Iridonia

[: Iridonia-System | Marauder Korvette | Quartier :||: Flight Officer Sakura Mitsumo :]

Einen freien Tag zu haben welchen man sich einteilen konnte wie man wollte war ein kleiner Luxus, besonders jetzt und nach allem was gelaufen war. Sakura hatte versucht vor allem ein wenig Schlaf nachzuholen und ihren geschundenen Körper – wie auch ihre Seele – in Einklang zu bringen. Kein einfaches Unterfangen wie sie hatte feststellen müssen. Das schlafen war ihr schwer gefallen obwohl sie hundemüde gewesen war und im Grunde hätte Stundenlang schlafen können. Ihr Geist jedoch war noch zu beschäftigt mit den Ereignissen gewesen. Auch wenn ihr Kopf ihr sagte, dass sie weitermachen und sich keine Schuld geben musste, so war es gefühlsmäßig nicht so einfach. Selbstzweifel verschwanden nicht einfach so von heute auf morgen und Sakura würde wohl immer wieder zu einem Punkt kommen bei dem sie sich selbst infrage stellen würde. Dennoch hatte sie sich eines ganz oben notiert, dass ihr Unterbewusstsein nicht die Oberhand gewinnen, sie sich nicht unterkriegen lassen würde. Wenn sie dies tat würde sie es niemals schaffen. Der größte Feind den man haben konnte war man selbst. Andere konnte man beiseiteschieben, sich selbst jedoch nicht. Davon zu laufen brachte nichts. Probleme holten einen ein gleich wo man sich befand. Es war wichtig, dass man sich selbst gegenüber ehrlich war und sich stellte. Man musste sich selbst jeden Tag überprüfen. Jetzt wo Sakura solche Erfahrungen gesammelt hatte umso mehr. Nur ein Feigling würde aufgeben oder sich in sein Schicksal fügen. Dies galt sowohl für privates wie auch für ihre Tätigkeit als Pilotin.

Sie war keine schlechte Pilotin, sie wollte besser werden. Sich neue Ziele stecken und eines war wohl so gut wie Aiden zu werden. Er war ein Vorbild und sie sah ihn als Vorbild für sich an. Sich auf etwas positives zu konzentrieren half ebenfalls mit negativem klar zu kommen. Sakura hielt nicht viel davon sich in Pessimismus zu verlieren, sich selbst zu bemitleiden. Dafür war sie einfach nicht geboren worden. Möglich das ihr Optimismus manchmal ein wenig hoch war, doch positives Denken war nun einmal sehr viel gesünder und das Leben funktionierte einfacher besser damit. Darüber ließ sich selbstverständlich streiten. Würde man einen Psychologen fragen, so würde dieser Sakuas Ansicht bestätigen.

Die Exotin jedenfalls hatte einen Schritt in die richtige Richtung gemacht. Ihre Selbstzweifel mochte sie nicht gänzlich besiegt haben. Aber sie hatten auch nicht mehr die Oberhand. Also hatte sie sich nach ein paar wenigen Stunden Schlaf dazu entschieden den Trainingsraum aufzusuchen um ihren Körper zu formen. Sport eine Beschäftigung der sie gern nachging um einen Ausgleich zu haben, wenn sie auch nicht so sportlich wie ihre Cousine war. Die junge Frau schnappte sich ihre Sporttasche nachdem sie eine kurze graue Sporthose angezogen und ein ebenfalls graues Sporttop angezogen hatte.

Als sie den Trainingsraum erreichte, gerade durch die Tür trat bemerkt sie, dass sie nicht die Einzige mit dieser Idee gewesen war. Synn, Irimore, Mengsk und Caranthyr waren ebenfalls vor Ort. Wobei Mengsk natürlich – wie sollte es auch anders sein – ein paar Freche Worte in Richtung Sakura bemerkt und die Dusche erwähnte, worauf der Rest lachte. Die Pilotin verdrehte die Augen. Jeremy war unmöglich, dennoch mochte sie ihn und sie verstanden sich. Sie wandte den Kopf leicht und entdeckte Aiden, welcher an der Hantelbank saß und gerade im Begriff war auf sie zu zukommen. Sakura ermahnte sich entspannt zu bleiben. Ein paar Minuten mit ihr unter vier Augen sprechen? Oh, und was wenn er sie auf Tank Sieben ansprechen würde? Darauf wie sie gehandelt hatte? Nein, sie würde sich nicht verrückt machen. Dies würde sich nicht lohnen und zum anderen hatte sie sich vorgenommen damit nicht mehr zu kämpfen. Also nickte sie Aiden zu, welcher er ihr ohnehin keine andere Wahl ließ als ihm zu folgen. Beide entfernten sich ein wenig vom Rest und erst als sie wohl außer Hörweite waren richtete Aiden erneut das Wort an sie. Ihr Blick war eine Mischung aus Neugier aber auch Respekt. Immerhin war er ihr Vorgesetzter und dieser wollte natürlich über ihre Leistung als provisorische Rottenführerin sprechen. Innerlich seufzend machte sie sich dennoch auf alles gefasst, jedenfalls auf alles was ging. Es wäre ja auch ein Wunder gewesen wenn er dies nicht getan hätte. Andererseits war es vielleicht auch ganz gut. Immerhin würde es ihr Gelegenheit verschaffen sich auszusprechen – falls es dazu kam – zum anderen zeigte es, dass Aiden ein gewisses Interesse an seiner Staffel besaß. Aiden wollte wissen wie sie das ganze einschätzte, wobei er sie darum bat jegliche erhobenen Daten außer auch zu lassen.

Nun, die ganze Sache mit den Mandalorianern, war halbwegs gut verlaufen, doch gab es genug was Sakura bewegte und worüber sie bisher geschwiegen hatte. Ihrer Ansicht nach war es ohnehin eine Frechheit das man sie behandelte wie die letzte Staffel die es überhaupt gab. Doch dies war nur ein kleines Detail. Was genau Aiden hören wollte war wohl die Wahrheit, andernfalls hätte er sie nicht angesprochen. Die Frage war nur wie sie beginnen sollte. Also schluckte sie, wich seinem Blick jedoch nicht aus sondern stellte sich den stahlblauen Augen die wunderschön waren und sicherlich noch attraktiver werden würden, wenn er lächelte. Ob er dies jemals ausgelassen tun würde? Vielleicht und wenn dann wohl eher in einem privaten Umfeld. Schade eigentlich, sie hätte dieses Lächeln gerne einmal gesehen. Zurück zu seiner Frage, wie schätzte sie ihre eigene Leistung ein?

„Eine Frage die nicht einfach zu beantworten ist, Sir. Meist schätzt man sich selbst anders ein als andere es tun. Nüchtern betrachtete bin ich nicht gänzlich zufrieden mit dem was ich geleistet habe. Sicher, ich könnte mich damit herausreden das ich das erste Mal die provisorische Führung inne hatte, doch dies wäre eine Ausrede, mehr nicht. Fakt ist, dass ich Tank Sieben wissentlich in den Tod geschickt habe und dies vielleicht hätte vermeiden können indem ich nach einer alternative gesucht hätte. Inwieweit meine Entscheidung richtig war kann ich nicht sagen. Ausflüchte zu suchen wäre unehrlich.“

Sie machte eine kurze Pause.

„Es gab Befehle von meiner Seite die Sie oder jemand anderes vielleicht nicht gegeben hätten und mit denen ich nun klar kommen muss. Fakt ist jedoch auch, dass man nur daraus lernen kann. Ich habe meine Aufgabe erfüllt und ich weiß, dass sollte ich jemals wieder in eine solche Situation kommen das ein oder andere anders entscheiden werde. Ich kann ihnen also mit Gewissheit sagen, dass ich an meinen Fähigkeiten arbeiten werde und dass ich meiner eigenen Einschätzung nach keine Führungsperson bin wie sie eine sind.“

Ihre Worte waren geradeheraus und ohne irgendwelche Beschönigungen oder sonst etwas. Sie war ein ehrlicher Mensch und sie ging nun einmal selbst sehr hart mit sich ins Gericht.

[: Iridonia-System :||: Achte Gefechtsflotte; Vierte Flottille; Zehnte Kampfgruppe :||: MAR „Hoplite“ | Trainingsraum :||: Captain Aiden Thiuro und Officer Mitsumo; etwas abseits Officer Synn, Officer Irimore, Officer Mengsk und Officer Caranthyr :]
 
[Weltraum | Iridonia-System | MAR Hoplite | Quartier] Chett Nectu

Chett Nectu fand keine Ruhe. Rastlos drehte er sich von einer Seite auf die andere. Ständig kehrten seine Gedanken zurück zu den Nachrichten, die er eben gelöscht hatte. Was wohl darin gestanden hatte? Es war jedenfalls etwas Wichtiges, daran konnte kein Zweifel bestehen. Wäre es nur seine Familie, die ihm geschrieben hätte, dann hätte er die Sache leicht als sentimentalen Unsinn abtun können. Aber ein amtliches Schreiben von Yaga Minor war dabei gewesen. Man wollte ihn über irgend etwas Bedeutsames informieren. Und nun kreisten seine Gedanken um die schier endlosen Möglichkeiten, worum es sich dabei handeln konnte. Solange er darüber nachdachte, war Entspannung ausgeschlossen. Und wann immer er sich zwang, an etwas anderes zu denken, landete er bei etwas anderem, das nicht gerade zur Ruhe beitrug. Er hatte genug Schlimmes erlebt, seit er zum Sternenjägercorps gekommen war. Er sah Gesichter von Leuten vor sich, die Gestorben waren. Erinnerte sich an Schlachten, in denen er gekämpft hatte - an die Todesangst, die sowohl Niederlagen als auch Siege immer begleitet hatte. Die monströse Silhouette der Event Horizon, die bei Rehemsa den Kreuzer Champion binnen weniger Augenblicke in Stücke schoss. Auch andere Erinnerungen kamen aus der Tiefe seines Unterbewusstseins wieder zum Vorschein; es war, als wäre ein übervoller Behälter geplatzt. Chett war gut im Verdrängen und schob nacheinander all diese Remineszenzen wieder in das Loch zurück, aus dem sie gekommen waren. Doch dafür kehrte sein Geist zu den Briefen zurück. Wieder und wieder. Zwanzig Minuten lang ging das so, dann wurde ihm das Liegen unerträglich. Sein Unterhemd war nassgeschwitzt, er streifte es ab und warf es in Missachtung einer möglichen Zimmerkontrolle einfach auf den Fußboden. Dann fiel sein Blick wieder auf das Datapad. Wieso hatte es solche Macht über ihn? Verärgert über sich selbst griff er danach, schaltete es ein und sah sich die Funktionen genauer an. Ah, da war sie: Die Wiederherstellungsoption. Sie zeigte eine Liste der gelöschten Nachrichten an. Absurd, so etwas als ›gelöscht‹ zu bezeichnen. Aber jetzt war der Pilot froh darüber. Oder wäre es für seine innere Ruhe besser gewesen, einsehen zu müssen, dass sie unwiederbringlich verloren wären? Nein, dann hätte ihn die Ungewissheit wahrscheinlich weiter gequält, bis in ein paar Tagen neue Post kam. Er musste es lesen, dann hatte er seine Ruhe und konnte vielleicht noch ein Stündchen Schlaf finden, bevor Amon Synn in das gemeinsame Quartier zurückkehrte.

Er sah die Absender der Nachrichten durch. Zwei stammte von der Adresse seiner Eltern, eine andere von seinem Bruder und die dritte von seiner Ex-Freundin. Er war mit ihr zusammen gewesen, als er zum Sternenjägercorps gegangen war. Sie hatten eine Weile den Kontakt gehalten und sogar so eine Art Fernbeziehung geführt, aber das hatte nicht funktioniert. Chett hatte das irgendwann als Belastung empfunden und der Sache ein Ende gemacht. Er hatte ihr nie gesagt oder geschrieben, dass es aus war und was die Gründe dafür waren, sondern einfach den Kontakt abgebrochen - ebenso wie zu seinen Verwandten. Hin und wieder schrieb sie ihm noch, aber er hatte längst aufgehört, die Briefe zu lesen. Das galt auch für die Nachrichten seines Bruders. An ihn zu denken, empfand er ebenfalls als Belastung. Erinnerungen an die gemeinsame Kindheit, in der er zu dem Älteren aufgeschaut und ihn als Vorbild verehrt hatte, konnten ihn nur von den wichtigen Dingen seines derzeitigen Lebens ablenken. Genau wie bei Lucys Briefen kamen zu viele Emotionen hoch, wenn er las, was Bruce ihm mitzuteilen hatte. Und seine Eltern... bei denen war es am schlimmsten. Sie wurden nie müde, ihm daran zu erinnern, wie sehr sie ihn vermissten und sich um ihn sorgten. War ihnen nicht klar, dass sie damit alles nur noch schlimmer für ihn machten? Vor allem sein Vater war eine zarte Seele. ›Wenn du da draußen bist, denk daran, dass auch deine Feinde Eltern haben, die auf sie warten‹, hatte er einmal geschrieben. Solche Worte waren das letzte, was Chett im Kopf haben durfte, wenn er den Hangar verließ, um im kalten, gnadenlosen All um sein Leben zu kämpfen. Er hatte gute Gründe, schon seit Monaten nicht mehr auf ihre Kontaktversuche zu antworten und ihre Nachrichten nicht einmal zu lesen. Daran wollte und durfte er auch jetzt nichts ändern, das würde alles nur noch schlimmer machen. Aber da war ja auch noch das Schreiben der Behörden. Die rätselhafte Neuigkeit in der kühlen Sachlichkeit von Bürokraten zu lesen, entsprach eher seinen Wünschen. Er drückte auf ›Wiederherstellen‹, öffnete die Nachricht, überflog den langatmigen Briefkopf und las:

*Sehr geehrter Herr Nectu,

wir bedauern, Ihnen mitteilen zu müssen...*

So fing es an. Und wurde nicht besser. Seine Miene versteinerte, während er las. Auch als er am Ende des Textes angekommen war, starrte er noch mit unbewegten Zügen auf das Datapad. Nicht einmal seine Augen zuckten, nur die Unterlippe vibrierte leicht und eine Schweißperle rann über seinen Nasenrücken. Es dauerte einige lange Sekunden bis er tief Luft holte, sich über das Gesicht wischte und das Datapad neben sich auf die Matratze warf. Dann vergrub er das Gesicht in den Händen. Jetzt verfluchte er sich dafür, dass er es nicht beim Löschen der Nachricht belassen, sondern seiner Neugier nachgegeben hatte. Und zugleich war er froh darüber. Doch im Moment überwog nur der Kummer. Er war allein in dem Quartier; trotzdem gab er sich alle Mühe, ein Schluchzen zu unterdrücken. Es gelang ihm nicht.

Kurz darauf wusch Chett sich das Gesicht in der winzigen Hygienenische des Zweibettquartiers. Er betrachtete sich im Spiegel und fragte sich, ob er immer so alt und verbraucht aussah. Seine Augen waren rot und lagen tief in den Höhlen, um den Mund hatten sich Falten gelegt, die ihn aussehen ließen, als hätte er seit einer Ewigkeit nicht gelächelt. Es stimmte: Er hatte nur selten Grund zur Fröhlichkeit. Insbesondere an diesem Tag würde sich seine Mundwinkel bestimmt nicht mehr heben. Zu sehr hatte ihn die Nachricht erschüttert. Er war überrascht darüber, wie schwer er getroffen worden war: Hatte er denn nicht alles getan, um einen solchen Schlag abzumildern? Er hatte vor allem deshalb Distanz zu den Menschen zuhause gewahrt, um es ihnen leichter zu machen, wenn sie irgendwann die unausweichliche Nachricht erhielten, dass er gefallen war. Je weniger eng und herzlich ihre Beziehung war, um so besser sollten sie ihren Verlust verkraften. Verdammt, das sollte doch auch in beide Richtungen funktionieren! Wieso machte ihn dann die Nachricht vom Tod seiner jüngeren Schwester und ihres Lebensgefährten so fertig? Sie waren Personen aus seiner Vergangenheit, hatten gar keinen Platz in seinem jetztigen Leben - weshalb hatte er dieses Gefühl des Verlustes? Schon wieder schossen ihm die Tränen in die Augen. Zornig ließ er beide Fäuste gegen den Spiegel krachen, doch der war aus bruchsicherem Material und hielt stand.

Chett Nectu ertrug die Enge des Quartiers nicht mehr. Er hatte das Gefühl zu ersticken. Zum ersten Mal seit langem war es ihm unerträglich, allein zu sein. Er musste jetzt ein paar vertraute Gesichter sehen - selbst wenn er nur Vorwürfe in ihnen sah. Hastig holte er den Trainingsanzug aus seinem Spind und stieg in Hose und Schuhe. Dann verließ er das Quartier mit nacktem Oberkörper, das Hemd zog er erst draußen auf dem Gang an, als er schon unterwegs zu den Trainingsräumen war. Dort hatte sich vor Kurzem noch die halbe Staffel aufgehalten, und nun stellte sich heraus, dass die meisten von ihnen auch noch da waren. Mehrere Augenpaare drehten sich ihm zu, als er in den Raum hetzte. Finstere Blicke trafen ihn - er erwiderte sie nicht, sondern starrte nur vor sich hin. Sie würden ihn bestimmt nicht in freundliche Gespräche verwickeln, dafür hatte er gesorgt. Aber er war auch nicht zum Reden hier. Er wollte einfach eine Weile laufen oder Gewichte stemmen und dabei den Schrecken ausschwitzen.

