Wake Up Dead Man: A Knives Out Mystery
Wake Up Dead Man: A Knives Out Mystery wirkt wie der Moment, in dem die Filmreihe erwachsen wird. Rian Johnson bleibt zwar seinem Spiel mit Rätseln, falschen Fährten und überraschenden Wendungen treu, aber er setzt den Schwerpunkt diesmal ganz anders. Im Mittelpunkt steht nicht mehr der berühmte Ermittler, sondern ein junger Priester, der innerlich zerrissen ist. Das eigentliche Verbrechen ist nur der Ausgangspunkt. Die wahre Spannung entsteht daraus, dass man einem Menschen dabei zusieht, wie er unter Druck versucht, seinem Glauben, seiner Vergangenheit und seinem eigenen moralischen Anspruch gerecht zu werden.
Josh O Connor ist eindeutig das Herz dieses Films. Er trägt die Geschichte emotional wie erzählerisch. In vielen Momenten zeigt er, wie nah Wut, Scham, Mitgefühl und Verzweiflung beieinanderliegen können. Er spielt seine Figur nicht als makellosen Heiligen, sondern als jemanden, der seine eigene Dunkelheit kennt und trotzdem daran glaubt, dass Veränderung möglich ist. Gerade aus diesem inneren Konflikt entsteht eine besondere Kraft, die den Film deutlich über einen cleveren Kriminalfall hinaushebt.
Auffällig ist, wie sehr Benoit Blanc diesmal an den Rand rückt. Daniel Craig ist weiterhin brillant als verschrobener Detektiv mit scharfem Blick und trockenem Humor, aber der Film nimmt ihm bewusst die Rolle des unangefochtenen Mittelpunktes. Blanc beobachtet und kommentiert eher, statt alles an sich zu reißen. Es wirkt fast so, als wüsste er selbst, dass jemand anderes diesmal wichtiger ist. Dadurch verändert sich die Dynamik zwischen den Figuren, und die Reihe bekommt einen spürbar neuen Ton.
Das Ensemble um die beiden Hauptdarsteller herum ist gewohnt hochkarätig. Josh Brolin spielt den herrischen Geistlichen mit offensichtlichem Vergnügen. Glenn Close schafft es in wenigen Szenen, ihre Figur zugleich ernst, verletzlich und humorvoll wirken zu lassen. Kerry Washington, Andrew Scott, Jeremy Renner, Cailee Spaeny und andere tragen ebenfalls viel zur Atmosphäre bei, ohne sich je unnötig in den Vordergrund zu drängen. Johnson stellt sie bewusst um O Connor herum, als würden sie unterschiedliche Seiten seiner inneren Kämpfe spiegeln.
Stilistisch wirkt der Film geerdeter als sein Vorgänger. Nach der grellen und etwas überdrehten Machart von Glass Onion ist Wake Up Dead Man konzentrierter und durchdachter inszeniert. Die Kirche und das kleine Städtchen bilden einen dichten Schauplatz, in dem Licht und Schatten die Stimmung der Figuren widerspiegeln. Das kalte Tageslicht, das durch die Kirchenfenster fällt, die dunklen Gänge und immer wieder kleine Momente von hellerer Wärme verleihen dem Film eine Atmosphäre, die zugleich bedrückend und überraschend humorvoll wirkt. Man spürt deutlich, dass
Wake Up Dead Man: A Knives Out Mystery eigentlich fürs Kino gemacht ist.
Inhaltlich verbindet Johnson die klassische Struktur eines Rätsels mit Themen, die weit darüber hinausreichen: Glaube und Zweifel, spirituelle Sehnsucht und religiöser Missbrauch, Gemeinschaft als Zuflucht und als Machtinstrument. Der Film urteilt nicht plump über Religion, sondern zeigt, wie viel Trost und gleichzeitig wie viel Druck darin liegen kann. Parallel dazu greift Johnson gesellschaftliche Fragen auf, etwa in der Figur eines selbstgefälligen Meinungsmachers und in den unausgesprochenen Konflikten innerhalb der Gemeinde. Diese Ebene wirkt nie aufgesetzt, eher wie ein leiser Kommentar zur Gegenwart. Trotz aller inhaltlichen Tiefe bleibt aber Wake Up Dead Man ein Film, der unterhalten will. Der Humor ist feiner als im Vorgänger. Statt vieler lauter Gags setzt Johnson auf trockene, oft sehr leise Pointen und auf Situationen, die erst nach einem Moment ihre komische Seite zeigen. Die Stimmung wechselt oft innerhalb einer Szene, manchmal von amüsant zu bitter, manchmal von ernst zu plötzlich unerwartet komisch. Dadurch wirkt der Film lebendig und natürlich, nie konstruiert.
Der Kriminalfall selbst ist klassisch angelegt. Johnson legt viele Hinweise aus, die man mitverfolgen kann. Hinter scheinbar klaren Informationen steckt oft eine zweite Ebene. Die Auflösung ist komplex und vielleicht an manchen Stellen etwas konstruiert, aber sie bleibt insgesamt schlüssig und vor allem emotional nachvollziehbar. Am Ende steht nicht nur die Frage, wer etwas getan hat, sondern warum diese Menschen überhaupt zu diesen Taten fähig sind.
Wake Up Dead Man: A Knives Out Mystery ist spannend, oft sehr witzig, atmosphärisch stark und thematisch reich, ohne schwer zu wirken. Vor allem aber hat er mit Josh O Connor eine Hauptfigur, die alles trägt. Empfehlenswert.