Vorneweg, da wird bei mir nachher vermutlich vergleichsweise viel unter der Rubrik „Dinge…“ und „Kritik“ stehen, so dass es vielleicht danach aussehen könnte, dass mir die Staffel nicht gefallen hat.
Das ist nicht der Fall.
Die Staffel ist gut, ab Teil 4 sogar in weiten Teilen sehr gut. Und von allen SW-Serien die einzige, die sich berechtigte Hoffnungen auf irgendwelche ernsthaften Preise machen könnte (egal, ob dann welche gewonnen werden). Und ich freue mich wirklich, dass sie so vielen gefällt (auch wenn sie wohl leider wieder zu wenige sehen).
Warum ich sie dennoch hinter anderen Serien einreihen würde und warum es dann in letzter Konsequenz für mich nicht die Zukunft des Franchise wäre (für mich, rein persönliche Meinung), auch wenn ich froh bin, dass es die Serie gibt, werde ich dann am Ende erläutern.
- Positiv:
- Da gibt es wirklich viel und vieles wurde schon gesagt (in den Einzelthreads), daher nochmals in aller Kürze:
- Die Schauspieler fand ich durch die Bank hervorragend
- Ab Folge vier hatte die Serie das perfekte Tempo. Die Mischung aus Action und dialoggetriebenen Szenen war sehr gut und selbst die ruhigen Szenen haben einen immer mitgerissen.
- Das Widerliche am Imperium wurde hervorragend ausgeleuchtet. Die Bösartigkeit wurde perfekt eingefangen. Die Gnadenlosigkeit gegenüber denen, die im Weg stehen, die Rücksichtslosigkeit auch in den eigenen Reihen, das Gegeneinander Arbeiten für die eigene Karriere/Sicherheit, wie es in Diktaturen üblich ist, ist hervorragend erzählt.
- Es war sehr schön, dass man Luthen/Keylas Vergangenheit angerissen hat, um zu verstehen, woher die Härte kommt, mit der die beiden agieren.
- Alles, was im ISB spielte war super
- Der komplette Ghorman-Arc war exzellent
- Alles im Senat hat mir extrem gut gefallen
- Und dann viele kleine Einzelszenen, die aufzuzählen jetzt schwierig würde.
Dann gibt es die
Dinge, die ich nicht kritisiere, von denen ich aber glaube, dass sie bei anderen Produktionen nicht so wohlwollend hingenommen worden wären. Hier gab es dann doch einige Handlungen, die man schon hinterfragen darf.
Das eine oder andere hatte ich schon in meinem Post zu Chapter 3 geschrieben, daher hier etwas kürzer:
- Dass Luthen Cassians Gruppe so lahm versteckt in den ersten drei Episoden ist ooc. Im dritten Arc ist man in der Lage Ausweise zu fälschen, um problemlos in den Senat zu kommen und hier werden direkte Spuren zu ihm mit Klarnamen und unter Preisgabe ihrer Vergangenheit „versteckt“. Das passt nicht zu jemand, der problemlos bereit ist Andor, Tae und Lonny zu ermorden, um das Geheimnis zu wahren
- Luthen weiß, dass er im Visier ist und hat keinen sicheren Selbstmordplan? Kein zweites Schiff irgendwo, wenn sich die Schlinge zuzieht?
- Er nimmt Kleya mit zur Hochzeit und kappt damit die Kommunikation zu Andor?
- Man geht ohne echten Plan auf die Feier, bei der man das Kunstwerk vom Sender befreien will?
- Man zeigt Lonny, wer man wirklich ist?
- Warum weiß Andor, dass Val Mon Mothmas Cousine ist, ist diese Info nicht etwas gefährlich?
- Warum fällt die Warnung an Mon Mothma bezüglich Bails Team nicht deutlicher aus, man hat doch alle Infos?
- Sie konnten aus dem Senat entkommen, einfach, indem sie ein paar Treppen schnell runtergehen?
- Woher hat Lonny Dedras Codes?
- Wenn Lonny seit einem Jahr die Codes der Person hat, die massiv hinter Luthen (und damit auch ihm) her ist, warum nutzt er das nicht, um sie auszuschalten? Offensichtlich bewegt sie sich auf Gebieten, die nicht ihr Thema sind und kann so doch recht leicht angeschwärzt werden.
- Was ist mit Andors Vermögen passiert?
