Dantooine - auf dem Weg zur Absturzstelle / Basislager - mit Tionne & Aayla
Obwohl die letzte Begegnung mit dem unbekannten Bike-Piloten ein schlechtes Gefühl hinterließ - wahrscheinlich auch, da Tylaar mehr wusste, als er zugeben wollte - legten die drei Jedi die Strecke bis zum Basislager, der Absturzstelle, recht schnell zurück. Schon aus der Distanz konnten sie die Lichter sehen, jetzt, da die Nacht vollkommen die Herrschaft an sich genommen hatte.
Die republikanischen Truppen waren fleißig gewesen. Vor ihnen zeichnete sich ein durchaus passables, militärisches Lager ab. Schlafmodule, Sensorgeräte, schwere Waffen ... hätte Tylaar die Muße gehabt, sich das alles anzusehen, er wäre wohl beeindruckt gewesen. Stattdessen aber hielt er weiter auf das Camp zu.
Als sie dort ankamen und von einem Infanterie-Lieutenant begrüßt und instruiert wurden, war Zaith kaum mit seinen Gedanken anwesend. Ein Name spukte wie ein Fluch in seinem Geist herum: Lindah Cael. Lindah .. sie war der Pilot gewesen. Er wusste es, spürte es und fürchtete sich gleichsam vor dieser Erkenntnis. Und sie hatte ihn ebenfalls erkannt, doch nicht geschossen. Keine Rache dafür genommen, was er vor zehn Jahren getan hatte.
Seit der Begegnung mit ihr, hatte Tylaar kein Wort mehr gesagt. Sicherlich machte sich Tionne Sorgen um ihn, aber er fühlte sich einfach nicht bereit, darüber zu reden oder überhaupt diese ... Sicherheit mit irgendwem in der Galaxis zu teilen.
Er musste für sich alleine bleiben. Als seine Meisterin und Aayla gerade einen kurzen Wortwechsel mit dem Soldaten hielten, verzog sich der Padawan unauffällig in die Schatten der Nacht. In der Einsamkeit würde er die Kraft finden, mit der Situation seinen Frieden zu schließen oder es zumindest zu akzeptieren, dass seine große aber vollständig durch seine eigene Hand vernichtete Liebe hier ganz in der Nähe war. So sehr ein Jedi war er wohl doch noch nicht, dass er sich einem anderen anvertrauen konnte.
Tylaar saß gegen einen Baum abseits des Lagers gelehnt und fühlte sich kurzzeitig erleichtert, dass die Nacht gekommen war und mit ihr bald der hart verdiente Schlaf. Vergessenheitsschlaf. Langsam zog er ein Bein ein, schlang die Arme darum. Müde sah er zum etwas entfernten Treiben der Soldaten herüber, als fern ein Grollen übers Land kam. Nachdem das Gewitter, das wahre Unwetter, nun so gut wie über sie drüber gezogen war, kühlte auch die Nacht merklich ab. Tylaar spürte einen frischen Wind auf seinen nackten Unterarmen, nachdem er die Robe ausgezogen und neben sich gelegt hatte. Er musste sich ablenken, hier und jetzt. Deshalb begann er den Tag auf Dantooine zu rekapitulieren.
Entgegen der gefährlichen Gesamtsituation hatten sich alle gut geschlagen, ja, es lief fast harmonisch ab. Zwar hatte die Mission turbulent begonnen und das Zwischenspiel mit Revan war unangenehm in Erinnerung geblieben und auch Tylaars Begegnung mit Lindah hinterließ einen üblen Nachgeschmack, aber wenn man es nüchtern betrachtete, war die Expedition recht gut verlaufen. Jeder erfüllte seine Aufgabe, die Kristalle waren geborgen und niemand der Expedition musste bisher sein Leben lassen.
Nüchtern konnte Tylaar Zaith aber derzeit rein gar nichts betrachten.
Aber ob sie es bei ihm fühlten? Ob seine Meisterin Tionne diesen drohenden Schatten spürte, der in jeder Faser von Tylaars Sein zu lauern drohte, seitdem sie mit diesem mysteriösen Speeder-Bike Piloten zusammengetroffen waren, von dessen wahrer Gestalt nur ihr Padawan wusste?
Es brodelte unter der ruhigen Fassade des Mannes, seit sie in der Nähe von Dantooine aus dem Hyperraum gefallen waren, seit sie mit dem Shuttle vom Sternenzerstörer ausgeschleust wurden, seit sie hier gelandet waren. Zuerst dachte Tylaar, es sei einfach das schwüle Wetter, das auf ihn drückte, oder einfach die verständliche Aufregung vor dem was kam. Aber mehr und mehr bekam der Padawan eine furchtbare Ahnung. Ein "Gefühl", das nicht vom Wetter herrührte. Etwas griff mit kalten, toten Fingern aus der Vergangenheit nach ihm, zwang ihn mit jedem Herzschlag, deutlicher zu sehen. Und so sehr sich Tylaar davor auch verschloss; es wurde immer mächtiger. Schließlich hatte es ihn tatsächlich eingeholt. Lindah wusste nun, dass er hier war. Nur wenige Meter von ihm entfernt waren sie sich nach zehn Jahren wieder begegnet.
