Ich stimme dir jedoch auch zu, dass es die amerikanische Polizei allgemein schwerer hat als die Polizei in vielen anderen Ländern, und von dieser Warte aus ist die grundsätzliche Bereitschaft zu einem härteren Durchgreifen auch verständlich.
Ja,
@Jedihammer liegt eindeutig richtig, wenn er sagt, dass Polizisten in den USA immer damit rechnen müssen, einem bewaffneten Störer gegenüberzustehen. Die allgemeine Verfügbarkeit von Waffen, darunter durchaus auch Kriegswaffen wie halbautomatische Sturmgewehre, ist vielleicht das offensichtlichste Problem, aber bei weitem nicht das einzige. US-Poilzeien leiden flächendeckend, und auf jeder Ebene, unter erheblichen Mängeln. Weil ich gerade nicht die Zeit habe, das genauer auszuführen, hier nur ein paar Sachen:
- US-Polizeien haben teilweise gravierende strukturelle Schwächen, die sich vor allem aus der sehr föderalen Organisation der USA ergeben, und sind deshalb oft chronisch unterfinanziert. Polizisten bestreifen ihre Reviere vielerorts alleine, weil durch Personalmangel nur so Präsenz in der Fläche gezeigt werden kann.
- Vor allem Streifenpolizisten werden in den USA oft mit Zwischenfällen konfrontiert, die viel eher in die Aufgabenbereiche von Sozialarbeitern, psychiatrischen Notdiensten oder Jugendämtern gehören. Sie sind dafür aber überhaupt nicht ausgebildet, weshalb viele Lagen eskalieren und in Gewalt enden.
- US-Polizisten sind schlecht ausgebildet. Punkt. Während in Deutschland jeder Polizeivollzugsbeamte, je nach Laufbahn, eine zweieinhalb- bis dreijährige schulische Ausbildung oder ein dreijähriges Fachhochschulstudium durchlaufen muss, reicht es in den USA in vielen der Counties oder Städte aus, einen dreimonatigen Polizeikurs (meist Basic Law Enforcement Course genannt) an einem College zu absolvieren.
- Deeskalierendes Verhalten und Verhältnismäßigkeit der Mittel wird in den USA nicht ausgebildet. Das liegt selbstverständlich zu einem Teil an der Verfügbarkeit von Schusswaffen, aber bspw. auch daran, dass das US-Recht beim Schusswaffengebrauch keinen Unterschied zwischen Schusswaffengebrauch aus unmittelbarem Zwang und aus Notwehr/Nothilfe kennt.
- US-Polizeien werden seit 9/11 zunehmend militärischer ausgestattet. Selbst kleinstädtische Police Departments verfügen mittlerweile über eigene SWAT-Teams und MRAPs. Gleichzeitig sind die meisten, durch ihre geringe Personalstärke und/oder Organisation, nicht in der Lage eine Bereitschaftspolizei zu unterhalten. Deshalb wird in solchen Lagen, wie bspw. derzeitig in Minneapolis, meistens die Nationalgarde "zu Hilfe gerufen".
- Sheriffs und damit die Leiter der Polizeibehörden auf Countyebene, werden gewählt. Da viele kleine Gemeinden sich den Unterhalt einer eigenen Polizei nicht leisten können, wird diese Aufgabe oft vom übergeordneten Sheriff's Department/Office übernommen. Mit Ausnahme von Alaska, welches nicht in Counties untergliedert ist, ist der Unterhalt eines Sheriffs bzw. State Marshals in jedem der US-Bundesstaaten gesetzlich vorgeschrieben. Wer sich als Sheriff zur Wahl oder Wiederwahl stellt, muss darum natürlich auch Rücksicht auf die politische und gesellschaftliche Stimmung nehmen.
- Polizisten werden in den USA vor allem als Autoritätspersonen begriffen, nicht aber als Freund und Helfer. Der Respekt, der Polizisten in den USA entgegengebracht wird, basiert nicht immer auf
wirklichem Respekt vor der Arbeit und dem Opfer der Polizisten, sondern vielfach auf Angst. Dementsprechend gering ist auch das Vertrauen bestimmter Bevölkerungsschichten in die Polizeibehörden. Um zu sehen, wozu das führen kann, muss man übrigens gar nicht in die USA sehen, da reicht der Blick nach Nordrirland: Es ist unstrittig, dass das Verhalten der und das mangelnde Vertrauen in die Royal Ulster Constabulary erheblich zur Eskalation der Lage in den 1960ern beigetragen hat.
Ist das deutsche System fehlerfrei? Keineswegs. In eigentlich allen Bundesländern fehlen bspw. unabhängige staatliche Stellen, die Fehlverhalten und Verbrechen von Polizisten untersuchen und aufarbeiten. Außerdem sind auch deutsche Polizeien teilweise unterfinanziert, sodass sich Polizisten in manchen Bundesländern notwendige Ausrüstungsteile lieber selber anschaffen. Und während die extreme "Durchförderalisierung" in den USA ein Problem ist, ist es in Deutschland wiederum so, dass viele Aufgaben der Gefahrenabwehr und Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, die eigentlich von Gemeinden und Städten übernommen werden müssten und auch problemlos übernommen werden könnten, der Polizei angelastet werden. Aber trotzdem können wir uns über "unsere" Polizei ziemlich glücklich schätzen.
Okay, war doch mehr als ich schreiben wollte.