervös auf ihre schmalen Finger schaute, immer wieder zum Sprechen ansetzen wollte, sich aber sichtbar nicht überwinden konnte. Thuêban lächelte sie aufmunternd an.



"Um was geht es, Frau Berg?"



Die Frau sah sie seufzend an. In die lokale Bauerntracht war sie gehüllt, mit langem Rock und weiter Bluse. Ein Kopftuch war um ihr Haupt gewickelt.



"Ich wohne etwas weiter von Holz entfernt," begann sie mit ihrer Geschichte. "Etwa eine Stunde Gehweg. Vor zwei Jahren wurden in meiner Umgebung einige Leute umgebracht. Die Landbüttel haben nichts gefunden und irgendwann hatte das Ganze ein Ende." Sie seufzte. "Aber vor einigen Wochen hat es wieder angefangen. Zuerst sind einige Nutztiere tot aufgefunden worden... zerstückelt." Sie schloss ihre geröteten Augen, sammelte sich kurz. "Und vorgestern einen Menschen. Niemand aus Holz, sondern einen Wanderer."



Guikut und Thuêban sahen sich schweigend an.



"In ziemlicher Nähe meines Hauses ist eine Höhle. Ich gehe davon aus, dass dort dieses Monster wohnt, das nun erneut erwacht ist..."



Thuêban lehnte sich nach hinten, legte ihren Kopf schief. "Welches Vieh wurde denn gerissen?"



"Zwei tote Schafe... einige tote Rehe."



Die verzweifelte Frau kramte einen Beutel aus dem Rockbund und legte ihn auf den Tisch.



"Ich habe nicht viel," meinte sie entschuldigend. "Aber ich gebe es Euch, wenn Ihr die Sache richtet." Sie blickte über ihre Schulter, hin zu den wenigen Gästen, die um diese Tageszeit in der Taverne saßen und nichts von ihrem Gespräch mitbekamen. "Nicht nur für mich, sondern auch, damit alle Bürger aus Holz und der Umgebung wieder sicherer sind."



Guikut nickte.



"Zeigt uns den Weg zur Höhle, Frau Berg," forderte Thuêban sie auf. "Ihr müsst nicht bis dort hin mitgehen, aber wir müssen wissen, wo sie liegt."



Die Frau stand auf und die Hexenjägerin griff nach dem Geldbeutel, der immer noch auf der Tischplatte lag. Sie öffnete ihn und sah darinnen drei silberne und acht kupferne Münzen. Eines der Silberstücke nahm sie heraus, alles andere gab sie wieder an die Bäuerin zurück.



"Den Rest nehmen wir, wenn wir Erfolg hatten."



Die Frau nickte und steckte den Beutel wieder in den Rockbund.



"Folgt mir," meinte sie mit zitternder Stimme, verließ dann die Taverne.



Draußen banden sie Wanda ab und Guikut beugte sich nahe an Thuêban heran.



...gut mit Geld... wenn Monster uns zerfetzt ist Frau nicht pleite...



Thuêban zwinkerte dem Mycnoiden amüsiert zu, dann folgten sie der Bäuerin einer der großen Straßen entlang, um die sich Holz gebildet hatte. Vorbei an einem nun leeren Marktplatz und zwei kleinen Tempeln, weiteren Tavernen und einem großen Gasthaus führte sie ihr Weg. Dann hinaus aus dem Städtchen, wo sich zwischen dem Schnee bereits kleine Tauwasserpfützen gebildet hatten, durch die nun Ochsenkarren polterten.

Die Straße Richtung Aalgrindt nahmen sie und einige Zeit wanderten sie zwischen verschneiten Feldern, dann führte die Frau sie durch eine kaputte Stelle im Weidezaun und quer über die Wiese. Immer wieder ließ Guikut einige Sporen zu Boden schweben, wusste er doch, dass bald der Frühling Einzug halten würde und andere Mycnoiden vielleicht auch diesen Ort finden würden.

Zum nahen Waldrand stapften sie, wo sie durch ein kleines Tor im Weidezaun schritten und dann zwischen die Bäume gingen. Ein bearbeiteter Forst wurde nach einer Stunde Gehweg von einem kleinen Waldweg durchschnitten, den sie einschlugen und bis zu einem wilderen Teil des Waldes folgten. Hier verließen sie den Pfad und schlugen sich eine weitere Stunde durchs Dickicht. Schließlich standen sie vor einer kleinen Hütte, auf deren Veranda ein Schaukelstuhl und einige Töpfe mit verdorrten Kräutern zu sehen waren.



...wohnt Ihr hier ganz alleine...?



Die Frau nickte. Sie war etwa so alt wie Thuêban, das konnte Guikut mittlerweile sehr gut einschätzen. Er blinzelte die Hexenjägerin fragend an, die aber schüttelte nur beinahe unkenntlich den Kopf.

Die Hilfesuchende zögerte, der kleinen Hütte zugewandt, und kurz schien es, als würde sie weinen. Dann atmete sie tief durch und richtete sich mit vor ihrem Rock gefalteten Händen auf. Sie deutete langsam tiefer in den Wald hinein.



"In dieser Richtung ist die Höhle."



Sie wirkte vollends angespannt. Wie wenn sie die Anwesenheit der beiden Hexenjäger gerade noch aushalten würde. Ihre Präsenz verdammte.

Eine kleine, nur für Thuêban bestimmte Sporenwolke löste sich aus Guikuts Lamellen.



...hoffentlich sind wir nicht Besänftigungsfutter...



Thuêban nickte Guikut zu, sagte dann laut: "Danke, Frau Berg."



Sie nahmen Wanda an den Zügeln und führten sie weg von der Hütte, ließen ihre Auftraggeberin hinter sich zurück. Einen kleinen Abhang gingen sie hinunter, dann sahen sie bereits einen großen Hügel, der mit Gestrüpp und Bäumen bewachsen war. Einige Felsen standen hier ins Freie, bildeten kleine Überhänge.

Im Schatten einer Steinwand war eine Höhle zu erkennen, die Thuêban ungefähr bis zur Schulter reichte. Das zersplitterte Holz einer alten Türe lag vor dem Eingang im Schnee begraben, hing zum Teil noch in den Angeln, die in den Fels getrieben worden waren. Das Holz war aufgequollen und morsch, als Guikut sich niederbeugte und einige der zerstörten Planken hob. Teile davon zerbrachen unter seinem vorsichtigen Griff.

Schwache, eingebrannte Schriftzeichen waren auf dem Holz zu erkennen und einige Minuten sammelte der Pilzmann die Splitter, ordnete sie neu an. Schließlich hatte er genügend Hinweise gesammelt, um zu einem Schluss zu kommen.



...'Vorsicht'... 'Schacht'...



"Vermutlich war das hier einmal eine Mine," murmelte Thuêban und blickte in den Wald.



Langsam senkte sich die Sonne hinter den Bäumen. Sie trat zu Wanda, löste ein aufgewickeltes Seil vom Trageaufsatz des Maultieres und duckte sich in die Höhle hinein. Guikut folgte ihr und Wanda blieb geduldig an einem Gebüsch stehen.

Die Lamellen des Mycnoiden leuchteten fahl grün auf, als sie zusammen einige Schritte tief in den Hügel hinein schlichen, dann blieben sie vor einem zwei Meter breiten, gerade nach unten führenden Schacht stehen. Das Licht der Lamellen reichte nicht bis zum Boden des Tunnels hinab, dafür aber lehnte eine Leiter an der Wand und führte nach unten. Sie wirkte so, als wäre sie in einem guten Zustand. Dennoch wollten die Hexenjäger nichts riskieren.

Thuêban befestigte das Seil um Guikuts Körper, das andere Ende band sie sich um die eigene Hüfte. Schließlich wagte sich der kleine Pilzmann auf die hölzernen Sprossen, wippte dort einige Male vorsichtig auf und ab. Dann stieg er vorsichtig in die Tiefe. Zehn Meter ging der Schacht nach unten, bis Guikut endlich wieder festen Grund unter den Füßen hatte. Kleine Knochen von Mäusen und Vögeln lagen hier im Staub, einige leere Insektenpanzer. Ein waagrechter Gang führte weiter in den Fels hinein und ein leichter Luftstrom ließ Guikuts Sporen zu Thuêban empor schweben.



...hab Boden gefunden... Leiter hält Dich auch...



Er schaute sich um, ging einen Schritt in den Gang hinein. Klebriger Belag ließ ihn überrascht zu Boden schauen, dann berührte ihn etwas am Schirm und dem Arm. Seine Lamellen leuchteten heller, als er sich umsah und erkannte, dass der gesamte Tunnel mit Seidennetzen ausgepolstert war. Ausgefranste Spinnweben wehten gegen ihn.

Alarmiert sah er zur Decke, wo ein eingesponnener Körper hing, vollends mit Seide umhüllt, ein großes, dunkles Loch in seiner Brust, wo etwas aus dem Inneren herausgebrochen war...



...Spinnen...



Wieder brauchten die Sporen einige Herzschläge, bis sie Thuêban erreicht hatten, doch als sich der Warnruf des Mycnoiden schließlich in ihrem Geist zusammensetzte, griff sie sofort nach ihren Äxten. Doch sie kam nicht dazu, sie zu ziehen...

Ein unheimlich starker Schlag traf sie von hinten in den Rücken, schleuderte sie nach vorne gegen die Wand des Schachtes und beinahe ohnmächtig fiel sie nach unten, landete neben Guikut hart auf dem kalten Boden. Ächzend und mit verschwimmender Sicht versuchte sie aufzustehen, merkte aber sofort durch den stechenden Schmerz, dass ihr linker Fuß gebrochen war. In ihrem nackten bildete sich eine nasse, warme Stelle.

Von weiter oben herab drang ein boshaftes Zischen. Guikut sprang sofort an Thuêbans Seite, berührte sie am Hals und schickte feine Pilzfäden in die Haut der verwundeten Hexenjägerin und die dicken Blutstropfen versiegten beinahe augenblicklich.

Dann schob sich ein Schatten vor das Tageslicht, das vom Eingang her in den Schacht fiel.



"Ihr habt das Verdient!" kreischte eine wütende Stimme und sie erkannten ihre Auftraggeberin, wie sie die Worte geradezu hervor spuckte: "Dafür, was Ihr mit meiner Schwester gemacht habt! Ihr werdet hier alle verrecken!"



Dann begann ein rhythmisches Murmeln und die Schatten über ihnen begannen sich zu verschieben. Guikut schickte funkelnde Sporen nach oben, aber das Weib reagierte nicht auf den Ablenkungsversuch. Mittlerweile wirkte es so, als wären am Höhleneingang mehr nur ein Armpaar in Bewegung. Sie war die Spinne. Die Schwester von Zarnay, die sie unter dem Hof der alten Perol dem Feuer übergeben hatten. Eine Schattenspinne, deren Herz mit Rache überquoll.

Der Schacht und die Decke der Höhle bekamen feine Risse, Staub bröselte auf die beiden Hexenjäger herunter, während die Spalten tiefer und breiter wurden. Das Murmeln hatte sich zu einem ohrenbetäubenden Dröhnen verwandelt.

Thuêban biss die Zähne zusammen und griff nach der Leiter, zog sich mit all ihrer Kraft daran empor. Rasch gewann sie so an Höhe, ohne ihren verletzten Fuß zu belasten, und über ihr wurden die Zaubergesänge der Schattenpriesterin schneller und hektischer. Das Weib wurde nervöser, erkannte sie doch die Gefahr, die sich ihr näherte.



Ein weiterer, knackender Riss entstand an der Höhlendecke, als die rachsüchtige Priesterin plötzlich den Halt verlor. Erstaunt versuchte sie noch, sich mit ihren vielen Armen an der Schachtwand festzuhalten, rutschte dabei aber weiter ab, kam auf die selbe Höhe wie Thuêban. Instinktiv schlug die sich an einer Sprosse festklammernde Frau nach der überraschten Hexe, traf sie mit voller Kraft ihm teilweise zur Spinne gewordenen Gesicht. Betäubt stürzte das Weib weiter nach unten, kam knapp neben Guikut auf. Sie begann zu zischen und wild um sich zu schlagen.

Thuêban blickte nach oben und erkannte im Höhleneingang den Kopf von Wanda. Mit einem Zucken schreckte die Maultierdame zurück, als Guikut am Schachtboden einen weiteren seiner donnernden Angriffe durchführte. Der Pilzschirm wölbte sich, dann erzitterte der Stollen wie wenn ein Drache den Hügel mit einem Schwanzschlag getroffen hätte und die Hexe wurde gegen die Wand gepresst. Der Felsen um sie herum zerbrach und auch die Decke stürzte nun vollends ein. Große Gesteinsbrocken fielen in den bebenden Schacht.

Weiter zog sich Thuêban die Leiter hoch und immer wieder wurde sie von herabstürzenden Steinsplittern getroffen, die sie aufrissen und ihr einen wütenden Schrei aus der Kehle trieben. Unter ihr kreischte die Spinnenhexe, als sich ein großer Brocken von der Decke löste und ihr entgegen stürzte. Mit einem feuchten Knacken begrub der schwere Stein das Weib.

Beac... Schwester von Zarnay... war tot...



Guikut, der dem großen Felsen gerade noch entkommen war, versuchte die Leiter zu erklimmen, schaffte dies aber nicht, während er weiter seine dünnen Arme hob, um fallendes Geröll abzuwehren. Steine prallten von seinem schwammigen Schirm ab. Schon drückte er sich weiter schützend an die Schachtwand, als sich das Seil spannte und der Mycnoid Ruck für Ruck in die Höhe gezogen wurde. Die Leiter war schon zertrümmert und nicht mehr zu sehen, als er über den Rand des Schachtes geschliffen wurde und im Schnee neben einer erschöpften Thuêban zum Liegen kam.