[Weltraum | Iridonia-System | MAR Hoplite | Trainingsraum] Chett Nectu, Aiden Thiuro, Sakura Mitsumo, Mengsk, Irimore, Synn, Caranthyr
 
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[: Iridonia-System :||: Achte Gefechtsflotte; Vierte Flottille; Zehnte Kampfgruppe :||: MAR „Hoplite“ | Trainingsraum :||: Captain Aiden Thiuro und Officer Mitsumo; etwas abseits Officer Synn, Officer Irimore, Officer Mengsk und Officer Caranthyr :]

Im ersten Augenblick mochte es dem Bastioner nicht gleich aufgefallen sein, aber jetzt, da er mit ihr in dem Trainingsraum ein wenig abseits stand, sah er auf einmal recht deutlich wie blass, ausgelaugt Pilot Officer Mitsumo eigentlich war. Sowohl die Schlacht um Iridonia als auch die letzten Stunden hatten ihr offenkundig ordentlich zugesetzt. Kurzzeitig hatte er sogar den Eindruck, dass die ganze Last, die jeder einzelner Pilot seiner Staffel zwangsläufig schultern musste, womöglich ein bisschen zu groß für sie war. Zerbrach sie schon an diesen Strapazen? Beinah automatisch stellte Aiden seine – noch unausgegorenen – Pläne in Frage. War sie die richtige Person für die potenzielle Führung der letzten, verbliebenen Rotte? Oder sollte er doch lieber einen ihrer Kameraden, der eventuelle etwas belastbarer als sie war, mit der Befehlsgewalt betrauen – und damit am Ende notgedrungen größere Umstrukturierungen in Kauf nehmen? Er sah sie an als sie auf seine Frage antwortete.

Obgleich die gestandene Pilotin gegenüber ihrem Vorgesetzten gewiss selbstsicher auftreten wollte, haftete ihrer Stimme doch etwas zögerliches an als sie sagte:
„Eine Frage, die nicht einfach zu beantworten ist, Sir. Meist schätzt man sich selbst anders ein als andere es tun. Nüchtern betrachtete bin ich nicht gänzlich zufrieden mit dem, was ich geleistet habe. Sicher, ich könnte mich damit herausreden, dass ich das erste Mal die provisorische Führung inne hatte, doch dies wäre eine Ausrede, mehr nicht. Fakt ist, dass ich 'Tank Sieben' wissentlich in den Tod geschickt habe und dies vielleicht hätte vermeiden können, indem ich nach einer Alternative gesucht hätte. Inwieweit meine Entscheidung richtig war, kann ich nicht sagen. Ausflüchte zu suchen wäre unehrlich.“

Die Ehrlichkeit – so brutal, so direkt – überraschte Aiden. Denn er hatte nicht vermutet, dass sie so hart mit sich selbst ins Gericht gehen würde. Rieb diese eiskalte Schonungslosigkeit sie am Ende so sehr auf? Ja, sie alle hatten Verluste zu beklagen. Fehler hatten sie alle gemacht – ausnahmslos. Es lag in der Natur der Sache. Immerhin saßen sie als Piloten bloß allein in einem Cockpit – nur durch ein wenig Durastahl sowie einen endlichen Deflektorschild geschützt – und mussten binnen weniger Hundertstel folgenschwere Entscheidungen treffen! Bloß in Ausnahmefällen besaß man in solchen Situation tatsächlich die Zeit, um sich rasch mehrere Taktiken auszudenken und diese dann noch im Kopf (grob) auf ihre Machbarkeit zu prüfen. Nein, stellte man tatsächlich solch hohe Ansprüche an sich wie es Sakura Mitsumo gerade zweifelsohne tat, dann scheiterte man zwangsläufig.

Sie fuhr nach einer flüchtigen Pause fort:
„Es gab Befehle von meiner Seite, die Sie oder jemand anderes vielleicht nicht gegeben hätten, und mit denen ich nun klar kommen muss. Fakt ist jedoch auch, dass man nur daraus lernen kann.“ Sie holte Luft, wich seinem aber Blick nicht aus. „Ich habe meine Aufgabe erfüllt und ich weiß, dass, sollte ich jemals wieder in eine solche Situation kommen, das ein oder andere anders entscheiden werde. Ich kann Ihnen also mit Gewissheit sagen, dass ich an meinen Fähigkeiten arbeiten werde und dass ich meiner eigenen Einschätzung nach keine Führungsperson bin wie sie eine sind.“

Hatte sie sich gerade wieder mental gefangen? Einen Moment lang schwieg er; ließ das Gesamtbild ungestört auf sich wirken. Gute Führungskräfte – das brauchten das „Wolves' Squad“ momentan. Ja, talentierte und tollkühne Piloten mochten sie alle sein. Nicht nur unter günstigen Umständen konnten sie es mit einer Vielzahl an Gegnern aufnehmen. So hatten sie selbst bei der Schlacht um Corellia eine sehr gute Statistik gehabt. Jedoch reichte zum Führen einer Rotte – oder gar einer Staffel – das Talent zum Fliegen allein nicht aus. Charisma war in diesem Fall genauso ein wichtiger Faktor wie Erfahrung. Nach der Meinung des Bastioners wuchs man letztendlich in die Führungsrolle hinein – so interpretierte er jedenfalls seine Entwicklung der letzten Jahre. Obwohl Aiden eigentlich nicht zu den Vorgesetzten gehörte, die sich den ihnen unterstellten Personen zu sehr näherte, griff er dieses Mal ziemlich sanft nach ihrem Oberarm.

Sakura, Selbstzweifel – als Form der kritischen Selbstreflexion – sind nicht falsch“, sagte der Pilot zu ihr. Sein Blick ruhte dabei noch immer auf ihr. „Fehler haben wir alle gemacht … Hätte ich bloß etwas mehr Zeit gehabt, würden Leven und Vitaan jetzt noch unter uns weilen – genauso wie einige Scimitars, die durch meine Unachtsamkeit gestorben sind.“ Er holte kurz Luft, ließ seinen Blick ein bisschen schweifen, landete am Ende aber wieder bei ihr. „Manchmal habe ich den Eindruck, dass wir sowohl durch die hochmoderne Technik der TIE-Defender als auch durch unseren Elitestatus zu schnell das Gefühl für die Realität verlieren. Wir halten uns für unantastbare Helden, eventuell sogar für unsterblich – und das wird letztendlich von der öffentlichen Meinung auch noch bestätigt. Aber der Tod fliegt bei uns jedes Mal mit...“ Erst jetzt ließ er die Hand sacken. „Sie sind eine gute Pilotin, Sakura. Sie haben genau dann Verantwortung übernommen als es notwendig war. Lassen Sie sich also nicht von Ihren Selbstzweifeln zerfressen. Denn ab einer gewissen Größe werden diese mehr, sehr viel mehr Opfer fordern...“

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[OP: Im nächsten Post greife ich dich dann auf, Chett ;)]
 
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Es war äußerst schwierig in Aiden zu lesen - zumal Sakura nicht so gut darin war - jedenfall wäre sie gern besser darin und so konnte sie nicht sagen was dem Alphawolf durch den Kopf ging, welcher für sie ein großes Vorbild war. Sie hielt sehr viel von ihm und ebenfalls von dem was er sagte. Dennoch bedauert sie es irgendwo, dass er so zurückgezogen, so kühl und distanziert war. Natürlich war dies wichtig, immerhin führte er sie als Staffelführer an. Dennoch, irgendwie fehlte Sakura die freundschaftliche Basis die es innerhalb ihrer alten Staffel gegeben hatte. Damals hatte jeder für jeden eingestanden, man war gemeinsam voran gegangen und man hatte ebenso gemeinsam etwas unternommen. Auch wenn dies hier eine Elitestaffel war gab es ihrer Ansicht nach keinen Grund warum man hieraus keine Familie machen sollte. Möglich dass sie zu optimistisch, zu familier dachte und dennoch konnte eine Staffel ihrer Ansicht nach nur funktionieren wenn man zum einen eine Familie entstehen ließ und dennoch Distanz wahrte. Tank Sieben ihr Tod hatte sie mitgenommen, dies hatte sie nicht leugnen wollen und dennoch wusste Sakura, dass sie damit fertig werden würde. Sie besaß die Sträke und vor allem war ihr klar, dass dieses Erlebnis nicht das letzte sein würde.

Ein wenig überrascht war sie dann doch, als Aiden nach ihrem Oberarm griff. Ihre erste Reaktion war sich zu versteifen, was darauf zurück zu führen war, dass ihr ehemaliger Verlober welcher sie kurz vor der Hochzeit betrogen hatte handgreiflich geworden war. Ein Szenario welches wieder wach wurde. Sie hatte es zwar geschaft damit fertig zu werden, es zu verarbeiten - besonders durch ihre Cousine welche ihr beigestanden hatte nach dieser ganzesn Story aber auch durch den Rest ihrer Familie. Aidens Berührung war nicht unangenehm, die Wärme seiner Hand brachte ihr Haut zum kribbeln, dennoch erinnerte sie es leicht an etwas was länger her war. Dunkles Haar und vor allem die Größe passten relativ gut. Ehe jedoch panik in ihr aufsteigen konnte brachte seine Stimme sie in die Realität zurück.

Aiden sprach davon, dass selbstzweifel nicht falsch waren, wobei sein Blick auf ihr ruhte und das Blau seiner Augen eine eigenartige Wirkung hatten. Beschreiben konnte sie es nicht, aber sie hatte das Gefühl als ob er tiefer sehen konnte als ihr lieb war. Beunruhigend! Allerdings wollte sie sich nicht beunruhigen lassen. Sakura hielt seinem Blick weiter stand. Hatte auch er Selbstzweifel? Es schien so! Es schien als ob auch er einen innerne Konflikt mit sich selbst austrug. War es möglich, dass hinter der Fassade die er wohl besaß verletztlicher war, menschlicher, als er sonst tat? Sie liebte die Menschen, sie liebte die Geschöpfe als solches und sie war viel zu sehr optimistin um nicht zu hinterfragen. Jede Form von Leben war ihr wichtig, sie interessiert sich dafür und manchmal brachte sie dies auch in Schwierigkeiten. Nectu jedenfalls missfiel es sehr. Wie es da mit Aiden aussah wusste sie nicht. Wahrscheinlich würde auch er nicht erfreut sein wenn die kleine Sakura - und klein traf es wirklich bei seiner Körpergröße - versuchen würde einen Einblick in sein Leben zu bekommen. Eine ihrer Schwächen war wohl anderen helfen zu wollen und sich selbst dabei ein wenig zu vergessen. Doch so war es eben. Natürlich hatte sie auch die Erfahrung machen müssen das nicht jeder damit umgehen konnte oder gar jeder geholfen bekommen wollte, dennoch konnte sie nicht anders. Sie versuchte es einfach.

Sakura mochte negatives erlebt haben, doch auch all diese negativen Dinge hatten es niemals geschaft sie nach unten zu ziehen. Einfach war es wohl nicht immer gewesen, doch sie war nun einmal eine Frohnatur die sich immer wieder sagte, dass wenn man positiv an etwas heran ging das Universum und vor allem das Leben besser wurde. Es war einfacher. Seine Worte bauten sie auf, gaben ihr Halt und führten ihr vor Augen, dass ihre Selbstzweifel nicht gänzlich berechtigt waren und dennoch war es wichtig sich selbst genau unter die Lupe zu nehmen. Wie Aiden schon sagte kam es viel zu oft vor, dass man sich als unsterblich betrachtete. Leider verlor man dadurch den Blick in die Realität. Er hatte Recht und seine Worte bewegten sie. Sie mochte ihn, auch wenn ihm dies nicht klar war und sie wusste auch, dass sie viel von ihm würde lernen können. Der Wechsel in diese Staffel war nicht einfach so passiert. Sakura glaubte durchaus an so etwas wie Schicksal.

"Sie haben Recht, Aiden und ich danke ihnen für ihre Worte. Erkennen zu müssen das man nicht alles und jeden retten kann ist nicht einfach und es fordert viel Kraft, besonders wenn man Verantwortung übertragen bekommt. Der Lauf der Dinge zeigte jedoch, dass jeder von uns in eine solche Situation kommen kann und es darauf ankommt ruhig zu bleiben, einen kühlen Kopf zu bewahren und Verantwortung zu übernehmen. Nur wenn dies gewährleistet ist kann eine Staffel funktionieren."


Sie ließ ein leichtes Lächeln sehen, eines was der Sonne gleichkam.

"Darf ich sie etwas fragen? Sie wollten meine Einschätzung hören, jetzt würde ich gerne wissen wie sie mich einschätzen und seien sie bitte ehrlich. Ich kann mir nicht vorstellen das sie mich einfach so gefragt haben."

Ein wenig neugierig sah sie ihn an, wesentlich entspannter nachdem seine Hand ihren Oberarm verlassen hatte. Ihr Blick glitt kurz zur Tür, da diese sich geöffnet hatte. Nectu hatte seinen Weg zu ihnen gefunden, allerdings wirkte er noch distanzierter als sonst. War etwas geschehen? Vielleicht und dies machte ihr Sorgen. Sie war einfach ein gutmensch. Innerlich seufzend blickte sie ihren Vorgesetzten an.

[: Iridonia-System :||: Achte Gefechtsflotte; Vierte Flottille; Zehnte Kampfgruppe :||: MAR „Hoplite“ | Trainingsraum :||: Captain Aiden Thiuro und Officer Mitsumo; etwas abseits Officer Synn, Officer Irimore, Officer Mengsk, Officer Nectu und Officer Caranthyr :]
 
[: Iridonia-System :||: Achte Gefechtsflotte; Vierte Flottille; Zehnte Kampfgruppe :||: MAR „Hoplite“ | Trainingsraum :||: Captain Aiden Thiuro und Officer Mitsumo; etwas abseits Officer Synn, Officer Irimore, Officer Mengsk und Officer Caranthyr :]

Derweil im Hintergrund die Kameraden weiterhin ihre Übungen machten und bloß gelegentlich ein paar flüchtige Worte wechselten, standen Sakura und Aiden für ihr Gespräch noch immer ein wenig abseits. Sah man sie in diesem Moment zum ersten Mal, mochte man gar nicht glauben, dass es sich bei diesen Piloten wirklich um Mitglieder des „Wolves' Squad“, der berühmt-berüchtigten Elite des Imperialen Sternjägerkorps handelte. Im Gegensatz zu den überaus glanzvollen Propagandaplakaten sahen sie einfach zu erschöpft, zu ausgelaugt aus. Sogar eine Nuance Missmut mochte man in ihren Gesichtern zu erkennen glauben. Doch allem Anschein nach störten sie sich in ihrer gegenwärtigen Situation nicht an ihrem möglichen Eindruck. Die imperiale Öffentlichkeit war fern. Denn statt auf einem großen, prachtvollen Sternzerstörer hatte man sie bloß auf einer winzigen Marauder-Korvette namens „Hoplite“ einquartiert. Hierher würde sich kaum ein nerviger Handlanger der KOMENOR her verirren – so glaubte es jedenfalls deren Staffelführer.

Dank seiner Worte schien die Pilotin ein bisschen Zuversicht geschöpft zu haben. Ihr Körper straffte sich kaum merklich, bevor sie sagte:
„Sie haben Recht, Aiden, und ich danke Ihnen für Ihre Worte.“ Kurz folgte ein vages Lächeln. „Erkennen zu müssen, dass man nicht alles und jeden retten kann, ist nicht einfach und es fordert viel Kraft, besonders wenn man Verantwortung übertragen bekommt.“ Eine Pause. „Der Lauf der Dinge zeigte jedoch, dass jeder von uns in eine solche Situation kommen kann und es darauf ankommt ruhig zu bleiben, einen kühlen Kopf zu bewahren und Verantwortung zu übernehmen. Nur wenn dies gewährleistet ist, kann eine Staffel funktionieren.“

Es waren wahre Worte, die sie da sprach. Das Imperiale Militär stellte hohe Anforderungen an seine Offiziere. Obwohl der Bastioner schon oftmals vom berühmten Vitamin „B“ gehört hatte, glaubte er noch immer daran, dass man meist nur aufgrund sehr guter und zudem kontinuierlicher Leistungen die Anerkennung erhielt, die einem schlussendlich mehr Verantwortung – beispielsweise im Führen einer eigenen Einheit – einbrachte. Sakura Mitsumo, aktuell noch Pilot Officer, war in diesem Punkt auf einem guten, einem sehr guten Weg. Natürlich hatte sie einige Fehler gemacht – genauso wie ihr derzeitiger Vorgesetzter –, aber starb in der Schlacht nicht immer der Plan zuerst? Mit einer ruhigen Miene betrachtete Aiden die Untergebene. Er musterte sie genau; ganz genau. Noch immer fragte er sich, ob er sie als neue Rottenführerin tatsächlich in Erwägung ziehen sollte. Oder sollte er doch auf eine externe Lösung zurückgreifen? Zweifelsohne würde er selbst unter den zahlreichen Piloten der Achten irgendwo einen geeigneten Kandidaten finden. Aber war das der richtige Weg?

Just in dem Augenblick als sich seine Gedanken gerade verselbständigen wollten, riss ihn plötzlich Sakuras Stimme aus der aufkeimenden Grübelei. Zögerlich fragte sie:
„Darf ich Sie etwas fragen?“ Der Alphawolf nickte. „Sie wollten meine Einschätzung hören, jetzt würde ich gerne wissen wie Sie mich einschätzen und seien Sie bitte ehrlich. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie mich einfach so gefragt haben.“

„Sie haben da draußen wirklich einen sehr guten Job gemacht, Sakura, entgegnete Aiden sofort mit freundlicher Stimme. „Es ist meiner Meinung nach inzwischen allgemein zu erkennen, dass Sie sich seit Corellia stetig weiterentwickelt haben. Sie übernehmen die Führung, treffen prompt anstehende Entscheidungen und versuchen doch stets den Kontakt zu Ihren Kameraden zu wahren. Anhand der Tatsache, dass Selbstzweifel Sie plagen, erkennt man auch, dass Sie Ihr Verhalten und Ihr Handeln kontinuierlich reflektieren...“ Er musterte sie äußerst eindringlich. Seine autoritäre Präsenz leuchtete in diesem Augenblick ziemlich hell auf. „Zwar mag es noch nicht wirklich offiziell sein, aber es ist zweifellos offensichtlich, dass Drask bis zum nächsten Einsatz nicht fit sein wird … und wenn wir nicht auf der 'Hoplite' versauern oder gar wieder gen Bastion geschickt werden wollen, brauche ich mindestens eine einsatzfähige Dritte Rotte. Sie, Officer Mitsumo, sind derzeit im engeren Kreis der Kandidaten. Meinen Glückwunsch.“

Ein Hauch verzweifelte Rage hatte unwillkürlich in seiner Stimme mitgeschwungen. Die „Wolves“ saßen nämlich in einer Zwickmühle. Auf der einen Seite hatten sie durch ihre beiden Verluste sowie die überraschende Abordnung auf eine Korvette einen Tiefpunkt der Truppenmoral erreicht. Auf der anderen Seite mussten sie beim nächsten Zug gegen den geschwächten Feind, den „Eisernen Bund“, einfach ein Teil der eingesetzten Truppen sein, da ansonsten ihr elitärer Status innerhalb des Korps erneut in Zweifel gezogen werden könnte. Es war also durchaus möglich, dass Captain Thiuro seine Staffel in die nächste Schlacht unter „Soll“ führte. Um sich nicht noch mehr in irgendwelche wilden Spekulationen zu verlieren – und so den Grund wieder vorzufinden, der ihn letztendlich aus seinem Büro hatte flüchten lassen –, klopfte er der Untergebenen aufmunternd auf die Schulter und wandte sich dann ab. Genau in diesem Moment betrat auf einmal Chett Nectu den Trainingsraum.

