Zuletzt gekaufter/gesehener Film - Allgemeiner Filmthread

Vielleicht ist es bei mir die Folge eines phasenweise Überkonsums:verwirrt:.
Vielleicht bin ich Masochist, aber wenn ich Langeweile habe, schau ich mir gerne die in Prime oder Netflix enthaltenen Horrorfilme an. Die meisten sind leider maximal Durchschnitt (eine Ausnahme: Oben genannter Film, den fand ich wirklich gut).
 
Schau auch ganz gerne Horror-Filme, bin aber durch den häufigen Konsum etwas zu sehr abgehärtet, dass mich kaum mehr etwas schreckt oder gruselt. Als positive Ausnahme empfand ich dieses Jahr "Der Unsichtbare", der IMO sehr gut war. Wobei fast mehr Thriller denn Horrorfilm.
 
Oh ja, Thema Horrorfilme. Ich sag immer gern, dass ich das Horrorfilm-Genre sehr mag, mir aber die wenigsten Horrorfilme wirklich gefallen. Der wesentliche Grund hierfür wurde schon genannt: Sie sind größtenteils enorm vorhersehbar, weil meistens nach dem selben Muster gestrickt und mit einem ganz ähnlichen Szenenaufbau ausgestattet. In fast jedem modernen Horrorfilm gibt es unter anderem diesen Moment, wo die Hauptfigur um eine Ecke schaut, eine Tür öffnet etc., die Musik dabei dramatisch anschwillt, dann erstmal nichts passiert, bis die Figur sich umdreht und dann erst der "Schockmoment" einsetzt. Das sieht man bei den entsprechenden Szenen, die so aufgebaut sind, einfach schon kommen und es kann daher überhaupt nicht vom Hocker hauen.

Was mich auch immer richtig nervt (und da ist das Conjuring-Universum, welches ich an sich eigentlich recht mag, besonders schlimm): Die Filme bauen oft eine wirklich gelungene, schaurige und gruselige Atmosphäre auf, die über eine dämonische, geisterhafte Entität funktioniert, welche eben nur angedeutet wird. Gegen Ende des Films meint man dann aber aus irgendeinem Grund immer, dieses Wesen, das für den Spuk verantwortlich ist, komplett zeigen zu müssen. Das ist für mich dann im Normalfall der Moment, wo der Grusel komplett aus dem Film verschwindet, weil diese Wesen meistens eben nicht gruselig, sondern lächerlich und billig animiert aussehen.
 
Ich habe I Am Mother gesehen und war begeistert. Ein guter Film. Sehr spannend, anders als Andere, gute Schauspieler. Das Ende ließ eine Menge Interpretationsspielraum. Vllt schon zu viel für meinen Geschmack. Es blieben daher Fragen für mich offen. Sonst hätte ich ihn sehr gut gefunden.

Ich sah auch Once upon a time ...in Hollywood und war schwer enttäuscht. Habe selten so einen schlechten langweiligen Film gesehen. Da war gerade mal diese eine verrückte Szene am Schluss.
 
Habe mir gestern "Rock the Kasbah" (Amazon Prime) angesehen.

Ein typischer Bill Murray Film. Ich liebe ihn einfach....ich könnte ihm 90 min beim Frühstücken zuschauen ;-)

Kurz erzählt: Ein Musikmanager tourt mit seiner Musikerin durch Afghanistan, verliert Geld und Ausweis und versucht dort irgendwie klar zu kommen. Dabei erlebt er jede Menge skuriles Zeug, eben Bill Murray-Style.

Wer Bill Murray mag, ist mit diesem Film gut bedient. Wieso der Film soooo schlechte Kritiken bekommen hat (5,5 bei IMDB) - kann ich nicht ganz nachvollziehen. Ich fand ihn unterhaltsam.
 
I, Daniel Blake (2016)

Daniel Blake aus Newcastle (UK) ist 59 Jahre alt, Witwer, ledig und nach einem Herzinfarkt mit Attest arbeitsunfähig. Dem zuständigen Amt unterläuft jedoch ein schwerer Bearbeitungsfehler, aufgrund dessen ihm die Sozialhilfe (ESA), für die er sein Arbeitsleben lang Beiträge gezahlt hat, versagt bleibt. Um nicht vollkommen mittellos dazustehen, beantragt er bis zur Klärung des Falls Arbeitslosenhilfe, die jedoch an strikte Bedingungen geknüpft ist. Für dem der Bürokratie quasi hoffnungslos ausgelieferten Daniel ergibt sich in der Folge eine grausame und absurde Abwärtsspirale.