- Warum vertraut Bicks der Heilerin so sehr?
- Eine komplette Folge ohne die titelgebende Figur?
- Warum sind die Schiffe auf Yavin 4 nicht gesichert?
- Wo sind die Aliens?
- Dedras nahezu Lore-unmöglicher Lebenslauf bezüglich ihres Aufwachsens
Vermutlich noch ein paar andere Punkte, die mir gerade nicht einfallen. Wie gesagt, da ist nichts dabei, was mich schlaflos macht, aber einiges, was man in anderen Serien mMn heftig diskutieren würde, weil es andere schlaflos machen würde.
Dinge, die ich tatsächlich nicht verstanden habe (keine Kritik, ich habe vielleicht einfach nicht aufgepasst)
- Der Plot auf Yavin 4 in Folge 1-3: Der Bruder des einen Rebellen hat sie abgesetzt, um weitere Überlebende zu holen. So weit klar. Andor wiederrum soll den Tie an einen anderen Piloten übergeben. Soweit auch klar.
Abgesehen davon, dass man sich auf dem ganzen großen Planeten die gleiche Stelle ausgesucht hat, um sich zufällig zu treffen: Fehlt da nicht ein Schiff? Wenn Andor ein Schiff übergeben sollte, hätte er ja auch wegfliegen können müssen. Das Wrack das da liegt, sind die Rebellen damit gekommen? Aber warum wird dann gesagt, dass sie „abgesetzt“ wurden?
- Für welche Armee war Luthen unterwegs?
- Kannte man die Techniker, die dafür gesorgt haben, dass man Mothma nicht abschalten konnte? Und wenn ja, wer hat sie geschickt: Luthen oder Bail?
Kritik:
- Nachdem ich jetzt die ganze Staffel gesehen habe, muss ich sagen: Folge 4-12: sehr gut, aber Folge 1-3 sind tatsächlich Füller-Folgen. Hart gesagt: würde man nach Staffel 1 mit Folge 4 weitermachen, würde das funktionieren, eigentlich braucht man nichts aus diesen Folgen für die Handlung. Der Tie-Raub? Wofür? Was macht Luthen damit? Die Rebellengruppe auf Yavin 4? Die Basis kommt später trotzdem völlig aus dem Nichts. Die Hochzeit? Das Brautpaar wird noch ein einziges Mal erwähnt, das hätte zum Verständnis, dass die Hochzeit stattfand, genügt, es gibt auch sowieso so gut wie keine Reaktion auf Mon Mothmas Untertauchen. Tae? Wird erst in diesen Folgen zur Bedrohung und dann offscreen ermordet. Ohne diesen Plot hätte sich nichts geändert. Man hätte sogar Mothmas Vorwurf an Luthen drinlassen können, dann hätte man halt geglaubt, dass Luthen ihn aus Prinzip als Mitwisser ermordet hat (ebenfalls offscreen), hätte gepasst. Brasso? Die Serie zeigt doch selbst in Folge 3 kaum Reaktion auf sein Ende. Da hätte ein Satz später genügt („Zum Glück kennt das Imperium sein Gesicht nicht. Ich bin froh für ihn, dass er mit B2 neu anfangen konnte).Wilmons Liebelei? Macht er später nochmal.Bliebe noch die Konferenz, um die wäre es schade. Aber selbst dann: Dadurch, dass Dedra Syril sagt, um was es geht, sind auch diese Infos drin – ohne den ersten Arc. Was sich geändert hätte, wäre die Perspektive. So hat man Dedras Sicht, anders hätte man Syrils Perspektive angenommen und dann in Folge 8 einen Twist gehabt, wenn man kapiert hätte, was das Imperium hier getrieben hat.Heißt „Füller“ jetzt schlecht? Nicht zwingend. Aber da bei SW vom Publikum aus ja besonders kritisch auf Writing und Storytelling geguckt wird, ist es erstaunlich, dass man das so durchwinkt.
- Lonnys Ende: Warum bringt er ihn gleich um? Er wollte später mit Kleya fliehen und sie haben ihr Safe-House. Lonny hatte bei weitem noch nicht alle Infos preisgegeben und das, was er angeteasert hat, muss Luthen das Risiko wert sein. Und es kann auch kein Misstrauen sein, sonst hätte er den Begriff Yavin 4 nicht fallen lassen, wenn er hätte glauben müssen, dass Lonny umgedreht/entdeckt wurde und „verkabelt“ bei ihm aufkreuzt.
