Technologischer Rückschritt durch Krieg?

Admiral X

Porg of Porgs
Die Frage ist vielleicht ein wenig seltsam, ich stelle sie im Rahmen einer Fiktion meinerseits.

Stellen wir uns einmal vor (und hoffen gleichzeitig, dass es nicht dazu kommt) es bricht im Laufe des 21. Jahrhunderts, vielleicht so gegen Ende, ein verheerender Krieg aus, welcher praktisch die ganze Welt verwüstet - allerdings nicht komplett, sodass ein großer Teil der Technologie erhalten bleibt, aber eben nicht alles. Die Welt würde dann vom technologischen Stand her nach hinten geworfen werden, sagen wir etwa auf den Stand des mittleren bis späten 19. Jahrhunderts.

Wäre das eurer Ansicht nach denkbar? Ich bin mir unschlüssig, weil da der Gedanke ist, wenn solch ein Krieg die Erde verwüsten würde, sodass alles in Grund und Boden gesprengt wird, müsste die Menschheit wohl wieder von ganz von vorne anfangen. Wenn jetzt aber nicht alles dem Erdboden gleich gemacht wird, ist es dann vorstellbar, dass gerade so viel Technologie, so viele Ressourcen etc. erhalten bleiben, dass sich der Stand, der von uns aus gesehen etwa 200 Jahre lang her ist, wiederherstellen ließe? Oder würde man eher wieder direkt dort anknüpfen und, wenn auch verzögert, sich von da weiter entwickeln, wo wir jetzt sind?

Der Hintergrund ist der, meine Fiktion soll definitiv in der Zukunft stattfinden und war deshalb bisher naheliegenderweise im Sci-Fi-Bereich verortet, von all den Ideen her, die ich bisher dazu gesammelt habe. Kürzlich habe ich mich aber mal ein wenig näher mit Steampunk auseinandergesetzt, welcher ja im Grunde die Verknüpfung der Technologie ca. des 19. Jahrhunderts mit futuristischer Technologie ist, so jedenfalls habe ich es grundsätzlich verstanden. Und da ich die Ästhetik im Steampunk doch sehr ansprechend finde und er auch noch nicht so breitgetreten ist wie Science Fiction, kam mir der Gedanke, meine Fiktion vielleicht in solch ein Szenario zu stecken. Im Grunde müsste ich nur ein paar meiner bisherigen Ideen über Bord werfen und könnte vieles, was ich mir schon überlegt habe, gut anpassen. Die Frage ist nur eben, ob solch ein Szenario als Zukunftsversion Sinn ergeben würde - vom jetzigen Stand der Dinge aus. Also ob es möglich wäre, dass sich die Welt bis zu dieser Zeit zurückentwickelt und darauf aufbauend dann in die Zukunft voranschreitet. Die Frage beschäftigt mich und da ich keine Antwort finden mag, dachte ich ich stelle sie mal hier und höre mir so eure Meinungen und Gedanken dazu an.
 
Ich bin mir unschlüssig, weil da der Gedanke ist, wenn solch ein Krieg die Erde verwüsten würde, sodass alles in Grund und Boden gesprengt wird, müsste die Menschheit wohl wieder von ganz von vorne anfangen.
Die Menschheit müsste m.E.n. nur dann wieder von ganz von vorne anfangen, wenn sie auch ihr gesamtes Wissen bzw. ihre kollektiven Erinnerungen in besagtem Krieg verlieren würde. Beispielsweise wenn ein bislang unberührtes Naturvolk die einzige überlebende Restpopulation der Menschheit wäre.

Ansonsten hätte die Menschheit nämlich einen gewaltigen Vorteil durch ihre Erinnerung an den Status quo ante bellum. Um mal ein triviales Beispiel zu bringen: Selbst wenn durch einen katastrophalen Krieg das Wissen um die Herstellung eines Geräts wie z.B. einem Toaster, einem Flugzeug oder einem Wasserkraftwerk verloren gehen würde, dann gäbe es noch Menschen die wüssten, dass diese Geräte existierten. Es gäbe somit schon mal ein gewisses Grundverständnis dafür, was möglich ist und was nicht und wie so ein Ding funktionieren könnte.
Das wird mit zunehmender Komplexität der Technik natürlich entsprechend schwieriger, aber nicht unmöglich. Machbarkeitsstudien z.B. sind vollkommen unnötig, solange man nur versucht, die Technik nachzubilden, von der man noch aus der Erinnerung weiß, dass sie funktioniert. Solange man den Status direkt vor dem Krieg noch nicht erreicht hat, gäbe es auch keinen Druck etwas Neues erfinden zu müssen, sondern könnte sich völlig auf die Nachbildung der Funktionsweise konzentrieren.

