[Vinsoth | Steppen | Mobile Black-Sun-Basis | Landefeld | vor der Tupono'hou] Vigo Zula (alias Vilnok Moor), Rianna Ta Cham, Arkan D'Nar
Vigo Zula blickte den beiden Schiffskommandanten hinterher, als sie mitsamt ihren Untergebenen und unter Führung der klatooinianischen Wächterin in Richtung der Basis abmarschierten. Er musterte sie noch einmal kritisch und ordnete im Geiste das Bild, das er sich über sie machte. Viel wusste er über beide nicht. Rianna Ta Cham war ein völlig unbeschriebenes Blatt für ihn; dass sie die Nachfolge ihres Mannes antreten würde, hatte er nicht vorausgesehen, und ihr bisher nicht die mindeste Aufmerksamkeit geschenkt. Von Arkan D'Nar wusste er ein Bisschen mehr, allerdings auch nur einige Eckpunkte seiner Vita, die kaum Rückschlüsse auf sein Wesen und seine tatsächlichen Fähigkeiten zuließen. Aber sie waren hier, und sie hatten ihm verschafft, was er haben wollte: Die wertvollen Chev-Geiseln. Der Auftrag war auch eine Prüfung gewesen, die beide - Rianna anstatt ihres Mannes - bestanden hatten. Sie brachten das grundlegende Handwerkszeug für eine Karriere in seiner Organisation mit, und da er zusätzliche Sklavenhändler und -fänger derzeit dringend benötigte, war er bereit, ihnen eine Chance zu geben. Es gab mehrere Aufträge, die er erledigt wissen wollte. Aber einige waren ziemlich heikel; wesentlich komplizierter und riskanter als die Entführung ein paar argloser Chevs, die wahrscheinlich nicht einmal geahnt hatten, dass das organisierte Verbrechen ein Auge auf sie geworfen hatte. Er hielt beide für talentiert, Arkan auch für einigermaßen erfahren, aber noch hatte er kein Vertrauen zu ihnen fassen können. Dazu war zumindest eine weitere Prüfung erforderlich. Eine, die noch größeren persönlichen Einsatz und ein hohes Risiko von den Sklavenjägern verlangte, um eindeutig festzustellen, ob sie zur Loyalität imstande und bereit waren. Es würde sich sicherlich ein Job finden, mit dem sie sich unter Beweis stellen konnten - auch ohne im Fall eines Scheiterns ein entscheidendes Geschäft zu ruinieren, an dem der Vigo seit Monaten arbeitete.
Als die Humanoiden jenseits des Scheinwerferlichts verschwunden und auch die Gefangenen abtransportiert waren, gab der Vigo seinem verbliebenen Wächter ein Zeichen, dass es nun ebenfalls Zeit für die Rückkehr in die Basis war. Das Bodenpersonal begann mittlerweile schon mit der Betankung der gelandeten Schiffe - ein Service, den alle Gäste der Basis genossen, wenn ihnen die Landung gestattet worden war. Die Anwesenheit von Arbeitern und Droiden hatte den nützlichen Nebeneffekt, dass er über jede auffällige Aktivität bei den Schiffen informiert wurde. Nichts was der Chevin tat oder anordnete geschah aus reiner Nächstenliebe, und fast alles diente mehreren Zwecken. Jedenfalls gab es für ihn nun keinen Grund mehr, hier herumzustehen. Das war unter seiner Würde und eine Verschwendung seiner Zeit. Stattdessen kehrte er in sein Büro zurück; das mobile Gebäude, in dem es untergebracht war, gehörte zu den Teilen der Anlage, die für Besucher absolut tabu war. Er setzte sich wieder an den Schreibtisch, warf noch einen Blick auf das Gemälde an der gegenüberliegenden Wand und ließ sich von einem vertrauenswürdigen Sklaven einen weiteren Drink bringen. Dann widmete er sich wieder seinen Unterlagen. Dokumente aus dem Plenarsaal des Senats der Neuen Republik und aus dem Petitionsausschuss. Der Senator von Vinsoth hatte ebenso wenig Freizeit wie ein Vigo der Black Sun, und seine Doppelrolle verlangte es ihm ab, ständig auf zwei Hochzeiten zu tanzen. Was hätten wohl seine Gäste gesagt, wenn sie gewusst hätten, dass der gefürchtete Verbrecherboss und König der galaktischen Sklavenhändler in diesem Moment an einer Petition für eine bessere soziale Absicherung von Hilfsarbeitern auf Sternenschiffen und Raumdocks arbeitete?
Etwa eine Viertelstunde beschäftigte er sich mit der Politik - genug Zeit für D'Nar und Ta Cham, sich auszutauschen und besser kennenzulernen - als das Türsignal ertönte. Es gab nur sehr wenige Leute, die es wagten, ohne Voranmeldung oder Einladung an seiner Tür zu läuten, doch auch diese ausgesuchten Mitverschwörer waren nicht alle in sein doppeltes Spiel eingeweiht. Deshalb verstaute er die Unterlagen in einem gepanzerten und mehrfach codegesicherten Fach seines Schreibtischs, bevor er den Zutritt gestattete. Es handelte sich um Chana, die Leiterin der Basis. Sie war eine Artgenossin des Vigo, groß und massig wie er und mit faltiger, tief graubrauner Haut. Ihr helles Gewand bildete einen starken Kontrast dazu. Sie war attraktiv, kein Zweifel, aber ihre Beziehung war zumeist rein professioneller Natur. Chana verneigte sich vor ihm und wartete darauf, dass sie angesprochen wurde. Diese Zurückhaltung war eine der Eigenschaften, die er an ihr mochte. Sie hätte sich in der gehobenen Gesellschaft jedes beliebigen Planeten bewegen können, ohne dass jemand ahnen würde, dass sie auch nur die geringste kriminelle Energie hatte. Dabei verriet der leichte Geruch nach Handdesinfektionsmittel, dass sie sich unmittelbar vor dem Gang zum Vigo Blut von den Pranken gewaschen hatte. Sie war nicht das bescheidene Geschöpf, als das sie sich oft erfolgreich ausgab.