Der Donner des fernen Gewitters klang kurzzeitig näher, noch immer fiel ein leichter Nieselregen. Tylaar spürte seine Berührungen auf der Wange, den Händen. Einige Soldaten sahen hinauf zum Himmel, manch einer schien sich unsicher, ob der Wind nicht drehen würde und noch mehr Sturm und Unwetter über sie hinweg ziehen könnte, aber der Padawan sah das alles nur noch durch einen Schleier.
Krampfhaft versuchte er an anderes zu denken. Triviale Dinge, die einen aber im Hier und Jetzt halten konnten. Es durfte nicht jetzt kommen. Nicht so nah vor dem Ziel! Wie stolz war er doch gewesen, nachdem er sein Lichtschwert reaktiviert hatte, gegen Revan angetreten und doch ein gutes Stück von der Dunklen Seite weg geblieben war. So nah konnte er dem Jedi-Dasein seit Jahren nicht mehr gewesen sein. Doch wofür? Damit er nun von der Vergangenheit eingeholt werden konnte? Es war alles einfach nicht fair!
Tylaars Atem ging schneller, die eine Hand krampfte sich unwillkürlich um den silbernen Griff seines Lichtschwertes, das noch immer am Gürtel hin. Nicht wieder! Er wollte es nicht noch einmal sehen … warum so bewusst, wenn es ihn doch seit zehn Jahren verfolgte?! Es war stärker. Tylaar schloss die Augen, in der Hoffnung, es nicht sehen zu müssen, doch es war zecklos. Aus schmerzenden Eindrücken, Erinnerungen, formten sich Bilder in seinem Geist. Allzu bekannte Bilder ...
Sie berührt Ihn an der Wange, lächelt verliebt. All die Zeit mit dem Vergangenen ist in diesem Moment verflogen, nebensächlich geworden, als sie Ihn bei sich hat. Ein fairer Handel. Nichtanwesendheit gegen die Erfüllung des Verliebtseins. Wer soll es ihr verdenken? Ihre Fingerspitzen wandern Sein Kinn entlang, sie fühlt die Bartstoppeln. Er ist so anders … er ist nicht das Vergangene. Kann sie mit Ihm endlich das planen, was sie schon so lange will? Eine Zukunft, Familie, einen gemeinsamen Weg. Kein unstetes Leben, das Warten auf die Gnade des nächsten Augenblicks. Er ist hier und er wird nicht gehen.
Noch ein Kuss, der die Zeit nebensächlich werden lässt. Sie fühlt nicht die Scham, die in ihr aufkommt, wenn Sie sich daran erinnert, wie sie lügt und betrügt. Alles was Sie will, ist glücklich sein. Es ist Ihr ureigenes Recht!
Sie sind so blind! Ihre Augen, ihr Geist .. ich bin keine zehn Meter von ihnen entfernt und sie bemerken mich nicht. Blind vor Liebe?
Mir wird schlecht, als ich den Kuss zwischen den beiden sehe. Es schwindelt mir, die Welt dreht sich unkontrolliert, hat ihre geregelte Umdrehung verloren. Sie trudelt hilflos durch die Galaxis, ein sterbender Stern. Genau wie ich.
Ich will mich nicht mehr verstecken, ich will es nicht mehr verdrängen und sie, in ihrer Lüge gefangen, mit der gleichen grausamen Art behandeln. Als ich zwischen den Bäumen hervortrete, zuckt Sie zusammen und Er schaut, als wäre der Henker gekommen. Ja, der Geist der Vergangenheit, der niemals wirklich fort war.
Belogen und betrogen! Nichts ist mehr wie vorher. Ich will sie dafür zahlen lassen, was sie mir angetan haben. Nur wenn sie leiden, werde ich befreit. Sie alle haben mich verraten. Alle, ohne Ausnahme! Selbst mein Meister. Wäre es gerecht, wäre es nicht verständlich, wenn ich meinem Zorn freien Lauf lasse? Ich bin trotz allem nur ein Mensch.
Aus meiner Unfähigkeit etwas zu sagen wächst Hass.
Es schmerzt, jetzt, da sie mich ansieht. Ich werde innerlich zerrissen. Ruhe in der Macht finden! Wie denn, wenn meine Gefühle, mein Herz eine einzige, blutende Wunde sind? Ein Jedi kann vieles in den Hintergrund stellen, nur wie soll das mit diesem Schmerz funktionieren?! Aber ich liebe Sie doch, oder? Kann ich Sie noch lieben, nachdem Sie mir das angetan hat? Hat Sie es verdient geliebt zu werden? Darf ich es überhaupt?