Wenn jetzt aber nicht alles dem Erdboden gleich gemacht wird, ist es dann vorstellbar, dass gerade so viel Technologie, so viele Ressourcen etc. erhalten bleiben, dass sich der Stand, der von uns aus gesehen etwa 200 Jahre lang her ist, wiederherstellen ließe? Oder würde man eher wieder direkt dort anknüpfen und, wenn auch verzögert, sich von da weiter entwickeln, wo wir jetzt sind?
Ich denke, dass man versuchen würde, so schnell als möglich wieder den Standard zu erreichen, der vor dem hypothetischen Krieg geherrscht hat. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man nochmal den Umweg über die Dampfmaschine oder Verbrennungsmotoren geht, wenn man bereits (theoretisch) weiß, dass man sich auch Elektrizität nutzbar machen kann, wenn das nicht unvermeidbar ist.

Einen kompletten Rückfall in ein vergangenes technologisches Zeitalter könnte ich mir aber dennoch vorstellen, wenn beispielsweise der hypothetische Krieg so lange dauert, dass nicht nur die Technologien verloren gehen, sondern auch unklar ist, ob eine solche Technologie überhaupt existierte oder ob sie nur ein Mythos ist. Dann sind wir nämlich auch schon schnell beim 3. Clarkeschen Gesetz und man würde wohl eher versuchen die vorhandene Technik weiterzuentwickeln bzw. neue Lösungen für Probleme zu finden, als irgendwelchen Märchen aus der Vergangenheit nachzueifern.
 
Man braucht auf alle Fälle technisch ausgebildete oder begabte Menschen, die in der Lage sind diese Technik zu reaktivieren oder nachzubauen. Und natürlich entsprechende Vorräte an Material, das benutzt werden kann. Wie sieht es mit der Stromversorgung/Erzeugung aus?

Wenn die Menschheit nur noch aus Bloggern, Influencern und Schmuckdesignern besteht, wird es schwierig.
 
Okay, vielen Dank euch dreien schon mal für die interessanten Antworten :)

Ich hab mir das Ganze nochmal durch den Kopf gehen lassen und denke, dass ich meine Geschichte doch lieber so belasse, wie ich mir das bisher vorgestellt habe. In der Hinsicht hab ich schon einige Konzepte, ganz davon abgesehen, dass ich schon zum Schreiben begonnen habe und außerdem habe ich die Vision, die ich nun schon seit geraumer Zeit im Kopf habe, auch schon liebgewonnen so wie sie ist ^^

Aufgeben möchte ich die Idee mit dem Steampunk-Szenario allerdings nicht ganz und hab dafür schon eine alternative Idee, die mir besser gefällt, als das Bestehende wieder umzukrempeln. Eine meiner Hauptfiguren ist Schriftstellerin, nur habe ich mir bisher noch keine konkreten Gedanken gemacht, was genau sie schreibt oder geschrieben hat. Jetzt habe ich ja die Lösung, ihr Standardwerk, für das sie berühmt ist, ist eben eine Geschichte in einem Alternativ-Szenario, in welchem sich die Welt nach dem Krieg tatsächlich technologisch zurückentwickelt hat. Sozusagen eine Fiktion in der Fiktion - und wenn ich irgendwann mal Zeit und Muße finde (haha), dann formuliere ich diese Geschichte vielleicht sogar aus. Dann ist dieses neue Szenario, das ich interessant finden würde, nicht aufgegeben, sondern auf ein anderes Projekt ausgelagert, welches aber mit meinem eigentlichen Projekt in Verbindung steht. Mal sehen, ob ich es so jemals wirklich realisieren werde, aber der Gedanke gefällt mir gut.

@Darth Stassen Das mit dem 3. Clarkeschen Gesetz ist sehr interessant, ich hab davon noch nie zuvor etwas gehört, hab mich aber gerade mal darüber informiert. Ich bin mir jedoch nicht sicher, ob ich es vollkommen richtig verstanden habe. "Jede hinreichend fortschrittliche Technologie ist nicht von Magie zu unterscheiden". So wie ich es interpretiert habe, meinte Clarke damit, dass es nicht notwendig ist, fortschrittliche Technologien in seiner Fiktion plausibel zu erklären, weil oder sofern dies nicht zur eigentlichen Aussageabsicht der Geschichte beiträgt. Hab ich das richtig verstanden? Wenn ja, kann ich es in jedem Fall gut gebrauchen, egal in welche Richtung sich meine Erzählung entwickeln wird.
 