»Du bist fertig mit der Befragung?« fragte Zula. »Lebt er noch?«
»Ihr wisst, dass ich ohne Euren Befehl niemals ein Mitglied des Syndikats töten würde«, erwiderte sie. »Gesetze bedeuten nichts, der Codex bedeutet alles!«
»Natürlich. War er kooperativ?«
»Sehr. Er hat zügig ausgepackt. Ich habe natürlich sichergestellt, dass er mir keine Lügen auftischt. Aber er ist auch unter Drogen und starken Schmerzen bei seiner Version geblieben. Ich bin sicher, dass er nichts vor mir geheimgehalten hat.«
»Lass hören.«
»Er hat zugegeben, dass er seinen Captain ermordet hat. Er hat auch sehr genau geschildert, wie es abgelaufen ist. Mehrere Messerstiche in den Körper - eine sehr primitive Arbeit ohne jede Finesse, typisch für Leute wie ihn. Bia'mod ist ein Einfaltspinsel, wenn Ihr mich fragt. Und offenbar leicht zu manipulieren. Wusstet Ihr, dass er eine Affäre mit der Ehefrau seines Captains hatte?«
Zula wurde hellhörig. »Nein, das ist mir neu.«
»Das zwischen ihnen lief schon eine Weile. Und es scheint, als wäre das sein Hauptmotiv gewesen. Er war scharf auf Koh'rens Kommando, aber mehr noch auf seine Frau. Offenbar war er ihr ziemlich verfallen - so sehr, dass er bereit war, ein Mitglied der Familie zu töten, um mit ihr zusammen zu sein. Obwohl selbst er wissen musste, dass er damit den Zorn der gesamten Black Sun auf sich zieht.«
»Dann stecken die beiden also unter einer Decke? Rianna Ta Cham hat ihn veranlasst, ihren Mann zu ermorden?«
»Nein, offenbar nicht. Er sagt, sie haben vorher nie darüber gesprochen. Er beteuert, sie hätte nicht einmal Andeutungen in diese Richtung gemacht. Einen Plan hatte er sowieso nicht, das Ganze ist eher im Affekt passiert. Es war allein seine Idee und er hat sie ohne ihre Hilfe umgesetzt.«
»Ist es möglich, dass er seine Geliebte schützen will?«
»Nur wenn wahre Liebe stärker wäre als meine Verhörtechnik.«
Das war ein klares ›Nein‹. Zula kannte Chanas Methoden. Wenn sie sagte, dass sie das letzte Bisschen Wahrheit aus Bia'mod gequetscht hatte, dann durfte man das als Tatsache akzeptieren. Auch ohne Folter war es schwer, ihr etwas vorzumachen; wenn sie ihre Register zog, würde wahrscheinlich sogar ein Jedi einknicken.
»Also tatsächlich die trauernde Witwe.«
»Nein, wohl kaum«, erwiderte die Chevin. »Bia'mod dachte, dass er ihr mit dem Mord einen Gefallen tut, und offenbar stimmt das. Als sie ihn und die Leiche gefunden hat, hat sie sich bei ihm bedankt. Unmittelbar danach hat sie den Blaster gezogen und abgedrückt. Wenn Ihr meine persönliche Meinung wissen wollt: Sie ist ein echtes Miststück.«
»Scheint mir auch so«, sagte der Vigo, und zu Chanas sowie seiner eigenen Überraschung musste er dabei laut lachen. Die Twi'lek hatte ihm also etwas vorgespielt. Ihre Trauer war ebenso echt wie eine Fata Morgana im Sandmeer von Tatooine. Entweder war sie so begabt darin, andere zu manipulieren, dass sie Bia'mod zu diesem Mord getrieben hatte, ohne auch nur eine Andeutung zu machen - oder sie war opportunistisch genug, um selbst in dem überraschenden Tod ihres Mannes sofort eine Gelegenheit zu erkennen. Möglicherweise trug sie eine gewisse Mitschuld am Tod eines Black-Sun-Mitglieds. Aber sie hatte weder die Waffe erhoben, noch dazu aufgerufen. Sie hatte nicht Hand an den Captain gelegt, und vom gewaltsamen Tod eines Black-Sun-Mitglieds zu profitieren, war nunmal kein Vergehen, sondern der natürliche Lauf der Dinge. Zula war nun überzeugt davon, dass eine Menge Potential in der rothäutigen Humanoiden steckte. Sie konnte wirklich nützlich sein - auch wenn jeder, der sich ihre Fähigkeiten zunutze machen wollte, gut beraten war, ihr niemals den Rücken zuzudrehen.
[Vinsoth | Steppen | Mobile Black-Sun-Basis | Landefeld | vor der Tupono'hou] Vigo Zula (alias Vilnok Moor), Rianna Ta Cham, Arkan D'Nar