Mirial

[Shen-Trill 22 | Weltraum | Über einem Gasriesen | Laqosha City | Korridore] Deye Viric, Kiso Sol, weitere Soldaten

Irgendwie hatte Deye Viric den Eindruck, das Schlimmste bereits hinter sich zu haben - und das, obwohl sie gerade dabei waren, ein von Piraten besetztes Schiff zurückzuerobern, Korridor für Korridor, mit der scharfen Waffe im Anschlag. Aber das war etwas, für das sie ausgebildet waren, was sie trainiert hatten; jeder einzelne von ihnen, bis zur totalen körperlichen und geistigen Erschöpfung. Die Omwati fühlte sich darauf vorbereitet. In dem Landungsboot war sie den Umständen hilflos ausgeliefert gewesen. Aber seit ihre Stiefel auf den Deckplatten standen, hatte sie das Gefühl, wieder mehr Kontrolle zu haben. Sie fühlte sich in ihrem Element. Und alles schien zu laufen wie am Schnürchen. Die zwei Piraten, die sich aus dem Hangar zurückgezogen hatten, waren wie vom Erdboden verschluckt, und der nächste Erdboden war über ein Lichtjahr entfernt. Geordnet rückten die Männer und Frauen in den republikanischen Uniformen vor, sicherten einen Gang nach dem anderen und näherten sich langsam aber sicher der Brücke; bisher ohne Zwischenfälle. Deye bewegte sich zwischen ihnen als gehörte sie selbstverständlich dazu, obwohl sie in ihrer blau-grauen Stoffuniform mit dem breiten weißen Helm zwischen den gepanzerten Soldaten der Schweren Infanterie doch eher wie ein Fremdkörper aussah. Aber abgesehen von der Ausrüstung unterschieden sich die beiden Einheiten nur wenig; ihr Drill war derselbe, und so fiel es ihr nicht schwer, ihren Platz in dem Squad zu finden. Abwechselnd deckte sie den Vormarsch ihrer Kameraden um die nächste Ecke oder rückte selbst in deren Feuerschutz weiter vor.

»Wir kommen gleich durch eine größere Halle, einen Laderaum oder so etwas«, teilte Sergeant Chimmi mit. »Die nächste Tür links. Wir verlassen ihn auf der gegenüberliegenden Seite. Dort führt eine Rampe auf das oberste Deck, nicht weit von der Brücke.«

Die Soldaten nickten.
»Verstanden«, sagte Deye. Sie erreichten die nächste Tür; sie war verschlossen. Ein Soldat machte sich kurz am Kontrollpaneel zu schaffen. Es dauerte nicht lang, bis er zurücktrat und die beiden Türflügel seitlich in der Wand verschwanden. Den Rahmen als Deckung nutzend, spähten die Soldaten in die Halle hinein. Die Omwati kniete auf dem Boden, das Gewehr im Anschlag, und lugte ebenfalls um die Ecke, während über ihr der vergleichsweise riesige Corporal Kiso Sol aufragte. Der Raum sah auf den ersten Blick nicht wie ein Lager aus, sondern eher wie ein Aufenthaltsraum, ein Versammlungsort oder so etwas in der Art; auf einem Passagierschiff sicherlich nicht ungewöhnlich. Allerdings war nicht alles zu erkennen: Es war ziemlich dunkel; nur ein einzelnes Notlicht brannte und tauchte den Raum in diffuses, rötliches Licht, das zudem noch flackerte. Lichtkegel der Lampen, die an den Waffen der Soldaten angebracht waren, schufen tiefe Schatten. Sie beleuchteten Tische und Sitzgruppen, manche davon umgestürzt oder umgestoßen. Dahinter konnte sich eine halbe Kompanie verstecken. Es war unmöglich zu sagen, ob sich jemand in dem Raum befand. Nicht übel für einen Hinterhalt!