Ein großer Baum auf dem Hügel brach von oben noch einige Längen tief in die Höhle ein, während seine Wurzeln weitere Felsen spalteten und in die Tiefe poltern ließen. Dann lag nur noch Staub in der Luft und der Baum kam schief stehend zur Ruhe.

Mit ihrer samtigen Schnauze stupste Wanda Thuêbans blutige Gesichtsseite an, schnaubte liebevoll. Die Hexenjägerin griff an die breite Wange des Maultiers und streichelte das dichte Fell.



"Brave Wanda," drang ihr Singsang über die vor Staub grauen Lippen. "Hast uns gerettet. Da hat sich jemand heute einen besonderen Leckerbissen verdient."



...in Holz ist Markt... leckeres Gemüse...



Die Hexenjäger rappelten sich auf und hinkend gingen sie der kleinen Waldstraße entgegen...
 
In diesem Posting habe ich von meinen selbstgemachten Emmergens Story Cubes gesprochen, die wunderbar dafür geeignet sind, kleine Geschichten zu erfinden, Ideen für Bilder und Comics zu brainstormen oder einfach ein bisschen Input fürs RPG zu erhalten.

Nun möchte ich ein paar der bis jetzt erwürfelten Geschichten vorstellen, da sie nicht lang sind und eigentlich doch recht witzig.

Sie spielen alle mehr oder weniger ernst gemeint in Emmergens, sind unter dem Titel "Gewürfelte Geschichten" gesammelt und ich hoffe, dass noch einige folgen werden :)
Ich poste auch gleich die Würfel und Reihenfolge, damit ihr sehen könnt, was in meinem Hirn so vor sich ging...

Enjoy!


IN EINEM KLEINEN Dorf in Gothog lebten einmal zwei arme Familien, die sich vom kargen Land ernährten. Die einen Bauern hatten einen Sohn, die anderen Bauern eine Tochter und die beiden jungen Leute verliebten sich unsterblich ineinander. Sie machten daraus kein Geheimnis und ihre Eltern waren nicht dagegen, wussten sie doch, dass das Leben ein hartes und es wichtig war, einen Funken Freude in diese Welt zu setzen.



Alle Nachbarn und Verwandte wurden geladen, als die große Hochzeit bevorstand und der trockene Acker wurde mit Blütenblättern bedeckt, als sich die Liebenden das erste Mal küssten und sie zogen in ein kleines, aber schönes Haus und begannen, ihr eigenes Stück Land zu bewirtschaften, hatte doch der König in Chapel von der Hochzeit gehört und wollte auch er dem jungen Paar ein Geschenk machen.



Und schon bald schenkte auch das Leben den beiden etwas: einen kleinen Sohn und er sollte Jorn heißen und seine Haare waren ein lehmiges Braun, so wie das Land, auf dem er geboren wurde und seine Augen waren tief und dunkel, wie die Nacht über Gothog. Und die beiden liebten ihr Kind und sie lehrten ihm alles, was sie wussten und Jorn wurde mit jedem Sommer stärker und stärker.



An seinem fünften Geburtstag aber saß er auf einem großen Stein, der am Rand des Landes seiner Eltern lag, und er starrte hinaus zum Wald und als sein Vater ihn fragte, was dort sei, antwortete Jorn nicht und so ließen sie ihn dort den ganzen Tag sitzen. Als dann schließlich die Nacht kam und sie ihn in sein kleines Bett legten, schlief er sogleich ein, müde vom langen Starren und die beiden sahen sich besorgt an, waren sie doch solche Dinge nicht gewohnt und war es ein ungewöhnlicher Geburtstag gewesen.



Und am nächsten Morgen war Jorn aus seinem Bett verschwunden und niemand konnte ihn finden. Erst ihr treuer Hund entdeckte die Spuren einer großen Bestie und diese Spuren führten in den tiefen Wald hinein. Also sammelten sich die Nachbarn und sie bewaffneten sich mit Fackeln und alten Klingen und sie zogen hinein in das Dickicht. Schon bald merkten sie, dass sie beobachtet wurden und sie schickten einen der ihren nach Chapal, um dem König Bescheid zu geben, damit er Helden schicken konnte.



Vorsichtig gingen sie weiter unter dem dichten Blätterdach hindurch und kamen schon bald zu einer Höhle, die zwischen den alten Bäumen in die Tiefe führte. Knochen lagen davor und der Gestank des Todes drang aus der Schwärze zu ihnen empor und bitterlich weinte der Vater Jorns, wusste er seinen Jungen schon tot. Doch wollten sie nicht mit leeren Händen zurück zur Mutter und so wagten sie sich Schritt für Schritt in die Dunkelheit. Dort fanden sie nicht Jorn, sondern ihren Tod und viele wurden von der Bestie erschlagen und nur der treue Hund und der verletzte Vater konnten sich zurück zum Hof schleppen.



Die Mutter weinte viele Tränen, doch nach einem ganzen Tag der Angst, an dem sie ihren Mann versorgte, wollte sie nicht mehr auf die Krieger des Königs warten, nach denen geschickt worden war, und sie nahm zwei Silberstücke, die sie in den letzten Jahren gespart hatten, die Kleidung ihres Mannes und eine schwere Axt, mit der die Bauersleute ansonsten ihr Feuerholz schlugen und sie zog zum Markt, der in ihrer Nähe seine Stände aufgeschlagen hatte.



Keiner der vielen Stände hatte offen, war doch die Kunde vom Unglück im Wald schnell verbreiten worden, und lange stand die Mutter da und rief in die Stille hinein, dass sie Hilfe benötigte, denn alleine konnte sie die Bestie nicht töten. Und endlich trat ein kleines Mädchen aus einem der verschnürten Zelte hervor und ohne ein Wort überreichte sie der Mutter eine kleine Schatulle und ein fein gebundenes Päckchen. Die Mutter bedankte sich und lief zum Wald.



Die Schatulle konnte sie nicht öffnen, war das Schloss doch fest wie bestes Eisen und das Holz seltsam hart, doch das Päckchen war schnell ausgewickelt und darin war ein Fläschchen mit einer klaren Flüssigkeit. Schnell trank die Mutter den Inhalt hinunter und dachte, dass sie mutiger oder stärker werden würde. Doch nichts veränderte sich und wieder machte sich Verzweiflung in ihr breit, hatte sie doch das Geschenk des Mädchens vergeudet. Und sie fand die Höhle und die toten Nachbarn in der Dunkelheit und als sie endlich der Bestie gegenüberstand merkte sie, dass sie schon lange ihren Mut und ihre Kraft gefunden hatte.



Die Krallen der Bestie sollten tiefe Wunden reißen, doch prallten sie nun an der Haut der Mutter ab und mit der Axt bezwang sie die böse Kreatur, hieb ihr zum Schluss das hässliche Haupt von den Schultern. Schwer atmend stand sie über der Leiche der Bestie als sich diese langsam veränderte. Kurz hatte die Mutter Angst, dass sie nun den Körper ihres Sohnes sehen würde, von ihr selbst enthauptet. Doch als Haut, Fleisch und Knochen verschwunden waren, blieb nur noch ein kleiner, rostiger Schlüssel übrig. Neugierig führte sie den Schlüssel in das Schloss der Schatulle und in ihr lag auf Blütenblättern gebettet ihr Sohn Jorn, wieder klein wie in seinen ersten Tagen und dankbar wanderte sie mit diesem Geschenk zurück zu ihrem Hof, wo ihr Mann sie schon erwartete.

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EINIGE TAGE NACHDEM der Nekromant Lord Átor in Cromshell eingefallen war, trennte sich ein einzelnes Skelett aus der riesigen Horde an Untoten, die gen Osten zogen, hin zum Großen Gebirge. Das Skelett sah sich um und war verwirrt, spürte es nun nicht mehr das enge Band, dass ihn seit seiner Entstehung vor so vielen Jahren an seinen Herren und Erschaffer Átor gefesselt hatte. Sein Blick fiel auf ein kleines Bauernhaus, das in der nun verwüsteten und gebrandschatzten Umgebung lag. An einer Stelle quoll dunkler Rauch aus dem aufgebrochenem Mauerwerk, ansonsten war es durch den Angriff der wandelnden Toten beinahe unberührt.



Aus Richtung des Hauses war ein seltsames Quieken zu hören, beinahe wie von einem Ferkel. Das Skelett sah sich nach seinen Kameraden um und bemerkte, dass diese immer noch dem Tross folgten, angeführt durch zwei Todesritter, begleitet durch riesige Belagerungseinheiten, Trollskelette und einem langsam verwesenden Drachen, der mit schweren Flügelschlägen über Átors Truppen dahinflog. Es fühlte, dass die Verbindung irgendwie zerbrochen war. Das Skelett war frei. Und so ging es dem Quieken nach und es kam nach vielen Schritten durch den schmutzigen Schnee bei dem Haus an und öffnete die Türe, die nach einigen gewaltigen Hieben eines nicht mehr sichtbaren Angreifers nur noch in den Angeln hing, und sah das die Bäuerin und der Bauer nicht nur erschlagen in der Stube lagen, sondern sich bereits wieder vom blutigen Boden erhoben, um dem Ruf ihres neuen Herren Átors nachzukommen. Sie zuckten und griffen nach Stuhl und Tisch, um sich nach oben zu ziehen und sich letztendlich dem Heer der Untoten anzuschließen. Langsam konnten sie ihre geschundenen Körper auf die noch unsteten Beine zerren, aber das Quieken, das aus einem kleinen Eck der Stube kam, ließ das Skelett nicht ruhen.



Ein schwerer Schrank stand da und eine fast gänzlich herausgerissene Türe versperrte den Weg und so schob das Skelett die Barrikade zur Seite und dort sah es eine Wiege, in dem ein kleines Mädchen lag. Die beiden untoten Eltern ignorierend, griff das Skelett nach dem schreienden Kind und hob es in seine Arme und das Weinen versiegte, wurde das Mädchen doch nun gehalten und ließ die sanfte Bewegung den Schrecken ein wenig vergessen.



Das Skelett wusste, dass dieser Tag nicht gut für das Mädchen enden würde, sollte es das Kind zurück lassen und so trug er es aus dem alten Haus hinaus und hoch standen mittlerweile die Sterne und sie glitzerten und fahl beleuchteten sie den Weg des ungleichen Paares. Immer weiter nach Norden ging die Reise durch die Nacht, und unermüdlich trugen die alten Knochen das nun ruhig schlafende Kind durch das Land.



Schließlich ging die Sonne auf und kurz wirkte es so, als wäre alles unberührt von Átors verfluchter Hand und nichts war vom Schrecken des Nekromanten zu sehen. Dann aber sah das Skelett wieder die Verwüstung, die der Angriff des dunklen Herrschers hinterlassen hatte und weiter ging er, nie ruhend und nie das Kind aus den Armen legend.



Bis zu einem Garten inmitten des Schnees ging es und über und über mit Blumen war dieser seltsame Fleck im toten und kalten Reich. Unversehrt und warm und blühend und keiner von Átors Dienern hatte hier etwas Böses bewirken können und als das Skelett verwirrt zwischen die Pflanzen wagte, sah es zerbrochene Knochen zwischen den Ranken und Stängeln und Wurzeln liegen. Der Garten hatte sich gegen Átors Truppen zur Wehr gesetzt und das Skelett machten einen unsicheren Schritt zurück, als nun auch Halm und Strauch nach ihm griffen, doch erreichten sie ihn nicht.



Langsam und mit Bedacht schlängelten sich die Ranken aus dem Weg des Skeletts und bildeten einen Pfad, durch das es schreiten konnte und diesem folgte der Mann aus Knochen vorsichtig, um nicht das Kind zu wecken. Und in der Mitte des Gartens legte das Skelett das schlafende Mädchen in eine Wiege aus Blütenblättern und grünen Trieben.



Das Skelett sah sich um und erblickte einen kleinen Bach, der durch den Garten floss. Es hörte ein glockenhelles Gurgeln und plätschern und das Skelett meinte eine Stimme zu hören, das ihm zuflüsterte und ihm versprach, all das Leid hinter sich zu lassen und eins zu werden mit dem Garten und der Welt.



Und so setzte sich das Skelett an das Ufer des kleinen Baches und wartete. Wie lange es dort wartete, weiß niemand. Ich war nicht dabei, um Auskunft darüber zu geben und auch kein anderer war Zeuge. Doch als die Sonne sich erneut über das Land erhob, waren die alten, verfluchten Knochen verschwunden und nur Blumen wuchsen dort im Moos und im Bach schwamm ein großer, starker Karpfen. Stets blieb er dort neben der Stelle, wo das Skelett einst saß und das Lachen des Mädchens wehte durch den Garten, noch während Lord Átor auf seinem Thron in Cruhn saß und die Helden, die ihn besiegen sollten ihre Abenteuer auf der anderen Seite des Großen Gebirges erlebten. Und solange der Karpfen dort schwamm und die Blüten und Ranken und Triebe und Wurzeln all das Dunkle davon abhielten, Fuß in diesem Garten zu fassen, war das Mädchen sicher. Und oft saß es beim Bach und sah dem Karpfen singend beim Schwimmen zu.

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Und schon sind wir auch bei Kapitel 14 der Thuêban Kampagne...

SIE STANDEN AUF dem desolaten Hof in der Mitte von nirgendwo. Mit ihnen waren fünf Landbüttel und drei Soldaten der Tarleener Armee, die mit gezogenen Waffen das flache Haus umstellt hatten. Bruder Perus, ein Kleriker des Gottes Paragons, wartete neben Thuêban, sah ohne zu blinzeln die geschlossenen Fensterläden an, die keinen Blick ins Innere des Hauses erlaubten.

