Samin
Erons Blaues Wunder
| Bastion | Center | Bonetown | Club 'The Void' | Obergeschoss | Rians Zimmer |
Samin, Rian und Sane
Samin nickte knapp, während sie ihre Hand wieder von Sanes löste. Der beiläufige Druck in ihrer Brust, der sie seit Tagen begleitete, ließ nicht nach, aber es fühlte sich so an, als würde sie langsam die Kontrolle über die Situation zurückgewinnen. Verbündete zu haben - auch wenn es nur eine Zweckgemeinschaft war - half dabei. Sie waren drei (Halb-)Menschen, die eine Übereinkunft getroffen haben und die wussten, dass sie sich aufeinander verlassen mussten. Samin, Rian und Sane
Das Licht der Terminal-Monitore warf derweil fahle Schatten auf Rians Wangenknochen, dessen Finger nun begannen, über die Eingabeflächen zu fliegen. Es war gut zu sehen, dass er seine Aufgabe offenbar ernst nahm, ohne weitere Kommentare von seiner Seite. Entweder hatte er die schwere der Situation begriffen und eine Eigenmotivation entwickelt, die er zu Akademie-Zeiten noch vermissen ließ, oder aber … er hatte nur seinen Preis noch nicht genannt.
Die Pilotin hörte Sane zu, als er über die nächsten Schritte sprach und nickte abermals zustimmend. “Ich setze mich mit der KOMENOR in Verbindung.”
Ein kurzer Blick aus dem Fenster verriet ihr, dass der Regen inzwischen schwerer geworden war. Ein fester Schleier zog sich über die Straßen von Bonetown und spiegelte das schummrige Neonlicht der umliegenden Geschäfte wider. Gegen die graue, abweisend wirkende Welt da draußen sah dieser Junggesellen-Verschlag, den Rian sein Zuhause nannte, fast einladend. Was sagte das über ihren eigenen Zustand aus?
“Zwei, vielleicht drei Tage. Dann hörst du von mir.”
Sie stieß sich von der Fensterbank ab und streckte sich, um die gesammelte Anspannung aus ihren Schultern zu vertreiben. Dann warf sie Sane und Rian einen letzten Blick zu.
“Vermutlich sollten wir das Void nicht gleichzeitig verlassen. Ich bin länger hier, ich gehe zuerst. ”
Dann verschwand sie in den Korridor vor seinem Zimmer. Selbst hier stank die Luft nach Schweiß und billigem Alkohol.
Zwei Tage später fand Samin sich im Verwaltungsdistrikt Alt-Varnin wieder. Ihre roten Augen schimmerten unter dem Schirm ihrer grauen Offiziersmütze hervor, als sie einen Blick aus dem Fenster des Gleiters warf. Auch hier, im westlichen Teil von Center, war das Bild geprägt von hoch aufragenden Fassaden. Im Gegensatz zum Arthious-Boulevard strahlten diese hier jedoch keinen imposanten Glanz, sondern eine kühle, sterile Atmosphäre aus. Die Bauten wirkten, als hätte jedes architektonische Detail aus einem Standard-Bausatz gewählt werden müssen. Ein Einheitsbrei für das Auge - und gleichzeitig für das Hirn. Geometrisch perfekte Gassen, die die Gebäude in Blöcke sortierten, schrien den Plan für Struktur und Kontrolle geradezu heraus. Es war seltsam, wie viele uniformierte Sicherheitskräfte der imperialen Pilotin hier auffielen. Ihr war nicht klar, ob es daran lag, dass sie nun einen sensibleren Blick dafür hatte, oder ob die Manpower allerorts tatsächlich angezogen wurde, jedenfalls schienen sie an jeder Ecke zu stehen.
“Hat die Familie von Kath das Sponsoring inzwischen eingezahlt?”
Miss Kubashka - so hatte sie sich ihr vorgestellt - war ihre heutige Aufpassering. Natürlich hatte es sich die KOMENOR nicht nehmen lassen, ihr jemanden an die Seite zu stellen, der die Organisationsarbeit übernehmen und Samin - zu ihrem Bedauern - auf die Finger schauen sollte. Sie war eine relativ jung wirkende Frau. Samin konnte nicht anders, als sich vorzustellen, dass sie sich hier zum Schülerpraktikum befand. Mindestens genauso eifrig, aber ungeschickt, stellte sie sich auch an. Kubashkas erste Maßnahme war gewesen, Kontakt mit dem Büro von Sane aufzunehmen und die (finanzielle) Höhe des Sponsorings abzuklären. Das schien für diese ganze Veranstaltung im Centrilux-Tower so derart wichtig zu sein, dass sie nun, während sie kurz vor dem Ziel waren, noch in Dauerschleife mit einem imperialen Kassenverwalter befand, um sich den Geldeingang bestätigen zu lassen. Samin tat es leid, dass Sane nun tatsächlich einen finanziellen Aufwand für ihr Scharade-Spiel hatte, aber alles andere wäre auffällig gewesen. Die Halbchiss hatte schon ihr ganzes Überzeugungsgeschick aufwenden müssen, um die KOMENOR-Offizierin überhaupt dazu zu bewegen, den Termin wahrzunehmen, ohne dass das Sponsoring eingezahlt war. Da der Termin gestern allerdings erst in trockene Tücher gewickelt wurde, hatte ihr Verbündeter auch weniger als einen Bastioner Standardtag gehabt, um die Finanzierung zu hinterlegen. Hinderliche Faktoren, die die junge Miss Kubashka wenig interessierten.
Samin, die der Propaganda-Verwalterin gegenüber saß, überkreuzte demonstrativ die Arme vor der Brust und schnaubte genervt.
“Das Imperium wird nicht pleitegehen. Hätten Sie nur halb so viel Sorge in die Anreise-Organisation, wie in die Finanzierung dieser lächerlich kleinen Veranstaltung gelegt, würden wir jetzt nicht im Stau stehen.”
Die braunen Augen ihrer Aufpasserin zuckten kurz. Sie starrte jedoch weiterhin aus dem Fenster und hielt sich ihr Comlink ans Ohr. Kopfschüttelnd tat Samin es ihr gleich. Das angepeilte Gebäude war bereits in Sicht. Allerdings war der Verkehr weiter mehr als stockend. Bei all der imperialen Stadtplanung hatte man wohl nicht daran gedacht, die Hauptverkehrswege breit genug zu gestalten.
“Wenn wir aussteigen, sind wir schneller”, legte Samin in einem provokanten Tonfall nach.
“Tun Sie, was Sie nicht lassen können!”, konterte Kubashka in einem Anflug von Leichtsinn.
Darauf hatte die Elite-Pilotin nur gewartet. Mit einem Grinsen auf den Lippen entriegelte sie die Gleitertür und schob sich aus dem Gefährt, das in Schrittgeschwindigkeit an der Bordsteinkante vorbei schwebte.
“HE! Warten Sie!”
Bevor die junge Propaganda-Offizierin hinter ihr herpurzelte, war Samin bereits auf halber Strecke zum Centrilux-Tower, wo Sane hoffentlich bereits auf sie warten würde.
| Bastion | Center | Alt-Varnin | 143. Block | Straße auf dem Weg zum Centrilux-Tower |
Samin und Miss Kubashka
Samin und Miss Kubashka