Mit "I, Daniel Blake" formuliert Regisseur Ken Loach eine scharfe Anklageschrift gegen den Wohlfahrtsstaat und das auf Sanktionsmechanismen fußende Sozialsystem Großbritanniens. Es geht dabei nicht um eine differenzierte Auseinandersetzung, sondern um eine klare Darstellung jener Schicksale, die ein System, welches ihnen aus einer Schieflage helfen soll, als repressive Macht erleben, die sie nur noch tiefer in die Krise stürzt.

Darstellerisch getragen wird es von Dave Johns als sympathischen Daniel Blake sowie von Hayley Squires als alleinerziehende Mutter Katie Morgan. Beide sind mir nur aus diesem Film bekannt und ihrer Filmografie nach sonst noch nicht begegnet. Trotz überzeugende Performance sind es aber nicht die Darsteller*innen, sondern vor allem die Inszenierung, welche die eigentliche Wirkung ausmachen.

Sicherlich muss man berücksichtigen, dass Loach aus seiner Haltung als überzeugter Sozialist keinen Hehl macht. Die Figuren Hayley und Daniel sind Blaupausen guter Menschen, die Opfer eines Systems werden. Es fällt leicht, sich mit ihnen zu identifizieren und es ist alternativlos, sich als Zuschauer auf ihre Seite zu schlagen. Der dick aufgetragene politische Anstrich lässt sich nicht leugnen, aber halt auch nicht, dass es diese Schicksale gibt.

Der Film ist im Rahmen einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Sozialstaat, ob nun in Großbritannien oder Deutschland, in meinen Augen wichtiges Material. Auf dem Kinomarkt ging er seinerzeit trotz Palme d'Or und zahlreichen weiteren Preisen ziemlich unter, an Aktualität hat er seitdem aber nicht verloren.
 
20.000 Leagues Under the Sea (1954)

Die gleichnamige Verfilmung des Jules Verne-Romans kann leider kaum mit der wundervollen Vorlage mithalten. Der größte Fehler des Drehbuchs bestand darin, den storytechnischen Fokus vom gespannten Verhältnis zwischen Professor Aronnax und Kapitän Nemo weg auf die Nebenfigur des übermotivierten Harpuniers Ned Land bzw. dessen Blödeleien zu legen (da Kirk Douglas in der Rolle und Disney-Produktion, weswegen der düstere Grundton des Buches fast völlig entfernt wurde). So verkommt das Ganze eher zu einem Feel Good-Abenteuer, wie man es dem Publikum der 50er wohl nicht anders zumuten wollte (ich glaube, dieses Filmjahrzehnt und ich werden keine großen Freunde mehr).

Nemos (James Marson) Hintergrund wird entzaubert und obendrein verfälscht zum weißen, ehemaligen Strafgefangenen einer Gefängniskolonie; auch sonst hat das Leinwand-Pendant kaum Ähnlichkeiten mit seinem faszinierenden Vorbild. Aronnax (Paul Lukas) und Begleiter Conseil (Peter Lorre) sind wenig mehr als Statisten, die - wenn überhaupt - auf Stichworte hin agieren. Einzig das Produktionsdesign weiß stellenweise zu überzeugen, wenngleich Nemos U-Boot plötzlich lächerlich klein geraten wirkt.

5/10 in Rage gebrachten Riesenkraken
 
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Butch Cassidy and the Sundance Kid (1969)

Der heiter anmutende Western mit Paul Newman und Robert Redford gilt wohl zu Recht als einer der besten Vertreter des Genres, der vor allem von der großartigen Chemie zwischen den beiden Hauptdarstellern, aber ebenso von sehr starken Dialogen lebt (Extralob an dieser Stelle für den Drehbuchautor!). Nach einer Reihe von Eisenbahnüberfällen müssen sich die zwei Legenden einen neuen Betätigungsort suchen und landen schließlich in Bolivien (die Szenen mit den unzureichenden Spanisch-Kenntnissen der Protagonisten bringen mich immer wieder zum Schmunzeln). Allerdings leisten sie sich dort ein Husarenstück zu viel, sodass am Ende Einheiten der bolivianischen Armee anrücken; im verschlafenen Örtchen San Vicente kommt es dann zu einem der legendärsten Showdowns der Filmgeschichte.