Ich fühle in meiner Hand das kalte Metall des Lichtschwertes. Es gezogen zu haben, daran erinnere ich mich gar nicht. Die Waffe eines Jedi-Ritters. Synonym für Gerechtigkeit und Schutz. Aber das ist es in meiner Hand nicht länger. Der Zorn scheint in die Waffe gefahren zu sein, oder bilde ich es mir nur ein, dass der zylinderartige Gegenstand beinahe vor Tatendrang zittert? Das Lichtschwert ist perfekt bis ins kleinste Detail; genau wie ich. Genau wie meine Welt. Zumindest dachte ich das noch bis vor wenigen Tagen.
Irgendwo in mir regt sich ein grausiges Gefühl. Es lässt mich erschaudern, Angst vor mir selbst bekommen. Ich sehe eher unterbewusst, wie Er vor mir das Gesicht verzieht, nach Luft schnappt. Seine Bewegungen werden hektisch, er fasst mit beiden Händen an seine Kehle. Ich bewege mich keinen Millimeter, während Er immer weniger Luft bekommt.
Bin ich das wirklich? Unbewegt stehe ich da, Sie schreit mich an, aber ich verstehe Ihre Worte nicht. Plötzlich bricht Ihre Stimme ab, Sie fährt sich ebenso an den Hals.
Ich zittere und das Brennen in mir wird immer stärker. Es pulsiert durch mich durch, erfasst meinen gesamten Körper, mein ganzes Wesen. Meine Hände kribbeln, der Kopf dröhnt, als würde eine gewaltige Stimme in meinem Geist brüllen. Ist das die Macht, die ich spüre?
Sein Brustkorb hebt und senkt sich panisch. Langsam wird Er in die Luft gehoben, bleibt mehrere Zentimeter einfach so da hängen, als würde er in einem Antigravitationsfeld stehen. Ich meine zu sehen, wie Sein Gesicht immer totengleicher wird. Jeden Herzschlag mehr. In mir spüre ich Seine Furcht, aber sie verleiht meinem eigenen Hass nur noch mehr Stärke.
Ohne es zu wollen, aktiviere ich mein Lichtschwert. Die purpurne Klinge erwacht mit einem grausigen Zischen zum Leben. Das Brennen wird zu einem Feuer. Ihre Augen weiten sich vor Entsetzen, als ich die Jedi-Waffe anhebe. Die Stimme wird lauter, schreit mich an, es endlich zu tun und den langen Weg zu beenden, auf dem ich mich schon so viele Jahre befinde. Wieso ich immer wieder zögerte, warum ich nicht jetzt die Gelegenheit ergreife wahrlich frei zu werden.
Verräter! Sie alle haben mich hintergangen und jetzt werden sie dafür büßen! Sie verdienen keine andere Behandlung. Ich will Genugtuung für die Schmerzen. Nur mein Hass wird es beenden. Nur meine Entschlossenheit.
Sie verliert das Bewusstsein, Er hält sich länger. Vielleicht ist es Seine Stimme, die mich in Gedanken anfleht, ihn nicht zu töten. Gnade. Gnade. Immer wieder höre ich Gnade, aber es ist lediglich ein Schatten hinter meiner Wut.
Ich spüre die Freiheit näher rücken. Nur noch ein kleines Stück und ich werde nichts mehr von dem Schmerz, der Enttäuschung, all dem Hass sehen. Mir ist es einen kurzen Moment, als höre ich mich selbst schreien, dann fixiere ich Ihn und hole aus … nichts hält einem Lichtschwert, beseelt von wahrer, schmerzender Leidenschaft stand. Dann treffe ich ihn und sein Körper wird der Länge nach seitlich aufgeschlitzt …
Mit einem Schlag war er zurück in der Gegenwart. Sein eigenes Keuchen klang fremd, erinnerte ihn aber daran, dass es die Vergangenheit gewesen war. Vergangen, lange hinter ihm. Tylaars Augen waren nun weit aufgerissen. Er hatte sich so fest gegen den Stamm gedrückt, dass er das Holz schmerzhaft am Rücken spürte. Ein widerlich kaltes Gefühl, das seinen gesamten Körper benetzte; kalter Schweiß. Der Regen, welcher nun weniger fiel, hatte ihn nicht ganz so akribisch durchnässt wie der eigene Schweiß.
Er brauchte einige Momente, um sich wieder zu fassen. Unterbewusst merkte der Padawan, dass er geweint hatte. Oder war es einfach nur der Regen? Nein. Übermäßig vorsichtig wechselte er die Sitzposition. Misstrauisch schielte er zu den Anwesenden. Es durfte nur niemand mitbekommen, niemand durfte sehen oder ahnen, was Tylaar eben noch einmal durchlebt hatte. Niemand würde bei all dem Regen die Tränen sehen, die ihm die Wange herunter liefen. Niemand durfte es. Erst recht nicht Tionne, die sich auch hier irgendwo gemeinsam mit Aayla im Lager aufhalten musste …
Dantooine - Basislager / Absturzstelle - derzeit alleine abseits des Camps an einen Baum gelehnt