Sie hatten Bruder Perus in Holz getroffen und er hatte Thuêbans Bein versorgt, war einige Zeit mit den beiden Hexenjägern gezogen. Hier im Hinterland hatten sie schließlich alarmierende Kunde erhalten: auf dem Grund und Boden des eigenbrötlerischen Kurton Milstonia waren schreckliche Dinge gesehen worden, es war die Rede von der Sichtung eines Düsterebers. Und ja, der Hof war ein einziger Albtraum...

Das Haus und der Zaun, an dem nun Wanda festgebunden war, waren schon lange nicht repariert worden und auf dem aufgewühlten Schlamm des Bodens lagen unzählige Leichen von jungen Frauen und Mädchen. Zerstückelt und in allerlei Graden der Verwesung, die die letzten Monate noch unter der Schneedecke versteckt gelegen hatten. Es stank nach Tod und die in der Frühlingsluft erwachten Fliegen hüllten das Grundstück wie eine Wolke ein.



Von Kurton Milstonia hatten sie bislang keine Spur gefunden und die Soldaten, die versucht hatten, die Türe aufzutreten, hatten feststellen müssen, dass der schwere Riegel der Haustüre ihren Tritten ohne Probleme Widerstand bot. Mit Schwertern in der Hand warteten sie zu beiden Seiten des versperrten Eingangs, während die Landbüttel mit ihren Hellebarden neben Bruder Perus und den Hexenjägern nervös von einem Bein aufs andere traten.



"Gib auf, Milstonia!" rief Bruder Perus in das Brummen der Fliegen hinein. "Beuge Dich deinem Schicksal und dem Licht der Götter!"



Aber nur Stille antwortete ihm aus dem Hausinneren.

Guikut hatte sich zu einer der zahlreichen Leichen herunter gebeugt und betrachtete das graue, zerfallende Fleisch. Es hatte Bissspuren und war an den weichsten Stellen aufgebrochen worden. Aber auch Rippen und andere Knochen waren zerbrochen und zerbissen. Kein Blut war mehr auf den Leibern, der längst vergossene Körpersaft bei einem Regenschauer davon gespült.

Er stand auf, sah zu einem weiteren Torso, der in der Nähe lag und erkannte doch ähnliche Wunden. Es wirkte beinahe so, als hätte sich ein riesiges Wildschwein an den Körpern vergangen, das erkannte der Mycnoid. Hatte der Augenzeuge etwa Recht und es war wirklich ein Düstereber, der hier wütete?

Nein... langsam blinzelnd blickte Guikut zum belagerten Haus. Es war ein anderes Übel, da war er sich sicher. Und wie es aussah, vermuteten auch Thuêban und Bruder Perus etwas anderes.



"Wir sollten uns einen Zugang von oben verschaffen," murmelte Thuêban dem Kleriker zu. "Dies hätte den Vorteil, dass wir hinein können und Licht hätten, falls dort nur Dunkelheit herrscht."



Bruder Perus nickte. "Was habt Ihr vor?"



Thuêban sah sich um, erblickte schnell einen Hackblock und eine Axt, die dort im Holz steckte. Dort angekommen zog sie das Werkzeug mit einem Ruck aus seiner Verankerung und ging dann auf einen der Landbüttel zu, die im Schatten des Hauses warteten.



"Helft mir auf's Dach..."



Der Mann legte seine Hellebarde zur Seite und half der Hexenjägerin mit einer Räuberleiter auf die leicht abgeschrägten Schindeln. Sie hob die Axt hoch über ihren Kopf und hackte dann immer wieder nach unten, während Dachbelag knirschend nachgab.



Aus dem Inneren erklang ein wütender Ruf: "Ihr kriegt mich niemals lebendieeääääääärrrr!"



Der Schrei wurde zu einem Brüllen, etwas zerschellte im Haus, etwas zerbrach mit einem lauten Knacken. Ein wildes Quieken und ein Krachen, als wäre ein Schrank zu Boden geschmettert worden. Die Männer hoben angespannt ihre Waffen.



...Werwesen...



Die Sporen erreichten alle vor dem Haus und während die Landbüttel einige Schritte zurückwichen, schritt Bruder Perus mit gezogenem Streitkolben auf die Türe zu. Angriffsbereit richtete die Soldaten ihre Klingen vor sich.

Die Türe wurde nach außen gerissen und krachte mit dem Türstock zu Boden und die Soldaten bedeckten ihre Gesichter, schützten sie vor den umherfliegenden Splittern. Ein Monster mit massiven Muskeln unterm struppigen Fell, scharfen Hauern und glühenden Augen fiel mit in den Schlamm. Nur noch ein Hosenbein war von der zuvor zerrissenen Kleidung übrig und mit einem rasenden Quieken krallte es sich mit scharfen Klauen an jedem Finger und mit gezackten Hufen an den Beinen ins brechende Holz unter sich. Fast wie einer der seltenen Wildmenschen sah es aus, mit seinem feuchten Rüssel und den gelben Zähnen, die zwischen den hängenden Lippen hervor ragten, doch war es kein Wildmensch. Es war animalischer. Boshafter.



Thuêban sprang zum Rand des Daches und schleuderte die Axt in den Rücken des liegenden Werebers. Sie traf die Wirbelsäule, doch das Axtblatt wurde langsam durch sich weiter verformendes Fleisch wieder aus dem Körper gedrückt, während sich nun funkelnde Sporen rund um die vor Wut schäumende Bestie sammelten. Als die Sporen in den Rüssel gezogen wurden, weiteten sich die Augen des Werebers und ein entsetztes Kreischen hallte über den Hof. Guikut hatte das mit Zorn vernebelte Hirn von Kurton Milstonia mit Furcht erfüllt.

Doch dies hinderte das Schwein nicht daran, sich in Richtung eines Soldaten zu katapultieren und ohne Gnade auf ihn einzuschlagen und unter dem struppigen Körper der Furie wurde der unglückliche Mann zerfetzt. Seine Kameraden und die Landbüttel sprangen ihm zu Hilfe und schlugen und stachen auf den Wereber ein, doch kamen sie zu spät. Auch der hell aufglühende Streitkolben von Bruder Perus hieb immer wieder auf den Leib des Monsters ein und mit Magie in seiner Stimme rief der Kleriker seinem Gegner heilige Befehle entgegen.



"Wende Dich dem Bösen ab, Sünder! Das Licht ist ewig!"



Thuêban stand über dem Haufen an Kämpfern, zog Arra und Banirr aus ihren Schlaufen und sprang dann auf den Rücken des Untieres, trieb beide Axtblätter tief in den breiten Nacken. Der Wereber bäumte sich auf und schlug alle von sich weg und mit dem abgerissenen und blutenden Bein eines nun schreiend am Boden liegenden Landbüttels prügelte er weiter um sich. Hart wurde Thuêban mit dem Rücken gegen die Hauswand geschleudert und biss voller Schmerz die Zähne zusammen, als sie nach Luft rang.

Guikut sah entsetzt mit an, wie der tödlich verwundete Landbüttel noch einige Längen durch den Schlamm krabbelte, dann zitternd und ohnmächtig liegen blieb. Für zuvor zerfetzten Soldaten aber kam jede Hilfe zu spät. Schon wollte er zum Landbüttel eilen, als der Wereber mit einem gellenden Quieken Bruder Perus ansprang und ihn zu Boden riss. Der Mycnoid zögerte.

Dies war wirklich ein übler Fluch, den der Orkschamane Watan vor all diesen Jahrtausenden in die Welt gebracht hatte, und an diesem Exemplar erkannte man, wie viele dieser Monster handelten: unberechenbar und ohne jede Gnade. Vergewaltigend, verstümmelnd, ohne jegliche Kontrolle alles um sie herum mordend. Und wie Guikut diese Art verstand, mussten die Jäger mehr Schaden verursachen, um der Raserei Einhalt zu gebieten. Sie mussten schneller agieren!



Der Wereber schlug immer noch nach dem Kleriker unter sich, doch der wehrte sich mit allen Mitteln und schrie dem Monster wütend entgegen: "Möge Dich Paragon verbrennen!"



Das Schwein ließ nicht von seinem Opfer ab und aus seinen Schultern und dem muskulösen Rücken wuchsen dickere Borsten, wie lange Stacheln und keiner der Landbüttel und Soldaten, die Bruder Perus zu Hilfe eilen wollten, kam nahe genug an die Bestie heran, um ihm wirklichen Schaden zuzufügen. Sogar die Hellebarden wurden nun durch das dicke Fell zur Seite abgeleitet.

Bruder Perus schlug und trat nach dem Wereber, der auf seinem Körper hockte. Ein helles, loderndes Licht flammte an der Klerikerbrust auf und versengte Kurton Milstonia Brust und Gesicht.



"Verfluchtes Schwein!" fluchte Bruder Perus. "Krepiere endlich!"



Thuêban drückte sich von der Hauswand ab und sprintete hinter das Schwein, pumpte mit einigen magischen Worten kochende Säure aus ihren Fingerspitzen. Die zischende Flüssigkeit fraß sich dampfend durch die harten Borsten, Haut und Fleisch. Laut quiekend rollte sich der Wereber vom Kleriker und wälzte sich nun auf dem schlammigen Boden, um die Säure abzustreifen, zerdrückte dabei fast den leblosen Landbüttel, der nur wenige Augenblicke zuvor sein Bein verloren hatte.

Guikut erkannte seine Gelegenheit. Er sprang zwischen das Schwein und die Kämpfer, richtete seinen Pilzschirm nach vorne und presste Lamellen und schwammiges Fleisch mit einem unglaublich starken Puls zusammen. Ein Beben durchzuckte Boden und Luft und das Schwein wurde einige Meter weit über den Hof gerollt, kam mit dem Gesicht im Schlamm zum Liegen. Es rührte sich nicht.

Bruder Perus versuchte Luft zu holen, doch seine eingedrückte Brustplatte machte ihm das Unterfangen schwer. Blut rann ihm aus Mund und Nase, die angeschwollene Gesichtshälfte war mit Klauenspuren zerkratzt. Die anderen Männer eilten zum Schwein und stachen und hieben auf den regungslosen Körper ein und während Guikut zum Einbeinigen lief, schlug einer der Soldaten mit seiner Klinge den Eberkopf von den massiven Schultern.



Erleichtert stellte Guikut fest, dass der verwundete Landbüttel noch lebte, wenn auch nur gerade noch. Er schickte seine Pilzfäden in das verdrehte Fleisch, verschloss somit den Stumpen und stabilisierte die schwache Atmung des Ordnungshüters.

Mit einer hilfsbereit hingestreckten Hand zog Thuêban Bruder Perus auf die Beine und der Kleriker hustete und hielt der Hexenjägerin den Oberarm zum brüderlichen Gruße entgegen.



"Habt Dank," krächzte er mit einem schiefen Lächeln.



Dann sahen sie zum geköpften Milstonia und sahen, dass er sich mittlerweile wieder in seine menschliche Form gewandelt hatte. Ein einfacher Mann hatte soviel Leid zu verantworten. Erschöpft standen alle herum und der Schrecken, den sie erlebt hatten, spiegelte sich in ihren gehetzten Blicken wieder.



...könnt Ihr etwas mit Bein machen...?



Bruder Perus sah nach unten und erkannte Guikut, der ihm die abgetrennte Gliedmaße des Landbüttels hinhielt.



"Wir werden sehen," meinte er mit leiser Stimme und nahm das Bein entgegen. "Dieser Mann hat jedenfalls die Aufmerksamkeit meines Ordens verdient, da habt Ihr Recht." Der Kleriker drehte sich und blickte über den Hof. "Aber die größte Arbeit haben wir wohl noch vor uns..."



Zusammen mit den müden Männern sahen Thuêban und Guikut über das schlammige Leichenfeld. Es sollte noch ein langer Tag werden...
 
Kapitel #15 von Thuêban:

IM SCHATTEN DER großen Hecke, die auf dem Feldrain stand, ging Guikut in die Hocke. Hier hatten sie vor Monaten das Maul bekämpft und hier hatte der Mycnoid seine Sporen in den Schutz der großen Pflanzen gestreut. Nun stand die warme Sonne hoch am Himmel und die Frühlingsblumen blühten in all ihren Farben und zufrieden erkannte der Pilzmann die kleinen Pilzlinge, die dort einige Finger hoch wuchsen.



...andere Mycnoiden vorbeigekommen...



Sie sahen gesund aus und glücklich im feuchten Halbdunkeln der Sträucher. Einer öffnete eine winzige Augentraube und sah seinen Erzeuger neugierig an, blinzelte einige Male. Tief begann Guikut zu brummen und es war die Sprache seines Volkes, die Thuêban mit ihren Schwingungen bis in die Fußsohlen zu gehen schien und die Hexenjägerin wartete geduldig, während ihr Kamerad mit seinem Nachwuchs kommunizierte.

Die Schwingungen wurden lauter, das Brummen intensiver und Thuêban sah irritiert nach allen Seiten. Das laute, neue Geräusch kam nicht von Guikut. Es drang von einem großen Waldgebiet her, das einige Äcker weit entfernt zu sehen war. Wie ein gigantischer Bienenstock, nur lauter... aufdringlicher.



"Guikut," murmelte Thuêban, den Pilzmann aus seiner Konversation reißend. "Das Geräusch aus dem Wald... wir sollten uns das ansehen."



