Wie stellst du dir eine stärkere Verankerung in der Gesellschaft vor?
Ne allgemeine Dienstpflicht. Eine BRD ohne Wehrpflichtige war, ist und wird auch immer ne doofe Idee sein.
Viele Rechtsextreme aus diesen Kreisen, welche gedient haben, unterlagen der Wehrpflicht. Es ist doch so, dass das Militär als Institution im rechten Spektrum aus einer militaristischen Romantik heraus oft glorifiziert wird, im Falle der BW kommt halt erschwerend die Historie der Wehrmacht hinzu. Zumindest in meinem Jahrgang gab es dazu hauptsächlich den Gegenstrom liberaler, linksliberaler und "linker" Schüler, welche die Bundeswehr ablehnten. Und dass, obwohl es teilweise genau diese Menschen sind, welche Grundwerte der Demokratie vertreten und auch die sein sollten, welche sie im Ernstfall verteidigen. Es ist kein Widerspruch, sich vegan zu ernähren und bei
Fridays for Future mitzumachen, aber am Samstag darauf den Kampf der verbundenen Waffen zu üben. Ich glaube, dass eine BW, die von einer Mehrheit der Bevölkerung auch als Spiegel einer offenen, demokratischen Gesellschaft gesehen wird, weniger attraktiv für solche Strömungen sind, welche die Demokratie ablehnen.
Ich habe nur lose Kontakte zur BW, aber das hat sich in Teilen schon gebessert, der Komplex ist halt nur deutlich größer. Die Frage der Identität der Streitkräfte war und ist so problematisch, wie es die deutsche Sicherheitspolitik als solche ist. Wir wollen international eine Rolle spielen, haben uns in der Vergangenheit aber abseits von Afghanistan gerne aus der Affäre gezogen, weil man um Himmels Willen die Realität bewaffneter Konflikte mit deutscher Beteiligung vermeiden wollte. Als KT zu Guttenberg nach 9 Jahren (!!!) Afghanistan-Einsatz vom Krieg gesprochen hat, galt das als Tabu-Bruch, Horst Köhler musste für eine ehrliche Einschätzung zurücktreten. Wir hatten über viele Jahre etliche Kasernen mit Namen von Wehrmachts- und Reichswehr-Offizieren, dabei sollte die BW ihre eigenen Heldengeschichten erzählen dürfen. Denn die gibt es, nur muss man sich davon lösen, nach großen Feldherren vergangener Tage zu suchen. Abseits von einer geschichtlichen Faszination für deren Wirken und Zeit stellt sich ohnehin die Frage, ob das noch valide Orientierungspunkte für Frauen und Männer sind, welche Eid und Gelöbnis auf die Bundesrepublik ablegen.
Eine Institution, die unter solchen Bedingungen existiert, kann doch gar keine Strahlkraft entwickeln. Ihre Themen werden tabuisiert, marginalisiert oder mit mitunter krassen Realitätsverweigerung behandelt. Die Wehrpflicht hat mit dem Umstand aber relativ wenig zu tun. Hier muss sich vor allem (aber nicht nur) die rein praktische Frage stellen, wie viele Soldaten wir für den V-Fall benötigen und ob es ohne Wehrpflicht zu schaffen ist. Da die Bundeswehr es de facto nicht schafft, ihre Zielgröße zu erreichen, ist die Antwort m.E. naheliegend. Es ist gegenüber den Verbündeten, welche im Osten im Zweifel in der ersten Reihe stehen, unverantwortlich, sie mit dieser Last alleine zu lassen.
