Was ändert diese Aussage aber daran das in den 80ern Osama Bin Laden und co. massiv von den USA und ihrem best buddy Saudi Arabien finanziert worden sind um den Russen in Afghanistan "ihr eigenes Vietnam bescheren wollte".
Das wird durch Wiederholung auch nicht wahr. Osama bin Laden war a) steinreich und hatte finanzielle Zuwendungen von "Ungläubigen" gar nicht nötig b) hasste besagte "Ungläubigen" und insbesondere die USA schon damals abgrundtief und c) war mit seiner vergleichsweise kleinen Truppen von Freiwilligen (den sogenannten "arabischen Afghanen") für potentielle Sponsoren nicht sonderlich interessant - die setzten auf andere, einheimische Kräfte und Warlords. Bei deren Finanzierung, Bewaffnung und Unterstützung war Pakistan als Regionalmacht federführend. Die Pakistaner kannten Land und Leute, sprachen die Sprachen, konnten Material über die Grenzen schaffen und waren zudem als Muslime frei vom Makel des "Ungläubigen", also
bestimmten schlussendlich sie, wer Geld, Waffen und Ausrüstung bekam. Die Warlords, die Hilfe (über den Umweg Pakistan) bekamen, endeten in der Regeln in den Neunziger-Jahren als Feinde der 1994 gegründeten Taliban (ja, man höre und staune, die Rebellen, die 1979 bis 1989 gegen die Sowjets kämpften, hatten mit denen personell nichts und ideologisch nur Teile gemeinsam), kämpften mit ihnen (und gegeneinander) um die Macht und verloren, wodurch die Taliban die Kontrolle über den Großteil des Landes übernahmen.
Wenn man von den Taliban redet, dann sind das Leute wie deren derzeitige Nummer 1. Abdul Ghani Baradar (geboren 1968) und deren Nummer 2. Siradschuddin Haqqani (geboren 1973). Oder den Gründervater Mohammed Omar (geboren 1960). Männer, die während der sowjetischen Invasion geboren wurden oder jung waren und in den 1990er-Jahren die Grundlagen für diese Organisation legten. Die Mudschahidin, die gegen die Sowjets gekämpft hatten und dabei Unterstützung erhielten, waren weitestgehend gläubige und konservative Muslime aus Afghanistan (allerdings fanden sich darunter auch ehemalige Kommunisten, Maoisten mit Unterstützung aus der VR China, Angehörige der schiitischen Minderheit mit Unterstützung aus dem Iran, etc.), aber keine fanatischen Islamisten wie die Taliban, die sich aus einer brutalisierten Generation zusammensetzten und sich beispielsweise durch das sehr enge Verhältnis zu Pakistan und die Vorstellung von der Überwindung des Stammesdenkens als Teil einer globalen islamistischen Bewegung und eine radikale, fundamentalistische Interpretation sehr von anderen Kräften in Afghanistan unterschieden.
Mudschahidin: Kämpfer gegen die Sowjetunion und die von ihr unterstützte kommunistische Regierung in Kabul. Zersplittert, starker regionaler Fokus, islamisch-konservative Grundierung, ambivalentes Verhältnis zu Pakistan und ausländischen Kämpfern. Geführt von verschiedenen Warlords wie Ahmad Schah Massoud (gläubiger Muslim, Demokrat, erbitterter Feind der Taliban und deren pakistanischen Herren, Kontaktmann der CIA), Abdul Raschid Dostum (Usbeke und einst eine wichtige Persönlichkeit in dem kommunistischen Staat Afghanistan) und Gulbuddin Hekmatyār (der zwar auch amerikanische Gelder erhielt, primär aber von Pakistan ausgerüstet und gesteuert wurde und zunächst gegen die Sowjetunion kämpfte, dann in den 90er-Jahren gegen Warlords und die Taliban, in den 2000er-Jahren gegen die USA und schließlich Teil der afghanischen Regierung wurde).