Sie sah immer noch in Richtung der Bäume und kurz blickte auch Guikut dort hin, wendete sich dann wieder an die Pilzlinge, wünschte ihnen einen guten Boden und gutes Wachsen. Der kleine, bereits erwachte Mycnoid schloss seine Augentraube und Guikut richtete sich zufrieden auf. Dann wanderte er mit Thuêban und Wanda über den breiten Acker, der sie zum Wald führen sollte. Schon wuchsen hier kleine Triebe und der Duft von Erde und Rossdung war satt und wehte im frischen Wind. Das Brummen wurde mit jedem Schritt lauter und die Zügel von Wanda wurden öfter gespannt, als sie es gewohnt waren.

Als sich die Hexenjäger umsahen, erkannten sie die Angst, die auf Wanda lastete, die der Maultierdame jeden Schritt zur Überwindung machten. Thuêban trat neben das treue Tier. Sie wusste, dass sie nicht dumm war und sonst recht mutig, und sie sah Wanda tief in die Augen und tätschelte ihre Wange. Dann löste sie die große Kriegsaxt aus dem Trageaufsatz und ließ das Maultier auf dem Feld stehen, ging stumm mit Guikut weiter dem Brummen entgegen.

Einen kleinen Weg betraten sie, der zwischen den Äckern hin zum Wald führte und dort war im Schatten der hohen Nadelbäume eine kleine Siedlung aus sechs Häusern gebaut worden. Ob aus dieser Gemeinschaft auch der Bauer kam, der ihnen damals aus lauter Dank Wanda geschenkt hatte, wusste Thuêban nicht, aber dies war nun auch nebensächlich, war die Siedlung doch von einer dicken Decke aus Qualm bedeckt, die wie eine Kuppel alles in ihrem Inneren vernebelte.



Drei Herzschläge brauchten die Hexenjäger, um zur Erkenntnis zu gelangen, dass es kein Qualm war. Es waren Fliegen. Abertausende Fliegen, schwarz und dick und das dröhnende Brummen aussondernd, das nun unangenehm laut auf ihren Ohren lag. Auf dem Hof des Schweins waren damals schon genügend Fliegen von den Leichen angelockt worden, aber die schwarze Wand aus umher tanzenden Insekten übertraf den damaligen Anblick bei Weitem.

Thuêban zog sich den Schal ihrer Gewandung über Mund und Nase und stakste zusammen mit Guikut in den Schwarm hinein. Fliegen landeten auf Stoff, Haar, Haut und Pilzfleisch und ein schwerer Eisengeruch lag in der Luft, brachte die Hexenjägerin kurz zum Würgen. Kurz versuchten sie noch, die lästigen Tiere davon zu scheuchen, dann fielen ihre Blicke auf einen leblosen Körper am Wegesrand. Ein Bauer lag dort auf dem Bauch, der Rücken mit einem gewaltigen Schnitt bar gelegt und aufgebrochen. Die Wirbelsäule war ihm fast vollständig heraus gerissen worden und hing ihm nur noch an der Verbindung mit seiner Hüfte in einem nach hinten gekrümmten Bogen zwischen die Beine. Wie ein Schweif sahen die blutigen Wirbel aus.



"Djar'hi..."



Kurz betrachteten sie diesen fleischgewordenen Albtraum entsetzt, dann gingen sie weiter zwischen die Häuser. Die Türen waren weit aufgerissen, die Wände der kleinen Gebäude voller Blut und Fleischfetzen. Dutzende Leichen lagen auf dem von Körpersäften matschigen Boden. Einige Tote hingen kopfüber und gehäutet von den Dächern, andere waren an Balken gekreuzigt worden und alle waren über und über mit ins Fleisch geritzten Schriftzeichen übersät.



...erinnert mich an Blutmagierin... oder an widerliche Spinnenweiber...



Der Mycnoid trat näher an einen der ermordeten Bauern heran, der angelehnt an einen der hohen Bäume saß und in dessen Augenhöhlen dornige Zweige gesteckt worden waren. Fliegen saßen auf den verdorrten Blättern der Zweige und paarten sich in der Wärme des Frühlingstages.

Lange starrte Guikut auf die blutigen Zeichen, die auch dieses Mann bedeckten. Einzelne Symbole waren dort zu sehen, die längere Worte bildeten, und große, komplexe Bilder, die mehr Informationen in sich trugen.



...ist Abyssal... Sprache der Höllenebenen...



Ein Zeichen nach dem anderen fuhr er mit einem Wurzelfinger nach.



...Erwachen... Rache... Wiedergeburt... Dämmerung...



"Djar'hi ksechm."



Guikut sah seine Gefährtin ernst an.



...ist sehr große Ziege...



Er deutete auf ein Zeichen, das immer und immer wieder auf der Leiche zu erkennen war. Und auch in die Körper in der Nähe war es geritzt und zudem mit Blut an die Wände geschmiert worden.



...Miargul...



Guikut legte seinen Pilzhut schief.



...ist Eigenname...



Angespannt sah sich Thuêban um. Weiter im Wald erblickte sie ein zwischen zwei Baumstämme gespanntes Pferd, beinahe vollständig aufgeklappt und entzwei gezogen. Irgendetwas tropfte aus ihm heraus. Davor waren einige geschlachtete Schafe und Hunde aufgebahrt und eine gepfählte Katze sah mit toten, fliegenübersäten Augen zu den Baumwipfeln empor. In den Rücken der Katze waren Gabeln und Messer gesteckt worden, die nun wie seltsame Flügel wirkten.

Von diesem Bild zutiefst beunruhigt folgte Thuêban dem Blick des Tierkadavers und atmete scharf aus, als sie hunderte Raben und Krähen in den Bäumen erkannte, die aber stumm und sichtbar verängstigt warteten. Selbst sie trauten sich nicht näher an die verfluchte Siedlung heran, veränderten nur ab und zu unruhig ihre Position.

Guikut hatte von den wartenden Vögeln nichts mitbekommen. Über die Leiche gebeugt sah er sich mit seiner Augentraube genau die Fliegen an, die sich dort tummelten.



...normale Fliegen... aber agieren unnatürlich... von jemanden magisch hier gebunden... passt zu Abyssal...



Langsam, Schritt für Schritt, wagten sie sich weiter vor und lugten ins erste Haus, wo eine gehäutete Familie beinahe friedlich wirkend im Kreis saß. Wären sie nicht tot gewesen, hätten sie allesamt auf ein vor ihnen ausgelegtes Zeichen geblickt, das mit ihren eigenen, abgetrennten Gliedmaßen auf dem Boden geformt worden war. Wieder war es der Name Miargul und vorsichtig verschob Guikut einige Körperteile, um dem potentiellen Tor in eine andere Realität die Energie zu nehmen.

Thuêban war derzeit zum nächsten Haus gewandert, hatte den Vorhang aus Haut, der die Gebäudefront verdeckte, vorsichtig beiseite gezogen und ins Innere gelugt. Ein mit Fliegen verpesterter Haufen Eingeweide füllte eine Ecke des Hauses aus. Es stank nach Tod und Verzweiflung.

Sie drehte ich zum ersten Haus und sah, wie Guikut zu ihr aufschloss, dann drehte sie sich zu einer noch verschlossenen Türe, die in eine Hütte nahe der Baumgrenze führte. Sie wirkte beinahe unangetastet, das Holz nicht aufgerissen. Mit einer üblen Vorahnung umgriff Thuêban den Griff ihrer Kriegsaxt fester und stampfte dann mit dem Mycnoiden an ihrer Seite auf das vermeintlich sichere Haus zu.



Ein leises Schaben. Ein kurzes Knacken. Dann stürzte eine gehäutete Leiche vom Dach her auf die beiden Hexenjägern zu und gerade konnten sie noch ausweichen, um nicht vom verdrehten Fleisch getroffen zu werden. Mit seinem Schädel streifte der Tote Thuêban und hinterließ einen roten Schmierer auf ihrem Wams, lag dann regungslos zwischen ihnen. Aus allen Körperöffnungen und aus den Wunden, die zwischen Gelenke und Muskeln getrieben wurden, ragten Werkzeuge, abgebrochene Knochen und anderweitig abgetrennte Körperteile.

Die schwarz gefiederten Vögel über ihnen waren durch den Fall aufgescheucht worden und flogen nun krächzend davon, während das Brummen des Fliegenschwarmes auf ein Maß anschwoll, das beinahe nicht mehr auszuhalten war.

Durch das geschundene Fleisch war dem Toten ebenfalls Miargul in die Stirn geritzt worden, der Schorf hatte sich dunkel in den Rillen gesammelt.



...Schorf... Mann hatte Zeichen schon bei Lebzeiten... nicht gut... Kult...?



Thuêban trat nach vorne und auf die Türe zu, merkte schmerzhaft, wie angespannt sie gerade war. Sie hatte schon viel gesehen. Fleischaltare und Blutkonstrukte. Aber dies war selbst für sie zu viel. Sie hob ihre Axt und schlug durch das splitternde Holz der Türe. Panische Schreie aus dem Inneren übertönten den Lärm der Fliegen, als sie sich mit Gewalt Einlass verschaffte.



"Bei den Göttern! Verschone uns, Dunkler!"



Guikuts Sporen wehten durch den frisch gerissenen Spalt.



...wollen helfen...



"Bitte! Tu meiner Kleinen nichts! Tu meiner Kleinen nicht weh!"



Noch einmal schlug Thuêban zu und als die Türe endlich nachgab, trat Guikut schnell ein und sah sich um. Die Stube war verwüstet und der schwere Tisch umgeworfen, gegen die Wand gerückt. Davor lehnte eine alte Strohmatte und bot einem zusammengekauerten Schatten zwischen Wand und Tischplatte mehr Sichtschutz. Ein Wimmern war zu hören.

Der Mycnoid blickte hinter die Barrikade und entdeckte dort eine Menschenfrau, die ein junges Mädchen in den Armen hielt. Vermutlich war das Kind um die fünf Jahre alt und mit einem lauten und hellen Schrei drückte es sich an die Erwachsene, als es Guikut dort stehen sah. Die Frau hielt dem Pilzmann abwehrend eine Handfläche entgegen und der Schrecken ließ ihre Stimme erzittern.



"Nein! Bitte! Tu uns nichts! Tu uns nichts! Wir haben doch schon alles verloren!"



...wollen helfen...



Beruhigend trat Guikut einen Schritt zurück und hob seine Hände, um zu zeigen, dass er keine Waffen trug.



...wollen Euch hier herausholen... Ursache für all das hier herausfinden... wenn möglich Gegend säubern...



Seine Kommunikationssporen umhüllten die beiden Überlebenden und funkelten um das Mädchen herum, damit sie von all dem Horror abgelenkt wurde, der sie umgab. Langsam beruhigte das Menschenkind sich ein wenig und erstaunt sah die Frau Guikut mit rot unterlaufenden Augen an. Sie wiegte das Kind in ihren Armen, versuchte es weiter zu trösten.



"Sssssch, Milli." Die Frau streichelte das schmutzige Haar der Kleinen. "Alles wird gut."



...noch jemand hier...?



"Letzte Nacht fiel hier alles ins Chaos..." Sie streichelte über den Rücken des wieder weinenden Mädchens. "Seitdem sind wir hier eingeschlossen. Ich weiß nicht, ob draußen noch jemand lebt."



...hier im Haus niemand mehr...?



"Nein..."



...dann lasst uns hier verschwinden...



Er begann zur Tür zu gehen und die Frau stand mit Milli hinter dem Tisch auf. Kaum hatten sie Thuêban mit all ihren Narben und der Axt in ihren Händen gesehen, erschrak sie ein weiteres Mal.



"Keine Angst, Milli," stotterte sie leise. "Es wird alles gut werden."



Langsam schritt sie Guikut nach und die Hexenjägerin stieg zurück über die Leiche, die zuvor vom Dach gefallen war. Fliegen landeten nun auch auf der Frau und Milli und mit einer zitternden Hand wischte die Ältere ihnen die Insekten von Haut und Haar.



"Milli," flüsterte sie der Kleinen ins Ohr. "Schau nicht hoch."



Als sie den Toten vor der Türschwelle erblickte, zuckte sie wie von einem Schlag getroffen zusammen. Ein unausgesprochener Name formte sich auf ihren Lippen und dicke Tränen zogen helle Linien über ihr vom Schmutz verschmierten Gesicht.



...nicht hinschauen... einfach weiter gehen...



Doch die Frau sah einige Herzschläge weiter den Gehäuteten an, dann hob sich ihr Blick und erfasste die gesamte Siedlung. Sie begann zu würgen und drückte das Kind fester an sich.



...einfach weiter...



Direkt zum Wald führte Thuêban sie, vorbei am Zentrum der Siedlung und auf dem schnellsten Weg hinaus aus diesem unheiligen Schlachthaus. Alle eilten ihr hinterher und erst als die erschöpfte Frau mit dem Kind auf dem Arm stolperte und in einer Pfütze aus Blut und anderen Körperflüssigkeiten auf die Knie fiel, hielten die Hexenjäger an. Kreidebleich und schwitzend blieb sie dort hocken und schwer ging ihr Atem, als sie nach vorne gebeugt ins Leere starrte und ein unverständliches Gebet zu den Göttern murmelte.

Eine Wolke aus Sporen verließ Guikuts Lamellen und festigte Thuêbans Griff, fokusierte ihren gehetzten Blick. Er stellte sich neben die Überlebende, die immer sich immer noch nicht aus der Pfütze erheben wollte.



"Wir werden hier nie 'rauskommen!" stammelte sie. "Wir werden hier nie 'rauskommen!"



Millis Weinen wurde wieder lauter. Ungeduldig packte Thuêban die Frau und zog sie zu sich hoch, die aber versuchte nun panisch den Schal der Hexenjägerin zu greifen, während ihr Guikut Milli aus den Armen zog. Das Mädchen begann zu schreien.