Da es gefährlich war, sich in so einer Situation laut zu verständigen - man lief Gefahr, einem Gegner seinen Plan zu verraten - kommunizierten die Soldaten nur mit Handzeichen. Zwei von ihnen wurden losgeschickt, den Raum unter die Lupe zu nehmen. Gedeckt durch die Mündungen am Eingang drangen sie in geduckter Haltung ein und bewegten sich so leise sie konnten an der rechten Wand entlang, um den Raum einmal zu umrunden. Nach vielleicht zwei Minuten waren sie auf der gegenüberliegenden Seite angelangt und leuchteten von dort aus die toten Winkel hinter den Möbeln ab, die man von der diesseitigen Tür aus nicht einsehen konnte. Dann signalisierten sie, dass alles sicher war, und der Rest des Teams rückte nach. Die Lichtkegel schweiften nach links und rechts, während sie sich nun auf gerader Linie durch den Raum bewegten, auf den jenseitigen Ausgang zu. Die beiden Soldaten, die als Vorhut losgeschickt worden waren, befanden sich bereits dort, hatten die Tür aber noch nicht geöffnet. Deye vermutete, dass sie lediglich warteten, bis der Trupp sich wieder versammelt hatte. Doch als sie näher kamen, gaben die beiden Handzeichen, etwas Abstand zu halten. Sergeant Chimmi lief nach vorne um zu sehen, was los war, und unterhielt sich leise mit den Männern. Dann machte er kehrt und kam direkt auf die Omwati zu.


»Sie sind Sprengstoffspezialistin, Private?« fragte er.

»Ja«, nickte sie.

»Dann kommen Sie mit; Sie haben zu tun. Offenbar haben die Saffalore-Leute uns eine kleine Überraschung hinterlassen.«

[Shen-Trill 22 | Weltraum | Über einem Gasriesen | Laqosha City | Gemeinschaftsraum] Deye Viric, Kiso Sol, weitere Soldaten
 
[Shen-Trill 22 | Weltraum | Über dem sechsten Planeten | Y-Wing Gelb Acht] Beleny Phoss mit Staffel Gelb, Crossbow-Staffel und Mosquito-Staffel; Unbreakable Dream, Grey Warden und Enterboote in der Nähe

Erwartungsgemäß waren die schwerfälligen Bomber zu langsam, um mit den X-Wings mitzuhalten. Diese erreichten schon nach wenigen Augenblicken den Ort, an dem sich die Landungsboote durch den überraschend hohen Widerstand der letzten Jäger der Saffalore-Gruppe kämpften. Die Fähren allein wären zweifellos verloren gewesen; sie gaben relativ leichte Ziele ab und waren nicht stark genug bewaffnet, um sich zur Wehr zu setzen. Aber dank der Jägereskorte, die ihnen mitgeschickt worden war, und der Verstärkung, die nun hinzu eilte, hatten die Piraten bald mehr und härtere Ziele, als sie bedienen konnten. Wieder einmal wurden die Rollen von Jägern und Gejagten getauscht, die Uglies wurden einer nach dem anderen abgeschossen oder flohen zurück in die dichte Atmosphäre des Gasriesen - wohl in der Hoffnung, dass sie sich dort verstecken und aushalten konnten, bis die Republikaner wieder aus dem System verschwunden waren. Die größeren Piratenschiffe - umgebaute Frachter, den Etti-Kreuzer und den jüngst erbeuteten Passagierliner Laquosha City - ließen sie dabei im Stich. Staffel Gelb war noch nicht einmal in Reichweite für einen sicheren Schuss auf die Feinde, als diese bereits zerstreut waren und die Landungsboote ihren Flug zu ihrem Angriffsziel fortsetzen konnten.

»Das war's«, sagte Adam, Belenys Pilot. Dass er mit seiner Einschätzung richtig lag, bestätigte schon einen Wimpernschlag später Captain Eshnich, indem er über den Staffelkanal verkündete:

»Staffel Gelb, unsere Arbeit hier ist getan; der Rest ist Sache der großen Schiffe und der Landetruppen. Wir haben Befehl, uns zurückzuziehen. Folgen Sie mir zum Sprungpunkt aus dem System!«

Sein Bomber schwenkte nach Backbord und die übrigen folgten ihm. Ihre Formation, die sich während des hektischen Versuchs, den Landungsschiffen zu Holfe zu kommen, unabsichtlich teilweise aufgelöst hatte, schloss sich wieder. Ohne dass ein Befehl dafür nötig war, ordneten sie sich für einen Hyperraumsprung, wie sie es hundertmal im Simulator und in realen Manövern geübt hatten. Routiniert und schweigend steuerten sie den Punkt an, von dem aus ein Hyperraumvektor bis nach Mirial gezogen werden konnte: Sie würden ihre Heimatbasis in einem einzigen kurzen Sprung erreichen.

