Erstmal ein Hallo in die Nachtrunde!
Ich würde mich gerne der Diskussion anschließen und meine Sicht der Dinge euren hinzufügen. Erstens: auch ich bin der Überzeugung, dass es keine allumfassende Definition für Gothic gibt. Manchmal kann man diese Lebensweise nur verstehen, wenn man sie in sich aufnimmt und sie auch lebt.
Ich wurde vor 2 Jahren vor einem Freund aus Konstanz "bekehrt". Er brachte mir die Musik näher. Aber Musik alleine verändert einen Menschen nicht immer

Es war mehr nötig. Wir kamen ins Diskutieren über die Lebenweise und so klärte er mich über viele Missverständnisse auf. Ironischerweise hegte ich lange Zeit viele Vorurteile und Misstrauen gegenüber Goths. Ursache: bin in einer intolerranten Umgebung aufgewachsen. Über die Jahre hinweg nimmt man eben die Sichtweise seines Umfeldes an, vor allem wenn man noch in jungen Jahren gut beeinflussbar ist. Die Monate vergingen und ich "traute" mich mal in eine Gothic Disco in Leipzig. Ich erwartete mit merkwürdigen Blicken betrachtet zu werden - immerhin wäre ich dort eine Außenseiterfigur gewesen mit meinen normalen Straßenkleidung. Zu meiner Überraschung war es äußerst angenehm. Die Leute waren freundlich, ich kam sogar mit einigen ins Gespräch. Die Vorurteile waren weg. Während meiner Zivizeit lernte ich dann noch ein paar weitere kennen. Nach und nach verinnerlichte ich mir diese Subkultur und begann in ihr aufzublühen. Zuvor war ich ein nervliches nervöses und ein zu nichts zu gebrauchendes Wrack. Danach wurde alles anders. Ein Neubeginn also

Lange Rede, kurzer Sinn ... das war mein Einstieg.
Ich bin Goth, denn so fühle ich mich auch. Bin ich deswegen dauerhaft depressiv? Nö, meinen Humor hab ich nicht verloren. Bin ich suizidgefährdet? Nö, mein Leben läuft perfekt. Wozu also beenden? Schände ich Leichen oder bin ich Satanist? Nö, ich kann mit einem reinen Gewissen nachts schlafen gehen. Wer kann das noch von sich behaupten?
Thema Musik: Ich höre sie sehr gerne diverse Bands und es ist mir gleichgültig aus welchem Grund sie die Musik machen oder ob die Sänger auch tatsächlich Teil der Szene sind. Wenn sie ihre Kernaussage in mich übertragen können, haben sie ihren Teil erfüllt. Ich persönlich kann mit dem meisten Kram aus den Charts nichts anfangen. Pop-Musik, Hip-Hop und die ganzen anderen Musikrichtungen sind mir zuwider. Wer es hören möchte, kann es gerne tun, aber ich halte mich dezent davon fern.
Thema Kleidung und Makeup: Muss man sich total schminken? Nö, ich habs eine Zeit lang ausprobiert, aber ich fühlte mich dadurch nicht wirklich besser. Habs daher sein gelassen. Das Makeup muss nicht immer vorhanden sein. Ebenso ist es mit der Kleidung. Da gibt es ja nun zahlreiche Stilrichtungen. Mir gefällt die Mode der Gothic Damenwelt. Auch ich trage am liebsten schwarz. Die Frage nach dem Warum lässt sicht leicht beantworten

Alles andere steht mir nicht

Aber das ist natürlich keine Begründung. Ich trage schwarz, weil ich mich damit wohler fühle. Und das ist auch kein Zwang, sondern eine freiwillige Ergebenheit
Dass es inzwischen viele Schwarzschattierungen gibt, stimmt auffallend. Die viel gepriesene Toleranz der Goths ist nichts weiter als Promotion. Toleranz ist nicht Gruppierungs- sondern Personenabhängig. Ich hab schon einige Goths kennen gelernt, die alles andere als tolerant waren.
Die Abgrenzung von der Gesellschaft spielt ebenso eine starke Rolle. Ich persönlich habe zum Beispiel manchmal das Gefühl, als ob ich die Welt durch die Augen eines unbeteiligten Dritten beobachten würde. Das kann eine Reaktion auf die Veränderungen auf der Welt sein. Ich weiß es nicht. Da ich mit der Welt nicht sonderlich zufrieden bin, ist es nur logisch, wenn ich mich aus den meisten Entwicklungen gerne ausschließen würde.
Übrigens, Gothic ist nicht gleich Atheismus

Es gibt viele sehr gläubige Goths und dann gibt es auch die - wie mich - die jeder Form von Religion entsagt haben. Aber deshalb gleich zum Satanismus wechseln? Nee nee, ich strebe bestimmt nicht danach ein Verbrecher zu werden. Und trotz meines Atheismus müsste ich sagen: Wenn ich tot wäre, würde ich dem Himmel die Hölle vorziehen. Das ist einfach eine Trotzreaktion

Alle streben gen Himmel, außer einem. Sowas in der Art jedenfalls.
Ich wurde mal gefragt ob wir Goths alle anderen Menschen auch gerne als Goths hätten. Interessante Frage, nicht? Ich jedenfalls bin kein Missionar. Jeder soll den Weg gehen, der einem am besten liegt. Ich vertrete die Ansicht, dass man für das Gothic Dasein immer eine latente Hingabe haben muss, sonst ist man nur ein Modegrufti oder halt ein "bunter" Mensch.
Goths existieren übrigens in jeder möglichen Gesellschaftsschicht

Verinnerlicht euch Meister Kenobis Satz "Die Augen können dich täuschen. Traue ihnen nicht!" Ich kenne Goths, die sind im Alter von 15 bis 47 gewesen, Mann und Frau gleichermaßen. Zivis, Apothekerin, Journalistin, arbeitslos, Hotelfachkraft, Informatikkaufmann, etc.
So genug eingemischt, jetzt könnt ihr erstmal wieder was labern
