Dubrillion, Destrillion (Dubrillion-System)

Dubrillion - Norden - Zavstra - Ehemaliger Herrschersitz "Festung Enisov" - Lounge - Sector Adjutant Agustin Prada, Legat Khamzat Shartov (Ressortleiter Innere Sicherheit Dubrillion)

Agustin blickte den bulligen Khamzat Shartov mit kalter Miene an, während er an der importierten Zigarre zog, die ihm sein Gegenüber kurz vor der Abreise nach Yaga Minor noch angeboten hatte. Der Legat hatte seine eigene Zigarre schon positioniert, kramte allerdings aus einer seiner legeren Hosentaschen eine Art militärisches Sturmfeuerzeug, das einen kaum sichtbaren Funken entzündete, der jedoch massiver und größer war, als jedes andere Feuer zum Anzünden einer Zigarre oder Zigarette, wie es der Bastioner jemals gesehen hatte. Dazu. bevor sich die beiden großgewachsenen Männer setzten, kramte Shartov noch eine am Lauf verchromte und am Griff vergoldete DL-44 Blasterpistole aus seinem hinteren Hosenbund, den das locker sitzende schwarze Hemd die gesamte Zeit über verdeckt hatte und legte diese auf den flachen Tisch vor den beiden Sesseln, genau neben das Feuerzeug, das kaum kleiner war als die Waffe. Agustin musterte die beiden Dinge, die so einiges über den Charakter aussagten, der neben ihn saß. Vorhin das Spektakel mit der stillen Minute während des Interviews und nun das Zurschaustellen des Inventars des bulligen Ex-Söldners. Shartov ließ sich von der Präsenz seines Vorgesetzten Sector Adjutanten gewiss nicht einschüchtern und zog ein Schauspiel ab, wie es Agustin seit jeher hier und da mal gerne tat.

"Sie haben sich im Interview mit Miss Anar gut verkauft, Shartov. Ich will nicht sehen, dass auch nur ansatzweise der Eindruck entsteht, unsere planetaren Streitkräfte seien nach dem Deal mit Truuine merklich schlechter ausstaffiert. Dem haben sie mit Nachdruck einen Riegel vorgeschoben."

Der angesprochene Legat zog tief an seiner Zigarre und beugte sich dann vor. Es fiel Agustin schwer, seine Miene zu lesen. Normalerweise waren Personen mit der Physis, dem Charakter und der Position eines Khamzat Shartov grimmige, grausame Männer, die immer die selbe Miene machten. Dieser Mann jedoch lächelte fast die ganze Zeit. Dem Bastioner war dies schon während seines Interviews mit Galaxy News aufgefallen, als der Ressortleiter die Interviewerin des Öfteren mal mit einem beinahe hämischen Grinsen angesehen hatte, besonders nach etwas härteren Fragen.

"Ich musste noch nicht einmal lügen, Sector Adjutant. Um unsere Streitkräfte ist es gut bestimmt. Sie sind kampferprobt und mit bewährtem und robustem Kriegsgerät ausgestattet. Am Boden würde ich der Rebellenrepublik keine allzu großen Chancen ausmalen, selbst wenn sie in Großverbänden angreifen würden."

Eine Einschätzung, die Agustin bereits von Walder Fondham bereits das ein oder andere Mal gehört hatte. Die Bodentruppen waren 3 Armeen und 12 Korps stark. Bei einer Offensive, so die militärische Faustregel, würde der Angreifer in etwa eine 3 zu 1 Überzahl benötigen, um auch nur in die Nähe einer Erfolgsaussicht zu gelangen. Das bedeutete, dass die Republik im Falle einer Invasion nahezu eine Million Soldaten landen müssten. Für eine Welt im Outer Rim wie Dubrillion war dies ein eher unwahrscheinliches Szenario. Anders sah es hingegen bei der Kriegsführung im Weltraum aus. Ein Punkt, den Agustin sofort aufgriff:

"Die militärische Führung unseres Feindes würde bestimmt keine Bodenoffensive starten. Sie würden eine Raumblockade um Dubrillion errichten und stattdessen schwächer verteidigte Welten angreifen und durch ihre Blockade verhindern, dass auch nur ein Soldat den Fuß von Dubrillion setzt. Wenn eine Welt nach der anderen fällt und sie immer tiefer in den Supersektor eindringen und wir komplett abgeschottet sind, wird es nur eine Frage der Zeit sein, bis hier erste Umsturzversuche unternommen werden. Ganz abgesehen davon, dass Dubrillion nur eine Welt des Myto-Sektors ist. Alleine, wenn Destrillion fällt, ist die gesamte Energieversorgung unterbunden."