"Mama!"



"Wir werden hier nie 'rauskommen!" rief die Frau voller Furcht, krallte sich weiter an Thuêbans Kleidung fest. "Ihr werdet hier nie 'rauskommen!"



Thuêban sah Millis Mutter resigniert an. Sie ließ die Frau los und nahm ihre Axt wieder in beide Hände, während ihr Gegenüber nun zuckend die Augäpfel nach hinten rollte und mit einem breiten, verstörenden Grinsen ein krächzendes Kichern von sich gab. Von der plötzlichen Wendung erschrocken, zog Guikut Milli weiter von den beiden Frauen weg und immer noch schrie das Mädchen nach seiner Mutter, als er so schnell seine langen Beine ihn tragen konnten in Richtung Waldrand lief. Seinen Schirm hatte er so nach hinten gekippt, dass er Millis Sicht nach hinten versperrte.


"Mama!"



Das Kichern der nun deutlich besessenen Frau schwang in ein hämisches Lachen über: "Keine Sorge, Milli! Ich finde Dich!"



Thuêban verzog angewidert das Gesicht und trieb dann in einem mächtigen Schwung das Axtblatt tief in die Schulter der dämonischen Frau. Doch die rührte sich nicht und verlor nicht ihr blutgefrierendes Grinsen und mit einer unglaublich schnellen Bewegung packte die Besessene den Axtstiel.



"Ihr werdet Harieam nie verlassen!"



Wieder das Nerven zerfetzende Kichern und das Lachen, das beinahe wellenartig im Fliegenschwarm zu sehen war. Thuêban blickte den Dämon entsetzt an und der schlug der Hexenjägerin mit der flachen Hand schallend ins Gesicht. Doch Thuêban steckte den Schlag ein und blickte ihren Gegner vernichtend an.

Sie riss die Axt aus dem Griff des Dämonen und aus der klaffenden Wunde, schmetterte die Waffe dann gegen den Schädel der Frau, nach der Milli immer noch verzweifelt schrie. Ein langer Spalt öffnete sich dort, wo die Axt Haut und Fleisch getroffen hatte und klappte auf, enthüllte lange, dünne Zähne und das bleiche Antlitz Miarguls, der keinerlei Augen hatte und weiter breit in ihre Richtung grinste.

Trotzdem war der Höllendämon ins durch den Angriff ins Taumeln gekommen, machte einige unkontrollierte Schritte nach hinten und presste einen hämischen Schrei heraus, der Thuêban durch Mark und Bein schoss.



"Ich wurde ein Mal verbannt!" spuckte der Dämon hervor. "Ein zweites Mal schafft Ihr es nicht!"



Guikut hörte die boshafte Stimme hinter sich, versuchte weitere Sporen in die von Fliegen verseuchte Luft zu pumpen, doch konnten sie nichts gegen die Macht der Höllenkreatur bewirken. Schneller rannte er, auf einen gefällten Baumstamm zu, hinter dem er Milli in Sicherheit bringen konnte.

Seine Gedanken überschlugen sich. Er hatte den Namen Harieam schon einmal gehört. Vor rund siebenhundert Jahren war dieser Ort Kriegsschauplatz der Zweiten Invasion der Höllenebenen gewesen. Dort war einer der Generäle des Dämonenherren Bucephalus in den Ruinen der gefallenen Stadt von mutigen Helden erschlagen worden.

War dieser General Miargul gewesen? War die kleine Siedlung auf den zerstörten Grundmauern von Harieam erbaut worden? Und hatte sich hier Miargul entkörpert in der Welt halten können, bis ein törichter Bauer ihn aus lauter Dummheit oder gar dunklen Zielen befreite? Bis er mit einem neuen Körper aus Fleisch und Blut diesen Albtraum lostreten konnte? Dies würde aber auch bedeuten, dass dies erneut die Schwachstelle Miarguls war: es wurden schon stärkere Höllendämonen erschlagen und nun war er durch Axt und Zauber angreifbar!



Die besessene Frau hatte sich unterdes wieder gefangen und hob nun beide Arme, als wollte sie eine Tempelpredigt halten. Das Besteck aus der gepfählten Katze begann sich vibrierend zu lösen und auch andere Werkzeuge, Äste, Steine und andere kleine Dinge, die inmitten der Siedlung im Blut der Toten lagen, erhoben sich durch die Kraft des Dämonen in die Luft, blieben dann dort komplett still stehen. Alle Spitzen und Schneiden zeigten auf Thuêban.

Wortlos sahen sich Miarguls neuer Körper und die Hexenjägerin sich an, dann fegte ein Sturm aus tödlichen Projektilen auf Thuêban zu und an ihr vorbei. Dutzende Klingen schnitten durch Gewand, Haut und Fleisch und ein eine Gabel blieb ihr mit den Zinken im Oberschenkel stecken. Ein langer Keil ragte ihr aus der blutigen Seite. Überall, wo sie verwundet worden war, fühlte Thuêban ein kaltes Brennen und ihre Adern um die offenen Stellen wurden mit jedem Herzschlag schwärzer. Das Übel breitete sich aus, als wäre es eine viel zu schnell um sich greifende Blutvergiftung.



Guikut legte gerade Milli behutsam hinter den Baumstamm und bedeckte sie mit einer feinen Decke aus Sporen, die sie sofort in einen tiefen Schlaf fallen ließen. Er drehte sich rasch um, als das Ächzen seiner Gefährtin zu ihm drang. Er sah, wie sie kurz wankend vor der besessenen Frau stand, jede Wand und jeder Baum hinter ihr mit allerlei Gegenständen gespickt.

Dann hob sie ihre Axt hoch über ihren Kopf und ließ sie auf die dämonische Gestalt hinunter sausen. Mit einem nassen Brechen trennte sie den Körper in zwei Hälften und zuckend fielen beide Teile in den Blutschlamm. Sie schlugen um sich und ein gurgelndes Kreischen fegte durch den Wald.

Um ihr Gleichgewicht kämpfend ließ Thuêban die Axt zu Boden gleiten und richtete beide Handflächen auf den erschlagenen Höllendämonen. Säure spritzte aus ihren Fingern und Rauch stieg nun von den sich langsam zerfressenen Leichenteilen. Die Hexenjägerin sah nicht gut aus, das konnte Guikut sehen, als er auf Thuêban zulief. Sie konnte sich nur mit Mühe auf den Beinen halten.



Die Fliegen brummten lauter und flogen wilder, nun aber im Kreis und wie in einem Wirbel nach oben, und hoch über den Wald wurden sie so getragen, wo sie sich in alle Windrichtungen verteilten. Die Siedlung war in eine seltsame Stille getaucht, als Guikut endlich neben Thuêban zum Stehen kam. Hektisch sah er sich um. Außer ihnen gab es keine weitere Möglichkeit für Miargul, sich einen neuen Wirtskörper zu nehmen... dann blickte der Mycnoid erschöpft zurück zum Baumstamm, wo er Milli wusste.

Aber auch dort erkannte er keine erneut aufflackernden, dunklen Energien. Die finstere Magie, die auf der geschändeten Siedlung gelegen hatten, verschwanden langsam aus seiner Wahrnehmung und er ließ müde seinen Pilzschirm hängen. Dann trat er neben Thuêban und legte der schwer atmenden Frau eine Hand auf den aufgeschnittenen Arm. Die Wunden verschwanden, doch die schwarzen Adern und das Zittern in Thuêbans Muskeln blieb.



...keine Spuren von Höllendämon mehr...



Thuêban hob ihre Axt vom Boden auf und Seite an Seite gingen sie humpelnd zu Milli. Wie ein rohes Ei hob Guikut das schlafende Mädchen in seinen sicheren Griff.



"Wir sollten sie zu einem Tempel bringen und segnen lassen."



Einige Augenblicke lang sah Guikut das Mädchen an.



...nichts... aber Tempel ist gute Idee...



Er hob Milli auf seinen Rücken und legte ihre schlaffen Arme um seinen runden Leib, hielt die Beine sanft und zugleich kraftvoll fest. Er würde sie nicht fallen lassen. Gemeinsam durchquerten sie ein letztes Mal die leblose Siedlung, in der nun nicht einmal mehr Fliegen hausten, machten sich dann quer über den Acker auf ihren Weg zu Wanda.

Schon hatten sie die Hälfte der Strecke zurückgelegt, als das eben verklungene Brummen wieder aufflammte und von Herzschlag zu Herzschlag an Intensität gewann. Über den Baumwipfeln sammelten sich die Fliegen erneut zu einem schwarzen, wirbelnden Bündel und schraubten sich dann zurück in die Siedlung, die vom Schatten des Waldes verschluckt worden war.

Wie eine riesige Welle kamen die lärmenden Insekten auf die beiden Hexenjäger zu, die kurz erstarrten und sich dann gegen den Schwarm stellten.



...Höllendämon will Dich...



Schockiert blinzelte Thuêban den Mycnoiden an. Er hatte Recht. Miargul brauchte vermutlich einen menschenähnlichen Wirtskörper. Ein Pilzwesen wäre ihres Wissens nach genauso wenig eine Option, wie ein Pferd oder ein Eichhörnchen. Wer hatte schon von einem Höllendämonen im Körper eines Eichhörnchens gehört?

Guikut trat vor die Hexenjägerin und richtete seinen Schirm auf den anstürmenden Schwarm aus dunklen Fliegen. Seine Lamellen flatterten auf, der weiche Hut blähte sich auf und er machte sich nach vorne gebeugt bereit, einen seiner kraftvollen Luftstöße durchzuführen, balancierte dabei die schlafende Milli weiter auf seinem Rücken.

Dann ein Kreischen. Ein Schlagen und Treten und Kratzen und Krallen und während Guikuts Fleisch von seinem Körper gerissen wurde, sprang Thuêban alarmiert neben den zu Boden stürzenden Pilzmann. Milli war erwacht und mit einer boshaften Fratze auf dem einst so verängstigten Gesicht hieb sie weiter auf den wehrlosen Mycnoiden ein. Thuêban hob ihre Axt, zögerte kurz und schlug dann zu. Im hohen Bogen flog Millis Kopf durch die Luft und landete mit einem dumpfen Schlag auf der braunen Erde des Ackers. Der leblose Körper des Mädchens saß noch einen Augenblick auf Guikut, dann kippte er zur Seite.



Der Fliegenschwarm verlor an Schwung und fiel ohne den dämonischen Antrieb wie ein fallengelassener Teppich auf den unebenen Boden, wurde sogleich flüssig und blubberte wie heißer Teer. Sich auf die Beine ziehend, sah sich Guikut um und sah, dass der magische Wirbel aus dunkler Energie, der wieder die Umgebung eingehüllt hatte, zu einem stecknadelkopfgroßen Punkt zusammen schrumpfte, dann mit einem kaum hörbaren Quietschen verpuffte. Miargul war nun wirklich vergangen...

Einige Stücke seines Körpers fehlten Guikut, als er sich mit den langen Armen abtastete. Mit einem forschenden Blick musterte Thuêban ihn eindringlich. Der Mycnoid schüttelte langsam seinen Pilzschirm.



...lass uns nie wieder drüber reden...



"Abgemacht."



Lange standen sie stumm nebeneinander und sahen dem Fliegenteer beim Aushärten zu...
 
Und als krönenden Abschluss dieser kleinen Kampagne auch gleich das letzte Abenteuer der Thuêban Kampagne, das ich mit @Conquistador und @Dyesce spielte:

IMMER NOCH WAREN sie geschunden und schwach vom Kampf mit Miargul, den sie vor wenigen Wochen erschlagen hatten. Sie hatten weiter die Straße nach Westen genommen und um sie herum hatte der Frühling sich langsam dem Sommer genähert. Es war ruhig gewesen auf ihrer Wanderschaft...

Bis sie im kleinen Örtchen Ottenried vom hiesigen Landbüttel aufgehalten worden waren. Ein Ehepaar hatte ihren kleinen Sohn Lenard vermisst gemeldet und sie fürchteten, dass er in den nahen Wald gelaufen war. Warum, wusste niemand.

Was sie jedoch wussten war, dass dieser Wald von niemanden betreten wurde. Er galt als verflucht und dunkle Geister würden dort ihr Unwesen treiben. Da sich keiner der Ottenrieder oder der vollends überforderte Landbüttel unter das Blätterdach des Waldes traute, hatten Thuêban und Guikut zugestimmt, den Jungen zu suchen.



Auf dem Feld, das an den Wald grenzte, standen sie nun. Wanda hatten sie in Ottenried zurückgelassen und Thuêban trug die schwere Kriegsaxt in ihren Händen. Sie waren wund und müde, aber auf alles vorbereitet. Schon so viel hatten erlebt. Und nun wollten sie wenigstens dieses Kind vor der Dunkelheit schützen.

Die Bäume hier waren groß und wirkten jung und alt zugleich. Beinahe erwacht erschien der Wald, als sie in ihn hinein starrten, in das schattige Unterholz, wo Vögel zwitscherten und ungesehende Tiere raschelten. Fasziniert von all diesem rohen Leben blinzelte Guikut mit seiner Augentraube, bewunderte abgelenkt die grünen Schatten unter den im warmen Wind wehenden Blättern.



"Ich glaube," murmelte Thuêban, mehr zu sich, als zu ihrem Gefährten: "wir werden beobachtet."



Sie wartete nicht auf eine Antwort, umgriff den Axtstiel fester und stapfte hinein ins Dickicht. Schnell eilte ihr Guikut hinterher, streifte einige Zweige zur Seite, die ihm im Weg hingen und war erstaunt, als er zusammen mit Thuêban aus dem Wald hinaus auf den Acker trat.

