Der Hendrick-Streeck-Gedächtnisspruch "Wir müssen lernen mit dem Virus zu leben" bedeutet übrigens nicht, dass wir so weiter machen wie Prä-Covid. Lernen damit leben zu müssen impliziert, dass wir uns als Gesellschaft anpassen müssen, es bedeutete NIE, dass wir jetzt akzeptieren, dass jetzt einfach ein paar mehr Menschen sterben und langzeitgeschädigt werden.
Und zu dem Thema, dass Isolation Kinder schädigen kann. Ja, klar. Isolation und Lockdown waren für einige Kinder eine absolut schlechte Erfahrung. Es gehört zur kindlichen Entwicklung dazu, in der Gemeinschaft zu lernen und ich habe nach dem 2020er Lockdowns teilweise große Entwicklungsverzögerungen bei uns feststellen können. Zwei Dinge stoßen mir dabei sauer auf:
a) Niemand(!) soll mir erzählen, dass Expert:innen dies nicht im Blick hatten, es wurde früh von Pädagog:innen, Psycholog:innen und Co. gewarnt, trotzdem wurde dieses Risiko eingegangen um (hauptsächlich) ältere zu schützen. Und daran anschließend stört mich
b) diese Scheinheiligkeit, diese Doppelmoral, die Eo angesprochen hat. Für "die Alten" und für die Gesellschaft wurde in Kauf genommen, dass Kinder massiv geschädigt werden und im Gegenzug möchte man nicht die kleinste Einschränkung ertragen müssen und am Besten so leben als wenn keine Pandemie war und ist, um Kinder zu schützen? Nein, das ist keine Eigenverantwortung, es ist purer Zynismus, der reinste Egoismus. Denn irgendwann "muss doch auch mal Schluss sein!" und "Kinder sind ja gar nicht gefährdet". Mal davon abgesehen, dass, ich wiederhole mich, jeder und jede bei Long Covid gefährdet sind, ist das absolut ableistisch, wenn man hier vorerkrankte Kinder (und Eltern) ausschließt und als weniger wertvoll betrachtet. Etwas anderes ist es nämlich nicht, wenn man den Wert der Maskenfreiheit beim 15 Minuten Bahnfahren von vermeintlich gesunden Menschen höher wertet als das gesamte(!!) Leben von Risikokindern.
Klar, das Thema ist emotional. Vollkommen richtig, denn es wird von beiden Seiten emotional argumentiert. Anders sind Argumente wie "Jetzt ist auch mal gut" nicht zu erklären, denn wenn man die Argumentationskette weitergeht kommen da sehr eindeutige und vielsagende Antworten.
Aber versuchen wir uns mal an den nüchternen Zahlen:
Wenn mindestens(!) rund 1 von 10 Kindern nach Infektion unter Long Covid leidet, sind das in meiner Kita 18 Kinder die im Laufe der Zeit vielleicht nicht mehr gesund werden. Häufigkeit und Risiko dafür mit mehrmaliger Infektion natürlich steigend. Bei 13 Millionen Kinder sind das nach der angestrebten Durchseuchung 1,3 Millionen Kinder. Manche Studien gehen sogar von 25% Risiko für Hirnschäden aus. Uff.
Nehmen wir mal das Argument, dass Isolation schädlicher ist als Covid. Wenige die bei klarem Verstand sind fordern überhaupt noch Lockdown und Isolation. Das wäre wirtschaftlicher und sozialer Totalschaden, bei den möglichen Folgen bei Kindern mal noch gar nicht angefangen. Das was viele seit Monaten oder Jahren fordern sind möglichst sichere Öffnungen von Schule und Kita. Das beinhaltet Impfungen, Masken, Tests, flexible Konzepte und eben auch viruzide Luftfilter. Vieles davon gab es nie oder wird gerade abgeschafft. Und dann wäre da noch die Frage, ob Lockdowns für Kinder wirklich schädlicher sind als Covid. Über Isolation von Kindern weiß man relativ gut bescheid. Spätestens seit Kasper Hauser ist das Thema Deprivation in der Pädagogik und angebundenen Disziplinen vorhanden. Aber wie sieht es mit Covid aus? Dden Kram gibt es eben erst seit Ende 2019. Das sind noch nicht mal drei Jahre und in dieser kurzen Zeit haben wir schon erschreckende zu diesem Virus herausgefunden oder vermuten es. Wie sieht es denn z.B. bei den plötzlich vermehrt auftretenden Hepatitis-Fällen vornehmlich bei Kindern aus? Wo kommen die denn zufällig her? Abschließend wird das gerade noch untersucht, aber wir wissen, dass SCV2 sowohl in das ZNS als auch in die Organe gelangen kann und da ziemlich viel Mist baut. Und was zeigt sich jetzt bei Kindern die mit SCV2 infiziert waren? Sie hatten häufiger erhöhte Leberwerte. Leberwerte? Hepatitis? Tja..
Ja, auch andere Viruserkrankungen können Langzeitfolgen verursachen. Diese sind aber z.T. länger bekannt und/oder werden nicht einfach so über die Atemluft ausgepustet. SARS-CoV-2 ist eben eine fiese, kleine, neue Erkrankung mit vielen neuen Überraschungen.
Die Bank of England aus dem gelobten, maßnahmenfreien Land hat jetzt vor Kurzem übrigens ihre sehr große Besorgnis über Long Covid geäußert. Ich spiele mal Nostradamus. Gehen wir doch mal vom besten Fall aus: Die Zahlen sind viel zu hoch geschätzt und wir haben Luftfilter und Masken angeschafft, was wäre das Ergebnis? Wir haben Geld ausgegeben. Ja und? Covid ist nicht die einzige Atemswegserkrankung. Gerne wird doch immer wieder die Influenza rangezogen zum Vergleich. Auch die Influenza ist nicht nur medizinisch, sondern auch wirtschaftlich immer ein großes Risiko. Luftfilter und Masken schützen auch nachweislich vor Influenza. Wir hätten also, wenn Covid nicht so schlimm ist, eine Investition in unsere allgemeine Gesundheit gemacht. Ist ja jetzt auch nicht so schlecht.
Und was wenn wir vom schlechteren Fall ausgehen? Wir "lernen mit dem Virus zu leben" indem wir so weitermachen wie vorher und Long Covid einigermaßen ignorieren. Dann erschaffen wir nicht nur eine Generation von Langzeiterkrankten, was ja moralisch schon allein ein Unding wäre, wir ziehen uns zerstören damit auch so ziemlich die Grundlage für unsere bisherige Lebensweise. Die Idee mit dem Virus leben zu lernen würde nämlich nicht funktionieren, wenn unser Wirtschaftssystem zusammenbricht. Ich meine, wenn die BoE jetzt schon warnt nach einem 3/4 Jahr in GB ohne Maßnahmen, wie soll es dann in 10 Jahren aussehen?
Egal wie es aussieht, wir müssten auf die ein oder andere Art sowieso lernen(!!) mit dem Virus zu leben, wir werden unsere Gesellschaft verändern müssen. Es wird für lange Zeit, ich denke sogar nie wieder, wie vor dieser Pandemie sein, aber wie unsere Gesellschaft danach aussieht, wie wir danach miteinander umgehen und leben, dass wird jetzt entschieden.