Lalala... warum neigt der Mensch eigentlich dazu, voreilige Schlüsse zu ziehen und zu schnelle Urteile zu treffen? Ist mir unbegreiflich, aber ich ertappe mich immer wieder dabei. Scheinbar ist das eine schlechte Eigenschaft von mir. Aber sagt man nicht immer, Einsicht ist schon der erste Schritt zur Besserung? *g*
Das war schon bei "Attack of the Clones" der Fall: nachdem ich sämtliche Spoiler über Jahre hinweg verfolgt hatte, den Roman zum Film und die Comic-Adaption noch vor der Kino-Premiere verschlang, war ich der Meinung "das wird der beste SW-Film überhaupt, der wird Standarts setzen, das wird ein Meisterwerk, welches nicht zu toppen ist". Nun, dann kam die Mitternachtspremiere, ich durchlitt zwei Stunden, und verließ zu Beginn des Abspanns den Kinosaal. Das muß man sich mal vorstellen: ich, ein Cineast, der IMMER bis zum Ende des Abspanns sitzen bleibt, wärend der Rest der unwürdigen Kunstbanausen schon aus dem Raum stürmt, hab mir NICHT die Abspannmusik von John Williams angehört. Ging nicht, ich war wütend auf GL, der den Film versaut hatte, war todtraurig, daß das geniale Drehbuch so vom Film selbst mit Füßen getreten wurde... ich war an dem Abend so weit, mein SW-Fansein hinzuschmeißen. Chihiro war dabei, die kann es bezeugen. Ich fühlte mich von GL betrogen, der für mich den Tag, der eigentlich der schönste des Jahres sein sollte, zum grausamsten machte. Ich fühlte mich wie damals bei der HIStory-Tour, als ich ich noch ein großer Michael Jackson-Fan war, dann mein erstes Konzert erlebte, enttäuscht das Olympia-Stadion verließ, und kein Fan mehr war. Ich hatte nach Genuß des Drehbuchlesens, der Lektüre des großartigen Film-Romans und der atemberaubenden Comic-Adaption eine Erwartungshaltung eingenommen, der der Film nicht gerecht wurde.
Nun, ich bin immer noch im PSW aktiv, das zeigt, daß ich mein Fan-Dasein nicht hingeschmissen habe. *g* Und warum ist das so? Ich gab dem Film eine zweite Chance. Ich zwang mich, ihn nochmal anzusehen. Ja, ich mußte mich wirklich zwingen... und dann passierte etwas unglaubliches: "Attack of the Clones" war gar nicht mehr so schlecht. Genaugenommen war er ganz ok. Beim dritten Kinobesuch gefiel er mir sogar richtig gut. Und je häufiger ich ihn inzwischen gesehen habe, umso mehr hat er sich in meiner persönlichen SW-Favorite-Liste nach vorne geschoben. War er vor ein paar Monaten noch auf Platz zwei, kurz hinter TESB, später dann auf gleicher Höhe mit TESB, so liegt er inzwischen in meiner persönlichen Beliebtheit auf Platz eins VOR TESB. Nicht schlecht für einen Film, der mich fast dazu bewogen hat, mein SW-Fansein wütend hinzuschmeißen, oder? *lol*
Warum ich das alles schreibe? Nun, Geschichte wiederholt sich. Ich hab hier vor kurzem eine kleine Kritik zu "Matrix Reloaded" gepostet, genaugenommen einen niederschmetternden Verriss. Gebildet hatte ich mir meine Meinung, nachdem ich den Film zum ersten mal gesehen hatte. Auch hier fühlte ich mich verarscht. Matrix I war meiner Meinung nach ein Meisterwerk, mit dem ich mich auskannte, ich hatte Animatrix gesehen, was meine Einsichten in die "Funktionsweise" des Matrix-Universums noch bestärkte, ich hatte eine Erwartungshaltung an diesen Film... und wurde enttäuscht. Viel Action, und in den Dialogszenen wurden scheinbar nur plakative, nichtssagende Slogans abgelassen, die das Papier nicht wert waren, auf welches die Wachowski-Brüder dieses Machwerk hingerotzt hatten.
Tja, was macht man da? Entweder, man versucht, krampfhaft zu vergessen, daß man so ein Machwerk überhaupt gesehen hat, oder man tritt die Flucht nach vorne an: man gibt ihm eine zweite Chance. *g* Und das hab ich getan...
