[Tirahnn - Rhovan - Heim der Familie Amroth, Garage] Mellah
Liebste Mellah,
vermutlich bist du irritiert davon, weshalb du einen Brief auf eine solch seltsame Art und Weise erhältst, aber bestimmt hast du schon längst erraten, von wem er kommt.
Irritiert war nett gesagt. Mellah war mehr als nur irritiert, aber zumindest in einem hatte Miri Recht - ja, sie hatte natürlich erraten, von dem dieser geheimnisvolle Brief stammte.
Ich hoffe zumindest, dass du mich nicht vergessen hast, trotz der vielen Jahre, die wir uns nun nicht mehr gesehen haben. Es war wohl zum Großteil meine Schuld – das Zerwürfnis mit meinem Vater hielt mich von Tirahnn fern, und später… nun ja, du weißt vielleicht, wie es ist. Ich hoffe, du bist mir nicht allzu böse.
Wie hätte Mellah ihre beste Freundin vergessen können? Wie lange war es nun her... zehn Jahre? Nein, mehr. Sie und Tharen waren schon mehr als zehn Jahre ein Paar, und Miri war vorher "verschwunden". Anfangs hatten sie noch ein paar wenige Male geschrieben, aber das hatte sich schnell verloren. Spätestens in dem Moment, als Tirahnn imperial geworden war. Dass es für eine Jedi nicht die beste Idee war, hier aufzutauchen, das konnte sich Mellah denken. Zur Beerdigung ihres Vaters war Miri dagewesen, ja, das hatte sie gehört, aber sie selbst hatte zu diesem Zeitpunkt eine Fehlgeburt gehabt und war nicht in der Lage gewesen, sich um anderes zu kümmern. Es war viel schiefgelaufen, das wusste Mellah. Unter anderen Umständen... aber es war, wie es war. Wie konnte sie ihr deshalb böse sein? Umso schöner, dass Miri sich jetzt meldete, aber dass das hier kein einfacher "Hey, ich lebe noch, wie geht es dir?"-Brief war, das war offensichtlich.
Wie ich deinem Nachnamen entnehme, hast du geheiratet, und sogar seinen Namen angenommen – ich wage die Vermutung, dass es sich um Tharen handelt, oder ist das alles nur ein verrückter Zufall? Wenn dem nicht so ist, so gratuliere ich euch von Herzen. Ihr seid sicher ein wundervolles Paar, und ich wünsche euch sehr, dass ihr täglich wieder das ineinander findet, das euch euch ineinander hat verlieben lassen. Habt ihr Kinder? Wie gerne würde ich sie kennenlernen und herausfinden, ob du sie wirklich Hasufel oder Amat genannt hast! Und erfahren, ob sie wie wir damals durch den Wald streifen, sich verrückte Geschichten ausdenken und dann verkratzt und verdreckt und mit dem Bauch voller Beeren wieder nach Hause kommen. Tja, liebe Mellah – jetzt bist du wohl auf der anderen Seite, wie damals deine Mutter, die regelmäßig darüber schimpfte, wie du aussahst und dass du keinen Hunger mehr hattest… Wie geht es deinen Eltern? Mein letzter Stand war, dass sie gesund und munter sind, ich hoffe, das hat sich in den Jahren nicht geändert. Grüße sie gerne von mir. Ich werde ihnen nie vergessen, wie sie sich um mich gekümmert haben.
Mellah schloss erleichtert für einen Moment die Augen. All die Jahre hatte sie sich gefragt, ob Miri ihr würde verzeihen können, dass sie und Tharen sich zusamengetan hatten, aber es klang so, als ob es für die alte Freundin kein großes Problem darstellte. Es war schließlich nicht alltäglich, dass man mit dem Ex der besten Freundin anbandelte... aber ungefähr ein Jahr, nachdem Miri Tirahnn verlassen hatte, hatten sie beide gemerkt, wie viel sie gemeinsam hatten. Aus Freundschaft war Liebe geworden, und Mellah musste zugeben, dass sie zu diesem Zeitpunkt zu feige gewesen war, Miri zu schreiben. Die Galaxis war noch recht stabil gewesen, es wäre möglich gewesen... Irgendwie hätte sie auch nicht geglaubt, dass Miri ihr böse gewesen wäre. Aber dennoch... Mellah war jung gewesen. Später hatte sie sich oft dafür verflucht, denn wie würde es jetzt kommen? Hey, Miri, übrigens, ich habe vor sechs Jahren deinen Ex geheiratet und schon einen Sohn? Unmöglich.