Taliban: In den 90er-Jahren formiert aus Flüchtlingen und jungen Menschen im afghanistan-pakistanischen Grenzgebiet, stiegen im Chaos des Bürgerkriegs (vereinfach gesagt: Jeder gegen jeden) dank ihrer gefestigten Ideologie und Geld, Waffen und Ausbildung aus Pakistan zur dominanten Macht in Afghanistan auf, indem sie andere Fraktionen entweder besiegten oder aufsaugten - eine Entwicklung, die beispielsweise die USA und die EU mit Sorge sahen, sie favorisierten den zuvor erwähnten Massoud, waren aber nicht interessiert und willens genug, sich für ihn zu engagieren. Afghanistan schien weit weg, man hoffte darauf, dass sich gemäßigte Kräfte (also auch die einst unterstützten Mudschahidin) aus eigener Kraft durchsetzen würden, und war nicht geneigt, die Regional- und Atommacht Pakistan herauszufordern. Also ließ man die Dinge laufen und sah schlussendlich, dass sich eben nicht die Mudschahidin durchsetzen, sondern die Taliban - die sieh als Teil einer globalen islamistischen Bewegung sahen und daher nur zu gerne bereit waren, Seite an Seite mit der sogenannten 055-Brigade unter Bin Laden zu kämpfen und Al-Qaida Schutz und Ressourcen zu bieten.
Man kann jetzt auf Dschalaluddin Haqqani verweisen, der in den 1980er-Jahren Unterstützung auch aus den USA erhielt (erneut: treibende Kraft Pakistan) und sich 1995 den Taliban anschloss. Er hatte, so behaupten es zumindest einige Autoren, ein gutes Verhältnis zu Bin Laden und kämpfte ab 2004 gegen die USA - aber er schloss sich den Taliban eben erst an, als diese Organisation unter pakistanischer Federführung gegründet wurde, zuvor waren er und seine Gruppierung einfach nur eine weitere Fraktion unter vielen im Bürgerkrieg.
Kurzum: Die Behauptung, die USA wären verantwortlich für den Aufstieg der Taliban, ist Unsinn. Die Sowjetunion marschierte 1979 in Afghanistan ein, um ein bei der Bevölkerung zutiefst unbeliebtes und brutales kommunistisches Regime zu stützen, gegen das sich bereits seit Jahren bewaffneter Widerstand gebildet hatte. In dem darauf eskalierenden Krieg starben fast 9 % der Einwohner und das Land wurde verwüstet - und Pakistan sah in den 1990er-Jahren die Chance, in Eigenregie und gegen den Willen der an der Region zunehmend desinteressierten USA den Traum von strategischer Tiefe gegen Indien zu verwirklichen, verhalf den frisch entstandenen Taliban zum Sieg über die verschiedenen Mudschahidin und hoffte, danach würde sich die Lage in seinem Sinne einpendeln. Kam aber nicht gleich dazu, weil sich parallel zu den afghanischen Taliban auch eine pakistanische Taliban-Bewegung formierte, der selbst das pakistanische Regime nicht islamistisch genug war und die das Land mit Terror überzog. DIESE Taliban bekämpfte Pakistan dann auch energisch und verkaufte das der Welt nach 9/11 als Wandlung von Saulus zu Paulus. Wer also nach Verantwortung für die Taliban sucht, der suche in Islamabad - oder er zeige mit dem Finger aktiv auf alle irgendeiner Form Beteiligten, was aber die konkrete Verantwortung ganz schön verwässert: Moskau, Beijing, Teheran, Riad, Washington D.C....
Kürzere Kurzversion: Im schlimmsten möglichen Fall profitierte Osama Bin Laden indirekt von Geldzahlungen, die ursprünglich aus den USA kamen, aber von Pakistan verteilt wurden - und amerikanisches Geld bekamen viele Gruppen in Afghanistan, hauptsächlich jene, die später in den 1990er-Jahren gegen die Taliban kämpften.