Shartov schnaubte für einen Moment, ging dann aber kurz in sich und nickte leicht. Zumindest in ein paar Punkten schien er Agustin recht zu geben.

"Die verlogenen Medien und Politiker der Rebellen haben sich schon mehr als einmal abfällig über Dubrillions Verteidigung geäußert. In ihrer Arroganz würden sie einen großangelegten Invasionsversuch unternommen, schätze ich. Aber Sie haben recht. Selbst wenn wir die Teufel am Boden in die Hölle schießen, haben sie eine starke Flotte und die unserer Sektorverteidigung ist zu schwach."

Agustin nickte mit kühler Miene und erhob sich nun. Shartov tat es ihm gleich und gemeinsam verließen sie die Räumlichkeiten der Festung, um sich auf den Aufmarschplatz zu begeben, auf dem die Lambda-Fähre des Bastioners bereits wartete. Die anderen Schiffe mit der Delegation des Myto-Sektors, unter anderem auch Governor Clanton, waren bereits gen Yaga Minor gestartet. Vor der Fähre stand ein Zug MSEK-Spezialeinheiten, die dem Sector Adjutanten salutierten. Für ein paar Augenblicke blieb er stehen und musterte die vermummten Soldaten, ehe er nickte und Shartov die Hand reichte. Dann betrat er die Rampe der Fähre, die nur wenige Augenblicke später schloss, sich erhob und im verschneiten Nachthimmel Dubrillions verschwand.



Dubrillion - Orbit - Lambda-Fähre - Agustin
 
[Dubrillion - Dubrillions Norden - Villa "Casa Negro" - Kaminzimmer - allein]

Der Sturm war gekommen, ohne Einladung, ohne Warnung – wie immer auf diesem verdammten Planeten. Lediglich die Gewissheit, dass Dubrillion unter Agustin Prada endlich zur imperialen Ordnung gefunden hatte beruhigte Lucius ein wenig. Und auch der Captain der Imperialen Armee seiner Majestät hatte einen Anteil daran gehabt. Nicht zuletzt für seinen heldenhaften Einsatz im Kampf gegen die Rebellen auf Dubrillion wurde er mit dem Schild des Imperiums ausgezeichnet.

Lucius Black stand an der verglasten Südwand von Casa Negro, der Familienvilla über der den schneebedeckten Ebenen und Bergen des Nordens. Doch heute war etwas anders. Der Sturm brachte keinen Schnee, kein Eis sondern nur Feuchte. Die Temperaturen waren für diese Jahreszeit ungewöhnlich warm, das Wetter ungewöhnlich nass. Regen prasselte auf das Panzerglas, das dick genug war, um jede Außenwelt draußen zu halten. Nur Erinnerung und Gerüchte kamen hindurch.

Dubrillion war nicht gnädig. Aber es war ehrlich. Kein Planet für Träumer, kein Ort für Zufall. Es überlebte, wer verstand. Wer erkannte, wann sich etwas veränderte – und was dies bedeutete. Lucius hatte keine Berichte gelesen, keine direkten Befehle empfangen. Es war nicht so, dass jemand gesprochen hätte. Es war eher... wie eine Lücke im Klang. Eine plötzliche Stille in jenen Kanälen, die sonst vor irrelevanten Details summten.

Eine Lieferung an die Firma, die ausblieb, obwohl sie längst freigegeben war. Ein geplantes Treffen, das verschoben wurde – ohne Ersatz.
Ein alter Kontakt, der im Gespräch langsamer antwortete, vorsichtiger formulierte.

Und dann diese Stimmen. Nebensätze. Halbe Andeutungen.

„Es bewegt sich etwas.“
„Man munkelt... der Raum wird größer.“
„Die Karten sind noch nicht neu gezeichnet – aber jemand hat den Stift schon in der Hand.“

Alles vage. Belanglos, wenn man es oberflächlich betrachtete. Aber Lucius hatte nie an die Oberfläche geglaubt. Er hatte gelernt, das zu lesen, was nicht geschrieben stand. Was zwischen den Zeilen lesbar, oder eher hörbar, war.