Er blickte sich irritiert um und auch die Hexenjägerin sah sich verwirrt um. Tatsächlich: hinter ihnen lag der wilde Wald und vor ihnen das Feld und weiter entfernt Ottenried, wo die Weddriks auf die Rückkehr ihres Sohnes warteten. Wie hatte sich die gesamte Welt drehen können? Ihr Weg unter das Blätterdach zu einem Weg ins Freie gekehrt?

Die beiden sahen sich vielsagend an.



...magisch geschützt...



Thuêban nickte und drehte sich um, verschwand erneut zwischen den Ästen, Blättern und Blüten des Unterholzes. Wieder folgte ihr Guikut und dieses Mal drangen sie tiefer zwischen die Bäume vor. Der Wald war berauschend: keine Wege führten zwischen den Stämmen hindurch, keine gefällten Bäume lagen herum. Nur die morschen Hölzer längst gestorbener Riesen wurden von ganzen Pilzkolonien bewachsen und mächtige Farne hoben ihre gefiederten Blätter ins schimmernde Zwielicht. Die Schatten der Wipfel tanzten mit jedem Lufthauch.

Verträumt ging der Mycnoid seiner Gefährtin nach, ließ dabei beinahe ohne zu überlegen Sporen auf den feuchten Boden fallen. Hier war sein Nachwuchs gut aufgehoben. Hier konnten sie wachsen und gedeihen.

Ein lautes Knacken riss ihn aus seinen Gedanken. Thuêban stand breitbeinig vor ihm und beobachtete einen großen Schatten, der sich einige Längen vor ihnen durchs Gestrüpp schob.



...vielleicht Druide... vielleicht Waldgeist...



Er sah Thuêban eindringlich an.



...oft das Selbe...



Der Schatten war schon lange verschwunden, als sie sich endlich wieder in Bewegung setzten. Langsam arbeiteten sie sich tiefer in den Wald und einen überwachsenen Hang hinauf. Fast waren sie oben angekommen, als sich ohne jegliche Vorankündigung ein wütender Düsterbär vor ihnen auf die Hinterbeine stellte. Geifernd brüllte das Untier den beiden entgegen und ein erschrockener Guikut purzelte unkontrolliert den Hang wieder hinunter, während Thuêban schon ihre Waffe hob.

Der Bär war selbst für seine Gattung ein Gigant. Dicke Hornplatten bedeckten Kopf, Schultern und Rücken, Knochenstacheln ragten nach hinten, als wäre er von Speeren durchbohrt worden. Ein unheimliches, grünes Glimmen war in seinen Augen zu sehen und als er drohend seine Pranken hob, schwang die Hexenjägerin ihre Axt und hieb eine lange Wunde in das Fell und den Bauchspeck des Düsterbären.

Der gab einen erstaunten und mit Schmerz durchzogenen Laut von sich und ließ sich dann überraschenderweise neben Thuêban auf alle Viere fallen. Er blickte sie einen Herzschlag lang bedrohlich an, dann trottete er am Grat des Hangs entlang davon, die ersten Schritte die Hexenjägerin immer im Blick behaltend. Blut tropfte auf die Moospolster unter ihm.

Kaum hatte Guikut erneut den Hang erklommen, löste er schon eine Wolke an Sporen aus seinem Schirm.



...vielleicht nur Beschützer des Waldes...



Thuêban senkte ihre Waffe, ließ den Düsterbären aber nicht aus den Augen. Immer wieder blickte das gewaltige Tier zurück.



...kein normaler Düsterbär... Magie liegt auf ihm wie dünne Decke...



Zu Thuêbans Verwunderung begann der Mycnoid, dem Bären eilig zu folgen. Beinahe hatte der Pilzmann das Tier eingeholt und streckte schon einen langen Arm nach ihm aus, um ihn von der in Angst geschlagenen Wunde zu heilen, als sich das Dickicht vor dem Düsterbär teilte und eine junge Hirschkuh heraustrat. Sie blickte die beiden Hexenjäger kurz an, dann berührte sie mit ihrer Schnauze die Stirn des Bären.

Zufrieden und tief brummend schloss der seine Augen und die fallenden Blutstropfen versiegten. Ein wohliges Zittern durchfuhr den Leib des großen Tieres und die Hexenjäger nicht mehr beachtend, stapfte der Bär davon.

Die Hirschkuh wandte ihren Blick zu Thuêban und Guikut und tief verneigte sich der Mycnoid. Das seltsame Geschöpf wackelte mit seinen Ohren, zuckte dann zusammen, als hätte es etwas gefährliches gewittert und sprang zurück ins Unterholz.



...hinterher...



Sie folgten dem flüchtenden Tier, kletterten über umgestürzte Bäume, auf deren zerfallender Rinde schon neue Sprösslinge ihre feinen Stiele ihren großen Geschwistern entgegen reckten. Pilze in allen Farben und Formen verbreiteten einen aromatischen Geruch, der nicht nur Guikuts Sinne umschwirrte. Durch Graben und Brombeergestrüppe jagten sie und schon lange war ihnen aufgefallen, dass die Hirschkuh nie so weit voraus lief, dass die beiden Verfolger sie aus den Augen verlieren konnten.

Tief waren sie in den lebendigen Wald vorgedrungen und sie hatten jeden Sinn über Richtung und Zeit verloren, als Thuêban endlich bemerkte, dass Guikut nicht mehr an ihrer Seite war.



"Djar'hi."



Sie drehte ihren Kopf und sah sich um, ging dann einige Schritte zurück, um den zuvor genommenen Weg abzusuchen. Als der Mycnoid auch dort nicht war, streifte sie zwischen den dicken Baumstämmen umher, ließ sich mehr oder weniger von ihrem Bauchgefühl leiten.

Bei einem ausladenden Farndickicht, das unter dem lichten Blätterdach lag, wurde sie endlich fündig: Bewegungen der einzelnen Farnblätter, einige bereits ausgerollt, die anderen jung und geringelt, verrieten den Pilzmann, der sich langsam einen Weg durch den Wald im Wald bahnte. Beinahe wirkte es komisch.



"Guikut," rief die Hexenjägerin dem Pilzmann zu und wie aus einem seltsamen Schlaf erwachte der Angesprochene.



Er blinzelte, sich endlich bewusst, wo genau er war. Alles war so faszinierend. Alles so üppig und lebendig. So perfekt in seiner Natürlichkeit. Er bog einige Farnblätter zur Seite, erblickte Thuêban und ging dann auf sie zu, schüttelte seinen Pilzhut. Immer noch wirkte es so, als würden die Bäume einen Zauber auf ihn legen wollen.



...Waldgeister...



Thuêban lächelte ihn an und winkte ihn zu sich.



"Sei mein Rucksack."



Guikut nickte und kletterte auf ihren Rücken, schlang seine Beine um ihren Bauch und seine Hände um ihre Schultern. So sollten sie ihren Pfad weiter beschreiten können, ohne sich sofort wieder zu verlieren. Kurz sah sich die Hexenjägerin um, dann ging sie in die Richtung, in der sie die Hirschkuh vermutete. Erstaunt blieb sie stehen, als sie erkannte, dass das Tier ruhig und gelassen zwischen einigen Himbeersträuchern auf sie wartete. Kurz schnupperte der junge Hirsch am Boden, dann erschrak das Tier erneut und sprang ins Unterholz.

So schnell wie möglich lief Thuêban hinterher und ins wilde Grün hinein und wie lange sie lief, konnte später keiner von ihnen sagen. Als sie endlich anhielt, stand sie in einer Gruppe junger Bäume. Vor ihnen lag eine kleine Lichtung mit einem Tümpel, dessen Wasser im Sommerlicht glitzerte, und sie konnten keine Spur von der Hirschkuh entdecken.

Die Hexenjägerin trat auf die Lichtung, wo eine einsame Kröte sich zum Rand des Tümpels rettete und dann im dunklen Wasser verschwand. Ein Blatt bewegte sich auf dem Boden, wie vom Wind berührt. Dann ein weiteres Blatt und noch eines. Ein Wirbel aus Blättern entstand und hob sich, formte binnen wenigen Augenblicken einen humanoiden Körper.



...Blättertanz...



Dies war ein anderer Wald als damals, als sie dem Bauern bei seinen gerissenen Hühnern geholfen hatten, das war den Hexenjägern klar. Dies konnte nur bedeuten, dass die Erscheinung nicht nur auf einen Ort beschränkt war oder es gar mehrere Manifestationen wie diese gab. Hatte jeder Wald einen eigenen Blättertanz?

Langsam sich sich Guikut von Thuêbans Rücken herunter rutschen und einen Schritt ging er noch auf den Blätterwirbel zu, dann verbeugte er sich ehrfürchtig. Schon hob er wieder seinen Schirm, als ein Knacken hinter ihnen sie beide herumfahren ließ. Blättertanz zerfiel und die einzelnen Blätter fielen lautlos tanzend zu Boden.

Direkt vor ihnen stand die junge Hirschkuh, keine Armlänge von Thuêban und Guikut entfernt, und in ihren Augen erkannten sie die Sterne des Himmels, die in der Schwärze funkelten. Während eines Herzschlages hatte das Tier noch das Gesicht eines Hirschs, im nächsten das Gesicht einer Menschenfrau. Es lächelte sie warm an, drückte dann mit dem Hals einige Blätter des Unterholzes zur Seite.

Dort lag auf einem Bett aus Moospolstern und umgeben von kleinen Blüten ein nackter Dreijähriger, der selig schlief. Um ihn herum waren einige Käfer und Spinnen und Schnecken und auch über seinen Körper suchten sie sich ihre Wege, doch dies schien ihn nicht im Schlaf zu stören und zusammengerollt atmete er tief und gleichmäßig.



...tut uns leid... wollten Euren Wächter nicht verletzen...



Das menschliche Gesicht der Hirschkuh lächelte sie weiter an.



...würden gerne Lenard zu seinen Eltern bringen...



Kurz schloss die Hirschkuh ihre sternenklaren Augen. Die beiden Hexenjäger wussten in ihrer Seele, dass das seltsame Wesen vor ihnen einverstanden mit ihrem Vorhaben war. Auch Thuêban verbeugte sich nun und ging dann in die Knie, um vorsichtig die Tiere vom schlafenden Jungen zu wischen. Friedlich krabbelte eine Spinne über ihre Hand und Thuêban ließ sie ins Moos tauchen.

Als sie Lenard in ihre Arme nahm und ihn hoch hob, wurde er nicht wach und es war klar, dass ein mächtiger Zauber auf dem Kind lag. Und dennoch war es klar, dass hier kein Fluch oder übler Scherz gesponnen wurde, sondern dass es um das Wohlergehen des Jungen alleine ging.

Der Kopf der Hirschkuh kam näher und mit ihren menschlichen Lippen formte sie überdeutlich Worte, hauchte sie kaum hörbar in Richtung der beiden Hexenjäger.



"...Guuuuikut...Thuuuuêban..."



Einen Herzschlag sah sie noch beide mit den Sternen in den Augen an, dann war sie wieder vollends Tier, erschrak und verschwand zwischen den Bäumen des Waldes. Mit dem schlafenden Lenard blieben sie unter dem sich ständig bewegenden Blätterdach zurück und sahen sich verwundert an. Sie spürten, dass etwas geschehen war. Sie fühlten sich ausgeruht und wie wenn die Wunden, die ihnen Miargul geschlagen hatte, vollends verschwunden waren. Als sie an sich herunterblickten, konnten sie keine schwarzen Adern und kein zerfetztes Pilzfleisch erkennen. Die Hirschkuh... der Wald... hatte sie geheilt.

Ohne ein Wort gingen sie in die Richtung, in der sie den Waldrand vermuteten. Immer wieder erkannten sie einen großen Schatten, der durch das Unterholz stapfte und sie immer wieder so abdrängte, dass sie nach kurzer Zeit ins Freie traten und auf einem Feld voller junger Pflanzen standen. In der Ferne lagen die Häuser von Ottenried. Waren sie wirklich schneller aus dem Wald gelangt, als sie in das Herz des wilden Reiches gebraucht hatten? Sie spürten, wie ein Spruch von ihnen abfiel, doch Lenard schlief noch immer an Thuêbans Brust.



...sollen Jungen im Auge behalten... nicht von besonderen Talenten erschrocken sein...



Guikut streichelte mit einer Wurzelhand über den dunklen Haarschopf des Kindes.



...Wald und sogar Seele der Welt selbst haben ihn beschützt...



Thuêban sah den Jungen in ihren Armen lange an, dann gingen sie über das Feld hin in Richtung Ottenried. Um den wartenden Eltern ihren Sohn zurückzubringen. Und um ihre treue Maultierdame Wanda zu holen. Ihre Reise hatte gerade erst begonnen...
 
Ich habe heute gebastelt... viel. Neue Konzepte durchgewalgt und Timelines geschrieben und Zusammenhänge erstellt. Für meine neuen Kampagnen, die unmittelbar (2018) bevorstehen und mit Emmergens zu tun haben. Abgesehen von Laeria und einigen neuen oder wieder auflebenden Star Wars Geschichten (zB @Conquistador mit seiner Bountyhunter Kampagne mit den FFG Regeln), einer sich immer mehr verdichtenden Cthulhu Kampagne 2.0 und so weiter und so fort.

Aber diese sechs Kampagnen, die ich heute bearbeitet habe, sind halt Emmergens und gehören damit in diesen Thread hier. Und über die will ich Euch heute erzählen... im letzten Monat sind zwei Kampagnen bzw Kampagnenteile beendet worden: Thuêban und Staffel 2 von Die Schatten Emeralds. Dazu kommt, dass bald auch Geschichten von Tod und Wiedergeburt enden wird und vermutlich auch @lain mit Abenddämmerung das Finale ansteuert.

