Sera Noan
Erons Chaos
[ Bastion - Sith-Tempel - Domäne der Wissenden - Vor einer Rüstkammer -Sera, Agatosh ]
Der Chiss-Hüne hatte sich eine neue Maske besorgt. Identisch zur alten. Ausdruckslos und funktional, wie Agatosh selbst. Die Chance zur optischen Verbesserung hatte er eindeutig verpasst. Das orange-goldene Licht ihrer Sensoren pulsierte im Takt ihres Herzschlags, langsam und drückend. Sera bemerkte, dass ihr HUD in der linken Gesichtshälfte Agatosh als Bedrohung markierte, in einem flackernden roten Kreis. Die Schülerin runzelte angestrengt die Stirn und unterdrückte den Impuls, sich mit der metallenen Hand durchs Gesicht zu wischen. Bei ihrem Glück würde irgendeine Fehlfunktion auch noch das verbliebene Auge ausreißen.
Stattdessen erwiderte sie den Blick ihres Mitschülers. Als er fragend die Braue hob, antwortete sie nicht sofort. Daten flossen über das HUD und verwischten ihr Sichtfeld. Es war weiterhin schwer für sie, Wichtiges von Unwichtigem zu trennen. Noch immer fühlte sich alles in ihrem Kopf fremd an. Irgendwo dadrin war ihr eigenes Ich, allerdings noch überlagert von allem Neuen. Aber irgendwann würde sie es beherrschen. Früher oder später.
Ein leises Summen vibrierte durch Seras Arm, als sie die rechte Faust langsam ballte. Die Gelenke klickten, während die Servos unkontrolliert zuckten. Sie ignorierte es.
“Es ist nicht un-un-unwahrscheinlich, dass die Verräter unter den Schwächlingen steckten, die wir gerade ausgemerzt haben”, begann sie das, was ihr durch den Kopf schwirrte, in Worte zu verpacken.
“Schauen wir, ob uns jemand aufhält, wenn wir versuchen, in ihre Gemächer einzudringen.”
Es war nicht ratsam, lange Umwege in Kauf zu nehmen. Nicht jetzt, wo das Chaos noch nicht abgeklungen war und sie es für sich nutzen konnten. Ohne auf eine Antwort ihres blauhäutigen Mitschülers zu warten, wandte sie sich um und brach auf. Ihr rechter Fuß schleifte ganz leicht bei jedem dritten oder vierten Schritt. Ihr Gleichgewicht war weiterhin nicht stabil. Darth Zekk, Darth Tyber, Darth Vashik. Kal’Lesu vielleicht? Oder Gypster selbst? Sie ging die Möglichkeiten durch. Wo sollten sie anfangen? Bei wem? Sie entschied sich für Zekk. Die Ratte war nicht nur tot, sondern auch jemand, der weniger geachtet als gefürchtet wurde. Sera traute ihr am ehesten zu, irgendein abartiges, doppeltes Spiel mit Jedi zu treiben. Das machte ihren Raum zum geeigneten Einstiegspunkt: wichtig genug, um Spuren zu enthalten, aber ungeschützt genug, dass niemand ihre Leiche betrauerte oder ihren Namen aussprach. Zumindest reimte Sera sich die mit Daten vermischten Gedanken in ihrem Schädel so zurecht.
Glücklicherweise trafen sie auf einen Jünger, einen Hausdiener, der ihnen - dank bedrohlichem Blick des blauen Bergs - hilfsbereit Auskunft erteilte, wo Zekks Quartier zu finden war. Als sie dort ankamen, stand in der Tat niemand wache. Aber die Tür war verschlossen. Natürlich war sie das. Der Zugang war blockiert, verriegelt und irgendwie beschlich Sera das Gefühl, dass sie sogar mit einer schwachen Falle versehen sein könnte. Sera hob den Blick und erfasste das Tür-Terminal. Warnsymbole sprangen plötzlich in ihrem linken Sichtfeld auf. Unvermittelt schüttelte sie den Kopf und griff sich mit der gesunden Hand an die Schläfe. ‘Unsicher’, ‘geschützt’, ‘potentielle Gefahr’ blitze abwechselnd in roten Aurabesh-Lettern vor ihrem Auge auf. Welcher Idiot hatte diese Warnsysteme kalibriert?
Leise fluchend bemerkte sie, dass ihr Hirn mit Kopfschmerz auf diese Informationsüberflutung reagierte. Was sie nicht bemerkte, war, wie ihr kybernetischer Arm sich fast von selbst positionierte. Ein leises Rasseln war zu hören, als einer ihrer Finger sich in einer schnellen Klappbewegung in die Hand zurückzog und stattdessen ein Datenstecker zum Vorschein kam.
“Was zum?!”, stammelte sie erstaunt, während ihr Arm sich in die Schnittstelle zum Dateninterface schob. Ihr Kopf explodierte fast - buchstäblich - als ob ein Lichtschwert in ihre neue Gesichtshälfte eindrang.
“U-u-ungesichert”, stammelte sie röhrend, wie mit einer fremden, mechanischen Zunge. Sie hatte keine Ahnung, woher diese Information stammte.
Sie zuckte. Ihre Schläfen pochten. Mit einem Ruck ihres Armes trennte sie die Verbindung zwangsweise. Schockiert sah sie auf ihren Arm, der sich augenblicklich wieder in seine fünffingrige Form zurück begab. Dann in Agatosh’ Gesicht, ohne seinen Ausdruck deuten zu können. Schließlich - etwas manisch - wieder zurück auf ihre mechanische Hand, die sie nun zu Faust formte. Es folgte dieses Mal eine gewollte Bewegung. Mit aller Kraft, die sie aufbringen konnte, schlug die Faust gegen das Terminal. Es zischte, knisterte, Funken stoben. Dann surrte die Tür auf.
“Okay. Interessant”, kommentierte sie ihre eigene Tat in emotionslosem Ton. Ein heisers Lachen folgte, allerdings viel zu spät.
Sofort schlug ihnen ein stinkender Geruch aus dem Inneren entgegen. Räucherkram, Schweiß, alte Nahrungsreste … irgendeine Mischung in der Art.
“Nach dir, Gr-gr-großer.”
[ Bastion - Sith-Tempel - Domäne der Wissenden - Vor Darth Zekks Quartier - Sera, Agatosh ]