Hasufel und Amat. Bei allen Märkten, das hätte sie niemals durchbekommen bei Tharen. Selbst, wenn sie es noch gewollt hätte. Nein, diese Namen waren zu absurd... umso trauriger, dass es vermutlich noch immer keine Daisy und keine Lilly gab, so wie es klang. Miri sprach nur davon, dass Mellah auf der anderen Seite stand. Und dabei wusste Mellah genau, wie sehr sich ihre Freundin damals eine große Familie gewünscht hatte... es war wohl gekommen, wie es hatte kommen müssen, das Leben als Jedi vereinnahmte sie völlig.
Liebe Mellah, du kannst dir denken, dass ich diesen Brief nicht ohne Grund so geheimnisvoll verschicke.
Jetzt wurde es spannend, und stirnrunzend las Mellah weiter.
Niemand darf davon erfahren – eventuell nicht einmal dein Mann, zumindest nicht den ganzen Inhalt, das musst du entscheiden. Ich vertraue dir in dieser Hinsicht. Sicher ist jedoch, dass du, wenn möglich, diesen Brief vernichten solltest, wenn du über den Inhalt Bescheid weißt.
Nicht einmal Tharen? Herrje, was war da nur los?!? Sie und Tharen hatten, außer dieser Sache mit dem Imperium, keine Geheimnisse voreinander, wenn sie etwas vor ihm verheimlichen sollte, dann musste das schon ein wirklich guter Grund sein.
Vielleicht übertreibe ich. Ganz sicher übertreibe ich – weißt du, man wird paranoid, irgendwann, wenn man so viel sieht und hört in der Galaxis… aber da diese Sicherheit nicht nur mich betrifft, sondern auch meinen Partner, kann ich gar nicht vorsichtig genug sein.
Mellahs Augen wurden groß. Miris Partner? Dann aber musste sie lächeln. Sie gönnte es ihrer Freundin so sehr, dass sie jemanden gefunden hatte... Sie stellte es sich schwer vor, alleine als Jedi durch die Galaxis zu ziehen und niemanden zum Reden zu haben. Für Miri war das vielleicht nicht ganz die Katastrophe, wie es das für sie selbst gewesen wäre... Seit dem Tod ihrer Mutter hatte Miri ja durchau begonnen, viele Dinge mit sich selbst auszumachen, sie war es also gewöhnt. Dass sie nun aber jemanden an ihrer Seite hatte... das klang sehr, sehr positiv.
Ja, du hast richtig gelesen, ich, die immer nur ein Ziel hatte, habe einen Partner. Es ist nicht einfach für ihn, wie du dir vorstellen kannst - er ist mein erster Partner seit Tharen, und du kennst mich, zumindest damals. Ich bin schon früher nicht einfach gewesen, das hat sich sicher nicht geändert. Ich zolle ihm meinen Respekt dafür, dass er es mit mir aushält.
Oh, wenn Miri sich durch die Jedi in Sachen Sturheit nicht geändert hatte... dann hatte dieser namenlose Mann auch Mellahs Respekt. Wenigstens schien sie es mittlerweile selbst zu erkennen, bemerkte, Mellah amüsiert.
Die Ereignisse in letzter Zeit jedenfalls haben mich viel nachdenken lassen, und die Umstände, du hast sicher vom gefährlichen Virus auf Coruscant gehört (ja, glaub mir, ich spreche es mittlerweile richtig aus!), zwingen mich dazu, über mein Testament nachzudenken.
WAS? Mellahs Augen wurden groß, und sie musste schlucken. Das klang übel. Steckte da wirklich nur das Virus dahinter? Reine Vorsorge?
Ich bin jung, ich weiß, doch du weißt auch, wie schnell das Leben für meine Mutter vorbei war, und als Jedi, die ich nun wieder bin, lebt es sich gefährlich.
Wieder?