Um eine ordentliche Entscheidung im Bezug auf Pilot Officer Mitsumos möglichen Werdegang zu treffen, kam der Captain nicht umhin mit dem schweigsamen Piloten, der sich bislang als reiner Einzelgänger entpuppt hatte, ebenfalls zu reden. Obwohl er sich seit dem Vorfall auf der „Zerberus“ über Jahre hinweg beinah genauso verhalten hatte – und erst jetzt allmählich auftaute –, erkannte er sich nur bedingt in ihm wieder. Denn trotz all der grausamen Schrecken dieses Krieges war er nie so sehr abgestumpft wie der dunkelhäutige Yaga-Minoer. Er hatte keine Wahl, oder? Nein, je früher er eine Entscheidung traf, desto eher hatte die Einheit mit klaren Tatsachen zu tun – so seine Gedanken am Ende. Bevor sich der Pilot also einem der freien Geräte widmen konnte, ging der Captain sofort auf ihn zu. Die grimmigen Blicke, die Nectu ganz genau musterten, bemerkte er dabei nicht. Seine Gedankenwelt drehte sich momentan einzig und allein um den äußeren Eindruck der Staffel. Sollten die „Wolves“ nämlich wirklich zurück nach Bastion fliegen, würden die Widersacher dieser Einheit nämlich den nächsten Grund für deren Ende in der Hand haben. Das musste er verhindern!


„Officer Nectu, auf ein Wort...“, sagte der Bastioner ohne Vorwarnung, ohne jeglichen Gruß zu dem Piloten und wies anschließend auf eine andere Ecke in dem Raum. Erst als er sich wieder außerhalb der Hörreichweite der anderen Anwesenden glaubte, fuhr er fort: „Ich glaube, ich erzähle Ihnen nun nichts neues, wenn ich sage, dass Lieutenant Drask für die nächste Zeit ausfällt … und Pilot Officer Mitsumo damit unweigerlich in den Fokus einer potenziellen Rottenführerin rutscht.“ Fast genauso eindringlich wie die Kameradin davor, musterte er nun auch Nectu. „Ich möchte deshalb genau jetzt von Ihnen eine kurze Einschätzung Ihrer Flügelfrau. Wie hat sie sich Ihrer Meinung nach während der Schlacht verhalten? Und würden Sie erneut unter ihrem Befehl in den Einsatz fliegen?“

Zwei direkte Fragen, die möglicherweise zwei schonungslose Antworten nach sich zogen. In diesem Moment war Aiden wirklich gespannt. Denn obwohl der mürrische Yaga-Minor während des letzten Auswahlverfahrens tatsächlich der Favorit des Captain gewesen war, hatte er seit dessen Aufnahme in die Staffel kaum ein Wort mit diesem gewechselt. Beide Männer waren sich fremd – obgleich sie gemeinsam in ein und derselben Staffel flogen. Derweil die „Hoplite“ weiterhin seelenruhig mit den anderen Kriegsschiffen der Achten Gefechtsflotte ziellos durch das Iridonia-System trieben, sah der Bastioner seinen Gegenüber genau an. Jede Kleinigkeit konnte ihm irgendetwas über diesen Piloten sagen. Was würde er in den nächsten Minuten also über diesen Mann erfahren? Spielte Nectu bloß den „starken Mann“? Ja, so wie vor dem Ausschleusen verspürte er auch in diesem Augenblick kurz ein magisches Kribbeln in seinen Fingerspitzen. Hatte er hier jemanden wie Sargeras vor sich?

[: Iridonia-System :||: Achte Gefechtsflotte; Vierte Flottille; Zehnte Kampfgruppe :||: MAR „Hoplite“ | Trainingsraum :||: Captain Aiden Thiuro und Officer Nectu; etwas abseits Officer Synn, Officer Irimore, Officer Mengsk, Officer Caranthyr und Officer Mitsumo (?) :]
 
[Weltraum | Iridonia-System | MAR Hoplite | Trainingsraum] Chett Nectu, Aiden Thiuro, Sakura Mitsumo, Mengsk, Irimore, Synn, Caranthyr

Es passte Chett Nectu nicht, dass der Captain ihn zu einem Gespräch bat... nein, befahl. Er war hierher gekommen, weil er es zum ersten Mal seit langem nicht ertragen hatte, allein in seinem Quartier zu sein. Er hatte sich aber nicht gewünscht, nun gleich in eine Unterredung mit dem Staffelführer verstrickt zu werden. Doch er musste sich natürlich fügen.

»Natürlich, Captain«, murmelte er, und versuchte vergeblich, seine Skepsis zu verbergen.

Er konnte sich denken, worum es ging. Um seinen Zusammenstoß mit Amon Synn, seine Verständnisbekundung für die Scimitar-Piloten und in dem Zusammenhang auch um seine kaum vorhandene Rolle im Rudel der Wolves. Gespräche dieser Art hatte er schon mit mehreren Vorgesetzten geführt und glaubte genau zu wissen, was er zu hören bekommen würde. Eine Rede über Zusammenhalt und Loyalität, über die Bedeutung von Vertrauen zu- und Vertrautheit untereinander; darüber, wie wichtig es war, sich gut zu kennen, wenn man miteinander flog. Das alles war ihm nicht neu und er würde es mit so vielen ›Ja, Sir‹ bestätigen, wie nötig waren, um die Szene hinter sich zu bringen. Hoffentlich ließ Aiden Thiuro ihn rasch vom Haken. Für eine lange auseinandersetzung war er emotional nicht gewappnet: Um eine Raumfahrermetapher zu nutzen, seine Schilde liefen nach der schlimmen Nachricht von Yaga Minor nur noch auf Reserveenergie.


Aber er hatte sich geirrt, was das Thema der Unterredung anging. Sobald sie in einer stillen Ecke angekommen waren, wo man sie nicht mehr unauffällig belauschen konnte, sprach der Alphawolf eine ganz andere Sache an. Es ging um Sakura Mitsumo. Offenbar zog Thiuro in Betracht, sie dauerhaft zum Ersatz von Lieutenant Drask zu machen, vielleicht auch eine Beförderung. Doch bevor er diese Entscheidung traf, wollte er Chetts Meinung über sie wissen. Das brachte den Yaga-Minoer in eine ziemlich blöde Situation. Was antwortete man auf eine solche Frage? Er war geteilter Meinung über Sakura. Wenn er nicht auch Negatives über sie sagen wollte, müsste er seinen Vorgesetzten belügen. Aber das konnte leicht weitere Konflikte nach sich ziehen. Schon jetzt war er mehr Außenseiter, als ihm auf Dauer lieb sein konnte; sich noch den Ruf eines Mannes einzuhandeln, der seine Kameraden anschwärzte, war nicht in seinem Sinne. Und auch in den Himmel loben wollte er nicht. Chett verstand sich in erster Linie als Soldat und die Pflichterfüllung als seine oberste Aufgabe. Den Staffelführer zu belügen, um eine Kameradin zu begünstigen, die er nicht einmal besonders mochte, lag einfach nicht in seiner Natur. Kurzum: Er wünschte, Thiuro hätte ihm diese Frage nicht gestellt. Aber nun, da sie einmal ausgesprochen war, kam er nicht um eine Antwort herum. Zweimal räusperte er sich, um eine zusätzliche Sekunde zu gewinnen, in der er sich seine Antwort überlegen konnte, bevor er - sichtlich verunsichert - antwortete:

»Sir, wenn Sie einen Jäger für mich haben, fliege ich in den nächsten Einsatz, unter wem Sie wollen. Das ist Ihre Entscheidung und ich werde sie nicht in Frage stellen. Meine persönliche Meinung von Officer Mitsumo wird sich nicht auf meine Pflichterfüllung auswirken.«

Leider gab sich der Alphawolf damit noch nicht zufrieden. Sein forschender Blick ruhte weiter auf Chett und ließ keinen Zweifel daran, dass er mehr von ihm hören wollte.

»Ich bin jetzt zum zweiten Mal mit Officer Mitsumo geflogen, die Testflüge nicht mitgerechnet. Ich denke nicht, dass ich sie gut beurteilen kann. Sie ist eine gute Pilotin und beherrscht ihre Maschine, zweifellos. Als Anführerin, naja... teilweise hat's gut geklappt. Am Anfang haben wir gut zusammen funktioniert, wie ich finde. Aber sie hat dann ein paar Entscheidungen getroffen, die...«

Er hielt inne, suchte nach einer Formulierung, die der Wahrheit nahe genug kam, ohne missgünstig oder überheblich zu klingen. Er fragte sich, ob die anderen im Raum ihn nicht doch hören konnten. Verdammt, warum hatte Aiden ihn für dieses Gespräch nicht in ein Büro oder eine andere diskrete Umgebung gebeten! Da könnte er freier von der Leber weg reden. Nun musste er jedes Wort auf die Goldwaage legen, doch darin war er nicht sehr gut.

»Ich glaube, sie war sich nicht sicher, was sie will. Hat zu sehr daran gezweifelt, ob sie das Richtige macht. Am Anfang war ihr Kurs sehr hart, sie hat die Zügel kurz gehalten und ein klares Ziel verfolgt. Wenn sie dabei geblieben wäre, hätten wir vielleicht noch bessere Leistungen abliefern können. Aber dann hat sie hier und da Befehle gegeben, die nicht gut dazu passen wollten. Ich glaube, die Erkenntnis, dass sie die Scimitar-Pilotin geopfert hat, hat ihr den Schneid abgekauft; danach hat sie versucht, alles doppelt richtig zu machen, und das Gegenteil war der Fall. Sie war nicht mehr bissig genug für diese Art von Kampf.

Sir, soweit ich das beurteilen kann, hat Mitsumo genug fliegerisches Können, taktisches Geschick und auch den Überblick, um eine Rotte zu koordinieren. Aber wenn sie eine wirklich gute Anführerin werden soll, muss sie härter werden. Mit einem sonnigen Gemüt und dem Wunsch, es allen rechtzumachen, gewinnt man keine Schlachten. Ich hab' kein Problem damit, ihre Befehle zu befolgen...«
›Ich muss sie ja nicht mögen‹, fügte er im Geist hinzu. »Aber es wär' leichter, ihre Pläne konsequent durchzuziehen, wenn ich wüsste, dass sie dazu auch bereit ist.«

[Weltraum | Iridonia-System | MAR Hoplite | Trainingsraum] Chett Nectu, Aiden Thiuro, Sakura Mitsumo, Mengsk, Irimore, Synn, Caranthyr
 
[: Iridonia-System :||: Achte Gefechtsflotte; Vierte Flottille; Zehnte Kampfgruppe :||: MAR „Hoplite“ | Trainingsraum :||: Captain Aiden Thiuro und Officer Nectu; etwas abseits Officer Synn, Officer Irimore, Officer Mengsk, Officer Caranthyr und Officer Mitsumo (?) :]

Man konnte Chett Nectu die fehlende Begeisterung ansehen als ihn der Bastioner plötzlich zu einem spontanen Vier-Augen-Gespräch zitierte. In diesem Augenblick kam dem Pilot Officer kein einziges Widerwort über die Lippen. Stattdessen folgte er gehorsam dem Staffelführer in eine Ecke, um dann tatsächlich über Sakura Mitsumos mögliches Führungspotenzial zu sprechen. Denn der Captain war derzeit durch seine sonstigen Pflichten so sehr abgelenkt, dass er den unterschwelligen Ärger nicht bemerkte, der in der Einheit herrschte und sich allmählich ausbreitete. Er hatte keine Ahnung davon, dass der dunkelhäutige Yaga-Minoer und sein Staffelkamerad Amon Synn seit dem Ereignis in der Pilotenmesse der „Defender“ zerstritten waren und es dementsprechend nur eine Frage der Zeit war bis die Fetzen endgültig flogen. Nein, in diesem Punkt war Aiden Thiuro tatsächlich blind.

Mit dem Ernst, den man gewohnt war, antwortete der imperiale Pilot:
„Sir, wenn Sie einen Jäger für mich haben, fliege ich in den nächsten Einsatz, unter wem Sie wollen. Das ist Ihre Entscheidung und ich werde sie nicht in Frage stellen. Meine persönliche Meinung von Officer Mitsumo wird sich nicht auf meine Pflichterfüllung auswirken.“

Unwillkürlich musste der „Alphawolf“ schlucken. Immerhin streifte der rangniedere Pilot auf diese Weise gleich zum Anfang einen Punkt, der ihm insgeheim ebenfalls Magenschmerzen bereitete wie die akute Frage über die Führung der Dritten Rotte: Das Nachschubproblem der „Wolves“. Zur Zeit konnte der Bastioner noch nicht absehen, ob und wann ihnen die Ressortleitung neue Sternjäger zur Verfügung stellte. Für ihn war es demzufolge im Moment vorstellbar, dass man die Elitestaffel von der hiesigen Front tatsächlich wieder abziehen würde – jedenfalls in dem einen Szenario, in dem er sich nicht ein weiteres Mal in eine Abhängigkeit zur beinah allmächtigen KOMENOR begab. Unter Umständen rieb sich in diesem Moment Sage Doha, der für sie zuständige Funktionär der Einheit, schon die dicklichen Hände. Bei diesem Gedanken drehte sich bei dem Captain der Magen um...

„Diese Einstellung ist löblich, Mr Nectu, entgegnete der „Alphawolf“ trotz der Gedanken genauso trocken wie sein Gegenüber. „Dennoch beeinflussen uns unsere persönlichen Meinungen. Wenn wir die Verluste in dieser Staffel klein halten wollen, müssen wir auch weiterhin an einer soliden Basis für eine gute Zusammenarbeit feilen.“ Er musterte Nectu einen Moment lang sehr genau. „Sprechen Sie also offen, Officer.“

Erneut konnte man für einen flüchtigen Augenblick Widerwillen bei dem Piloten sehen. Doch blieb ihm letztendlich keine Wahl. So fuhr der Yaga-Minoer am Ende fort: „Ich bin jetzt zum zweiten Mal mit Officer Mitsumo geflogen, die Testflüge nicht mitgerechnet. Ich denke nicht, dass ich sie gut beurteilen kann. Sie ist eine gute Pilotin und beherrscht ihre Maschine, zweifellos. Als Anführerin, naja... teilweise hat's gut geklappt. Am Anfang haben wir gut zusammen funktioniert, wie ich finde. Aber sie hat dann ein paar Entscheidungen getroffen, die...“

Weil der Captain im Vorfeld schon mit der betreffenden Pilotin gesprochen hatte – und sie ziemlich selbstkritisch gewesen war –, war er nun gespannt. Er hob sogar unwillkürlich eine Augenbraue an, um zu zeigen, dass nun seine gesamte Aufmerksamkeit auf dem Piloten ruhte. Hatte Nectu eventuell die selben Kritikpunkte wie Mitsumo? Während er die Ohren spitzte, rief er sich im Hinterkopf die Details ins Gedächtnis, die er im Gespräch mit der Pilot Officer direkt von ihr erfahren hatte. Immer mehr fokussierte Aiden mit kühlem Blick seinen Gegenüber. Er brauchte diese Informationen. Das Bestehen des „Wolves' Squad“ – nicht mehr, nicht weniger – stand auf dem Spiel. Schließlich hatten sie ausreichend Feinde in den eigenen Reihen. Feskin und seine schmierigen Lakaien warteten bloß auf einen Fehler seinerseits.

So fügte Nectu – eventuell aufgrund des Blicks – hinzu:
„Ich glaube, sie war sich nicht sicher, was sie will. Hat zu sehr daran gezweifelt, ob sie das Richtige macht. Am Anfang war ihr Kurs sehr hart, sie hat die Zügel kurz gehalten und ein klares Ziel verfolgt. Wenn sie dabei geblieben wäre, hätten wir vielleicht noch bessere Leistungen abliefern können. Aber dann hat sie hier und da Befehle gegeben, die nicht gut dazu passen wollten. Ich glaube, die Erkenntnis, dass sie die Scimitar-Pilotin geopfert hat, hat ihr den Schneid abgekauft; danach hat sie versucht, alles doppelt richtig zu machen, und das Gegenteil war der Fall. Sie war nicht mehr bissig genug für diese Art von Kampf.“

Der Yaga-Minoer ging hart, äußerst hart mit seiner Kameradin ins Gericht. Unweigerlich stellte sich für den „Alphawolf“ die Frage, ob er letztendlich nicht selbst – in der Hitze des blutigen Gefechts – eine falsche Entscheidung getroffen hat. Hätte er möglicherweise eher Nectu das Kommando geben sollen? Hätte er Mitsumo auf diese Weise – notgedrungen – düpieren sollen? Fragen regten sich mit einem Mal in ihm. Ja, erneut spürte Aiden die Bürde des Befehlshabers. Jede einzelne Entscheidung barg die Gefahr, dass hinter der nächsten Ecke – wenn es also längst zu spät war – eine viel bessere Alternative wartete. Kurzzeitig zuckte seine rechte Augenbraue nervös. Insgeheim hasste er dieses Gefühl. Doch bevor er diesen Gedankengang weiter verfolgen konnte, ergriff der Pilot Officer noch einmal das Wort.