8/10 im Bach liegenden Fahrrädern
 
Le Trou (1960)

Im Pariser Gefängnis La Santé arbeiten gerade vier Insassen - der sympathische Vosselin (Raymond Meunier), der mürrische Geo (Michel Constantin), der ruhige Roland (Jean Keraudy) und der Kopf des Vierergespanns, Manu (Philippe Leroy) - in ihrer Zelle mit Hochdruck an ihrem lange und sorgfältig geplanten Ausbruchsversuch, als sie mit dem jungen Gaspard (Marc Michel), dessen Trakt gerade renoviert wird, einen Mitbewohner auf Zeit bekommen. Nach kurzem Bedenken beschließen sie, den Neuankömmling in ihren Plan einzuweihen. Gaspards Hilfe beschleunigt das Unternehmen, das jedoch immer wieder durch (unangekündigte) Kontrollen aufzufliegen droht.

Regisseur Jacques Becker gelang mit seinem letzten Film 'Le Trou' - dessen Laienbesetzung brilliert - eine packende Dokumentation des Alltags, Erfindungsreichtums im Gefängnis sowie den Strapazen, welche die eingeschworene Truppe auf sich nimmt, um ihre Freiheit wiederzugewinnen. Der Film basiert auf einer wahren Begebenheit, die sich 1947 zutrug; ein damals Beteiligter - Jean Keraudy - spielt den schweigsamen Roland.

8/10 zum Spiegel umfunktionierten Zahnbürsten
 
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Die Eiskönigin 2:

Mir hat der Film sehr gut gefallen! Der erste Teil ist auch ganz nett und lustig, aber die Musik überwiegend penetrant.

Ich habe ein Faible für schöne Mutter-Tochter-Geschichten und daher hat mich Elsas und Annas Suche nach dem Schicksal ihrer Eltern sehr berührt.
Der Moment, in dem Elsa endlich zum Ursprung der geheimnisvollen Stimme durchdringt, hat mir mit Abstand am bestengefallen.

Die Musik ist ganz wunderbar, nur Mark Fosters schrille Tonlage und Textgenuschel fand ich doof. Da seine Liedinterpretation nur im Abspann gezeigt wird, kann ich damit leben. :-D

Das Lied "Vuelie" hat mir schon im ersten Teil gefallen, aber im zweiten Teil ist die Fortführung des Themas der Hammer!

Was ich überflüssig fand, waren Kristoffs Schwierigkeiten, Anna einen Heiratsantrag zu machen. Das hätte sich nicht durch den ganzen Film ziehen müssen und ist auch für die Story unwichtig.

Irgendwie hatte ich öfter den Eindruck, dass dieser Film die bessere Episode 9 ist. :-D
 
Cinema Paradiso (1988)

Der in Rom ansässige Filmregisseur Salvatore Di Vita erhält die Nachricht vom Tode eines gewissen Alfredo aus seiner Heimat, die er seit 30 Jahren nicht mehr besucht hat. Tief getroffen, lässt er die Vergangenheit Revue passieren:

Im sizilianischen Giancaldo verbringt der kleine Salvatore jede freie Minute im örtlichen Kino, dem 'Cinema Paradiso', um seiner Leidenschaft für Filme zu frönen und dem tristen Alltag mit kleiner Scvwester und Mutter - einer Kriegerwitwe - zu entgehen. Im Paradiso lernt er zahlreiche Filmklassiker kennen; dabei entwickelt sich auch die tiefe Freundschaft zum Projektionisten Alfredo, der den Jungen - anfänglicher Ablehnung zum Trotz - als "Nachfolger" annimmt und ihn in die Geheimnisse der Vorführung einweiht. Von da an nimmt das Schicksal unverhofften Lauf....

Weitere Details will ich an dieser Stelle nicht verraten. 'Cinema Paradiso' ist einer der berührendsten, schönsten Filme, die ich jemals gesehen habe. Eine grandiose Homage nicht nur an das Kino, sondern das Leben und seine - mal glücklichen, mal tragischen - Wendungen.