- In meinem Kopf ist Kleya nicht Andors Schwester, denn dass sie zugelassen hätte, dass Luthen ihren Bruder (und das wäre ihr dann klar) ermordet (Staffel 1), wäre mir ehrlich gesagt zu viel.
Der nächste Punkt ist eigentlich keine Kritik, sondern
lediglich persönliches Empfinden.
Andor erntet meiner Meinung nach auch solch gute Kritiken, weil seine Machart „ich bin gut“ signalisiert. Es entspricht mMn dem Zeitgeist, dass man vor allem düsteren, bedrückenden und dystopischen Stoffen Reife und Erwachsensein zugesteht und damit auch das Etikett „gut“ oder „Kunst“.
Und natürlich ist das bei einer Serie, die in den „Dark Times“ spielt, auch sinnvoll und die Serie füllt die Nische, die sie ausfüllen will, zielgenau aus. Für mich übertreibt sie es an manchen Stellen jedoch und das ist deshalb für mich schade, weil damit auch erzählerische Schwächen eingebaut werden, die nicht nötig sind.
Was ich meine? Die Serie ist wirklich düster genug, warum muss man den Figuren immer noch eine Extraportion Tristesse mit auf den Weg geben. Kleya ist extrem hart, das wird in den Folgen und das wird in den Rückblicken klar, eine Fanatikerin, die nichts hat außer ihrer Aufgabe. Warum muss man sie jetzt noch zur Mörderin ihres Ziehvaters machen? Für ein bisschen mehr Düsternis? Luthen ist ein innerlich zerstörter Mann. Warum muss man ihn bei seinem Selbstmord scheitern lassen, so dass er jetzt noch seine Ziehtochter dazu zwingt, ihn töten zu müssen? Damit es noch bitterer wird? Und damit man das erreicht, muss Luthen gegen seinen Charakter schlecht vorbereitet in die letzte Konfrontation gehen?
Brassos Ende ist tragisch, aber es muss im Prinzip auch noch Wilmons Fahrlässigkeit sein, die ihren Teil dazu beiträgt.
Lonny zu ermorden reicht nicht, es muss auch klar gemacht werden, dass jetzt irgendwo die Familie vergeblich auf Hilfe wartet. Und dazu muss Luthen Lonny unnötigerweise sofort ermorden (s.o.)
Cassians Ende in R1 ist jetzt nicht einfach nur traurig, man weiß jetzt, dass er nie sein Kind im Arm halten wird. Bicks hoffnungsvoller Blick in den Himmel ist die letzte Szene, nur um nochmals zu unterstreichen, dass die persönliche Hoffnung nicht erfüllt werden wird usw. Durch das Kind wird ihre Entscheidung von „selbstlos gegenüber der Rebellion“ zu „rücksichtslos gegenüber Andor“ umgewidmet und entspricht damit mMn nicht mehr ihrem Charakter.
Das ist mir dann irgendwann zu viel „Kritiker-Service“ oder „Zeitgeist-Service“ (analog zu zu viel „Fan-Service“ in anderen Serien). SW war schon immer überhäuft mit eigentlich tragischen Elementen, aber man hat diese Elemente eben anders verpackt, eine Serie wie Andor muss sich sogar davon abheben, aber das hätte sie auch ohne dieses immer-nochmal-eine-extra-Tragik-Draufpacken geschafft.
Ich erkenne an, dass die Serie das, was sie sein will, hervorragend macht und ich habe sie mit großem Interesse verfolgt, aber mehr Spaß und mehr Freude (welch altmodisches Wort) hatte ich zum Beispiel mit Skeleton Crew. Ich möchte Andor nicht missen, aber sollte SW jetzt die nächsten zehn Jahre so sein wie Andor, fände ich das schade, weil es sich dann womöglich irgendwann anfühlen würde wie eine Dystopie von vielen. Eine sehr gute zwar, aber eben nichts Spezielles.
Ich hoffe, dass künftige Serien, die gar nicht so sein wollen wie Andor, jetzt nicht zwanghaft daran gemessen werden und verurteilt werden, weil sie das, was sie nicht sein wollen, schlussendlich auch nicht sind. Und ich hoffe, dass man in den Macharten der Serien (und Filme) weiter breit streut.
Wenn es anders kommt werde ich es mir trotzdem anschauen.