Supersektor 8. Nicht ausgesprochen. Nicht bestätigt. Doch die Leere zwischen den Worten sprach für sich. Es wandelte sich etwas, es würde Veränderung geben. Das Imperium war eine mächtige Maschinerie die Durst nach Treibstoff hatte. Das Imperium war das Schild gegen das Chaos der Rebellion, die sich Neue Republik schimpften. Doch das Imperium musste gefüttert werden, sein unstillbares Verlangen nach Rohstoffen befriedigt werden. Das Imperium hatte den Willen, nein die dringende Pflicht, naive Planeten und Systeme zu schützen. Vor der Rebellion. Vor sich selbst.

Er wandte sich vom Fenster ab. Hinter ihm pulsierte das Licht seines Holoterminals in kaltem Blau. Zahlen. Personalprotokolle. Produktionseinheiten. Schürfquoten. Waffenlieferungen. Nichts Auffälliges – und genau das war das Problem.

Wenn eine Flotte sich still verhält, obwohl sie Bewegung braucht – dann bereitet sie sich auf etwas vor. Wenn mehr und mehr Soldaten in den Kasernen trainierten, dann trainierten sie nicht für Paraden.

Lucius ließ sich in seinen Schreibtischsessel sinken, legte die Fingerspitzen aneinander. Sein Blick war kühl. Wach.
Er wusste, was es bedeutete, wenn sich Struktur verschob. Wenn der Imperiale Apparat „neu ordnete“, war das selten bloß Verwaltung. Es war Machtverlagerung. Einflussverschiebung. Und mit jedem neuen Schnitt auf der Karte öffneten sich auch Risse.


Und durch Risse konnte man eindringen. Ein Klopfen. Corona Summer, persönliche Assistenz von Lucius, trat ein – schweigsam, effizient wie immer.

„Nichts Konkretes, Mr. Black“, sagte sie. „Aber... Stimmen. Gespräche auf den Korridoren. Veränderte Routenplanung in mehreren Sektoren.“

Lucius antwortete nicht sofort. Seine Gedanken bewegten sich wie Nebel über kaltem Wasser.

„Sag den Analysten: Ich will eine Schattenkarte. Keine offiziellen Linien – nur Bewegungen. Wer reist, wer schweigt, wer den Ton wechselt.“

Summer nickte, machte kehrt – doch Lucius hielt sie zurück.

„Setze das Reservekapital auf Standby. Wenn diese Unschärfe sich konkretisiert, will ich bereit sein. Kontaktieren Sie die 309., innerhalb von 4 Stunden sollen mindestens drei Züge einsatzbereit sein, wenn nötig. Ach.. und da wäre noch etwas: Schauen Sie bitte nach welcher meiner Kontakte in der Imperialen Verwaltung aktuell 'Gesprächsbedarf' hat.“

Corona Summer schaute Lucius fragend an. „Für was genau, Sir?“ Lucius’ Lippen zuckten kaum merklich.

„Für das, was sie übersehen.“

Denn darin lag der Keim einer Gelegenheit. Wenn sich etwas neu formierte, war es nie perfekt. Es gab Leerstellen. Vakuen. Niemandszonen.
Und genau dort konnte man anknüpfen. Ein System übernehmen, das keiner verteidigte. Einen Markt sichern, den niemand mehr führen wollte.
Eine Offiziersstelle besetzen, die plötzlich frei wurde.

Die Schatten waren nicht nur Bedrohung. Sie waren Deckung. Lucius erhob sich wieder, trat zu einem Schrein in der Wand. Dort lag ein alter Dolch – obsidianfarbener Griff, kühle Klinge. Ein Erbstück, Symbol der Familie. Kein Prunk, keine Gravur. Nur Klarheit. Er hielt die Waffe in der Hand, sah auf die regennassen Fensterscheiben hinaus.


„Sie glauben, sie verschieben Linien“, sagte er leise. „Aber sie öffnen Türen.“

Der Sturm draußen wuchs. Doch im Inneren von Casa Negro war es still. Und im Kopf von Lucius Black begannen die Zahnräder sich zu drehen.

[Dubrillion - Dubrillions Norden - Villa "Casa Negro" - Kaminzimmer - allein]
 
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