Der Stand der Technik und die breite Kenntnis ihrer Funktion, würde einer Rückentwicklung zum technischen Stand von vor 100 oder 200 Jahren nicht logisch erscheinen (außer wir reden hier davon dass das Wissen der Menschheit und alle ihre Hinterlassenschaften irgendwie verschwinden...wofür der Leser dieser Fiktion aber wohl alle Augen zudrücken müsste).
Alleine mit wissenschaftlichen Standardwerken wie dem Halliday und dem Mortimer lässt sich jede grundlegende Technik des 21. Jahrhunderts, allen voran der Computer, reproduzieren in Konzept und Herstellung. Man müsste sich fragen, warum eine Zivilisation die ihre Welt auf Dampfkraft aufgebaut hat, nicht unmittelbar ihre Ressourcen darauf verwendet den Transistor zu bauen.
 
Frank Herbert hat so etwas ähnliches gemacht und sich dabei eines Tricks bedient: Er hat Computer und Roboter per religiösem Fanatismus aus seinen Geschichten heraus gehalten. Die Ursache dafür war natürlich ein verheerender Krieg gegen sog. Denkmaschinen.
 
Konventionelle Kriege haben bisher den technologischen Fortschritt eher beschleunigt, als zurückgeworfen. Viele Erfindungen, die auch später zivilen Nutzen hatten wurden in Kriegen erfunden, oder ihr Ausbau und ihre Entwicklung wurde in Kriegszeiten massiv vorangetrieben. Man schaue sich zB nur mal den zweiten Weltkrieg an, an dessen Ende der Mensch das Atom gespalten und Raketen und Strahlflugzeuge entwickelt hatte.
Ein Krieg, der die Menschheit auf ein vor- oder ein frühindustrielles Zeitalter zurückwirft müsste dann schon ein Atomkrieg sein, der gewaltige Zerstörungen verursacht und große Ressourcen vernichtet oder unbrauchbar macht.

C.
 
Die Atomkraft ist ganz sicher kein Resultat des zweiten Weltkriegs.

Alleine der technologische Fortschritt im Computersektor der letzten vierzig Jahre wird in Gebieten konventioneller Kriege in keinem vergleichbaren Ausmaß stattfinden. Man schaue sich nur an, was der Bürgerkrieg aus Syrien gemacht hat. Da hat der Krieg zu keinem nennenswerten technologischen Fortschritt geführt, sondern ein Schwellenland um Jahrzehnte zurück gebombt.
 
Die Atomkraft ist ganz sicher kein Resultat des zweiten Weltkriegs.

Der Krieg sorgte aber dafür, dass die USA für die damalige Zeit gigantische Summen in die Kernforschung gepumpt hat, um das Wettrennen um die Bombe zu gewinnen. Ob das ohne Kriegszustand ebenso schnell passiert wäre sei mal dahingestellt.

Man schaue sich nur an, was der Bürgerkrieg aus Syrien gemacht hat. Da hat der Krieg zu keinem nennenswerten technologischen Fortschritt geführt, sondern ein Schwellenland um Jahrzehnte zurück gebombt.

Natürlich sorgen Kriege regional zu einer Verschlechterung der Zustände, aber es findet durch den Bürgerkrieg in Syrien z.B. kein weltweiter Technologieverlust oder der globale Rückfall in ein vorindustrielles Zeitalter statt, und um dieses Szenario ging es dem Threadersteller.

C.
 
Der Krieg sorgte aber dafür, dass die USA für die damalige Zeit gigantische Summen in die Kernforschung gepumpt hat, um das Wettrennen um die Bombe zu gewinnen. Ob das ohne Kriegszustand ebenso schnell passiert wäre sei mal dahingestellt.

Dieser Forschung gingen Jahrzehnte des Friedens, aber auch die eigentliche Urkatastrophe in Europa voraus.

Die Gleichung "E = mc²"
, welche die Nutzung von Kernenergie überhaupt nur möglich machte, konnte nur deswegen entdeckt werden, weil ein junger deutscher Mann jüdischer Abstammung unbehelligt seinen Gedanken nachgehen konnte. Die wesentlichste intellektuelle Grundlage dafür ist noch vor dem ersten Weltkrieg mit der speziellen Relativitätstheorie um das Jahr 1905 formuliert worden.

Man stelle sich nur einmal vor, welchen Werdegang ein junger Mann wie Albert Einstein wegen seiner Abstammung unter den Nazis gehabt hätte...