Er zog ein Fazit:
„Sir, soweit ich das beurteilen kann, hat Mitsumo genug fliegerisches Können, taktisches Geschick und auch den Überblick, um eine Rotte zu koordinieren. Aber wenn sie eine wirklich gute Anführerin werden soll, muss sie härter werden. Mit einem sonnigen Gemüt und dem Wunsch, es allen rechtzumachen, gewinnt man keine Schlachten. Ich hab' kein Problem damit, ihre Befehle zu befolgen...“ Kurz hielt der grimmige Pilot inne. „Aber es wär' leichter, ihre Pläne konsequent durchzuziehen, wenn ich wüsste, dass sie dazu auch bereit ist.“

„Ich kann Sie natürlich verstehen, Mr Nectu, erwiderte der Bastioner nach einem kurzen Moment des Überlegens. Allmählich hatte er das Gefühl, dass das Treffen einer Entscheidung in diesem Fall doch nicht so einfach werden würde wie er anfangs angenommen hatte. „In der Schlacht braucht es selbstsichere Führungsfiguren, keine Frage. Schließlich haben wir – neben unserem eigenen Talent – nur durch die Weitsicht unserer direkten Vorgesetzten überlebt.“ Unwillkürlich dachte er plötzlich an Janson Sez. Was hatte ihn damals dazu bewogen ausgerechnet Aiden und Kyra zu Rottenführern zu ernenne? „Wie steht es mit Ihnen? Würden Sie sich das Führen einer Rotte vorstellen können?“

[: Iridonia-System :||: Achte Gefechtsflotte; Vierte Flottille; Zehnte Kampfgruppe :||: MAR „Hoplite“ | Trainingsraum :||: Captain Aiden Thiuro und Officer Nectu; etwas abseits Officer Synn, Officer Irimore, Officer Mengsk, Officer Caranthyr und Officer Mitsumo (?) :]
 
[Weltraum | Iridonia-System | MAR Hoplite | Trainingsraum] Chett Nectu, Aiden Thiuro, Sakura Mitsumo, Mengsk, Irimore, Synn, Caranthyr

Skeptisch verzog Chett Nectu das Gesicht. Aiden Thiuros Frage überraschte ihn sehr. Er hätte nicht für möglich gehalten, dass man ihn für die Rolle eines Staffelführers in Betracht ziehen würde: Er war ein Neuling bei den Wolves, ein Welpe, und konnte noch nicht viel vorweisen. Er wusste natürlich auch nicht, ob das quasi eine Art Angebot seitens des Alphawolfs war, oder nur eine Gedankenspielerei; vielleicht sogar nur der Wunsch, zu erfahren, wie Chett sich selbst einschätzte. Er mochte es nicht, analysiert zu werden. Und sich selbst zu analysieren... das war wirklich schwer, schwerer noch als jemand anderen zu beurteilen. Aber auch hier kam er wohl nicht um eine Antwort herum. Er zögerte mehrere Sekunden und kratzte sich nachdenklich am Kinn, bevor er antwortete:

»Schwierige Frage, Sir. Ich hab' sie mir bisher noch nicht gestellt - dachte nicht, dass sowas schon spruchreif wäre.«

Noch einmal ordnete er seine Gedanken, räusperte sich und fuhr fort:

»Ich glaube, bei mir ist's genau das Gegenteil von Officer Mitsumo. Ich habe kein Problem damit, Entscheidungen zu fällen, auch von der unschönen Sorte, und dann notfalls bis zum bitteren Ende durchzusetzen. War immer schon der Meinung, dass der Krieg harte Maßnahmen erfordert und auch Leute, die sie ausführen. Daran wird's nicht mangeln.

Aber ich habe den Defender erst in zwei Gefechten geflogen. Ich bin noch zu sehr mit dem Jäger selbst beschäftigt und kann selbst nicht sagen, ob ich drei davon koordinieren könnte. Man müsste das mal im Simulator austesten. Wenn ich raten müsste, würde ich aber sagen, ich bin eher der Mann, der Befehle ausführt, als der, der sie gibt.«


Ja, im Ausführen von Befehlen - ohne sie infrage zu stellen oder moralisch zu bewerten - war er recht gut, das hatten auch frühere Vorgesetzte schon bemerkt und genutzt. In seiner alten Staffel war er derjenige gewesen, dem man Anweisungen von zweifelhafter Natur gab, bei denen andere Offiziere vielleicht Bedenken geäußert hätten. Er war sich dessen bewusst, aber es machte ihm nichts aus. Nicht, dass er jemals versucht hätte, ein Bad-Boy-Image zu kultivieren; aber er war einfach der Ansicht, dass es im Krieg keine Schonung, keine Rücksicht geben durfte und jede Art von Zurückhaltung, egal ob aufgrund eines irgendwie gearteten Ehrbegriffs oder persönlicher Skrupel, reine Dummheit war. Vermutlich stand das auch irgendwo in seinem psychologischen Profil. Wenn Aiden Thiuro aber bisher noch nicht gewusst hatte, dass Chett der Mann für solche Angelegenheiten war, dann verstand er es wohl jetzt. Als Führungskraft konnte er sich hingegen nicht sehen.

Es war gut möglich, dass er sich mit dieser kritischen Selbsteinschätzung eine Beförderung versaute. Aber die Zeiten, in denen er noch von einem Aufstieg auf der Karriereleiter geträumt hatte, waren schon länger her. Ein höherer Sold interessierte ihn kaum - sie hatten sowieso schon seit einer geraumen Weile nicht mehr die Gelegenheit gehabt, das Geld in einer Weise auszugeben, die seinen Neigungen entsprach. Darüber hinaus war es dem Tod ganz egal, welches Abzeichen man trug, und von dem Prestige hatte man hinterher auch nichts mehr: Ruhm war mindestens so vergänglich wie das Leben selbst. Wenn man ganz von persönlichen Vorteilen absah und nur das Wohl der Staffel und den Sieg im Blick hatte, konnte das Urteil eigentlich nur so lauten:


»Captain, wenn Sie jemanden finden, der die eine Hälfte von mir und die andere von Mitsumo hat, geben Sie dem den Posten. Wenn das Ihre einzigen beiden Optionen sind, haben Sie die Wahl zwischen der Hardan-Seuche und der Cardonianischen. Wenn ich die Entscheidung treffen müsste, würde ich aber Mitsumo nehmen. Kann sein, dass sie die Rotte in den Untergang führt, wer weiß das schon. Sie hat wenig Autorität, aber wenigstens vertrauen ihr die Leute. So wie mein Stand in der Staffel ist, weiß ich nicht mal, ob mir jemand überhaupt aus dem Hangar heraus folgen würde.«

[Weltraum | Iridonia-System | MAR Hoplite | Trainingsraum] Chett Nectu, Aiden Thiuro, Sakura Mitsumo, Mengsk, Irimore, Synn, Caranthyr
 
[: Iridonia-System :||: Achte Gefechtsflotte; Vierte Flottille; Zehnte Kampfgruppe :||: MAR „Hoplite“ | Trainingsraum :||: Captain Aiden Thiuro und Officer Nectu; etwas abseits Officer Synn, Officer Irimore, Officer Mengsk, Officer Caranthyr und Officer Mitsumo (?) :]

Sowohl als Rottenführer als auch als Stellvertreter des Staffelführers hatte Aiden das Phänomen, das manche pathetisch als die „Bürde“ des Kommandanten bezeichneten, bloß in einem kleinen, äußerst kleinen Maße kennengelernt. Es war höchstens ein Vorgeschmack gewiesen. Nun war er tatsächlich für elf weitere Piloten – sowie das notwendige Zusatzpersonal der Einheit – verantwortlich und just in diesem Moment, als der Weg, den sie zu gehen hatten, nicht klar vor seinen Augen war, fühlte es sich wie eine Last an. Jede Entscheidung schien falsch zu sein. Hinzu kam noch eine Ungewissheit, die sein sonst so ruhiges Inneres aufwühlte, dass er sich sogar immer mehr selbst als „Alphawolf“ – als Nachfolger von Janson Sez und Jacen Foster – ablehnte. Ja, der Bastioner fühlte sich momentan nicht würdig in solch große Fußstapfen getreten zu sein – und dabei hatte seine Einheit im Iridonia-System einen Sieg errungen!

Nectu, der die Frage höchstwahrscheinlich nicht gekommen hatte sehen, musterte ihn mit einer sehr skeptischen Miene, kratzte sich dabei nachdenklich am Kinn und antwortete dann mit brummender Stimme:
„Schwierige Frage, Sir. Ich hab' sie mir bisher noch nicht gestellt - dachte nicht, dass sowas schon spruchreif wäre.“

Mit solch einer ersten Reaktion hatte der Imperiale natürlich – irgendwie – gerechnet. Insbesondere im Hinblick auf Mitsumo, die gemeinsam mit dem Yaga-Minoer in einer Rotte flog und zudem ein paar Monate länger bei den „Wolves“ war, wäre solch eine Entscheidung auch überaus grenzwertig seitens der Staffelführung. Ohne irgendwelche triftigen Gründe schickte es sich eigentlich nicht an, dass man den einen Offizier einfach so überging. Und in diesem Fall zeigte die erste Reaktion, dass die beiden (augenscheinlichen) Kandidaten anscheinend alles andere als überaus erpicht auf diesen Posen waren. Obwohl Aiden tief in seinem Inneren von Unsicherheit und Ratlosigkeit geplagt war, musterte er den Untergebenen weiterhin mit ernster Miene. Zwangsläufig würde er in den nächsten Tagen eine Entscheidung – zum Wohle der ganzen Staffel; zum Wohle der Fottenführung – treffen müssen. Eine andere Wahl hatte er nicht.

Der Pilot Officer schob bloß ein paar Sekunden später noch eine Erklärung hinterher:
„Ich glaube, bei mir ist's genau das Gegenteil von Officer Mitsumo. Ich habe kein Problem damit, Entscheidungen zu fällen, auch von der unschönen Sorte, und dann notfalls bis zum bitteren Ende durchzusetzen. War immer schon der Meinung, dass der Krieg harte Maßnahmen erfordert und auch Leute, die sie ausführen. Daran wird's nicht mangeln.Das waren offenkundig die Pro-Argumente, die er zu seiner Person selbst ins Feld führte. Während die eisblauen Augen des Captain weiter auf ihm ruhten, fuhr er mit dem Negativen fort: „Aber ich habe den Defender erst in zwei Gefechten geflogen. Ich bin noch zu sehr mit dem Jäger selbst beschäftigt und kann selbst nicht sagen, ob ich drei davon koordinieren könnte. Man müsste das mal im Simulator austesten. Wenn ich raten müsste, würde ich aber sagen, ich bin eher der Mann, der Befehle ausführt, als der, der sie gibt.“

Ja, Chett Nectu hatte diesen hochmodernen TIE wirklich erst in zwei Gefechten geflogen, aber sehr viel weiter war seine Kontrahentin – sofern man davon sprechen konnte – auch nicht. Oder musste man die Sechste Schlacht um Corellia etwa unter Umständen anders bewerten? War der Vorsprung, den Mitsumo hatte, doch größer? Neue Fragen sowie neue Blickwinkel stürzten mit einem Mal auf den Staffelführer ein. Irgendwie brachten ihn diese Gespräche nicht voran. Sie zeigten ihm nur noch mehr auf in welchem Dilemma seine Einheit eigentlich steckte! Für eine Mikrosekunde ballten sich seine Hände zu Fäusten – bis da weiße Stellen auftauchten, wo sich die Knöchel befanden, und sich die Nägel ein kleines Bisschen in die Haut drückten. Er hasste den Gedanken, dass er die „Wolves“ bloß zur Schlachtbank brachte, außerordentlich. Jedoch zeichnete es sich für ihn mehr und mehr als die endgültige Wahrheit ab. Captain Aiden Thiuro wickelte bloß das Erbe dieser glorreichen Staffel ab bis die Leitung des Sternjägerkorps sie begrub.

„Ich danke Ihnen auch in diesem Punkt für Ihre offenen Worte, Officer“, entgegnete der Pilot nach einer ganzen Minute voller Schweigen. Im Hintergrund schielten die anwesenden Staffelkameraden noch immer von Zeit zu Zeit nach den beiden. „Sowohl Officer Mitsumo als auch Sie sind überaus fähige Piloten. Sie haben es beide nicht ohne Grund in diese Einheit geschafft. So wie ich Vertrauen in Sie und Ihre Fähigkeit haben, sollten Sie das auch tun.“ Obwohl für einen flüchtigen Moment der Impuls da war, unterließ es der Bastioner die Hand auf die Schulter des Yaga-Minoers zu legen. Er hielt es – schon allein aufgrund der einen Tatsache, dass man sich doch eigentlich zu wenig kannte – für vollkommen unangebracht. Im ernsten Tonfall griff er kurz darauf den Gesprächsfaden wieder auf und sagte: „Lassen Sie mich noch eine kleine Geschichte erzählen... Noch bevor wir, die 'Wolves', damals bei Bilbringi in die Schlacht zogen – und mithalfen das Galaktische Imperium zu dessen glorreichen Sieg zu führen –, berief mich der damalige Staffelführer, Colonel Janson Sez, zum Führer der Dritten Rotte. Im ersten Moment mag das nicht ungewöhnlich klingen, aber bis zu diesem Zeitpunkt kannte ich den TIE/D bloß aus Simulationen und ein paar wenigen Einsatzflügen ohne Feindkontakt. Probleme hatte ich demnach genauso … und trotzdem sehen Sie mich nun hier als Ihren Vorgesetzten vor sich stehen. Das meine ich mit Selbstvertrauen. Sie sind talentiert genug, glauben Sie mir.“ Kurz glitt sein Blick zu Mitsumo. „Nichtsdestotrotz haben Drask und ich in dieser Sache noch keine Entscheidung gefällt.“

Damit war – jedenfalls aus Aidens Warte – eigentlich Alles gesagt. Grundsätzlich sah er bei beiden Pilot Officers das Potenzial zum Rottenführer. Zwar mochte der Yaga-Minoer ziemlich kühl wirken und innerhalb der Staffel eher die Rolle des Außenseiters einnehmen, aber genoss man zu viel Nähe, machte man sich am Ende Vorwürfe wie es Mitsumo tat. Auf der anderen Seite jedoch basierte ein Rotte nicht nur auf der Grundlage, dass alle das fliegerische Talent des kommandierenden Offiziers respektierten oder gar bewunderten. Soziale Komponenten, die Nectu unter Umständen fehlten oder längst unter traumatischen Erlebnissen verschüttet waren, brachten das nötige Vertrauen mit, dass in gefährlichen Situationen die Flügelmänner zusammenhalten ließ. Niemand, der bei klarem Verstand war, folgte einem freiwillig in den Tod. Ja, in dieser Situation konnte man tatsächlich sagen, dass er für Drasks Rotte (unwissentlich) zwei vollkommen gegensätzliche Piloten gefunden hatte.

„Es gibt noch eine andere Sache, die ich mit Ihnen besprechen muss“, fing Aiden auf einmal von Neuem an. „Und zwar geht es um Ihr Sternjäger-Problem. Ich habe in diesem Punkt zwar noch nicht mit Drask, Gyrr und Tonith gesprochen, aber ich kann mir momentan nur schwer vorstellen, dass wir zeitnah einen TIE/D für Sie auftreiben werden. Bastion will Ord Mantell zwar so schnell wie nur möglich erobert wissen – und macht dementsprechend Druck auf die Siebte und Achte –, aber es könnte sein, dass die Flottenführung letztendlich bloß eine Gefechtsflotte in die Schlacht schickt. Womöglich könnten Altairs Schiffe – und damit grundsätzlich auch wir – wieder zum Blockadedienst entsandt werden.“ Insgeheim fiel ihm da Adumar ein, das noch zu den größten Welten des „Eisernen Bundes“ gehörte. „Ich könnte notfalls also nur versuchen, dass man Ihnen ein anderes Modell zur Verfügung stellt.“

[: Iridonia-System :||: Achte Gefechtsflotte; Vierte Flottille; Zehnte Kampfgruppe :||: MAR „Hoplite“ | Trainingsraum :||: Captain Aiden Thiuro und Officer Nectu; etwas abseits Officer Synn, Officer Irimore, Officer Mengsk, Officer Caranthyr und Officer Mitsumo (?) :]
 
[Weltraum | Iridonia-System | MAR Hoplite | Trainingsraum] Chett Nectu, Aiden Thiuro, Sakura Mitsumo, Mengsk, Irimore, Synn, Caranthyr

Dass Aiden Thiuro sich so positiv über Chett Nectus Leistungen äußerte, freute diesen natürlich. Der Yaga-Minoer war ja kein emotionsloser Droide, auch wenn er manchmal so tat. Es war gut, Anerkennung zu erfahren - eine willkommene Abwechslung zu der Feindseligkeit, die er sich eingehandelt hatte. Der Captain war jemand, zu dem man aufsehen konnte; jemand, dem Chett bereitwillig folgte. Vor allem natürlich, weil es seine Soldatenpflicht war, aber auch, weil er dessen Führungsstil schätzte. Er war in dieser Hinsicht natürlich erfahrener als Mitsumo oder Nectu. Bisher hatte er sich nicht merklich aus der Ruhe bringen lassen und seine Ziele ziemlich geradlinig verfolgt. Nicht zuletzt deshalb war die Staffel in den beiden Gefechten bei Iridonia und Ord Cantrell siegreich gewesen und die Verluste hatten sich in Grenzen gehalten, die Chett für mehr als akzeptabel hielt. Dennoch: Die Bedenken, ob er zum Rottenführer taugte, konnte Thiuro ihm nicht nehmen.

»Vielen Dank, Sir«
, antwortete er knapp.