Inzwischen hab ich "Matrix Reloaded" dreimal gesehen, und meine Meinung hat sich um 180 Grad gedreht. Hab ich mich über die pseudo-religiösen Dialoge beschwert? Verdammt, die ergeben alle einen wunderbar tiefen Sinn, jetzt, wo man weiß, worauf es hinausläuft (hm, weiß ich es wirklich? Ich bin mir inzwischen nicht mehr so sicher, ob ich das Martix-Universum wirklich verstanden habe *g*). Das Gespräch mit dem Senator in der Maschinenebene von Zion, das Gespräch mit dem Orakel, die Konfrontation mit dem Berserker, der den Schlüsselmacher gefangen hält... und dann der wundervolle, großartige Dialog mit dem Architekten, der alles auflöst, was die vorherigen Dialogszenen nur angedeutet hatten.
Dazu die wunderbare eingeflochtenen "Nebenkriegsschauplätze": die Beziehung/Nichtbeziehung von Morpheus und Niobe, die Glaubensstreitigkeiten zwischen Neo-Anhängern und Ungläubigen, die unglaubliche Bedrohung durch Agent Smith (scheiß auf die Kampfsszenen mit ein paar Dutzend von ihm..., der Sack hat scheinbar einen Weg raus aus der Matrix in den Körper eines der Bewohner von Zion gefunden!!!!), der Fakt, daß es Programme gibt, die sich gegen das System gestellt haben, und, und, und...
Was allerdings das wichtigste ist: wo man sich im ersten Teil noch in den einfachen Grenzen von Matrix und "echter" Welt bewegte, wird es hier ungleich komplizierter, und interessanter! Welche Rolle spielt das Orakel? Ist der Auserwählte wirklich nur ein Programm, das dazu da ist, die Matrix irgendwann neu hochzufahren? Ist Neo nur ein Programm? Ist die "echte Welt" wirklich echt? Hey, schließlich hat Neo am Schluß die Maschinen Kraft seiner Gedanken aufgehalten, und daß könnte er eigentlich nur innerhalb der Matrix... Oder ist Zion nur eine zweite "Meta-Matrix", um den "befreiten" Menschen ihre Freiheit vorzugaukeln, obwohl sie trotzdem immer noch an's System angeschlossen sind?
"Matrix Reloaded" hat das Matrix-Franchize auf eine neue Ebene gehoben. Die Action-Sequenzen sind noch aufwändiger und vielseitiger als im ersten Teil, und die intellektuellen Inhalte sind sehr viel tiefgründiger. Wo im ersten Teil der Zuschauer einfach mit der Möglichkeit damit konfrontiert wurde, daß "das alles" eine Illusion sein könnte, geht man im im zweiten Teil einen Schritt weiter. Die Frage ist nicht mehr "Was ist die Matrix?", sondern jetzt steigen wir hinab in die theoretischen Betrachtungen: "Wie ist die Matrix?", "Warum ist die Matrix?", "Wohin geht die Matrix?".
Ich muß meine bisherige Meinung revidieren: "Matrix Reloaded" isr ein großartiger Film!!! Ok, beim ersten Anschauen verschließt er sich dem Zuschauer, aber wenn man weiß, wohin die Reise geht, bekommt jede vormals plakative Textzeile auf einmal eine Bedeutung. Ok, der Film ist nicht ganz das, was ich erwartet hatte, was mich zuerst etwas abschreckte, aber im nachhinein betrachtet ist vielleicht genau dieser Punkt der Grund, warum ich ihn auf einmal so verdammt gut finde. "Matrix Reloaded" hat es geschafft, mich storytechnisch zu überraschen... und den Vorwurf, daß der von der Story her nichts auf dem Kasten hat, nehme ich hiermit feierlich zurück. Beide Daumen hoch für diesen großartigen Film!!!!
Empfehlung an jeden einzelnen von euch, den den Film bisher nur ein einziges mal gesehen hat, und ihn mies fand: Geht nochmal rein! Oder besorgt euch eine Kopie... egal, Hauptsache ist, ihr schaut ihn euch ein zweites mal an! Dann könnte es passieren, daß ihr eure Meinung grundlegend ändert.