»Die Staffel hat sich gut geschlagen«, sagte der Captain noch. »Unser erster Kampfeinsatz war ein Erfolg. Seien Sie stolz auf sich! - Ich übermittle Ihnen die Sprungkoordinaten. Wir sehen uns daheim!«

Dass er auf diese Weise eine Nachbesprechung vorwegnahm, passte nicht zu ihm. Er sagte sonst nie etwas so Deutliches zur Leistung seiner Untergebenen, bevor er alle Fakten gesichtet und alle Daten ausgewertet hatte. Nach dem Training erfuhren sie meist erst im Besprechungsraum, wie zufrieden er mit ihnen war. Aber das hier war kein Training, offenbar galten die bekannten Gesetzmäßigkeiten hier nicht. Womöglich war dem Staffelführer bewusst, wie sehr seine unerfahrenen Leute darunter litten, dass sie in diesem ersten Einsatz bereits Verluste erlitten hatten, und wollte ihnen etwas Mut machen, bevor sie gleich im Hyperraum mit sich und ihren Gedanken allein waren.

Den Eingang der Daten zu bestätigen und sie in den Navigationscomputer einzugeben war eine Aufgabe für Joe, den Astromech-Droiden. Adam korrigierte den Kurs entsprechend seinen Angaben, um das kleine, zweisitzige Kampfschiff in Position für den Rücksprung zu bringen. Dove hatte dabei nichts zu tun, außer pro forma die Waffen einsatzbereit zu halten, solange sie noch in feindlichem Gebiet waren. Aber sie war gedanklich schon nicht mehr bei der Sache. Sie dachte an Eshnichs letztes Wort: Daheim. Das war für sie nicht Mirial, wo ihre Staffel stationiert war. Sie sehnte sich nach ihrem wirklichen Zuhause. Eine schwere Müdigkeit machte sich mehr in ihrem Geist als ihrem Körper breit, als der Bomber in den Hyperraum sprang.


»Hey... wie geht's dir?« fragte Icy.

»Geht«, antwortete die Kilmaulsi mit belegter Stimme. »Und dir?«

»Auch«, meinte er ebenso knapp. »Ich bin froh, dass wir's hinter uns haben.«

»Mhm.« Sie nickte schwach, was er von vorne aber nicht sehen konnte.

»Meinst du wir hätten etwas tun können?« fragte sie nach etwa einer halben Minute, in der sie sich angeschwiegen hatten.

»Um zu verhindern, dass die anderen... dass es sie erwischt? - Ich glaube nicht. Ich wüsste nicht was.«


»Es hätte uns genauso treffen können. Reiner Zufall, sonst nichts.«

»Ich dachte, du glaubst nicht an Zufälle?« fragte er, wobei er auf frühere Gespräche Bezug nahm, in denen es um Belenys Religion gegangen war.

»Keine Ahnung. Vielleicht war's auch der Wille der Götter, dass wir überleben. Ich hatte sie um Beistand gebeten. Aber ich habe nicht nur für uns gebetet, sondern für die ganze Staffel.«

»Da hast du wohl zuviel von ihnen erwartet.«

Adam sagte das ohne Zynismus oder Gehässigkeit, dennoch trafen seine Worte. Dove sagte nichts mehr. Schweigend schaute sie ins Nichts und hing ungeordneten Gedanken nach, bis sie Mirial erreichten.


[Hyperraum | von Shen-Trill 22 zurück nach Mirial | Y-Wing Gelb Acht] Beleny Phoss
 
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