Dass noch nichts entschieden war, bedeutete, er musste sich jetzt noch keine Sorgen machen. Dafür war es noch genug Zeit, wenn man ihm die Verantwortung tatsächlich übertrug. Wenn Drask und Thiuro der Meinung waren, dass er besser für den Posten taugte als Sakura, dann stimmte das wahrscheinlich und er würde sich bestimmt nicht dagegen sperren, sondern - wie immer - sein Bestes tun, um seinen Pflichten nachzukommen. Rein vom Fliegerischen und Taktischen her würde er die Aufgabe bestimmt bewältigen, wenn der Zufall es ihm erlaubte, seine ersten Fehler zu überleben, damit er aus ihnen lernen konnte. Allerdings hatte Nectu nicht so deutlich gesagt, in welchem Bereich er besonders skeptisch war: Abermals im Zwischenmenschlichen. Sobald er eine Führungsrolle innehatte, verlangte die von ihm, sich in seine Untergebenen - selbst wenn es nur einer oder zwei waren - hineinzudenken, sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Entweder würde er daran scheitern oder es würde ihn die Distanz zu seinen Kameraden kosten, ihn emotional anfällig machen gegen ihre Stimmungen und Probleme und vor allem ihren Tod. Das wollte er nicht. Aber das war kein guter Grund, um eine eventuelle Beförderung zurückzuweisen, das war ihm natürlich klar. Nunja, wahrscheinlich fiel die Wahl sowieso auf Mitsumo - spätestens nachdem er zugegeben hatte, dass auch er selbst sie vorziehen würde. Man gab so einen Job ja niemandem, der sich selbst für die zweite Geige hielt.

Dann kam der Alphawolf noch einmal auf das Problem zu sprechen, dass die Staffel derzeit nicht nur mit Piloten und Führungskräften, sondern auch mit Jägern unterbesetzt war. Auf die Schnelle einen neuen TIE-Defender zu beschaffen, schien nicht im Bereich des Wahrscheinlichen zu liegen. Die Wolves waren in der Praxis wohl doch ein ganzes Stück entfernt von dem Glanz und Prestige, die ihnen die Propaganda andichtete. Seit sie auf einer Korvette stationiert waren und ihnen offenbar auch das COMPNOR keine große Aufmerksamkeit mehr widmete, wurde das umso offensichtlicher. Sie hatten es ungefähr so schwer wie zweitklassigere Staffeln auch und mussten in Fragen des Personals und Nachschubs eben nehmen, was sie bekommen konnten. Das galt auch für Nectu. Im Geiste ging er die geläufigen Jägertypen des Imperiums durch. Vom veralteten Standard-TIE-Jäger bis zum Avenger gab es eine große Bandbreite an Maschinen, die in die Kategorie "anderes Modell" passten. Letzterer oder ein Raketenboot ließe sich von Geschwindigkeit und Flugeigenschaften her am leichtesten mit einer Defender-Staffel kombinieren. Aber Chett bezweifelte, dass man als Ersatz für die modernste Technik dann eben die zweitmodernste zur Verfügung stellen würde.

»Ich fliege alles, was Sie mir hinstellen«, sagte er. »Aber wenn es nicht auf einen TIE/D oder ein ähnlich leistungsstarkes Modell hinausläuft, sondern eher auf eine der alten, schildlosen Klassen, dann wäre ein Interceptor das Sinnvollste. Mit dem Typ bin ich zwei Jahre unterwegs gewesen und gut vertraut. Er kann nicht mit dem Defender mithalten, egal wer ihn fliegt und wie gut, aber er ist auch bei weitem nicht so nutzlos, wie viele sich einreden lassen. Wer fliegt schon gerne ohne Schilde... aber abgeschossen werden kann man sowieso immer, egal worin man sitzt.«

Das hatten Leven und Vitaan ja leider gerade unter Beweis gestellt. Auch einige andere Staffelmitglieder hätten den Einsatz nicht überlebt, hätten sie nicht auf satte 200 SBD Schildleistung zurückgreifen können. Aber Chett Nectu konnte nicht sagen, womit seine Überlebenswahrscheinlichkeit stärker sinken würde: Mit einem neuen, schildgeschützten Modell, mit dessen Steuerung und Flugeigenschaften er unzureichend vertraut war, oder mit dem empfindlichen Stück Aluminiumfolie, bei dem er jedes Knöpfchen und Hebelchen im Schlaf fand.

[Weltraum | Iridonia-System | MAR Hoplite | Trainingsraum] Chett Nectu, Aiden Thiuro, Sakura Mitsumo, Mengsk, Irimore, Synn, Caranthyr
 
[: Iridonia-System :||: Achte Gefechtsflotte; Vierte Flottille; Zehnte Kampfgruppe :||: MAR „Hoplite“ | Trainingsraum :||: Captain Aiden Thiuro und Officer Nectu; etwas abseits Officer Synn, Officer Irimore, Officer Mengsk, Officer Caranthyr und Officer Mitsumo (?) :]

Die grimmige Miene, die für Chett Nectu anscheinend so typisch war, änderte sich kein bisschen als er letztendlich in einem nüchternen Tonfall zu seinem Staffelführer sagte: „Ich fliege alles, was Sie mir hinstellen. Aber wenn es nicht auf einen TIE/D oder ein ähnlich leistungsstarkes Modell hinausläuft, sondern eher auf eine der alten, schildlosen Klassen, dann wäre ein Interceptor das Sinnvollste. Mit dem Typ bin ich zwei Jahre unterwegs gewesen und gut vertraut. Er kann nicht mit dem Defender mithalten, egal wer ihn fliegt und wie gut, aber er ist auch bei weitem nicht so nutzlos, wie viele sich einreden lassen. Wer fliegt schon gerne ohne Schilde... aber abgeschossen werden kann man sowieso immer, egal worin man sitzt.“

In beiden Punkten hatte der Elitepilot natürlich Recht. Das Sternjägermodell als schnellen Ersatz zu nehmen, das er schon in- und auswendig kannte, war ohne Zweifel der logistische Schritt. Denn auf diese Weise stiegen dessen Überlebenschancen ein bisschen mehr, obwohl ein TIE/In über keinerlei Deflektorschilde – anders als beispielsweise der TIE-Avenger oder TIE-Defender – verfügte. Nein, für Aiden war dieser Gedankengang in der Tat vollkommen logisch und höchstwahrscheinlich hätte er in Gegenwart seines kleinen „Stabs“ ähnlich argumentiert. Des Weiteren sprach der Yaga-Minoer selbstverständlich auch in dem Punkt die Wahrheit, dass der Tod nicht einmal vor einem modernen Sternjäger Halt machte. Es konnte einen überall ereilen. Thlan, Vitaan und Leven konnten in diesem Fall als tragische Referenzen herhalten. Kurz zuckte die rechte Augenbraue des Bastioner.

„Ich hatte mit so einer Antwort schon gerechnet“, sagte er am Ende. Sein Blick ruhte weiterhin auf dem Pilot Officer als er hinzufügte: „Vor meiner Zeit bei den 'Wolves' flog ich ebenfalls einen TIE-Interceptor. Er wäre demnach also nach auch meine erste Wahl, wäre ich in Ihrer Situation.“ Er hielt kurz inne, dachte nach. „Trotzdem werde ich alle Kräfte mobilisieren, die wir zur Verfügung haben. Ich kann mir gut vorstellen, dass die 'Guards' oder 'Ruffians' vielleicht noch einen ganz brauchbaren TIE/ad übrig haben. Das dürfte dann auch nah an Ihrem Interceptor sein...“

Ja, mit Fosters Unterstützung konnten sie unter Umständen eine beschildete Maschine für den Pilot Officer auftreiben ohne gleich erneut auf die einflussreichen Beziehungen sowie finanziellen Mittel der KOMENOR zurückgreifen zu müssen. Denn schon jetzt fühlte sich der Captain überhaupt nicht wohl dabei, dass seine geliebte Staffel von dieser scheinbar allmächtigen Institution mehr und mehr zu einem reinen Propagandainstrument umfunktioniert wurde. Weil er das Gefühl, dass man ihn ein so schmieriger Kerl wie Sage Doha in der Hand hatte, abgrundtief hasste, brannte tief in ihm immer mehr das Bestreben diese Ketten zu sprengen; unabhängiger zu werden. Doch solche Dinge konnte er nicht einem einfachen Piloten seiner Einheit anvertrauen. Nein, in seiner Position als Staffelführer musste er diese Bürde allein tragen, vollkommen allein. Ein weiteres Mal sprang sein Blick zu den rangniederen Kameraden, die noch immer an den Geräten trainierten.

„Nun gut. Ich denke, Sie haben mir ausreichend Rede und Antwort gestanden“, brach der Bastioner auf einmal sein knapp einminütiges Schweigen. „Sie können sich nun Ihrer sportlichen Betätigung widmen, Officer.“

Beide Piloten deuteten kurz ein Nicken an und dann trennte sich ihre Wege wieder. Jedoch kehrte er nicht zur Hantelbank zurück, sondern verließ stattdessen den Trainingsraum der „Hoplite“. Ihm war aufgrund der geführten Gespräche klar geworden, dass er vor den Problemen, obwohl sie momentan so riesig erschienen, nicht weglaufen konnte. Sie holten ihn immer wieder ein. Deshalb machte sich der Bastioner auf den Weg sein (provisorisches) Büro erneut aufzusuchen, um beide Sachen erneut in Angriff zu nehmen. Da ihm Nectus Einsatzbereitschaft für den Augenblick wichtiger erschien als die Frage der Rottenführung – die konnte man auch zu einem späteren Zeitpunkt noch klären –, rief er sowohl seinen Stellvertreter als auch die Quartiermeisterin der Staffel zu sich. Er musste einfach dafür sorgen, dass seine Einheit wenigstens auf dem Papier für die nächste Schlacht bereit war.

***

Die Messe für die einfache Besatzung, die etwa achtzig Flottensoldaten und die wenigen Mitglieder des Sternjägerkorps war an Bord der Marauder-Korvette „Hoplite“ eigentlich zu jeder Mahlzeit gut besucht. Leises Gemurmel und das vereinzelte Kratzen von Besteck auf Geschirr war fast an jedem der langen Tischen zu hören. Und obwohl die angebotene Kost eher schlichter Natur war, schien der Großteil der Anwesenden trotz allem einen echten Heißhunger zu verspüren. Irgendwo zwischen all den uniformierten Männern und Frauen, die vor Beginn ihrer Wache ihr Frühstück zu sich nahmen, saß Aiden an einem Tisch; allein. Lustlos löffelte er den gräulichen Grieß in sich hinein, den ihm die Küchenausgabe, ein Droide, auf einen tiefen Teller serviert hatte. Jedoch war nicht das Essen, das man ihm vorsetzte, das Problem für seine schlechte Laune, sondern die Tatsache, dass er seit knapp zwei Tagen vergeblich nach Lösungen für die Schwierigkeiten suchte, die seine Staffel plagten.

Just in dem Augenblick, als er in der Messe saß und seinen Grieß aß, wälzte er nun zum hundertsten oder gar tausendsten Male das Problem mit der kurzfristigen Beschaffung eines Sternjägers für Pilot Officer Nectu umher. Sowohl über seine Quartiermeisterin als auch höchstpersönlich hatte er in der gesamten Gefechtsflotte nach einer Maschine gefragt, die momentan unbesetzt war. Doch gefunden hatten sie nichts. Das namhafte „Wolves' Squad“ stand offenbar auf verlorenem Posten da. Obwohl der Kontaktmann der KOMENOR nicht auf der Marauder war, konnte der Captain in einer ruhigen Minute dessen arrogante Stimme hören. Er sah den dicklichen Kerl im Geiste sogar vor sich. Erneut kochte Wut in ihm auf. Hatte seine Staffel nicht – in Zusammenarbeit mit den Scimitar-Bombern – das mandalorianische Schlachtschiff der Kedalbe-Klasse ausgeschaltet, bevor dessen Beschuss das Trägerschiff „Defender“ komplett zerstört hatte? Hatten sie dafür nicht etwas Dank, etwas Respekt verdient? Unwillkürlich wurde der Griff um den Löffel fester.

Es war am Ende Drask, der ihn aus seinen Gedanken holte. Noch immer in Verbände gehüllt, ließ er sich ihm gegenüber nieder und berichtete:
„Es kommt Bewegung in die Sache. Laut den aktuellsten Meldungen haben die Adumari bei Wistril wohl einen recht großen Nachschubkonvoi überfallen. Es geht nun das Gerücht um, dass Teile der Achten ausrücken sollen – vorerst für eine Blockade.“

„Ein Nachschubkonvoi?“, fragte Aiden sogleich. „Dann sinken unsere Chancen auf einen Ersatz für Nectus Maschine ja noch mehr...“

Der Chiss nickte. Im ernsten Tonfall entgegnete er: „Auf der anderen Seite stehen die Chancen gut, dass man uns bei der Achten lässt. Bei der momentanen Lage werden Altair und Dirpa diese Flotte bestimmt nicht noch mehr schwächen. Jeder Mann, jede Frau wird zur Zeit gebraucht.“

Drask hatte Recht. Weil die Adumari mit ihren Überfällen den Druck auf das Galaktische Imperium erhöhten und damit einen Gegenschlag zweifelsohne provozierten, mussten der Admiral und seine Chief Marshal mit den vorhandenen Kräften selbstverständlich ordentlich haushalten. Ein Abziehen irgendwelcher Kampfeinheiten, die unter Soll waren, konnten sie sich in dieser Situation nicht mehr so leicht leisten. Insgeheim atmete Aiden auf. Zwar hatte er das Problem weiterhin nicht gelöst, aber er gewann ein paar Stunden oder gar Tage hinzu. Schweigend nahm er einen weiteren Löffel Grieß zu sich. Der Appetit war noch immer nicht zu ihm zurückgekehrt. Langsam, ganz langsam sah er zu seinem früheren Flügelmann empor. Loyal stand ihm der Chiss zur Seite; trotzte genauso wie er all den aufkommenden Widrigkeiten. Ja, er war froh, dass Drask über Iridonia nicht erwischt hatte; so wie Vitaan oder Leven aus dem Leben geschieden war.

[: Iridonia-System :||: Achte Gefechtsflotte; Vierte Flottille; Zehnte Kampfgruppe :||: MAR „Hoplite“ | Mannschaftsmesse :||: Captain Aiden Thiuro und Flight Lieutenant Drask; zahlreiche Besatzungsmitglieder und Flottensoldaten im Hintergrund an anderen Tischen sitzend :]
 
- Deputy Secretary Levy Flim, COMPNOR, Coalition for Progress –


[Iridionia-System, Achte Gefechtsflotte, ISD II Executor, Korridor]- Levy Flim


Es war auf dem Korridor in Richtung der Brücke des Sternenzerstörers, als eine der Verwaltungsdrohnen, die Levy Flim beim gröbsten Papierkram in seinem provisorischen Büro an Bord des Flaggschiffs der Achten Gefechtsflotte unterstützten, schließlich zum Deputy Secretary aufschloss. Der verhältnismäßig junge Mann in der schmucklosen Arbeitsuniform der Kommission trug einen Stoß Datenkarten und einen Datenblock mit sich und versuchte mit hektischen Rufen, seinen Vorgesetzten auf sich aufmerksam zu machen.

„Mr. Secretary! Mr. Secretary!“

Mit einem unhörbaren Seufzen blieb Flim stehen und warf einen Blick über seine Schulter. Ja, es war Dranek, einer seiner Assistenten. Frisch ausgebildet auf Bastion – und entsprechend enthusiastisch.

„Deputy Secretary Flim!“

Mit einem Schnaufen kam der andere Mann zum Stehen und hätte dabei um ein Haar die Hälfte seiner Datenkarten auf dem blankpolierten Boden verteilt.

„Darf… darf ich Sie zu Ihrem Auftritt beglückwünschen, Sir? Es kam eben über den Analysekanal der Kommission – Sie haben es diesen Aliens wirklich gezeigt!“

Unwillig verzog Flim das Gesicht. Zweifelsohne spielte Dranek auf seine Teilnahme an einer Gesprächsrunde zum Thema der Krise um den „Eisernen Bund“ an, an der er für die COMPNOR teilgenommen hatte – alleine unter Aliens, gefährlichen Radikalen und Söldnern. Alleine die Erinnerung an die zweiköpfige Moderatorin der an eine Farce grenzenden Veranstaltung drehte dem Deputy Secretary den Magen um. Und dieser bornierte Senator der Republik… Kreaturen wie diese ließen Flim den Vertrag von Umbara jeden Tag aufs Neue verfluchen.

„Ab und an führt uns unser Dienst für die Kommission an Orte, die wir üblicherweise lieber meiden würden“, erwiderte der daher kurz angebunden.

„Wir können nicht erlauben, dass die Rebellen ihre scheinheilige Propaganda widerspruchslos im ganzen Sektor und darüber hinaus verbreiten.“

Und dann war da noch diese seltsame „Friedensgesellschaft“… er würde sich persönlich beim Direktor und dem Aufsichtskomitee dafür einsetzen, sie auf der Liste imperiumsfeindlicher Organisationen ganz oben einzuordnen. Wenn dieser lächerliche Frieden dann irgendwann vorbei war, würden Demagogen wie Qualto ein ganz anderes Lied singen… und danach langsam und qualvoll in einem Kerker des ISB verrotten.

„Wäre sonst noch was, Dranek? Ich will zum Admiral.“

„Ja, Sir!“

Hektisch fummelte er andere eine Datenkarte aus seinem Stapel hervor.

„Die jüngsten Updates zu Adumar, Sir!“

Mürrisch nahm Flim die Datenkarte entgegen und verstaute sie in einer Tasche seiner Uniform. Eine weitere Erinnerung daran, dass die Krise noch lange nicht ausgestanden war, ungeachtet dessen, was er im „Great Talk“ behauptet haben mochte. Vor der Achten Gefechtsflotte lag noch die eine oder andere Herausforderung… umso wichtiger, dass die geplante Beförderungszeremonie nunmehr schnell über die Bühne gebracht wurde, bevor sie zum nächsten Kriegstheater aufbrachen.

„Gehen Sie wieder an Ihre Arbeit.“

Folgsam trollte der Assistent sich und Flim setzte seinen Weg in Richtung der Brücke fort. Die dort postierten Wachen wussten es mittlerweile besser, als zu versuchen, ihn aufzuhalten, doch wie zum ersten Mal fühlte der die Blicke fast aller Brückenoffiziere auf sich lasten – auch wenn es lediglich Admiral Altair war, der sich offen zu ihm umdrehte und sich eine missmutige Verzerrung seiner Gesichtsmuskulatur erlaubte.