Also muss ich für Nachschub sorgen. Nachschub, der zum Teil schon vor Jahren geplant, immer wieder umgestaltet und letztendlich für einen Start im Jahr 2018 freigegeben wurde.


Quer durch Timat ...eine kleine Kampagne, mit der ich das FFG Genesys System austesten möchte. Das Ganze ist am Vietnamkrieg angelehnt und behandelt die Geschichte einer kleinen Soldatengruppe der Armee von Resham, die eine Kriegsberichterstatterin im Ygg Krieg durchs umgekämpfte Gebiet begleiten müssen.
Das Ganze spielt in der "Zukunft" unserer Welt, wo Troll-Klasse Panzer selbstheilende Panzerung haben und so. Mit sechs Spielern könnte das schon ziemlich kurzweilig werden.

S&L - Ermittlungsschreibstube ...zwei Freunde spielten in Schatten Emeralds mal als Gastspieler mit: einen Rattenmenschen und eine Goblin, die ein Ermittlungsbüro führten. Damit sie das nun gänzlich ausnutzen können, werde ich drei Abenteuer für sie meistern, in der @Dyesce als jeweiliger Auftraggeber oder nerviger Begleiter (Wachmann) agieren darf.

Die Traumkriege ...im Herbst flieg ich mit einigen guten Freunden nach Irland und am torfigen Kaminfeuer würde ich gerne mit ihnen endlich eine Geschichte erzählen, die sich um die Rebellion der Menschheit gegen die Götter dreht. Ich hatte sie ursprünglich als epische On-Going-Story geplant, habe aber festgestellt, dass auch hier weniger mehr sein könnte. Mit dem Genesys System und nur fünf kurzen Abenteuern sollte das Ganze sehr gut klappen.

Hallen, Stollen und Tavernen ...die Zwergenkampagne im Ewigen Eis ist schon lange in der Entstehung und nie hat es von der Zeit her geklappt. Mit dem Ende von Tod und Wiedergeburt und Abenddämmerung kann es endlich los gehen und die Spielerzahl ist auch noch angewachsen. Sollte episch werden! Das Grundgerüst und alle coolen Zwergensiedlungen, die für die Geschichte notwendig sind, stehen und ich bin gespannt, wie sich so eine reine Zwergentruppe meistern lässt.

Die Schatten Emeralds (Staffel 3) ...über 1.500 Jahre nach dem Ende des Bundes setzt unsere Geschichte wieder ein und im Megaplex von Resham müssen sich junge Gauner erst einmal einen Namen erarbeiten. Mit Drogengeschäften, Schlägereien und Diebstählen wird die nächste Generation initiiert, die mit einem vollends veränderten Emerald zu tun haben, in dem die Neonwerbetafeln die Schatten erhellen. Ich denke, dass ich im 4. Quartal damit anfangen werde.



Und dann habe ich noch etwas vorbereitet, was vielleicht in einigen Jahren gespielt werden wird: die Folgekampagne zu Geschichten von Tod und Wiedergeburt: Geschichten von Schwert und Feuer. Der letzte Teil der Trilogie (die mit Geschichten von Staub und Schatten vor 9 Jahren begann) wird kurz und knackig vom Bürgerkrieg in Corossus berichten... mit gealteten Helden und allem, was zu einem fiesen Konflikt dazugehört.



Und da ich weiß, dass andere Spieler auch noch ihre Pläne haben, wird uns so schnell vermutlich nicht langweilig werden :D
 
Heute, nur wenige Stunden bevor das 8. Kapitel unserer Geschichten von Tod und Wiedergeburt ausgespielt wird, sind endlich zwei neue Zeichnungen fertig geworden:

Das Gruppenbild der Thuêban Kampagne... aber nicht mit den wichtigsten NPCs oder eben nur den beiden Spielercharakteren. Nein. Dieses Bild sollte die beiden Hexenjäger mit all ihren "Gegenspielern" (manche nicht boshafter Natur) zeigen. All den Monstern, Sonderlingen und Wundern, denen sie auf ihren Abenteuern begegneten. Wer ein bisschen in die Kapitel reingelesen hat, kann hoffentlich mit den einzelnen Namen und deren künstlerischer Umsetzung etwas anfangen ^^

Thuêban Gruppenbild.jpg


Und dann der Charakter eines Freundes, den er für das 4. Buch unserer orkischen Die Reisenden Kampagne erstellt hat. Krullemuck, ein Kobold und Knochendoktor der Cruhner Slums... er wird unsere Orks bei ihrer Reise durch das von Untoten überrante Cromshell begleiten und auch wenn er nicht größer als ein Halbling ist, denke ich bereits jetzt, dass es einiges ausmachen wird, einen solchen Kumpanen an der Seite zu haben :)

Krullemuck.jpg
 
Gestern hat meine Die Reisenden Gruppe (Ork-Kampagne) ihr 5. Buch begonnen (das 13. Abenteuer der Kampagne), in dem wir uns zur Zeit der Untoteninvasion des westlichen Reshams wiederfanden. Die neuen Charaktere waren in den letzten Wochen erdacht und angefertig worden, in ihrem ersten großen Abenteuer konnten sie nun endlich "zum Leben erwachen".
Und natürlich habe ich sie dann auch gleich nach den Angaben der Spieler zu Papier gebracht :)

Die Reisenden 5. Das Land der Toten.jpg


Ilenid, eine menschliche Nomadin aus dem Hohen Norden, die die Untotenplage in einem verlassenen Tempel aussitzen wollte und so auf die anderen traf.

Durchiyar Uyrt'uvak (Silberwasser Herbstluft), der Botschafter der Orkvölker in Cruhn, der Hauptstadt von Cromshell, das mittlerweile von Untoten überrannt wurde.

Chanfel'dor (Eulenschrei), ein heiliger Krieger der Muttergöttin, der so viele Überlebende wie möglich ins Große Gebirge bringen möchte.

Krullemuck, ein Kobold Knochendoktor, der in den Slums von Cruhn die Armen heilte und nun die Flüchtlinge mit seiner Kunst am Leben hält.

Baldrian, der Knappe von Chanfel'dor und Grobschmied, der eine ganz besondere Aufgabe vor sich hat und nur sein Meister ahnt etwas davon.

Lithu'tilsun (Schnell hüpfender Vogel) aka Lithkee (Vögelchen), ein Dachläufer aus den Cruhner Slums, dessen Fähigkeiten auf der Flucht von Vorteil sind.


Sehr coole Gruppe, nur noch ein bisschen mehr als zwei Bücher vor uns ^^°
 
Zuletzt bearbeitet:
Und endlich endlich endlich auch das Gruppenbild zum Klassiker unserer RPG Welt: Von Helden und Schurken... 3,5 Jahre und ~70 Abenteuer... hier sind alle Player Characters von damals :D

Von Helden und Schurken.jpg

Aulaya, Angrosch, Fernandes, Frim und Nevan waren nur Figuren von Gastspielern, Chora hat nur ein Buch mitgespielt (~15 Abenteuer), die anderen sind aber liebgewonnene und wertvolle Figuren, die unsere Welt meist zutiefst mitgeformt haben. Und nun habe ich endlich ein richtiges Gruppenbild, das zu meiner Reihe an Gruppenbildern und meinem akutellen Zeichenstil passt :)

Yeay Von Helden und Schurken!
 
Und drei neue Seiten für mein Skizzenbüchlein:

013 - Trodon.jpg

Trodons kamen in unserem zweiten Buch von Die Schatten Emeralds als Schosstierchen der gegnerischen Gilde vor. Hatten einige Kämpfe mit diesen Viechern -.-


014 - Moosparasit.jpg

Dieses Moos kam nur in einer Kurzgeschichte vor, die zu der Ork-Kampagne Die Reisenden gehört.


015 - Wringmärblätter.jpg


Mit Wringmärblätter wurde in unserer In den Schatten Cruhns Kampagne ein Mord begangen (damit das Opfer aufs Klo läuft, wo ein Fluch auf ihn wartete) und in der Kampagne An den Ufern der Gauca wollten wir mal einen Spion damit ausschalten.

Hoffe, ich komme in nächster Zeit wieder öfter zum Zeichnen :)
 
Weil ich grad dransitze... hier ein Auszug aus meinem neuesten Buch der Die Reisenden Kampagne: Das Land der Toten (noch nicht korrekturgelesen und in seiner Rohform, falls Fehlerchen gefunden werden)

CRUHN WAR GEFALLEN. Nur eine Woche, nachdem die Untoten die Grenze überschritten hatten, war alles verloren gewesen und die Flüchtlinge des vernichtend schnellen Angriffes waren nach Osten geströmt, dem Großen Gebirge entgegen. Die Hauptstadt hatte Widerstand geleistet, war aber unter dem Ansturm von Átors Truppen schnell in Flammen, Blut und Chaos versunken. Einer der letzten großen Flüchtlingszüge, die Cruhn verlassen hatten, setzte sich aus Bewohnern des alten Slums zusammen, aus armen Seelen der Straße und einigen Bürgern der Mittelschicht. Sie waren beim ersten Angriff gegen die dicken aber langsam nachgebenden Stadtmauern nicht schnell genug gewesen und nur knapp waren sie ihrem sicheren Tod entkommen. Hinter ihnen brannten die hohen Türme der Stadt.

Seit Wochen waren sie nun unterwegs und schwerfällig vor Müdigkeit waren ihre Schritte. Schwer vor Angst und Sorge ihre Seelen. Der Winter, der das Land überdeckte, war nicht ganz so eisig wie sonst, aber dennoch zehrte die Kälte an den Heimatlosen und schon ging ihre Nahrung ihrem Ende entgegen. In diesem Flüchtlingszug, der durch ein vom Krieg erschüttertes Cromshell floh, immer auf der Hut vor untoten Marionetten des Nekromanten, waren die Helden zu finden, von denen meine Geschichte letztendlich handeln soll...



Lithu'tilsun. Lithkee. Der schnell hüpfende Vogel. Vögelchen. Er war klein wie ein Menschenmann, zwei Köpfe kleiner als ein ausgewachsener Ork. Schmächtig und wild anzusehen mit seinen selbst getrimmten Haaren und den Vögeln, Schwingen und Federn, die in auf seine Haut tätowiert worden waren. In seinem Nacken die Augen einer Düstereule, schwarz gestochen und doch beinahe lebendig. Sie gaben ihm mehr Geschick, sagte er mit einem schelmenhaften Lächeln.

In den Cruhner Slums hatte er die Armen und Bedürftigen mit Nahrung und anderen Gütern versorgt. Ein Dachläufer war er, der von Hütte zu Hütte, von Haus zu Haus sprang und Stadtwachen an der Nase herum geführt hatte. Verbotene Dinge geschmuggelt hatte. Nun diente er nur noch als Kundschafter und gerade war er mit dem Ork Ahhis und dem Goblin Lex einige Stunden Richtung Westen zurückgeeilt, um den Vormarsch der Untoten zu überprüfen. Die beiden waren schon in den Slums oft an seiner Seite über die Dächer gejagt, nun kauerten sie mit ihm hinter einigen Felsen eines kleinen Plateaus, das das Land überblicken ließ.

Das Heer, das sie seit Cruhn verfolgte, war immer noch hinter ihnen her, erkannten sie. Einst hatte der Orkstamm unter Durrdargon Faritreë friedlich mit den anderen Völkern gelebt, nun waren die Vewen'dharkue alles andere als moderat und dem neuen Weg zugetan. Nun hingen tote Fetzen von ihren Leibern und ein ständiges, hungriges Stöhnen quoll aus den Kehlen, die keine Luft mehr Atmen mussten. Diese Orks brauchten keinen Schlaf, brauchten keine Ruhezeit. Sie kamen näher und näher, wie eine langsame Welle aus verrottendem Fleisch.

Ahhis deutete auf die Wolken, die sich wie eine gelbe Wand hinter dem Untotenheer auftürmte. Blitze zuckten darin umher wie lebendige Schlangen. Würde der Sturm die gefallenen Vewen'dharkue zermalmen? Lex schüttelte seinen Kopf. Er ging davon aus, dass dieses Schauspiel magischer Natur war. Von Lord Átor beschworen wie die seelenlosen Soldaten, die für ihn mordeten und mit jedem gefallenen Feind die eigenen Streitkräfte vergrößerten. Und sollten die Flüchtlinge in diesen Sturm geraten, würde dies ihr Verhängnis sein. Lithkee nickte. Sie mussten zu den anderen zurückkehren und ihnen diese dunkle Kunde überbringen.



Gerade hatten die Cruhner eine längst überfällige Rast eingelegt. Einige Planen waren aufgespannt worden, um vor dem kalten Wind zu schützen und unter einer der dunklen Tücher stand Botschafter Durchiyar Uyrt'uvak mit seinen engsten Vertrauten. Er war als Kuriosität an den Hof des Cromsheller Königshauses gekommen. Als Wilder, der für für sein orkisches Volk sprechen wollte. Für die anderen Völker, die in den Wäldern des Königreiches lebten. Er hatte sich in der Mode des Hofes gekleidet und immer mehr Einfluss gewonnen und in den letzten Jahren auch für die Bewohner des Cruhner Slums gesprochen. Für sie und ihre Anliegen gestanden, in den Ratssitzungen dem König beigestanden.

Er hatte die Flüchtlinge nicht alleine lassen wollen, als die ersten Kämpfe an der Stadtmauer tobten und sich die meisten Zivilisten entweder in ihren Häusern verbarrikadiert oder ihr Weggehen vorbereitet hatten. Er war mit ihnen gezogen, da er sich verantwortlich fühlte und ein guter Freund von einigen anderen Streitern für die Gerechtigkeit geworden war. Von Lord Chanfel'dor und Krullemuck.