9/10 liebevoll über Jahrzehnte aufbewahrten Filmrollen
 
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"Cinema Paradiso" hab ich dank der IMDB Top250 schon länger auf dem Radar. Leider bekomm ich den Film nirgendwo her. Nicht mal auf Amazon zum Kaufen / Leihen.
 
Zu meiner Schande habe ich bisher nie "Christine" von John Carpenter gesehen.
Habe aber bereits vor 12 Jahren das Buch gelesen.

Den Film gibt es jetzt auf Netflix. Ich fühlte mich gut unterhalten, auch wenn die Story nicht gaaaanz soviel hergibt. Insgesamt habe ich mich gefragt, wie man so ein Buch verfilmen will? Carpenter hat wirklich sein bestes gegeben, finde ich.

Der Hauptdarsteller ist leider nicht mein Geschmack, da hätte es andere gegeben.

Ein bisschen gruselig war er schon, den wahren Horror des Buches konnte er nicht einfangen.
 
Am Wochenende habe ich "Intrige" (Im Original "J'accuse") von Roman Polanski gesehen. Dieser preisgekrönte Film war sehr umstritten, allerdings hauptsächlich wegen den bekannten privaten Problemen des Regisseurs, der auch einen kleinen Cameo-Auftritt hat.

Im Film geht es um die Dreyfus-Affäre, den grössten politischen Skandal in der dritten französischen Republik.

Der Militärgeheimdienst findet heraus, dass es einen Verräter gibt, der Militär-Geheimnisse an das Deutsche Kaiserreich weitergibt. Ein Haupt-Verdächtiger wird schnell gefunden, Hauptmann Alfred Dreyfus. Dreyfus ragt unter den übrigen Verdächtigen deshalb heraus, da er aus dem von Deutschland 1871 annektierten Elsass stammt, vor allem aber, weil er Jude ist. Dreyfus wird öffentlich degradiert und auf die Teufelsinsel verbannt, wo er in Einzelhaft in einer Hütte inhaftiert und nachts ans Bett angekettet wird.

Der neue Chef des Militärgeheimdienstes, Major Picquart, aus dessen Perspektive der Film die Geschichte erzählt, entdeckt jedoch zufällig Indizien dafür, dass tatsächlich ein anderer Offizier, Major Esterhazy, der wahre Täter ist. Weitere Ermittlungen führen zu eindeutigen Beweisen. Nun beginnt die eigentliche Affäre.

Als Picquart seine vorgesetzten Offiziere sowie den Kriegsminister darauf hinweist, dass Dreyfus unschuldig und Esterhazy der wahre Verräter ist, reagieren diese zunächst unwillig. Da Picquart nicht locker lassen will unterdrücken sie die Beweise schliesslich und veranlassen Picquarts Versetzung "in die Wüste" (im wahrsten Sinne des Wortes). Die Führung der Armee geht davon aus, dass ein Eingeständnis, einen Unschuldigen verurteilt zu haben, das Vertrauen der Öffentlichkeit in einem Ausmass beschädigen würde, das viel schwerwiegender ist, als einen Juden irgendwo am Ende der Welt verrotten zu lassen.

Picquart gibt aber nicht auf. Nach seiner Rückkehr aus Algerien stellt er fest, dass er vom Militär-Geheimdienst inzwischen selber überwacht wird, da man ihn für ein Sicherheitsrisiko hält. Da er als Offizier auf dem Dienstweg gescheitert ist, er selber kurz davor steht angeklagt zu werden, und er nicht an die Öffentlichkeit gehen kann, nimmt er über politisch liberale Kreise Kontakt zu Emile Zola auf, einem der grössten Schriftsteller seiner Zeit. Dieser schreibt in der Presse einen offenen Brief "J'accuse" ("Ich klage an") in dem er die Affäre offenlegt und die handelnden Akteure (Offiziere, Sachverständige, Politiker) beim Namen nennt und direkt angreift. Dieser Artikel schlägt wie eine Bombe ein und führt zu massiven innenpolitischen Verwerfungen und antisemitischen Ausschreitungen. Picquart, der nun als Nestbeschmutzer und Agent des internationalen Judentums gilt, wird unehrenhaft aus der Armee entlassen, Emile Zola zu einer Gefängnisstrafe wegen Verleumdung verurteilt.