„Deputy Secretary Flim. Ich habe soeben den Kommandanten der Hoplite angewiesen, der 152sten auszurichten, dass sie binnen einer Standardstunde auf dem Flaggschiff erwartet werden. Der Haupthangar wird in diesem Moment für die Zeremonie hergerichtet – in Absprache mit Ihren Leuten, natürlich.“

Flim nickte knapp.

„Danke, Admiral. Damit sollten wir pünktlich zu einer Liveschalte zum „Patriot’s Update“ von Imperial Channel 4 auf Sendung sein können.“

Altair wölbte beide Augenbrauen.

„Wenn Sie eine Livesendung mit diesen Jockeys riskieren wollen, Mr. Secretary…?“

Flim gestattete sich ein kühles Lächeln.

„Die Wunder der Technik machen so einiges möglich, Admiral.“

Er nickte dem Befehlshaber der Achten Gefechtsflotte zu.

„Ich sehe Sie dann im Hangar.“

[Iridionia-System, Achte Gefechtsflotte, ISD II Executor, Brücke]- Levy Flim, Admiral Altair, Besatzung
 
[Weltraum | Iridonia-System | MAR Hoplite | Quartier] Chett Nectu, Aiden Thiuro, Sakura Mitsumo, Mengsk, Irimore, Synn, Caranthyr

Der Befehl, sich für ein Übersetzen auf die Executor bereit zu machen, kam unerwartet. Er unterbrach die Ankündigung, dass die Staffel zunächst ein wenig wohl verdiente Freizeit genießen dürfte. Noch überraschender war es, dass von den Piloten gefordert wurde, in Galauniform anzutreten. Diese gehörte zu dem neuen Kleidungssatz, den Chett Nectu bekommen hatte, er hätte aber nicht gedacht, dass er sie so bald schon tragen würde. Während er sie anlegte, dachte er darüber nach, was sie wohl auf dem Sternenzerstörer der Imperial-II-Klasse erwarten würde. Seine Gedanken drifteten in verschiedene Richtungen; letztlich kam er aber zu dem Schluss, dass es bestimmt um eine propagandistische Inszenierung ging. Wahrscheinlich wollte man ein paar gute Bilder von strahlenden Helden in ebenso strahlender Uniform, die man als Aushängeschilder für den Sieg bei Iridonia verkaufen konnte. Wenn das stimmte, hatte Sage Doha seine Arbeit mit den Wolves also noch nicht ausgegeben und die Versetzung auf die Hoplite bedeutete nicht, dass es gelungen war, das COMPNOR abzuhängen. Nur teilte man dort wohl die Meinung, dass eine Korvette der Marauder-Klasse kein geeignetes Umfeld für eine solche Inszenierung war, und zog daher die glanzvollere Kulisse eines Sternenzerstörers vor. Chett beschloss, dass es ihm völlig egal sein sollte. Es brachte überhaupt nichts, sich über die Propaganda aufzuregen. Und da es sowieso nur wenige Möglichkeiten gab, seine Freizeit auf der Korvette zu gestalten, wenn man keine Kontakte pflegte, hatte er auch nicht das Gefühl, etwas zu verpassen. Den anderen Staffelmitgliedern ging es womöglich anders: Zumindest hatte Amon Synn leise vor sich hin geflucht, als er in die Kabine zurückgekehrt war, um sich zurechtzumachen, und Nectu glaubte, dass diese Verwünschungen eher dem Befehl gegolten hatten als seiner Person.


Die beiden Zimmergenossen sprachen auch jetzt kein Wort miteinander. Die herrschende Stimmung konnte man nur als unterkühlt bezeichnen. Offene Feindseligkeit gab es zu diesem Zeitpunkt nicht, aber sie gingen sich aus dem Weg, so gut die einigermaßen beengten Verhältnisse es zuließen. Während Chett sich im Schlafraum aufhielt, stand Synn vor dem Spiegel in der kleinen Hygienezelle, wo er sich vermutlich gerade rasierte. Die Wangen des Yaga-Minoers fühlten sich leicht rau an, aber ein Bartschatten war nicht zu sehen, so dass er sich diese Vorbereitung sparen konnte. Geduscht hatte er nach dem Training auch, also musste er sich eigentlich nur in die Uniform stecken, um abreisebereit zu sein. In Gedanken versunken bemerkte er erst beim letzten Knopf, dass er sich vertan hatte, und musste von vorne anfangen; erst dann hatte er die hoch schließende, graue Uniformjacke an, in der er vermutlich trotz seiner geringen Größe recht schneidig aussah. Allerdings schien ihm die Jacke im Bauchbereich ein wenig zu weit zu sein: Entweder hatte man keine neue Uniform gehabt, die genau seinen Maßen entsprach, oder er hatte in den letzten Tagen unbemerkt abgenommen. Viel gegessen hatte er tatsächlich nicht, wenn er so darüber nachdachte, aber Hunger oder Appetit verspürte er auch jetzt nicht. Beiläufig wischte er noch einmal über die Schuhe, damit sie schön glänzten, dann war er fertig.

Chett Nectu wartete nicht auf seinen Mitbewohner und der hätte das auch nicht zu schätzen gewusst. Wortlos verließ er den Raum und ging in Richtung Hangar. Er hatte noch ein wenig Zeit, also gab es keinen Grund, das schiffsinterne Transportsystem zu nutzen. Stattdessen nahm er lieber den etwas längeren Weg über Treppen und Rampen, wo er zwar diversen Besatzungsmitgliedern der Hoplite, aber keinen Staffelkameraden begegnete. Auf diese Weise erreichte er den Hangar schließlich doch als einer der Letzten; auch Synn war schon eingetroffen. Wie üblich hielt er sich am Rand der Gruppe auf und versuchte nicht, mit jemandem ins Gespräch zu kommen - das beruhte auf Gegenseitigkeit. Alle Wolves, sowohl Piloten als auch technisches Personal, trugen ihre guten Uniformen; manchen allerdings sah man noch an, dass sie in der Schlägerei gegen die Scimitar-Piloten einer Faust nicht rechtzeitig ausgewichen waren. Sie würde man wohl schminken oder elektronisch retuschieren müssen, wenn wirklich Werbeaufnahmen für die Streitkräfte gemacht werden sollten.

Das Shuttle war startbereit. Eigentlich fehlte nur noch die Staffelspitze: Captain Thiuro und sein engster Stab. Sobald auch sie eintrafen, konnte der Flug losgehen. Vielleicht würde man den Piloten dann auch sagen, auf welche Art von Veranstaltung sie sich einstellen mussten. Die allgemeine Neugier war nicht gerade klein.

[Weltraum | Iridonia-System | MAR Hoplite | Hangar] Chett Nectu, Aiden Thiuro, Sakura Mitsumo, Mengsk, Irimore, Synn, Caranthyr
 
[: Iridonia-System :||: Achte Gefechtsflotte; Vierte Flottille; Zehnte Kampfgruppe :||: MAR „Hoplite“ | Hangar :||: Captain Aiden Thiuro, „Wolves“, Lieutenant Commander Amadis und ein paar seiner Leute :]

Herausgeputzt – also: in der pechschwarzen Galauniform der Imperialen Streitkräfte, mit poliertem Rangabzeichen und sämtlichen Auszeichnungen, die er bis dato erworben hatte, an der Brust sowie einer Hand auf dem prunkvollen Paradesäbel – betrat der athletische Bastioner den kleinen Hangar der Marauder-Korvette „Hoplite“. Ernst strahlte seine Miene aus als er einen flüchtigen Blick in die Runde der wenigen Anwesenden warf. Kurzfristig, überaus kurzfristig hatte man seine Einheit und ihn befohlen per Truppentransporter das nahe Flaggschiff der Achten Gefechtsflotte, den Imperial-II-Sternzerstörer „Executor“, aufzusuchen. Obwohl nur sehr wenige Stunden seit der Herausgabe der knappen, inhaltslosen Order vergangen waren, kursierten selbst auf dem kleinen Kriegsschiff schon das eine oder andere Gerücht über den möglichen Grund. Dabei stand die Erklärung, man wolle die Gefallenen in einer feierlichen Zeremonie verabschieden, derzeit am höchsten im Kurs – aber daran glaubte der Captain nach all den Jahren im Krieg nicht mehr.

'Ord Mantell, Korvaii und Adumar leisten noch Widerstand', resümierte der Staffelführer in seinen Gedanken und näherte sich dabei langsam einer anderen, uniformierten Gestalt. 'Bevor diese Welten nicht kapituliert haben oder ein Teil von uns sind, werden wir kaum zum Feiern kommen.' Hätte der Bastioner Pilot den Kommandanten der „Hoplite“, Lieutenant Commander Amadis, nicht schon bei seiner Ankunft auf dem Kriegsschiff getroffen, hätte er spätestens jetzt – anhand der drei goldenen Streifen (zwei dick, einer dünn) sowie dem Rangabzeichen – erkannt, dass es sich bei dieser Person – für die Verhältnisse, die an Bord der Marauder-Korvette herrschten – um einen relativ ranghohen Flottenoffizier handeln musste. Freundlich lächelte ihm der Mensch, der einen kuriosen Schnauzer im Gesicht hatte und einen recht blassen Teint besaß, zu.

Nachdem Aiden zur Begrüßung – und selbstverständlich aus obligatorischer Respektsbekundung – kurz vor Yavesk Amadis salutiert hatte, sagte dieser sogleich im Plauderton:
„Captain, schön Sie zu sehen. Unsere Sentinel wartet schon auf Ihre Untergebenen und Sie...“

„Geben Sie uns bitte noch zwei, drei Minuten, Sir“, entgegnete der „Alphawolf“ dem Commander trocken. „Normalerweise sind meine 'Wolves' bloß das Fliegen in ihren Maschinen gewohnt … und da trägt man Pilotenkluft statt Galauniform.“

Obwohl der Scherz nicht unbedingt originell war – und der Erzähler zudem kein echtes Talent dafür besaß – lachte der Kommandant auf einmal herzlich, nickte ihm zu und zwirbelte dann kurz an dem Schnauzer. Danach wandte er sich wieder ganz unverblümt den eigenen Untergebenen zu. Weil man offenkundig über „Flottendinge“ sprach, sah Aiden von einem Einstieg in das laufende Gespräch ab und kehrte stattdessen lieber zu Seinesgleichen zurück. Drask nickte ihm knapp zu. Gerade als man über die nächsten Schritte sprach, die man noch zu tun gedachte, öffnete sich plötzlich die Tür zum Hangar mit einem leisen Zischen und der Rest der Staffel – hauptsächlich einfaches Personal – kam herein. Sie waren vollzählig; der Flug zur „Executor“ konnte demnach beginnen. Begleitet von dem schrillen Trillern einer Bootsmannspfeife begaben sich die Anwesenden zu dem Transporter.

Doch bevor das Shuttle der Sentinel-Klasse starten konnte, mussten sich die Passagiere im Inneren erst auf ihre Plätze setzen. Da auch solch eine Kleinigkeit beim Militär protokollarisch geklärt war, kostete das zwangsläufig Hin und Her selbstverständlich einige Minuten. Unter dem strengen Blick des Lieutenant Commander scheuchten der „Alphawolf“ und sein Stellvertreter das eigene Personal auf die richtigen Plätze. Dabei fielen ihm beiläufig die sehr verstohlenen Blicke auf, die so manches Mitglied der Korvettenbesatzung, die ihren Kommandanten begleiteten, den beiden uniformierten Damen – Flight Lieutenant Samin und Pilot Officer Mitsumo – zuwarfen. Lüstern waren sie. Anscheinend hatten diese armen Gestalten nun für die nächsten Tage oder gar Wochen ein neues Objekt, das sie in ihren feuchten Träumen begehren konnten. Leise seufzend ließ sich der athletische Bastioner auf die Sitzbank fallen. Dann setzte sich der Truppentransporter auch schon in Bewegung.


[: Iridonia-System :||: Achte Gefechtsflotte; Vierte Flottille; Zehnte Kampfgruppe :||: Landungsschiff der Sentinel-Klasse | Passagierbereich :||: Captain Aiden Thiuro, „Wolves“, Lieutenant Commander Amadis und ein paar seiner Leute :]
 
[Weltraum | Iridonia-System | MAR Hoplite | Hangar] Chett Nectu, Aiden Thiuro, Sakura Mitsumo, Mengsk, Irimore, Synn, Caranthyr

Irrtum: Die Ankunft von Captain Thiuro und den anderen hochrangigen Offizieren der Staffel bedeutete nicht, dass man die Piloten darüber aufklärte, weshalb sie sich in Galauniform auf der Executor zu melden hatten. Chett Nectu hatte in dieser Hinsicht falsch spekuliert. Entweder hielt man es schlichtweg nicht für nötig, sich den unteren Rängen zu erklären, oder es sollte aus irgendeinem Grund eine Überraschung sein... oder man hatte auch den Alphawolf nicht informiert. Das konnte der Yaga-Minoer sich nicht wirklich vorstellen, aber ausschließen konnte er es auch nicht. Wie so oft, fällte er bewusst die Entscheidung, dass es ihm egal war, und verdrängte die Fragen aus seinem Hirn. Spekulation half nichts - ganz egal ob er wusste oder ahnte, was auf sie zukam, er konnte ja doch nichts daran ändern und musste die Dinge nehmen, wie sie kamen. Im Grunde war es das gleiche Gefühl, dem Schicksal ausgeliefert zu sein, wie im Gefecht; nur mit dem Unterschied, dass man hier nicht sterben konnte. Zumindest war auch das sehr unwahrscheinlich.

Der dunkelhäutige Pilot blieb schweigend am Rand der Gruppe, wo ihn nur gelegentlich ein gleichgültiger oder missbilligender Blick streifte. Als der Befehl kam, sich in das Shuttle zu begeben, folgte er diesem ebenso schweigend. Der Passagiertransporter hatte genug Sitzplätze für alle Staffelmitglieder, einschließlich des nicht-fliegenden Personals, und es gab Regelungen, die vorsahen, wer welchen Platz zu wählen hatte - streng geordnet nach Rang und Funktion. Der Haken war nur, dass es überaus selten vorkam, dass eine Staffel wie die Wolves mit einem Sentinel zu einem galauniformtauglichen Ereignis flogen, ergo gab es ein wenig Verwirrung, bis alle auf ihren Pläzten saßen. Die Sessel waren schmal und nicht sonderlich bequem gepolstert - es war offensichtlich, dass dieses Schiff nicht darauf ausgelegt war, hohe Würdenträger zu transportieren. Aber wer sonst in einer schweren, schweißnassen Kluft in einer winzigen Kabine saß, in der nicht einmal eine Atmosphäre herrschte, konnte sich mit Wenigem zufrieden geben. Chett gehörte auch nicht zu denjenigen, die am liebsten alleine flogen und denen es schwer fiel, anderen Piloten zu vertrauen. In der Reihe hinter ihm tuschelte jemand darüber, dass einer der Repulsor-Stabilisatoren wohl nicht richtig justiert war und wieso die Besatzung des Shuttles das nicht hörte. Nectu verdrehte die Augen. Als würde das eine Rolle spielen. Als könnte der Maulheld (wer auch immer es war - er sah sich nicht um, um nachzusehen) es besser. Ihm genügte es, von A nach B zu kommen. Das würde der Shuttlepilot wohl hinbekommen - der wollte schließlich auch wieder heil landen.


Es gab aber einen anderen Grund, warum er sich in das Cockpit eines Jägers gewünscht hätte: Der Passagierraum des Shuttles war ihm einfach zu voll. Er war hier von seinen Kollegen regelrecht umzingelt; in keine Richtung konnte er blicken, ohne jemanden anzusehen. Obwohl alle - wenn überhaupt - nur mit stark gedämpfter Stimme sprachen, herrschte ein gewisser Geräuschpegel, der deutlich machte, wie viele Menschen und Aliens sich in dem kleinen Schiff befanden. Keine Möglichkeit, einander aus dem Weg zu gehen. Keine Chance, sich an den Rand zu stellen, um der Gruppe als solche zu entgehen. Chett hasste solche Situationen, in denen er aus rein technischen und protokollarischen Gründen nicht anders konnte, als mittendrin zu sein und so zu tun, als gehöre er dazu. Das war nicht der Fall: Seit der Schlägerei gegen die Scimitars war das deutlicher denn je.

Auch nicht so recht war ihm, dass er neben Sakura Mitsumo saß. Doch da sie Rottenkameraden waren, sah die Sitzordnung das vor und es gab nichts daran zu rütteln. Nur kurz ließ er seine Augen in ihre Richtung streichen und bereute es sogleich wieder, denn als ihre Blicke sich trafen, war der Konflikt deutlich zu spüren. Sie waren seit ihrem ersten Treffen auf Bastions Mond nun schon mehrmals aneinander geraten. Wer daran schuld war, darüber könnte man wohl streiten. Sie hatten einfach Wesensarten, die nicht miteinander kompatibel waren. Nectu war direkter und rücksichtsloser, als im Umgang mit der eigentlich so freundlichen Kollegin geboten war, und Sakura wiederum tat sich schwer damit, die Distanz zu wahren, die Chett für sich einforderte. Er musste jedoch einsehen, dass er sich bei der letzten Konfrontation keinen Gefallen getan hatte. Er hatte die Pilotin nicht beleidigen wollen, hatte es jedoch getan, indem er ihr in einem verletzlichen Moment mit seiner forschen Art zu nahe getreten war. Das war der Moment gewesen, in dem er den schmalen Grat verlassen hatte, der ihn als Außenseiter am Rand der Gruppe hielt, ohne ihn jedoch zum Hassobjekt seiner Gefährten zu machen. Er hatte es in seinem Bestreben, sich einen Raum der Abgeschiedenheit zu schaffen, deutlich übertrieben. War dies der richtige Moment, die Dinge wieder geradezurücken? Sollte er Mitsumo auf den Vorfall ansprechen? Ihn war nicht wohl dabei. Es war nicht möglich, das in einer Weise zu tun, in der kein anderer es hören konnte, und wenn sie (oder jemand anders) eine Szene daraus machte, konnte er nicht einfach aus dem Weg gehen, sondern musste sich der Situation stellen. Andererseits gab es aber einen guten Grund, damit nicht zu warten: Die Unterredung mit Aiden Thiuro ließ ahnen, dass er und Sakura nicht mehr lange auf gleicher Ebene miteinander reden konnten. Wenn sie permanent oder zumindest für längere Zeit zur Rottenführerin ernannt wurde, würde er dieses Gespräch künftig mit einer Vorgesetzten führen, was es sicher nicht leichter machte.

