Diamantino (2018)
Bei Diamantino handelt es sich um eine europäische Independent-Produktion, die sich grob den Genres zeitgenössisches Drama, Komödie und Fantastik zuordnen lässt, aber am Ende eine ziemlich bunte Mischung darstellt. Im Zentrum steht der Fußballstar Diamantino, eine Mischung aus Ronaldo (optisch) und dem Klischee des froh-doofen Kickers, der ohne sein sportliches Talent nicht ansatzweise zu dem finanziellem Reichtum gekommen wäre, welcher in der Branche heutzutage möglich ist.
Das Talent des Spielers ist für Außenstehende unerklärlich. Als Stürmer-Star der portugiesischen Nationalmannschaft bringt er sein Team bei der WM in Russland bis ins Finale und macht immer wieder die entscheidenden Tore. Für ihn selbst ist das alles gar nicht greifbar, auf dem Platz vergisst er die Realität um sich herum. Spieler, Spielfeld und Stadion lösen sich in rosa Nebel auf, überall um ihn herum laufen riesige Pekingesen, bis er schließlich das Leder ins Netz haut. Doch im Finale ist es mit seinem Glück vorbei, er wird zum Spott der Nation und versucht, sein Leben irgendwie zu ordnen. Intellektuell auf dem Niveau eines Kindes, aber großherzig, möchte er ein Flüchtlingskind adoptieren, um die Leere in sich zu füllen.
Seine grausamen Zwillingsschwestern, welche kräftig an dem Erfolg ihres Bruders mitverdient haben, sind mit diesem Vorhaben überhaupt nicht angetan, und neben der Steuerfahndung, die ihm auf den Fersen ist, versucht auch eine rechtspopulistische, europafeindliche Partei den gefallenen Fußballstar für sich zu instrumentalisieren.
Diamantino versucht sehr, sehr viel unter einen Hund zu bringen und ist dabei für einen Film mit ca. 90 Minuten Laufzeit sehr ambitioniert. Oft mit einem Augenzwinkern, aber immer mit einer Aussage, greifen die Regisseure eine ganze Bandbreite zeitgenössischer Themen auf und mischen diese zu einem Cocktail. Wir haben hier die Absurdität des Systems Profifußball, Starkultur, LGBTQ, Fremdenfeindlichkeit, Europa, Verlust und Liebe und wahrscheinlich einige Dinge mehr, die mir gerade entfallen sind. Das ist im Grunde genommen zu viel, oder zumindest zu viel, um einige Themen mehr als nur anzuschneiden. Trotzdem hatte ich nicht das Gefühl, dass sich der Film dabei überhebt und verzettelt, aber er ist schon sehr eigen und ganz anders als das klassische, konventionelle Kino.
Ich bin kein großer Independent-Fan und Diamantino ändert das nicht, aber er hat irgendwie seinen Charme, eben weil er stellenweise so absurd ist. Die schauspielerische Leistung fand ich sehr überzeugend, die Gesichter würde ich gerne irgendwann wiedersehen.