Du kannst dir vorstellen, dass ich meinen Partner als Begünstigen einsetzen werde, aber er lebt leider nicht weniger gefährlich als ich. Ich brauche also jemanden, der sich vor allem um mein Elternhaus kümmert, wenn ich nicht mehr bin und er ebenfalls nicht in der Lage ist - jemanden, der genau weiß, was es mir bedeutet. Jemanden, der es nicht an den erstbesten verkaufen wird, der daraus den neuesten Bantha König macht. Ich weiß, dass du die richtige dafür bist, und ich vertraue dir in dieser Hinsicht voll und ganz. Ich habe nur eine Bitte: Ich lebe gefährlich als Jedi, ja, aber manchmal unterschätzt man uns auch. Zu schnell wird man nach einer Mission für verschollen und irgendwann für tot erklärt. Mein Partner hat genau jenes bereits einmal erlebt. Ich bitte dich darum, das Haus meiner Eltern für drei Jahre zu verwalten, wenn es in deinen Besitz übergeht - damit ich die Chance habe, den Fehler noch zurecht zu rücken, wenn er einmal geschehen ist. Danach vertraue ich darauf, dass du richtig handelst – vielleicht wird eines Tages eines deiner Kinder darin wohnen.
Miris Elternhaus... das machte Sinn. Sie wusste, dass sie es nie hatte verkaufen können, und Mellahs Eltern verwalteten es momentan. Es war noch beinahe so wie zu dem Zeitpunkt, als Halet gestorben war. Dass Miri ihr das Haus nach all der Zeit noch immer scheinbar problemlos anvertraute, machte sie ein wenig stolz, aber der Anlass ließ dieses Gefühl beinahe sofort wieder verschwinden. Der Gedanke, dass sie dieses Haus tatsächlich einmal besitzen konnte, oder eines ihrer Kinder... Es würde bedeuten, dass Miri nicht mehr war. Natürlich hatten auch Tharen und sie vorgesorgt, das war nur natürlich, wenn man Kinder bekam. Aber Miri... schien es irgendwie sehr ernst zu nehmen. Ob sie sich das nur einbildete? Und was bedeutete das - ihr Partner lebte nicht weniger gefährlich als sie? Das Haus für drei Jahre nur zu verwalten würde wohl kein Problem darstellen... Mellah konnte sich nicht vorstellen, dort selbst einzuziehen, also hätte sie Zeit. Bloß... der Gedanke daran...
Der Grund, weshalb ich diesen Brief mit dem eigentlich recht harmlosen Inhalt nicht verschicke ist simpel – wie schon geschrieben, ich übertreibe vermutlich. Aber keiner soll momentan erfahren, wie viele Gedanken ich mir mache, und ja, vielleicht auch Sorgen. Mein Testament soll unbekannt bleiben, bis es so weit ist, dass es veröffentlicht werden muss. Mache nur du dir bitte keine Sorgen – ich habe eigentlich alles im Griff. Aber ich weiß, wie Dinge sich manchmal von einer Minute auf die andere ändern, ich weiß das nur zu gut. Daher gehe ich auf Nummer sicher und denke mir, dass es keinen Schaden bringt.
Mach dir keine Sorgen... Miri hatte leicht reden! Das alles klang viel zu abgehoben, um sich keine Sorgen zu machen. Keiner sollte von ihrem Testament wissen? Das hießt doch, dass es nicht nur um das Virus gehen konnte. Was stellte sie an? Was ging da vor? Natürlich brachte es keinen Schaden, sich um sein Testament zu kümmern, da hatte sie schon Recht, aber dieser Brief war alles andere als "harmlos". Übertreiben? Irgendwie... Wenn Miri sich nicht viel geändert hatte, dann... früher war sie lebenslustig und positiv gewesen. Natürlich, das war sicher der Jugend geschuldet, aber... das alles hier klang so... ängstlich. Und erwachsen... als ob die Realität sie eingeholt hätte. Oder, als ob irgendetwas ihr wahnsinnige Angst machte... Sicher sein konnte sich Mellah nicht. Viel zu viele Jahre waren vergangen. Aber wenn es sich noch um die alte Miri handelte... Alleine schon, dass sie zugab, sich Sorgen zu machen war äußerst verdächtig.
Außerdem gab es mir eine wundervolle Gelegenheit, dir endlich wieder einmal zu schreiben. Seit über zehn Jahren haben wir uns nicht gesehen, seit ich mit neunzehn von Tirahnn fortgegangen bin. Zur Beerdigung meines Vaters haben wir uns ja leider verpasst, und seither bin ich nur ein einziges Mal für einen Tag dort gewesen.