Nachdem sie ein Weilchen nebeneinander gesessen hatten und es nicht mehr lange dauern konnte, bis die Executor erreicht war, entschied Chett sich für das Wagnis. Er drehte sich halb zu Sakura hinüber und sagte so leise, dass es hoffentlich möglichst wenige Unbeteiligte mitbekamen:

»Ich glaube, ich sollte mich bei Ihnen entschuldigen...«

Mehr sagte er nicht. Das war nicht wirklich eine Entschuldigung, aber es kam ihr so nahe, wie er es überhaupt konnte. Mehr wollte ihm nicht über die Lippen kommen. Und zu mindestens sechzig Prozent hoffte er, dass auch die hübsche Kollegin es erst einmal bei einer wortlosen Zurkenntnisnahme belassen würde. Für eine Diskussion inmitten all der Leute fühlte er sich nicht gewappnet. Seine emotionalen ›Schilde‹ hatten sich nach der Nachricht vom Tod seiner Schwester noch nicht regenerieren können.

[Weltraum | Iridonia-System | unterwegs von der MAR Hoplite zur ISD-II Executor | Sentinel] Chett Nectu, Aiden Thiuro, Sakura Mitsumo, Wolves
 
[Weltraum | Iridonia-System | unterwegs von der MAR Hoplite zur ISD-II Executor | Sentinel] Chett Nectu, Aiden Thiuro, Sakura Mitsumo, Wolves

Das Gespräch mit Aiden hatte Sakura dazu veranlasst nachzudenken. Über sich, über das was sie wollte, was sie erreichen und worin sie ihre Zukunft sah. Natürlich würde es einiges mehr an Arbeit bedeuten sollte sich ihr Vorgesetzter dazu entschließen ihr vorläufig die Rottenführung anzuvertrauen. Sie wäre damit nicht mehr die kleine Pilotin, welche einfach nur noch Befehle ausführte, diese hinunterschluckte und sich sonst kaum Gedanken machen musste - jedenfalls konnte man dies so sehen, wenn man sich als einfachen Pioten betrachtete - eine Rottenführung bedeutete hingegen Verantwortung zu übernehmen und dies über zwei weitere Leben. Sie hatte die Führung kurzzeitigg übernommen als Drask verschwunden war - als unklar gewesen war ob dieser sein Leben hatte lassen müssen - hatte dies getan ohne nachzudenken und weil es jemand hatte tun müssen. Zum anderen aber auch weil sie sich verantworlich gesehen hatte. Sicherlich, Nectu hätte dies auch tun können, aber dies hatte sie vermeiden wollen. Ein Gedanke welcher ihr erst jetzt im nachhinein gekommen war. Warum? War es aus dem Grund gewesen weil sie es ihm nicht zutraute? Weil sie ihn nicht akzeptiert hätte? Weil sie mit seinen Befehlen womöglich kollidiert wäre, es nicht hätte verantworten können? Es war nicht so das sie etwas gegen ihn hatte - wenn auch seine persönliche Einstellung ihr nicht gefiel - so wusste sie einfach, dass Nectu in seiner Art unweigerlich Befehle erteilt hätte mit denen sie nie einverstanden gewesen wäre. Einen Pluspunkt besaß er jedoch, er würde gerade nach vorn gehen, würde durchziehen was er befahle und würde nicht mit sich ringen. Nicht so wie sie es getan hatte und dieser Punkt war einer der sie belastet hatte. Würde sie Nectu als Rotteführer akzeptieren können, ja oder nein?

Sie ging in sich, dachte über die Frage nach und was sie fand war eindeutig. Sie würde ihn nicht akzptieren! Genau dies würde zu einem Problem werden. Letztlich würde ihr nichts anders übrig bleiben als es zu akzeptieren - jedenfalls insoweit, dass sie seinen Befehlen würde folge leisten müssten - und allein dies würde schon eine Herausforderung werden. Nectu hatte ihr ohnehin bewiesen, dass er sie nicht mochte. Sein Verhalten ihr gegenüber war alles nur nicht das netteste. Seine harten, unverschämten und absolut nicht gerechtfertigen Worte bei der Prügelei in der Messe - für jene war sie nicht verantworlich gewesen - sie hatte nicht einmal mitgemacht hatten dafür gesorgt, dass sie beide sich aus dem Weg gingen. Klar war auch, dass Nectu ebensowenig mit ihr als Rottenführerin einverstanden sein würde. Jedenfalls schätzte sie dies so. Eine weitere Frage war, wollte sie die Führung überhaupt? Wollte sie die Verantwortung über weitere Leben übernehmen? Der Tod von einem Mitglieder der Bomber hatte ihr zugesetzt - wohlgemerkt er hatte - würde sie dies wieder ertragen? Sie war Pilotin, sie wusste das der Tod allgegenwertig war. Wenn sie vorankommen wollte, wenn sie irgendwann einmal vielleicht selbst eine Posten wie diesen haben wollte der von Thiuro begleitet wurde, dann würde sie daran arbeiten müssen.

Sakura biss die Zähne aufeinander. Wo lag ihre Zukunft also? Wäre sie damit zufrieden nur Pilotin zu sein? Auch wenn sie diesen Job liebte, mit Leib und Seele Piloten war so war sie sich eines mitlerweile sicher - nicht zuletzt da Aiden mitlerweile ein großes Vorbild für sie geworden war und sie ihm nacheifern wollte - sie sah ihre Zukunft weiter oben. Sie wollte irgendwann mehr. Sie konnte Verantwortung tragen und ja es würde Veränderungen bedeuten und sie würde sich dann nicht mehr irritieren lassen können. Entweder sie handelte konkret, zog durch was sie als Befehl ausgab oder aber sie würde niemals die Hürde schaffen. Wie auch immer sich Thiruo entscheiden würde, sie hatte ihren Entschluss gefasst, jedenfalls was ihre Zukunft anging und damit besaß sie einen kleine Vorteil. Wenn man etwas unbedingt wollte und alles daran setzte, dann schaffte man es auch.

Die junge Frau fuhr erst aus ihren Gedanken, als Nectu sie ansprech, welcher neben ihr platz genommen hatte. Die Wolves würden das Schiff wechseln und zwar zur Executor. Sie blickte den dunkelhäutigen an und zog dann eine Braue in die Höhe. SIch entschuldigen? Wow, damit hatte sie nicht gerechnet und wahrscheinlich fiel es ihm auch nicht leicht. Bewundernswert war diese also durchaus. Wie also damit umgehen? Nachtragend war sie nicht, auch wenn er sie damit durchaus verletzt hatte. Allerdings sollte sie über solchen Nichtigkeiten stehen und allein um iher merkwürdigen Beziehung willen sollte sie es vergessen und seine Entschuldigung annehmen ansattt noch siedendes Öl ins Feuer zu schütten. Sie wollte Ruhe, sie wollte sich nicht mit ihn anlegen und sie war nicht erpicht darauf eine Beziehung mit ihm einzugehen. Freundschaft wollte er keine also akzeptierte sie dies. Ein gutes Verhältnis wäre dennoch angebracht. Immerhin würden sie zusammen fliegen und wären auch so weiterhin Kollegen. Demnach würde sie auf seine Entschuldigung auch höfflich reagieren anstatt ihm etwas an den Kopf zu werfen. Zum Glück war der eigenen Stolz etwas was sie gut hinunterschlucken konnte.

"Alles in Ordnung. Wir mögen uns nicht gut verstehen, Mister Nectu, besonders weil jeder von uns seine ganz eigenen Ansicht hat und diese kollidieren. Vergessen wir das ganze einfach und konzentieren uns darauf weiterhin so gut es geht zusammen zu arbeiten!"

Dies war alles was sie dazu sagte. Sie glaubte kaum das er viel würde sagen wollen und er schien auch so ein wenig aus der Spur zu sein. Demnach lehnte sie sich zurück. Sie befanden sich ohnehin gerade im Anflug auf die Executor.

[Weltraum | Iridonia-System | unterwegs von der MAR Hoplite zur ISD-II Executor | Sentinel] Chett Nectu, Aiden Thiuro, Sakura Mitsumo, Wolves
 
[: Iridonia-System :||: Achte Gefechtsflotte; Vierte Flottille; Zehnte Kampfgruppe :||: Landungsschiff der Sentinel-Klasse | Passagierbereich :||: Captain Aiden Thiuro, „Wolves“, Lieutenant Commander Amadis und ein paar seiner Leute :]

Leises Gemurmel erfüllte den kargen Passagierraum. Obwohl – oder gerade weil – niemand wusste, weshalb sie so kurzfristig und zudem in Galauniform auf das Flaggschiff der Achten zitiert wurden, unterhielten sich die meisten Passagiere doch ziemlich angeregt. Mutmaßungen über Mutmaßungen gaben manche ihren mindestens genauso unwissenden Kameraden zum Besten, während sich in der Zwischenzeit das Landungsschiff der Sentinel-Klasse zielstrebig der „Executor“, einem Imperial-II-Sternzerstörer, näherte. In seiner vollen Größe – und darüber hinaus ohne all die Schäden der letzten Schlacht – wirkte das silbergraue Schlachtschiff selbst für so kampferprobte Männer und Frauen des namhaften „Wolves' Squad“ imposant. Nein, für das Gros der Passagiere an Bord dieses schlichten Landungsschiffes bestanden keinerlei Zweifel daran, dass allein die Sternzerstörer dieses Typs DAS Rückgrat der imperialen Vormachtstellung in der Galaxie waren.

Seiner Stellung innerhalb der eigenen Einheit entsprechend saß Captain Aiden Thiuro auf dem Flug zum Flaggschiff gleich neben dem Kommandanten der Marauder-Korvette „Hoplite“. Jedoch hatten sich sowohl der Bastioner Elitepilot, noch der Lieutenant Commander auf diesem kurzen Flug nicht gerade sehr viel zu erzählen. Nach dem knappen Austausch weniger Höflichkeiten behielten es sich beide lieber vor zu schweigen und den eigenen Gedanken nachzuhängen. Genau aus diesem Grund beschäftigte sich der Staffelführer – den man vereinzelt einen flüchtigen, verstohlenen Blick zuwarf – erneut mit den momentanen Problemen seines Kommandos. Sollte er an Bord der „Executor“ die schlechte Ersatzpolitik der Achten gegenüber Marshal Dirpa ansprechen? Oder sprach die Tatsache, dass selbst ein gestandener Anführer wie Jacen Foster nichts ausrichten konnte, dafür, dass nun das Ende der „Wolves“ bevorstand?

Gleich einem passionierten Intriegenschmied beugte sich auf einmal Drask zu seinem Vorgesetzten herüber und raunte ihm zu:
„Hätten wir unseren Leuten vor dem Abflug noch etwas sagen sollen?“

„Was hätten wir ihnen denn sagen sollen?“, fragte Aiden im Flüsterton zurück. „Wir wissen ja selbst nicht einmal, weshalb wir gestriegelt und geputzt auf dem Flaggschiff erscheinen sollen...“

Der Chiss brummte. „Diese Geheimniskrämerei kann einen krank machen.“

Tatsächlich konnte sich der „Alphawolf“ eine bessere Beschäftigung vorstellen als aus irgendeinem fadenscheinigen – höchstwahrscheinlich propagandistischen – Grund auf dem grauen Sternzerstörer der Imperial-II-Klasse in Galauniform zur Musterung anzutreten. Insbesondere im Hinblick auf die Überfälle adumarischer Kampfeinheiten auf imperiale Nachschubkonvois forderten seiner Meinung nach ausreichend Augenmerk seitens der Achten Gefechtsflotte. Wieso kümmerte sich der Admiral nicht darum? Wieso entsandte man nicht ausgeruhte Kräfte? Nach den momentanen Eindrücken, die der Captain hatte, schien Iridonia weitestgehend „befriedet“ zu sein, um einen allmählichen Abzug der Truppen zu rechtfertigen. 'Jede Minute, die hier ereignislos verstreicht, dient dem Feind nur zum Sammeln seiner Kräfte!' Grübelnd rieb sich der Bastioner das breite, rasierte Kinn. Was ging bloß in Altair vor? Welche Überlegungen ließen ihn zögern?

Obwohl man im Inneren nichts davon merkte, leitete das Landungsschiff inzwischen das Landen im Haupthangar der „Executor“ ein. So nahm der Pilot einen Großteil der Energie aus den Triebwerken und leitete sie stattdessen sukzessiv in die Repulsoren um. Zur gleichen Zeit kümmerte sich der Co-Pilot darum, dass das fliegende Vehikel die Landekufen ausfuhr, während derweil die beiden langen Seitenflügel hochgeklappt wurden. Letztendlich schwebte das Ding, das hauptsächlich bloß für den raschen Transport von Bodentruppen zur Planetenoberfläche gedacht ist, gleich einer bauähnlichen Lambda-Fähre in den riesigen Bereich ein, wo Shuttles sowie weitere Transportmittel militärischen Typs schon regungslos standen. Erst nachdem das weiße Landungsschiff das Dämmfeld hinter sich gelassen – und dementsprechend in eine künstliche Atmosphäre eingedrungen war –, nahm man im Inneren Notiz von dem Landevorgang. Sowohl das beruhigende Brummen der Repusloren, als auch das leichte Rütteln musste dem einen oder anderen vertraut vorkommen.

In einer routinierten Bewegung, die auch für dessen Führungsqualitäten sprach, erhob sich plötzlich Lieutenant Commander Amadis und sagte im gewohnten Befehlston:
„Achtung! Wir haben endlich unser Ziel erreicht. Erheben Sie sich, meine Damen und Herren, streichen Sie noch einmal alle Ihre Uniformen glatt und folgen Sie mir anschließend über die Rampe in den Hangar.“

Natürlich hätte Aiden liebend gern auf diesen (völlig sinnlosen) Ausspruch verzichtet. Denn obwohl er nicht jedem bis in die Tiefen seiner Seele schauen konnte, kannte er seine Leute mittlerweile gut, sehr gut. Sowohl das reguläre Verhalten seiner neun Piloten als auch das des übrigen Personals war ihm in solchen Dingen wohl bekannt. Dennoch nickte er in diesem Moment jedem mit einer ernsten Miene zu, der ihn flüchtig ansah. Im Anschluss richtete er noch einmal äußerst schnell den polierten Verdienstorden, den man der ersten „Wolves“-Generation nach der Schlacht um Bilbringi verliehen hatte, sowie den schneidigen Paradesäbel an seiner linken Hüfte. Beide Sachen hatte er in kürzester Zeit abgehandelt – ein untrügerisches Zeichen dafür wie vertraut ihm inzwischen die pechschwarze Galauniform geworden war. Seiner derzeitigen Position entsprechend folgte er dem Kommandanten der „Hoplite“ anschließend als zweite Person aus dem Landungsschiff der Sentinel-Klasse.

[: Iridonia-System :||: Achte Gefechtsflotte; Erste Flottille; Erste Kampfgruppe :||: ISD II „Executor“ | Haupthangar | Rampe des Landungsschiffs der Sentinel-Klasse :||: Captain Aiden Thiuro, „Wolves“, Lieutenant Commander Amadis und ein paar seiner Leute :]
 
- Deputy Secretary Levy Flim, COMPNOR, Coalition for Progress –

[Iridionia-System, Achte Gefechtsflotte, ISD II Executor, Haupthangar]- Levy Flim, Admiral Altair, Offiziere, Ehrengarde, COMPNOR-Personal

Beiläufig rückte Levy Flim das goldene imperiale Emblem zurück, dass er an einer gleichfarbigen Kette um den Hals trug. Es war die einzige Form von Abzeichen, die der Funktionär der COMPNOR zur Schau stellte, anders als die Offiziere der imperialen Flotte, die im Hangar des Sternenzerstörers – dem Anlass entsprechend - in Galauniform angetreten waren, inklusive des Ehrenspaliers an Flottensoldaten, das die Wolves in Empfang nehmen sollte. Schmuckloser als Flim waren nur die Hangartechniker und das technische COMPNOR-Personal gekleidet, das dafür verantwortlich war, die zahlreichen Holokameradroiden zu überwachen und die Einspeisung der Zeremonie in das imperiale Holonetz zu gewährleisten.

Kurz wanderte Flims Blick in Richtung des Admirals. Altairs Mimik war gänzlich unberührt, daher war schwer einzuschätzen, was der Admiral von dieser kleinen Show halten mochte. Er sah jedenfalls ausreichend schneidig aus in seiner Uniform – durchaus eine Nahaufnahme rechtfertigend. Das würde ihm indes garantiert nicht gefallen, wie der Deputy Secretary mit einem Schmunzeln feststellte.

Sein Blick wanderte weiter zur der kleinen Bühne, die man im Haupthangar der Executor aufgebaut hatte, professionell ausgeleuchtet, umringt von Kameras und bewacht von einer kleinen Ehrengarde der Sturmtruppen, die – wie fast alles hier – mehr der Schau dienten, als tatsächlichen Sicherheitsbedenken. Hier, an Bord des Flaggschiffs der Gefechtsflotte, würde wohl kaum etwas passieren. Aber die Zuschauer auf den zahllosen Welten des Imperiums erwarteten mindestens eine weiße Rüstung, wann immer über die imperialen Streitkräfte berichtet wurde. Flim war mehr als bereit, ihnen zu liefern, was sie sehen wollten.

„Sie kommen, Sir“, wisperte Dranek, sein Assistent, dem Deputy Secretary zu, ungefähr zum selben Zeitpunkt, zu dem dieser selbst bemerkt hatte, dass die Fähre mit der 152sten an Bord das Kraftfeld durchstieß, welches den Sauerstoff im Hangar davor bewahrte, in die Leere des Alls gesaugt zu werden. Flim schüttelte leicht mit dem Kopf. Er wollte nicht darüber nachdenken, wie wenig zwischen ihm und dem Vakuum lag – nicht, dass er sich noch daran erinnern musste, wie sehr er die Raumfahrt eigentlich hasste.