Krullemuck. Kniehoch stand der echsenhafte Kobold neben Durchiyar, die dunkelgrünen Schuppen im fahlen Winterlicht seltsam glänzend. Wie eine Schmeißfliege aus den Slums. Doch kein Schädling war er, sondern ein Knochendoktor und einer der eifrigsten Helfer in Cruhn, war das Leiden groß und das Geld nicht vorhanden. Mit Messer, Säge, Nadel und Faden war er unterwegs gewesen, hatte entzündete Körperteile entfernt und Wunden genäht, wenn keine Hoffnung auf teure Zauber angebracht gewesen war.

Als Ei war er damals verloren gegangen und wie eine Eidechse im hinteren Teil einer dreckigen Drehfleischbude aufgewachsen. Er hatte sich die ersten Monate so durchgefressen, war dann entdeckt und von einem mittellosen Elfen aufgenommen und in den Heilkünsten unterrichtet worden, hatte sich schließlich zu einem der wichtigsten Ärzte der Armen aufgeschwungen. Bei einer Operation, in der er von einem krampfenden Patienten beinahe erdrückt worden war, hatte ihn Lord Chanfel'dor vor dem Erstickungstod gerettet und seitdem waren auch sie treue Kameraden geworden.



Auch Baldrian folgte Chanfel'dor. Ein Grobschmied und jung an Jahren, mit wildem Schopf und einem kurzen Bart, nur gekleidet in dreckiger Arbeitsmontur und einfachen Sandalen. Vor sechs Wintern hatte der Lord ihn vor Menschen gerettet, die ihren Spaß an Schmerz und Tod ausleben wollten, und nun wurde er in den Wegen der Ritter Cromshells ausgebildet. Er lernte zu kämpfen. Lernte für sein Volk zu sprechen. Lernte den Unterschied zwischen Ehre und Gerechtigkeit, Eifer und Zurückhaltung.

Und während er nun neben seinem Meister stand, hatte dieser beinahe väterlich seine Hand auf die Schulter des jungen Orks gelegt und er lauschte wissbegierig den Worten der Diskutierenden, die neue Schritte planten und von den Anstrengungen der letzten Tage deutlich gezeichnet waren.



Und Chanfel'dor. Ich muss Euch über Lord Chanfel'dor berichten. Er war die Spitze dieses Flüchtlingszuges und ein Mann voller Würde und Energie. Als junger Ork, bei dessen Geburt eine Eule die Nacht mit ihrem Ruf durchbrochen und der so seinen Namen erhalten hatte, war von seinem Stamm verbannt worden und so hatte er im sakralen Dienste der Weltenseele das Rittertum des Königreiches als Vorbild genommen und war letztendlich am Hofe als Beschützer der Schwachen willkommen geheißen worden. Sein Lamellenpanzer und der Helm mit der Gesichtsmaske, die das Antlitz eines ewig traurigen Orks zeigten, waren sein Markenzeichen und oft verhandelte er zwischen den neuen und den alten Völkern, wen es auch gerade zu schützen galt.

Schon seit langem hatte er das Gefühl gehabt, dass etwas Finsteres über die Welt kommen würde und so hatte es sich schließlich auch letztendlich zugetragen. Die Untoten rückten durch Átors Willen immer weiter nach Osten vor und die einzige Möglichkeit des Überlebens war nun, nicht stehen zu bleiben. Immer weiter zum Großen Gebirge zu laufen. Chanfel'dor verfluchte die letzten Jahrzehnte, in denen die Angst vor dem untoten Land Farthing immer mehr und mehr abgenommen hatte. Sie werden schon nicht angreifen, hatte man gesagt. Dort drüben ist alles tot und die Herrschaft von Átor hat ein Ende gefunden, war gescherzt worden. Die Grenzwächter machen das schon.



Dies war der Untergang Cromshelles gewesen und wie aus aussah auch der Untergang Tarleens und bald ganz Reshams. Lord Átor war so mächtig wie nie zuvor. Mehr und mehr Gefallene schlossen sich jeden Tag dem untoten Heer an und nun war auch der einstige Verbündete Faritreë unter den verfluchten Wiedergängern. Chanfel'dor sah traurig und müde drein, als er dem Bericht von Lithkee lauschte und leise befahl er Baldrian, dass dieser Durchiyar dabei helfen sollte, die Flüchtlinge zu motivieren, so schnell wie möglich weiterzuziehen. Schnell wurde alles abgebaut und der lange Marsch zum Gebirge fortgesetzt.
 
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Ein kleiner Einblick in die Frühzeit meiner Orks...

Eine Kurzgeschichte zum Buch "Die Reisenden"


von Minza




ES IST NOCH Nacht über der weiten Steppe, die in ferner Zukunft als Coross Ebene bekannt sein wird. Das Gras wächst hoch und die Schwärme der kleinen, blauen Vögel, die den Samen des Marobaumes essen, ziehen wie sich ständig verwandelnde Wolken über den grauen Himmel. Sie fliegen mit den Sternen. Atmen das Leben und singen vom Mond.

Sonnenkind dreht sich unruhig im Schlaf, öffnet dann langsam seine Augen. Die Gruppe schläft weiter, während er sich aufrecht neben den alten, toten Baum setzt und anfängt, sein dichtes, schwarzes Fell zu putzen. Der Hals ist verklebt mit dem getrockneten Blut des Grashirsches, das am Vortrag der Gruppe zum Opfer gefallen war. Sonnenkind blickt in die Richtung, in der sie den Kadaver liegen gelassen haben. Er schnuppert in die kühle Nachtluft. Sie wird nicht lange kühl bleiben. Die blauen Vögel schwärmen über ihm aus, suchen Schutz im dichten Blätterdach. Bald wird die Sonne aufgehen. Bald wird die Gruppe erwachen.



Sonnenkind sitzt am Rand der kleinen Versammlung. Rindenbohrer hat ein Nest voller Ameisenlarven gefunden und die Weibchen belohnen ihn mit ihrer Anwesenheit. Die Weibchen entscheiden, welches Männchen bei ihnen bleiben darf und welches über die Ebene wandert, um Wasser zu finden. Die Weibchen entscheiden, wer der Vater der neuen Welpen ist, die zwischen den Halmen Käfer suchen und sich im spielerischen Kampf überschlagen.

Rindenbohrer ist der neue Liebling und Sonnendkind ist dies egal. Er ist alt und seine Welpen haben sich schon lange anderen Gruppen angeschlossen. Ihre eigenen Welpen in die Welt gebracht. Er sitzt nun lieber im Schatten des Horlabusches und puhlt sich Dreck unter den Fußnägeln hervor. Leckt über seine Finger und wischt die letzten Blutreste aus dem Halsfell. Er ist satt. Satt und glücklich. Rindenbohrer hat seine Zeit mit den Weibchen verdient.



Als sie den Kadaver erreichen, beginnt Grastänzer mit dem lauten Auf und Ab ihres Rufes. Jeder soll hören, dass ihre Gruppe die Überreste des Grashirsches wieder für sich beansprucht. Die wenigen Steppenhyänen, die die verschmierten Knochen zum Aufbrechen davon ziehen wollten, sind bereits geflohen. Das Hyänenvolk ist stark und jede Generation wird stärker. Die Arme muskulöser. Vielleicht können sie sich in kommenden Tagen mit dem Volk von Sonnenkind anlegen, doch gerade sind sie noch zu wenige. Zu zerstritten. Zu käckernd und geifernd und nach ihren eigenen Schwestern schnappend.

Sonnenkind zieht seine Mundwinkel nach oben und leckt sich über die Hauer. Seine Welpen werden für immer die Steppe beherrschen, daran kann keine Hyäne und kein Ibihh etwas ändern. Keine Echse und kein Kobleen. Alleine die Dhrohl aus den Anhöhen sind ihnen ebenbürtig und wenn auch nicht in ihrer Menge, dann dreimal in Kraft und Masse. Aber warum sollen sie auch zu den Hügeln gehen, wenn sie hier fett und alt werden können?

Grastänzer hat ihre Zurschaustellung beendet und nur das entfernte Käckern einer Hyäne lässt Wasserauge und Stachelrücken aufblicken. Sie sind noch jung. Jung und unerfahren. Haben Angst vor den gebückten Körpern der Hyänen. Vor dem Schatten, den sie selbst auf dem Boden werfen. Sonnenkind lacht leise.



Knochen brechen und die Welpen lecken das Mark aus den Splittern, formen ihre ersten Namenslaute, um nach mehr zu betteln. Ihre Mütter sehen ihnen stolz zu, wärmen sich in den Strahlen des großen Feuerriesen, der hoch über der Steppe steht. Sonnenkind ist stolz darauf, nach ihm benannt zu sein. Sonne. Lebensgeber. Urvater. Aber auch Jäger der Schwachen.

Er blinzelt und verjagt einige Fliegen, die sich um seinen Mund herum niedergelassen haben. Seine Spucke ist für sie eine willkommene Tränke. Am alten Marobaum Hain versammelt sich ein Rudel Wolfsaffen. Es sind einfache Tiere. Keine Gefahr für die starke Gruppe, die sich um die Weibchen geschart hat.

Einer der Welpen sieht kurz zu Sonnenkind. Es ist die Tochter von Regen, denkt Sonnenkind. Hummelflug. Seine Tochter? Er kann sich nicht erinnern. Er schließt die Augen und atmet den schweren Geruch des Kadavers ein. Er verspricht Reichtum. Und den Fortbestand der Gruppe.



Die andere Gruppe ist nicht weit entfernt und immer wieder strecken sich Köpfe über das Gras, zeigen ihren schwarzen Pelz und die hellen Augen. Die gelben Hauer. Einige haben sich mit roter Erde Streifen über den Kopf gezogen. Sie wirken kampferfahren und jünger als die meisten Männchen aus Sonnenkinds Gruppe. Der Tag bricht gerade in roten Schlieren an und Grastänzer steht neben Sonnenkind, ihr Gewicht gleichmäßig auf den kurzen Beinen und den starken Armen verteilt. Sonnenkind hat vergessen, wie sehr ihn die Kraft dieses Weibchens anzieht. Er schnuppert kurz. Nein, dies ist nicht seine Zeit. Nicht ihre Zeit.

Er stößt sich mit den Armen ab und blickt über das Gras, hält sich lange nur auf den Füßen, bringt seinen Brustkorb zum Vibrieren. Ein tiefes, bedrohliches Grollen, das bis zur anderen Gruppe geweht wird. Sie sollen wissen, dass Sonnenkinds Gruppe die reifen Marofrüchte nicht teilen werden. Dass sie hier unerwünscht sind. Sollen sie sich doch einen anderen Baum suchen. Einen anderen Tümpel. Eine andere Steppe.

Das Käckern der Hyänen dringt aus der Ferne zu ihnen herüber und alle blicken in die Richtung des Lautes. Auch die andere Gruppe. Sonnenkind stutzt. Sind die Hyänen nicht weiter gezogen? Immer noch in der Nähe? Er sieht zu Grastänzer und die legt eine Hand auf ihre haarige Schulter. 'Zusammen'. Sie sollten alle zusammen bleiben. Gegen die andere Gruppe. Gegen die Hyänen. Immer noch in die Ferne blickend, verweilt Sonnenkind in seiner aufrechten Position. Sein Atem ist ruhig. Sein Stand fest. Seine Augen wandern zur anderen Gruppe und auch die starren über das Gras hin zum Horizont. Ein aufkommender Wind lässt das Gras schaukeln und das Rauschen erinnert an das Große Wasser, das Sonnenkind vor so vielen Sommern gesehen hatte.

Alles ist nun im roten Atem des neuen Tages gefärbt und an einer Stelle im Gras entsteht ein Wirbel, ein Tanz der Halme und der alten Blätter. Sogar Steinchen und Zweige werden in den Strudel gerissen, der mehr und mehr Gestalt annimmt. Alle sehen dem Spiel zu. Sonnenkinds Gruppe. Die anderen. Und nun heben auch die Steppenhyänen ihre buckeligen Rücken, zum ersten Mal still und ohne Hinterlist. Sie starren auf den Wirbel, starren auf das Wesen, das sich mit ihm in das Gras haucht und Arme und Beine bewegt, als wäre es aus Fleisch und Blut. Doch ist dort kein Fleisch und Blut und neugierig wagt Sonnenkind einen Schritt nach vorne.

Er kennt diese Gestalt. Er kennt dieses Gefühl. Er erinnert sich an seine Zeit als Welpe, der unter Sternenblick zwischen den hohen Felsen spielte. Dort hatte er sie gesehen. Dort hatte er das erste Mal ihren Herzschlag vernommen. Den Herzschlag der Welt. Den Herzschlag des Lebens. Den Herzschlag des Seins. Er hebt seine Pranke und vor ihren Augen schält sich das Gesicht eines Hyänen aus dem Blättertanz. Das Gesicht eines Ibihh. Das Gesicht des begehrenswertesten Weibchens, das Sonnenkind je gesehen hat.

Er weicht zurück und merkt, dass alle um ihn herum dieselbe Angst verspüren. Doch Sie ist unter ihnen und lächelt Sonnenkind zu. Er lächelt zurück. Sieht zur anderen Gruppe und erkennt, wie sie ihm zunicken. Sieht wie die Hyänen es ihnen gleich tun. Dutzende Augenpaare wandern zurück zum Blättertanz, der nun in Fleisch und Blut zwischen ihnen steht. Sonnenkind hört den Gesang der Welt, der durch seinen Verstand streicht und wie alle anderen Steppenvölker, die hier unter der aufgehenden Sonne stehen, senkt er ehrfürchtig sein Haupt...
 
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