Oh? Wann? Warum hatte sie sich nicht gemeldet?
Tirahnn fehlt mir, DU fehlst mir – ich hoffe sehr, dass ich mich mit meinen Sorgen und Gedanken völlig irre und wir uns vielleicht bald wiedersehen können. Es würde mich sehr freuen, und ich würde so gerne deinen Mann (wieder?)kennenlernen. Eine letzte Sache nur noch – ich freue mich auf eine Antwort von dir, aber erwähne diesen Brief nicht. Vielleicht kannst du so tun, als hättest DU meine Nummer entdeckt…
Ich hoffe sehr, dass ich dich nicht zu sehr verwundert und irritiert habe, aber ich hoffe, du bist die alte, mir bekannte Mellah geblieben, die sich durch kaum etwas aus der Ruhe bringen lässt – außer durch ein Wettrennen mit mir. Ich hoffe auf eine Antwort, die möglichst viel aus deinem Leben erzählt. Ich vermisse dich!
Deine Miri
Mellah ließ das Datapad sinken. Sie hoffte ebenfalls, dass Miri sich irrte... Das alles klang viel zu sehr wie aus einem schlechten Holo. Die letzte Bitte einer Jedi... hieß es nicht, dass die Jedi die Zukunft vorhersehen konnten? Hatte Miri etwas gesehen, das diesen Brief ausgelöst hatte?
Noch immer brachte sie nicht viel aus der Ruhe, aber nach einem solchen Brief erwartete Miri doch wohl nicht, dass sie gelassen blieb? Und es blieb die Frage, die die Tirahnnerin nicht wirklich beantwortet hatte - wieso verschickte sie den Brief so
? Mit einer solchen Passwortsicherheit... durch einen Kurier? Das war doch wahnsinn. Als ob sie Angst hätte, dass jemand den Brief las, obwohl sie noch immer vorsichtig formuliert hatte. Er warf mehr Fragen auf, als er beantwortete. Auch, dass sie sich nicht auf den Brief beziehen durfte... vor wem hatte Miri Angst? Es war fast offensichtlich, dass sie welche hatte. Oder wollte sie jemanden schützen... auch das sähe ihr ähnlich... Sie würde auf jeden Fall aufpassen müssen, was sie schrieb. Und ihr alles, was sie ihr mitteilen wollte, zwischen den Zeilen erledigen.
Aber sie würde noch ein wenig darüber nachdenken müssen. Auch, was sie Tharen erzählte... aber eigentlich musste sie es ihm erzählen. Zumindest den Großteil, denn was, wenn er etwas dagegen hatte, dass sie Nachrichtn an jemanden in der Republik verschickte? Sie hatten eigentlich abgeklärt, dass Tharen darauf Acht gab, in niemandes Schusslinie zu geraten, aber wenn, dann hätte er es ihr nicht gesagt - und eine solche Sache könnte die Sache nur verschlimmern. Das durfte sie nicht außer Acht lassen, schließlich waren da Déor und Brega. Und deren beider Sicherheit hatte einfach oberste Priorität.
"Mamaaaaaaaaa?"
Wie aufs Kommando, wie immer.
Die Stimme Déors kam näher.
"Mamaaaa, ich bin fertig!"
Die Garagentür öffnete sich und Déors Kopf lugte hinein.
"Darf ich jetzt...?"
Mellah war gerade nicht in der Stimmung, um nachzuhaken, ob wirklich alle Hausaufgaben erledigt waren oder ob er noch etwas lernen musste.
"Meinetwegen, bis Brega kommt. Aber dann ist erst mal Schluss!"
Schließlich war das Wetter heute so schön, und außerdem wäre es gut, wenn er später hinausging. Sie musste mit Tharen reden, und das konnte eigentlich nicht bis heute Abend warten.
Déors Juchzen konnte Mellah bis hier her hören, obwohl er schon auf halbem Weg zum Holoschirm war. Er hatte sie wieder ein wenig in die Realität geholt, aber er konnte sich selbst beschäftigen. Zum Glück brauchte er keine dauerhafte Aufsicht mehr, und so hob Mellah das Datapad, um den Brief noch ein zweites Mal zu lesen, bevor sie ins Haus zurückging.
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