Ferner wird gezeigt das Wiederaufnahmeverfahren gegen Dreyfus, in dem die französische Armee, die ihre Ehre bedroht sieht, sogar extra gefälschte Beweise für Dreyfus Schuld auffährt, Offiziere Falschaussagen tätigen und "Geheimbeweise" nennt, die der Öffentlichkeit leider nicht gezeigt werden können. Die Armee argumentiert, dass man ihr einfach vertrauen muss und dass die Republik verloren sei, wenn die Öffentlichkeit kein Vertrauen in die Führung der Armee habe. Dreyfus wird erneut schuldig gesprochen, der Präsident, der die Angelegenheit aber erledigt haben will, bietet ihm jedoch die Begnadung an, was einem Schuldeingeständnis gleichkommt. Von den Jahren der Haft an einem unwirtlichen Ort gezeichnet und da er bei seiner Familie sein will, nimmt Dreyfus an. Der Film endet hier, es folgt noch eine Szene, die Jahre später spielt, nachdem Dreyfus und Picquart rehabilitiert wurden.

Es ist kein sehr spektakulärer Film, sondern eine genaue Rekonstruktion der Abläufe und eine Geschichte über Whisteblowing im Angesicht der Staatsräson. Auf der einen Seite steht der unscheinbare Dreyfus, alles andere als ein strahlender Held oder einnehmende Persönlichkeit. Er ist der personifizierte Durchschnitt, der ohne eigenes Zutun zum Sündenbock in einem politischen Stück auserkoren wird. Auf der anderen Seite steht ein riesiger Staatsapparat, dessen Institutionen all ihre Macht einsetzen, um einen einzelnen machtlosen Menschen, der zum Wohle aller geopfert werden muss, fertigzumachen. Der Film hat mir sehr gut gefallen, insbesondere, dass neben Dreyfus auch Picquardt nicht unbedingt als Sympathieträger dargestellt wird. Picquardt gibt offen zu, dass er selber antisemitische Vorurteile hat und nicht viel von Juden hält, schon gar nicht als Offiziere im Generalstab. Er kämpft nicht aus irgendeiner progressiven emanzipatorischen Weltsicht heraus für Dreyfus, sondern nur, weil es "das Richtige" ist und die Offiziere, die Dreyfus aus Bequemlichkeit verrotten lassen wollen, den nationalkonservativen Ehrenkodex verletzen, den sie alle - inklusive Dreyfus selber - miteinder teilen und damit erst Recht die Ehre der Armee besudeln.

Einiges wird nicht gezeigt. Der tatsächliche Verräter, Major Esterhazy, wurde ebenfalls angeklagt und um der Ehre der Armee willen sogar freigesprochen. Er hat sich jedoch kurz darauf in ein freiwilliges Exil nach England begeben. Das Gerichtsverfahren, das nach über 10 Jahren schliesslich doch noch zur Rehabilitierung von Dreyfus und Picquart (der schliesslich selber Kriegsminister wurde) führte, wird ebenfalls nicht gezeigt. Der Film hätte wahrscheinlich 5-6 Stunden dauern müssen, um die ganze Story zu erzählen. Vielleicht wäre es eher was für eine Mini-Serie gewesen.

Nebenbei, Theodor Herzel, der Begründer des modernen Zionismus, war als Journalist am Dreyfus-Prozess beteiligt. Der Prozess und die Reaktion der französischen Öffentlichkeit machten einen enormen Eindruck auf ihn. Er ging davon aus, dass, wenn ein patriotischer und völlig assimilierter Jude wie Alfred Dreyfus in einem demokratischen europäischen Staat keine Gerechtigkeit erfahren kann und zum Hassobjekt der Massen wird, es illusorisch sei zu glauben, dass Juden von den Mehrheitsgesellschaften jemals als gleichberechtigt anerkannt werden.

Viele Gegner von Roman Polanski regt gerade dieser Film trotz seiner unzweifelhaften Qualitäten so auf, da naheliegt, dass Polanski sich selber mit Dreyfus identifziert, quasi als unschuldig Verfolgter und Verbannter. Aber jeder muss selber wissen, inwieweit er die Kunst vom Künstler trennen will oder auch nicht.
 
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