Und genau dieser Gedankengang ist es, der mich jedes Mal erschaudern lässt, wenn jemand "Krieg und Fortschritt" in einen Sachzusammenhang zwingt. Es ist nicht nur der Holocaust, der Forschung und Wirtschaft pervertierte, sondern eben auch die ganze Idee des Krieges an sich. Die Gleichung muss hier nämlich lauten: Auf jede Entdeckung des Krieges kommen hunderttausende tote Menschen, von denen jeder einzelne ein weiterer Albert Einstein hätte sein können.

Und diesen Gedankengang muss man selbstverständlich auch auf den Waffeneinsatz der V1 und V2 in Großbritannien, sowie Hiroshima und Nagasaki anwenden. Wenn intellektuelle Leistungen zum Tode führen, dann ist dies nichts anderes, als sich selbst das größtmögliche Potential zum Fortschritt mit absoluter Sicherheit zu versagen. Forschung und Fortschritt basieren auf dem Austausch von Informationen und nicht darauf, andere Menschen auf technologisch "aktuellste Weise" umzubringen.

Natürlich sorgen Kriege regional zu einer Verschlechterung der Zustände, aber es findet durch den Bürgerkrieg in Syrien z.B. kein weltweiter Technologieverlust oder der globale Rückfall in ein vorindustrielles Zeitalter statt, und um dieses Szenario ging es dem Threadersteller.

Das weißt du nicht. Aus der oben genannten Argumentation muss ich im Gegenteil nämlich dazu kommen, dass selbst kleine regionale Konflikte an einem winzigen Flecken der Welt garantierten Schaden für die Welt anrichten, weil eben viele Menschen, die einen dauerhaften Beitrag für Frieden und Fortschritt hätte leisten können, für immer verloren sind...
 
Zuletzt bearbeitet:
Das ist alles sehr hypothetisch. Menschen führen seit Anbeginn der Zeiten Kriege untereinander, wobei es ständig vorkommt, dass zivile Erfindungen kriegerisch genutzt werden, und militärische Entwicklungen im Zivilleben Anwendung finden.
Die Ausgangsfrage hier war, wie ein Krieg aussehen muss, dass ein signifikanter Technologieverlust stattfindet, und da ist nunmal die Antwort, dass dieser weitaus heftiger sein muss, als alle bisherigen Konflikte seit Anbeginn der Menschheit, da diese nunmal nicht vermochten, den technischen Fortschritt entscheidend zu bremsen. Möglich, dass wir ohne Kriege heute technisch weiter wären, aber wir werden es vermutlich nie herausfinden, da es noch kein Zeitalter ohne Kriege gegeben hat.

C.
 
Die Ausgangsfrage hier war, wie ein Krieg aussehen muss, dass ein signifikanter Technologieverlust stattfindet, und da ist nunmal die Antwort, dass dieser weitaus heftiger sein muss, als alle bisherigen Konflikte seit Anbeginn der Menschheit, da diese nunmal nicht vermochten, den technischen Fortschritt entscheidend zu bremsen. Möglich, dass wir ohne Kriege heute technisch weiter wären, aber wir werden es vermutlich nie herausfinden, da es noch kein Zeitalter ohne Kriege gegeben hat.

Du hast hier ganz klar und unmissverständlich gesagt, dass Kriege gut für die Menschheit sind. Sehe ich nicht so und ein solches Statement muss meiner Ansicht nach ganz dringend gerade gerückt werden...
 
Und genau dieser Gedankengang ist es, der mich jedes Mal erschaudern lässt, wenn jemand "Krieg und Fortschritt" in einen Sachzusammenhang zwingt.

Darum ist der Gedankengang aber nicht automatisch falsch. Vieles von dem, was wir heute über die Behandlung von Kälteverletzungen wissen, hat die kaiserliche japanische Armee im besetzten China erforscht, wenn auch in bestialischen Menschenversuchen. Irak und Afghanistan haben die Entwicklungen im Bereich künstlicher Extremitäten so sehr beschleunigt, dass US-Soldaten heute problemlos mit künstlichen Beinen und Armen im Einsatz dienen können.
 
Ich denke niemand widerspricht dir in der moralischen/philosophischen Betrachtungsweise des Themas. Das Kriege oder auch nur drohende Kriege die Entwicklungen in vielen wissenschaftlichen Bereichen beschleunigt oder teils erst ermöglicht haben, ist halt historisch belegbar. Selbst das Internet hat seinen direkten Ursprung in militärischer Forschung.
 
Sorry, aber "militärische Forschung" ist was ganz anderes, als "Krieg". Diese Begrifflichkeiten sind keineswegs Synonyme voneinander und dieser Nebelkerze folge ich somit auch garantiert nicht weiter...
 
Zurück
Oben