1911
28. September 1911. Italien fordert das Osmanische Reich ultimativ auf, der Besetzung der Stadt Tripolis und der Cyrenaika durch italienische Truppen zuzustimmen. Als die Regierung in Konstantinopel dies ablehnt, erklärt Italien den Krieg und beginnt am 30. September mit der Beschießung des Forts von Tripolis.
Ausbruch des italienisch-türkischen Krieges (Tripoliskrieg)
Am 29.September 1911 marschierten italienische Truppen in das zum Osmanischen Reich gehörige Libyen ein. Die italienische Regierung unter Giovanni Giolitti (geb. 1841, gest. 1928) begründete diesen Schritt mit Beeinträchtigungen der Handelsfreiheit italienischer Kaufleute in dem nordafrikanischen Land. Zudem hatte die Festigung der französischen Position in Marokko Befürchtungen aufkommen lassen, Paris könne nun auch noch versuchen, sich das letzte noch nicht kolonialisierte Gebiet Nordafrikas einzuverleiben. Ein Ultimatum an die türkische Regierung, in dem Italien freie Hand bei der Besetzung Libyens forderte, wurde von Konstantinopel abgelehnt. Daraufhin erklärte Italien der Türkei den Krieg.
Am 5. Oktober 1911 wird die Hauptstadt Tripolis und der Küstenstreifen der Cyrenaika von den Italienern besetzt. Die dort stationierten türkischen Divisionen leisteten unerwartet heftigen Widerstand, so dass der italienische Außenminister Antonio di San Giuliano harte Maßnahmen gegen die Verteidiger anordnete.Nach mehrtägigem Bombardement auf Tripolis richten die italienischen Invasoren ein Blutbad unter der Bevölkerung an. Unter den osmanischen Truppen kämpft auch der spätere Staatsgründer der Türkei Mustafa Kemal Atatürk (1881-1938) gegen die italienischen Invasoren und wird später Militärattaché in Sofia (Bulgarien) und im Ersten Weltkrieg Divisionskommandeur auf der Halbinsel Gallipoli.
Am 1. November 1911, acht Jahre nachdem zum ersten Mal ein Motorflugzeug abgehoben hatte wirft der italienische Leutnant Giulio Cavotti eine in Dänemark produziere Bombe nahe des libyschen Hauptstadt Tripolis aus seinem Aeroplano auf Araber, die sich gegen die Kolonialtruppen der Italiener wehrten. Wie viele Menschen umkamen, ist nicht überliefert, der offizielle Bericht des Militärs schwärmte von dem "wunderbaren Effekt auf die Moral der Araber". Erst kurz zuvor kam es zu einem Einsatz eines Flugzeuges im Krieg: der italienische Hauptmann Piazza unternimmt von Tripolis aus einen Aufklärungsflug über ein türkisches Militärlager.
Am 5. November 1911 unterzeichnet der italienische König Viktor Emanuel III. ein Dekret über die Annexion von Tripolis und der Cyrenaika. Der Kriegszustand zwischen Italien und dem Osmanischen Reich bleibt bestehen.
Für Tripolitanien wird der italienische Gouverneur Raffalee Bosca Ricci d'Olmo (geb. 1857, gest. 1911) am 5. Oktober eingesetzt. d'Olmo wir am 11. Oktober 1911 von Carlo Francesco Giovanni Battista abgelöst.
Nach dem Verlust des Missionsgebietes im Französisch-Sudan wenden sich die Senussi jetzt stärker dem Kampf gegen die Italiener zu.
1912
Am 15. Oktober 1912 wird der Italiener Ottavio Briccolo Generalgouverneur über die Cyrenaika.
Die zunehmenden Spannungen auf dem Balkan schwächten in der Folge erheblich die Position der Türkei. So sah sich die türkische Regierung gezwungen, mit italienischen Regierungsvertretern am 18. Oktober 1912 in Ouchy bei Lausanne einen Friedensvertrag zu unterzeichnen. Mit diesem "Frieden von Lausanne" wurde der Schlußstrich unter den Krieg in Libyen gezogen. Unter dem Druck der sich anbahnenden Balkankrise gab die Türkei ihre Gebietsansprüche auf und trat Tripolis und die Cyrenaika mit Benghazi an Italien ab.
Italienische Truppen besetzen infolge der Annexion vom 5. November 1912 Tripolitanien und den Fezzan. Allerdings gelingt den Italienern die Vertreibung der inzwischen von Ahmad al-Sharif geführten Senussi-Bruderschaft weder aus der Cyrenaika noch aus dem südlichen Fezzan.
In Italien fand die Annexion des Landes überwiegend großen Beifall, innenpolitisch sorgte sie jedoch für eine Verschärfung der Gegensätze. Die Eroberung war der lang ersehnte kolonialpolitische Erfolg des Landes, dessen letztes afrikanisches Abenteuer 1896 mit der Niederlage gegen Äthiopien zu Ende gegangen war.