Am heutigen 11. Januar jährt sich zum 85. Mal die Besetzung des Ruhrgebietes durch französische und belgische Truppen.
Bedingt durch die anhaltende Wirtschaftskrise hatten die Allierten entschieden, daß die gigantischen Reparationsleistungen des Versailler Vertrags ab dem Jahr 1922 nicht mehr in Geld, sondern in Sachleistungen zu erbringen seien, hauptsächlich Stahl, Kohle und Holz.
Am 26.12.1922 stellte die alliierte Reparationskommission fest, daß das Reich mit seinen Lieferungen im Rückstand sei, und am 9.1.1923 wurde auf Drängen Frankreichs festgestellt, daß verschiedene Güter (u.a. 30.000 Telegrafenmasten) mit Absicht zurückgehalten werden.
Dies lieferte dem französischen Ministerpräsidenten Poincaré den erhofften Vorwand um von den bereits seit 1921 von Frankreich kontrollierten Städten Düsseldorf und Duisburg aus zunächst 60.000 Soldaten in die Industriestädte entlang der Ruhr zu entsenden.
Dabei ging es ihm jedoch nicht nur um das Eintreiben der ausstehenden Reparatiosleistungen, sondern auf lange Sicht auch darum, dem wichtigsten deutschen Industrierevier den gleichen Status wie dem des Saarlandes aufzuerlegen, welches lediglich formal zum Deutschen Reich gehörte, aber unter französischer Verwaltung stand.
Der Einmarsch löste in Deutschland einen nationalen Aufschrei aus, der durch alle Parteien und politischen Gruppierungen ging. Man empfand die durch den Vertrag von Versaille auferlegten Reparationen ohnehin als Unrecht und ein Eintreiben derselben mit den Bajonetten des "Erbfeindes" folglich als nicht hinnehmbar.
Folglich rief die Reichsregierung unter dem parteilosen Kanzler Wilhelm Cuno Arbeiter und Beamte in den besetzten Gebieten zum passiven Widerstand und zum Generalstreik auf, der schon bald Wirkung zeigte. Die Franzosen reagierten mit der Aufstockung des Truppenkontingents auf 100.000 Mann, drakonischen Strafen und der Ausweisung von zeitweise 150.000 Personen in den unbesetzten Teil des Reiches, wovon hauptsächlich Beamte und deren Familien betroffen waren.
Zudem war der Widerstand nicht immer gewaltlos. Besonders Nazis, Kommunisten und nationalistisch gesinnte "Freikorps" - Verbände verübten zahlreiche Sabotageakte und Anschläge auf Verkehrswege, Produktionsstätten oder Einrichtungen der Besatzer.
Auch hier griffen die Franzosen hart durch, und am Ende sollten 137 Personen allein auf deutscher Seite ihr Leben verloren haben. Der Bekannteste unter ihnen war der Nationalsozialist und und Freikorps-Kämpfer Albert Leo Schlagerter, der nach der mißglückten Sprengung einer Eisenbahnbrücke im Mai 1923 exekutiert und von den Nazis zu einem Märtyrer verklärt wurde.
Der "Ruhrkampf" endete schließlich am 26. September 1923. Da die Löhne von ca. 2 Millionen Arbeitern während des Streiks vom Staat übernommen werden mussten, hatte man erneut die Gelddruckmaschinen angeworfen, was zu einer weiteren Verschärfung der ohnehin schon galoppierenden Inflation und schließlich zur fast völligen Entwertung der Reichsmark führte, so daß dem inzwischen neuen Kanzler Stresemann nichts anderes übrig blieb, als das Ende des passiven Widerstandes zu verkünden.
Radikalen Kräften im Land diente das Ende des "Ruhrkampfes" als weiterer Beleg für die Unfähigkeit der Demokratie, was u.a. als einer der Gründe des Hitler-Putsches am 8./9. November 1923 gilt.
Doch auch die Franzosen gewann nicht viel durch die Aktion. Durch den Generalstreik konnte nur ein Teil der geforderten Güter nach Frankreich verbracht werden. Darüberhinaus kam es zu Spannungen mit den USA und Großbritannien, auf deren Druck zunächst das MICUM-Abkommen und schließlich der Dawes-Plan (1924) beschlossen wurden. Die Besetzung endete im Juli/August 1925 mit dem Abzug der letzten Truppen, was gleichbedeutend mit dem Ende von Poincarés weiterreichenden Plänen bedeutete.
C.