Es wäre nicht der Tagespolitik-Thread, wenn angesichts der Machtübernahme einer Faschistin in Italien nicht der ziemlich durchsichtige Versuch unternommen werden würde, vom Thema abzulenken und irgendeine falsche Äquivalenz herzustellen. Und natürlich fleißig am russischen Narrativ vom "korrupten Nazi-Regime in Kiew" zu feilen.
Aber schön, dann will ich mal über das Stöckchen springen.
Gibt es in der Ukraine massive Probleme mit Korruption? Yup, ganz richtig. Kurioserweise hat sich seit 2012 die Bewertung des Landes im internationalen Index deutlich verbessert - fast so, als würden Regierungen, die nicht mehr von pro-russischen Autokraten und Oilgarchen gelenkt werden, versuchen, sich nach über 20 Jahren völliger Misswirtschaft an europäische Standards anzunähern.
Bei der Pressefreiheit rangiert die Ukraine im europäischen Kontext übrigens vor Griechenland - so viel zur Einordnung. Und auch hier könnte man ja mal ganz dezent fragen, ob vielleicht das Vermächtnis der Vorgänger und die Lage in die russisch besetzten Gebieten ein ganz kleines bisschen auf die ungehinderte Arbeit von Journalistinnen und Journalisten drücken könnte. Nur so ein ganz kleines bisschen, natürlich.
Wie genau ist die Ukraine "fragil"? Bei der Abwehr des russischen Eroberungskrieges und dem Bekenntnis zur Westorientierung wirkt das Land ziemlich geschlossen, die staatliche und kulturelle Souveränität der Ukraine würde ich jetzt auch nicht gerade als wackelig ansehen.
Bleibt die Demokratie. Seit 2014 gab es zwei Präsidentschaftswahlen, die von allen relevanten Beobachtern als frei und fair eingestuft wurden. Sowohl die Wahlen an sich als auch die Amtsübergabe verliefen gemäß demokratischen Standards. Weder wurde versucht, eine Diktatur zu errichten, noch gab es sonstige Bemühungen, ein "Regime" zu etablieren. Ja, ja, ich weiß: Der Euromaidan. Soll vorkommen, dass unterdrückte Menschen revoltieren - manch einer möchte das ja dann gerne zusammenschießen lassen, und das wurde es auch, ändert aber nichts daran, dass die pro-russische Diktatur sich nicht durchsetzen konnte. Pech gehabt.
Seit 1995 ist die Ukraine Mitglied des Europarates. Sie ist ein souveräner Staat, der in Europa liegt - warum genau sollte ein solcher Staat nochmal nicht versuchen dürfen, der EU beizutreten? Ihr Beitritt wird geprüft, mehr erst einmal auch nicht. Vielleicht erfüllt die Ukraine in zehn Jahren die Kriterien. Vielleicht in fünf. Vielleicht in zwanzig.
Es ist schon ein starkes Stück, die Folgen der Sowjetunion und der post-sowjetischen Diktatur genau jenen anzukreiden, die daran etwas ändern wollen. Fast so ein starkes Stück, wie zu behaupten, die demokratische Ukraine sei für die Aufrüstung Nordkoreas verantwortlich. Hast Du da eigentlich je zugegeben, komplett daneben zu liegen, Jedihammer?
https://www.projektstarwars.de/thema/tagespolitik-allgemein.46203/page-1934#post-1806570
Man kann hier seine Meinung frei äußern. Aber starke Behauptungen sind erst mal nur starke Behauptungen und Meinungen auch nur Meinungen.
Um auf das eigentliche Thema zurückzukommen: Eine Schande für Italien und die Wähler (und Nichtwähler) dort können auf niemanden die Schuld abwälzen als auf sich selbst. Die Institutionen dort sind nicht vergleichbar mit Weimar, das stimmt - aber Demokratien sterben auch nicht unbedingt von heute auf morgen, sondern können gerne auch mal graduell erodiert werden - siehe Ungarn. Es bleibt zu hoffen, dass Italien sich da als widerstandsfähiger erweist.
In einer etwas schwarzhumorigen Note: Ich will nicht wissen, wie Melonis Lungen nach dem ganzen Kreide fressen aussehen - gesund kann das jedenfalls nicht sein!