„Scharf beobachtet“, kommentierte er daher trocken und konzentrierte sich auf die langsam aufsetzende Fähre und die Flottensoldaten, die in einer schneidigen Bewegung ihre Waffen präsentierten, kaum dass der erste Pilot der vielgepriesenen Sternenjägerstaffel das Transportmittel verlassen hatte. Er schmunzelte, hielt sich jedoch zunächst im Hintergrund. Für den Moment war das hier ein Spektakel des Militärs, wenngleich den Piloten bei seinem Anblick schnell klar werden würde, welche Stunde geschlagen hatte. Bisher mochten sie nur mit niederen Funktionären der Kommission zu tun gehabt haben – sie würden bald feststellen, dass ein Deputy Secretary aus ganz anderem Holz geschnitzt war.

Wie auch der Admiral stand Flim ganz am Ende der schmalen Gasse, die die Flottensoldaten für die Piloten gebildet hatten, sodass diese ihn und Altair zwangsläufig würden passieren müssen und gar keine andere Wahl hatten, als auf die Bühne zuzusteuern, wo bereits ein rangniederer Offizier mit der Schatulle wartete, in der sich die neuen Rangabzeichen befanden, die in Kürze Captain – dann Major – Thiuros Brust schmücken würde.

Hinter seinem Rücken vollführte Flim das verabredete Handzeichen in Richtung seiner technischen Crew, sodass die imperiale Hymne in deutlicher, aber nicht zu lauter Intensität durch den Hangar schepperte. Zeitgleich begannen die Holokameras mit der Aufzeichnung und – leicht zeitverzögerten – Übertragung. Die Show hatte begonnen.


[Iridionia-System, Achte Gefechtsflotte, ISD II Executor, Haupthangar]- Aiden Thiuro, Chett Nectu, Sakura Mitsumo, der Rest des 152sten, Levy Flim, Admiral Altair, Offiziere, Ehrengarde, COMPNOR-Personal
 
[: Iridonia-System :||: Achte Gefechtsflotte; Erste Flottille; Erste Kampfgruppe :||: ISD II „Executor“ | Haupthangar | Rampe des Landungsschiffs der Sentinel-Klasse :||: Captain Aiden Thiuro, „Wolves“, Lieutenant Commander Amadis und ein paar seiner Leute :]

Kaum hatten die Piloten, die im Galaktischen Imperium teilweise als Kriegshelden gefeiert wurden, einen Fuß aus dem weißen Landungsschiff der Sentinel-Klasse gesetzt, da umringten sie auch schon mehrere Kameradroiden. Etwa zur gleichen Zeit nahm eine größere Zahl an Flottensoldaten, die ein Ehrenspalier gebildet hatten, auf Befehl hin fast schon synchron Haltung an und präsentierten dabei jeweils ihr Gewehr. Kurz blieben Lieutenant Commander Amadis und Captain Aiden Thiuro stehen; ließen den Moment erst einmal einen flüchtigen Wimpernschlag lang auf sich wirken. Eine gewisse Unruhe war bei den schwebenden Droiden zu bemerken. Ruhelos schwirrten sie hin und her – und just in dem Augenblick, als sich die uniformierte „Prozession“ in Bewegung setzte, entfesselten sie mit einem Mal ein grelles Blitzlichtgewitter. Einfach jedem, der bei gesundem Verstand war, musste in dieser Sekunde bewusst werden, dass diese Bilder kurz darauf in der gesamten Galaxie zu sehen waren.

Obgleich bei jedem einzelnen Schritt in ihm der Drang ein Stückchen größer wurde, wenigstens die eigenen Augen mit der Hand abzuschirmen, hielt der Bastioner tapfer durch. Seine linke Hand ruhte die ganze Zeit auf dem Knauf des Paradesäbels, während die andere in einer zackigen, militärischen Bewegung vor und wieder zurück schwang. Er konzentrierte sich eisern auf das Ende des Spaliers, schaltete jegliche Eindrücke, die um ihn herum passierten und auf ihn eindrängen, aus und zeigte so automatisch die gewohnt grimmige Miene eines Staffelführers der „Wolves“. Indem er sich so sehr konzentrierte, bemerkte er natürlich nicht wie hinter ihm Pranay Irimore und Cain DéSkalz freudig in Richtung der Kameradroiden winkten. Im Gegensatz zu dem Captain ließen sich die beiden Pilot Officer anscheinend freiwillig auf diese Inszenierung ein – möglicherweise waren sie sogar solche propagandistischen Darbietungen längst gewohnt.

Näher, immer näher kam das Ende der langen Ehrenformation. Insgeheim zählte Aiden schon jeden einzelnen Schritt bis zum letzten Paar Flottensoldaten. Im Vergleich zu den beiden Piloten, die viel mehr durch ihre überaus einflussreichen Kontakte im Imperium einen Platz in der Sternjägereinheit gefunden hatten als durch ihr fliegerisches Talent, blieb er auch weiterhin vollkommen akkurat. Das mochte dem Inszenator unter Umständen nicht gefallen und unweigerlich die Lage der Staffel noch prekärer werden lassen, aber zu einer willenlosen Marionette der KOMENOR ließ er sich wahrlich nicht machen. Diesen Schwur hatte er schon vor etlichen Wochen – nach der ersten Begegnung mit Sage Doha – abgelegt. Ruhig atmete der Pilot, blendete das Blitzlichtgewitter weiter aus. Selbst als ein kugelrunder Droide urplötzlich vor ihm auftauchte, um eine Nahaufnahme zu machen, bewahrte er weiterhin das eiserne Pflichtbewusstsein eines vorbildlich ausgebildeten Soldaten. Nein, so leicht brachte man ihn nicht aus dem „Gleichgewicht“.

Nachdem Lieutenant Commander Amadis, der Kommandant der „Hoplite“, und er gemeinsam das Spalierende erreicht hatten, salutierten sie – als formelle Respektsbekundung – in einer schneidigen Bewegung vor dem anwesenden Admiral. Ein, zwei Sekunden harrten die beiden Offiziere in dieser strammen, ziemlich unbequemen Körperhaltung aus, blickten dem Flottenkommandeur dabei tief in die Augen und warteten auf dessen Erwiderung. Mit einem recht höflichen Lächeln auf den Lippen erlöste sie der ranghöhere Imperiale letztendlich aus ihrer militärischen Pose, hieß sie an Bord der „Executor“ herzlich Willkommen und entließ sie anschließend zu den anderen Gästen, die zu einem Großteil zur Zehnten Kampfgruppe gehört hatten, die vor zwei Tagen noch hier im Iridonia-System gegen die Mandalorianer gekämpft haben. Unter den Anwesenden machte Aiden deshalb auch auf Anhieb seinen altbekannten Vorgesetzten, Wing Commander Jacen Foster, und Captain Natan Aldor Reed, den Staffelführer der „Ruffians“, aus.

Schmunzelnd begrüßte ihn der ranggleiche Kamerad, klopfte ihn sogar kurz freundschaftlich auf die rechte Schulter und meinte dabei:
„Eigentlich sollte es mich inzwischen nicht mehr wundern, aber das Aufheben, das bei der Ankunft Ihrer Jungs gemacht wurde, kann jeden anderen Piloten hier im Hangar bloß neidisch werden lassen. Ihre Leute sind echte Glückspilze, Mensch!“ Sein Grinsen wurde mit einem Mal noch eine Spur breiter. „Sie kannst also ruhig in die Kamera lächeln, Aiden.“

Natan, in den letzten Stunden habe ich Sie und Ihre Art fast schon vermisst“, entgegnete der andere Pilot mit einer gezwungenen Freundlichkeit und lächelte dabei ein wenig schief. Danach wandte er sich direkt an den vorherigen Staffelführer der „Wolves“. Jacen, hast du eine Ahnung, weshalb wir hierher aufs Flaggschiff kommen sollten?“

Foster zuckte mit den Schultern. „Bis auf ein paar vage Gerüchte habe ich nicht viel mitbekommen. Da aber auch die Scimitars hier sind...“ Er zeigte beiläufig auf die Truppe, die sich der Pilotenmesse der „Defender“ eine wüste Prügelei mit den Kameraden geliefert hatte, die in der Schlacht für deren Schutz da gewesen waren. „... dürfte es sich wohl um eine feierliche Honorieren unserer Leistungen handeln. Ein Pushen der Truppenmoral vor der nächsten Schlacht...“

Mehr musste der Wing Commander diesbezüglich nicht sagen. Obwohl das Imperium erst vor zwei Tagen Orindia eingenommen und Iridonia zur Kapitulation gezwungen hat, stand für die Mehrheit, die in der Achten Gefechtsflotte – egal in welcher Militärbranche – ihren Dienst tat, fest, dass man nun entweder gen Ord Mantell oder Admuar vorrücken würde. Da eine gemeinsame Operation mit der Schwesterflotte, der Siebten, als eher unwahrscheinlich galt, handelte es sich in dieser Situation sogar um eine reine Entweder-Oder-Entscheidung. Nach momentaner Lage der Fakten sprach dabei alles für eine baldige Schlacht mit den kämpferischen Adumari. Gerade als Aiden eine Erwiderung äußern wollte, trillerten auf einmal die altmodischen Bootsmannspfeifen zur „Musterung“. Sogleich kam geordnete Betriebsamkeit in dem weitläufigen Haupthangar auf. Hierhin und dahin bewegten sich die uniformierten Personen. Zeit für irgendwelche Privatgespräch gab es nicht mehr. Niemand wollte im Beisein das Admiral seine Einheit blamieren.

So standen kurz darauf jeweils der Staffelführer und dessen Stellvertreter gut einen Schritt vor zwei Reihen à fünf Piloten sowie dem gesamten Personal, das sich in exakt der selben Länge – nochmals einen Schritt dazwischen – aufgestellt hatte. Starr schauten alle Anwesenden auf eine behelfsmäßige Bühne, die aus ihrer Sicht von zwei Lambda-Fähren eingerahmt wurde. Während der Kommandeur der Achten Gefechtsflotte, dessen Stab und weitere Funktionäre auf die Bühne – ins Blickfeld der „Öffentlichkeit“ – traten, gesellte sich plötzlich noch rasch Sage Doha zu den „Wolves“. Vor allem das Grinsen in dessen unansehnlichem Gesicht ließ den Befehlshaber der Eliteeinheit nichts Gutes erahnen. Unausgegorene Gedanken keimten in dem Captain auf. Doch weil just in diesem Moment die Zeremonie begann – und er zu allem Überfluss auch noch auf einem ganz anderen Schiff war –, konnte er nicht mehr fliehen. Er musste diese Inszenierung ausharren.


[: Iridonia-System :||: Achte Gefechtsflotte; Erste Flottille; Erste Kampfgruppe :||: ISD II „Executor“ | Haupthangar :||: Captain Aiden Thiuro, „Wolves“ und eine ganze Menge anderer Gäste :]
 
[Weltraum | Iridonia-System | unterwegs von der MAR Hoplite zur ISD-II Executor | Sentinel] Chett Nectu, Aiden Thiuro, Sakura Mitsumo, Wolves

Sakura Mitsumos Antwort war eine Erlösung für Chett Nectu. Sie nahm seine Entschuldigung an und verzieh ihm, dass er mit seinen letzten Kommentaren eine Linie überschritten hatte. Das bedeutete vielleicht, dass er sich vom Hassobjekt der Staffel wieder zum kaum beachteten Außenseiter zurückentwickeln konnte, was ihm ganz recht war. Noch besser gefiel ihm aber, wie Sakura das Verhältnis zwischen ihnen beiden beschrieb: Sie sah ein, dass sie keine Freunde werden würden, und wünschte sich nur, dass sie gut zusammenarbeiteten. Nicht mehr und nicht weniger hatte er doch von Anfang an gewollt! Wenn alle anderen in der Staffel es auch so sähen, würde er wahrscheinlich prima mit allen auskommen. Auf einer rein professionellen Ebene und ohne jede persönliche Nähe, die alles nur unnötig komplizierter machte. Der Yaga-Minoer glaubte nicht daran, dass seine Rottenkameradin diesen Kurs durchhalten würde; wahrscheinlich würde es doch bald wieder darauf hinauslaufen, dass sie versuchte, in seinen Privatangelegenheiten herumzustochern und ihm kluge Ratschläge zum Umgang mit seinen verdrängten Erinnerungen zu geben. Aber bis dahin gab es bestimmt noch eine Schonfrist.

Ein »Danke« rang er sich noch ab, dann wartete er schweigend darauf, dass die Reise zu Ende ging. Denn die rein berufliche Beziehung, die Mitsumo eben skizziert hatte, benötigte seiner Meinung nach keinen peinlichen Smalltalk während des Fluges. Da er nicht nach draußen blicken konnte, starrte er einfach vor sich hin. Nur kurze Zeit später waren sie am Ziel: Lieutenant Commander Amadis befahl, vor dem Hinaustreten noch einmal die Kleider zu ordnen.

Ein Schiff der Imperial-II-Klasse zu betreten, war normalerweise ein bemerkenswertes Erlebnis. Kaum ein Hangar war geräumiger und die Kombination aus weißgrauen Wänden und schwarz polierten Böden ließ die Halle trotz ihres rein technischen Zweckes auch irgendwie elegant erscheinen. Gut geeignet auch für repräsentative Zwecke: Nicht selten fanden Empfänge und Zeremonien daher in Hangars statt, so war es beispielsweise auch auf der Champion gewesen, dem Träger, auf dem Chetts alte Staffel stationiert gewesen war. Im Gegensatz zur Executor war diese aber nur ein Kreuzer und mit ihren sechshundert Metern vergleichsweise klein gewesen. Dort hätte kaum die Hälfte der Leute Platz gehabt, die sich im Hangar des Flaggschiffs tummelten: Schiffspersonal, Soldaten, Piloten... und jede Menge Kameras. Sie waren es, die verhinderten, dass er dem eindrucksvollen Anblick des ISD-Hangars etwas Positives abgewinnen konnte.

›Verdammt!‹ dachte Chett. ›Wieso musste ich Recht haben!‹

Denn wenn er die Wahl hätte, dann hätte er sich lieber geirrt. Er hasste es, wenn Kameradroiden um ihn herum schwirrten. Man wusste nie, wo sie als nächstes auftauchten. Nichts war vor ihnen sicher. Dabei waren sie alles andere als unaufdringlich. Sie wuselten hektisch umher und blendeten mit Scheinwerfern und Blitzlichtern. Die Geheimdienste waren in der Lage, mit unsichtbarer, kaum aufzuspürender Technik hervorragende Aufnahmen von allem und jedem zu machen, was in der Galaxis vor sich ging - warum benutzte das COMPNOR dann nicht ebenfalls eine etwas subtilere Technik? Unwillkürlich setzte Nectu eine besonders säuerliche Miene auf. Das Getummel ringsum war ihm ebenso zuwider wie der Gedanke, wieder für die Propaganda herhalten zu müssen, die den Leuten zuhause und vor allem potentiellen Rekruten ein völlig falsches Bild vom Krieg vermittelte und verklärte, anstatt zu informieren. Als dann eine Hand nach seinem Gesicht griff, musste er sehr an sich halten, die aufdringliche Person nicht einfach beiseite zu stoßen.

»Halten Sie doch still!« knurrte eine Stimme, die so ungeduldig klang, wie er sich fühlte. Sie gehörte einer kleinen menschlichen Frau, die aussah wie ein zwanzig Kilo schwereres Exemplar von Sakura Mitsumo. Sie wischte dem unwilligen Piloten mit einem Lappen über das Gesicht, bevor sie ihm irgend etwas auf Stirn und Nase schmierte. »Wenn Sie weiter so schwitzen, verderben Sie sämtliche Aufnahmen!«

»Denken Sie, ich mach' das mit Absicht?« fauchte der Yaga-Minoer zurück. Seine Zündschnur war heute besonders kurz. Hoffentlich dauerte diese ganze Sache nicht allzu lang. Allerdings zeigte der Aufwand, den man hier betrieb, ganz eindeutig, dass es sich um etwas Größeres handelte als Sage Dohas kleine Berichtserie über das Wolves' Squad. Offenbar wollte man die Aufnahmen, die hier entstanden, direkt übertragen. Dass man die Piloten nicht vorher informiert hatte, worauf sie sich einzustellen hatten, sondern einfach davon ausging, dass sie professionell mit der Situation umgingen, war entweder ein Zeichen immenser Ignoranz, oder die Regisseure legten besonderen Wert auf ›Authentizität‹. Die Schweißperlen auf Chett Nectus Stirn waren aber wohl ein wenig zu authentisch.

Eine Pfeife blies das Signal, dass die Staffel eine Reihe bilden und strammstehen sollte. Chett nahm seinen Platz und die gewünschte Haltung ein, den Blick strikt nach vorn gewandt, die Arme an den Körper angelegt und den Rücken gestreckt. Bei einem Mann mit breiteren Schultern sah diese Pose eindrucksvoller aus als bei jemandem mit seiner hageren Figur. Abermals ließ ihn das hoffen, dass er weniger attraktiv für die umherschwirrenden Kameras war als einige seiner Kollegen, die eher dem Schönheitsideal des imperialen Soldaten und Offiziers entsprachen oder sich einfach aufgrund der Tatsache, dass sie Frauen mit sportlicher Figur waren, gut auf dem Bildschirm machten. Dass Doha auftauchte und sich zu den Wolves gesellte, entging Chett nicht, ebenso wie die etwas säuerliche Miene, mit der Aiden Thiuro darauf reagierte. Auch der Captain schien kein Fan des COMPNOR-Offiziers zu sein. Der Pilot war froh, als Doha wieder aus seinem unbeweglichen Blickfeld verschwand und der Beginn der Zeremonie ihn davon abhielt, sich weiter Gedanken darüber zu machen, was er dem Kerl am liebsten alles in den Hals stopfen wollte.


[Weltraum | Iridonia-System | unterwegs von der MAR Hoplite zur ISD-II Executor | Sentinel] Chett Nectu, Aiden Thiuro, Sakura Mitsumo, Wolves
 
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