Bastion

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Lilivienne Évarielle d'Oridin und Protokolldroide Q9
Das Dröhnen des gepanzerten Gleiters vibrierte durch die Gebäudeschluchten von Alt-Varnin. Unten auf der Straße erkannte Lilivienne die blinkenden Lichter von BSC-Einheiten, die den gesamten Straßenzug mehrere Blocks weit absperrten. In der Luft war eine temporäre Flugverbotszone eingerichtet worden. Lediglich die in Blau und Grau lackierten Kanonenboote der Polizeikräfte patrouillierten in einem Sicherheitsabstand um den Centrilux-Tower herum, in dem sich etwas Unglaubliches entwickelt hatte.

Nach den spärlichen Informationen, mit denen die Gouverneurin von Bastion zu diesem Zeitpunkt versorgt werden konnte, hatte der Geschäftsführer eines im Centrilux-Tower ansässigen Im- und Exportkonzerns mit Spartenableger im Personentransport während einer Galaveranstaltung, die in Zusammenarbeit von KOMENOR und der auf Bastion bekannten und bestens vernetzten Familie von Kath stattfand, den Erben der Adelsfamilie, eine hochdekorierte Pilotin und einige weitere Gäste als Geiseln genommen. Das alles mit der Absicht, die Freilassung von sechzehn inhaftierten Terroristen zu bewirken.

Als Lily die Nachricht erhielt, war sie gerade auf dem Weg ins Büro. Alt-Varnin war zwar ein Umweg, doch wollte sie sich aufgrund der spärlichen und zum Teil undurchsichtigen Informationslage selbst ein Bild von der Situation vor Ort machen. Gerade waren die Namen der freizulassenden Straftäter bekannt geworden. Kestal, so hieß der Geschäftsführer von Aurean Transit und der offensichtliche Drahtzieher dieser ganzen Aktion, hatte die Liste in einem Schließfach der Bastioner Bank drapiert. Ein erster, allgemeiner Abgleich mit der Datenbank der Justizverwaltung hatte Probleme offenbart. Zehn der sechzehn Personen befanden sich bereits auf einem Gefangenentransport nach Truuine. Sie gehörten zu den mehreren Tausend Insassen von 31-Beta, für die Lily noch vor Kurzem eine Verlegung organisiert hatte. Da diese sich nun unzählige Lichtjahre entfernt im Hyperraum befanden, war eine Freilassung innerhalb verbliebenen Minuten - Kestal hatte in seinem Wahnsinn neunzig Minuten veranschlagt - natürlich ein Ding der Unmöglichkeit. Was die restlichen sechs inhaftierten Terroristen anging, waren vier mit einem Sperrvermerk aus dem Büro von Moff Kravjic versehen. Selbst wenn Lily gewollt hätte, konnte sie die Freilassung dieser Personen nicht ohne die Genehmigung ihres Vorgesetzten beauftragen. Eine weitere war in der Obhut des ISB - ebenfalls außerhalb der Verfügungsgewalt der Gouverneurin - und der Name der sechzehnten Person war der Justizverwaltung nicht einmal bekannt.

Nachdem der Panzergleiter ruppig auf der gegenüberliegenden Seite des Platzes vor dem Centrilux-Tower neben dem Kantstein aufsetzte, trat Lilivienne aus dem Fahrzeug - geräuschlos, ohne sichtbare Eile, aber auch ohne einen Wimpernschlag zu vergeuden.


“Gouverneurin”, meldete sich eine Stimme. Sie war männlich, laut und viel zu nah. Sie drehte sich nicht sofort zu der Quelle um. Zuerst betrachtete sie den Centrilux-Tower, ein Monolith aus Stein, Stahl und Glas. Um den Platz herum waren dutzende Repulsor-Panzer des BSC aufgefahren und richteten ihre Blasterkanonen auf Eingang und unterschiedliche Etagen des Gebäudes. Erst als die Stimme ein zweites Mal ertönte - ein wenig atemlos - wandte sie sich der Person zu.

Ein Mann in einem schwarzen Brustpanzer, das er über einem braunen Hemd trug, kam zum Vorschein. Quer über seiner Brust war unübersehbar das Wort ‘Einsatzleiter’ platziert. Er war mit einem riesigen Datenpad ausgestattet. Auf dem Kopf trug er ein Headset.
“Major Quarrel, Ma’am”, stellte er sich vor. “Polizeichef von Alt-Varnin und Einsatzleiter dieser Operation.”
Er salutierte.
“Bitte legen Sie zu Ihrer Sicherheit die persönliche Schutzausrüstung an. Die Gefahrenlage steht auf Stufe 3”, fuhr er fort und deutete nun mit der Hand auf einen Untergebenen, der einen Brustpanzer und Schutzhelm für Lily bereithielt. Während die Gouverneurin die Schutzausrüstung anlegte, bat sie den Einsatzleiter um eine erste Einschätzung.

“Wie ist die Lage Major?”

“Wenn Sie erlauben, Gouverneurin …” Quarrel machte eine Geste und bedeutete ihr somit, einen Blick das überdimensionale Datenpad in seiner Hand zu werfen. Mit der freien Hand deutete er zu verschiedenen Gebäudepunkten des Centrilux-Komplexes auf einer Art taktischem Display.
“Wir haben drei vielversprechende Punkte markiert. Zugang über die Lüftung, eine Sprengung der Westfassade, ein Seiltrupp von der Dachterasse. Dreißig Sekunden Zugriff, die taktischen Modellberechnungen ergaben .. minimale Opferzahlen.”

Lilivienne wandte den Kopf. Langsam.

"Vielversprechende Punkte wofür?”,hakte sie nach, obwohl sie glaubte, bereits zu verstehen.

“Für einen Zugriff, Ma’am. Wenn Sie mir Befehlsgewalt über die KX-Einheiten des Militärs übertragen, die sich vor Ort befinden, könnte dieser sogar ohne Risiko auf eigener Seite erfolgen.”

“Und … die Geiseln?”

“Ich bin zuversichtlich, den Großteil von ihnen unbeschadet herauszubekommen.”

Lily betrachtete den Quarrrel einen Augenblick lang. Er machte einen fast schon enthusiastischen Eindruck.

“Ist etwas über den Zustand der Geiseln bekannt?”

“Jawoh, Ma’am.” Erneut widmete sich der Einsatzleiter seinem Datenpad, strich darauf herum und förderte etwas zum Vorschein, was wie der Live-Feed eines Büros aussah. Zu sehen waren mehrere Personen, die auf dem Boden knieten, die Hände auf den Köpfen abgelegt. Lilys Augenbrauen wanderten in ungeahnte Höhen.

“Sind das Live-Aufnahmen?!”, fragte sie baff.

Quarrel lächelte unverschämt selbstsicher und nickte.


“Die Geiselnehmer waren so dumm, uns jederzeit einen Blick auf die Geiseln werfen zu lassen.”

Nun trat Lily unbewusst einen Schritt zurück, gefolgt von einem Ausdruck des Unglaubens.

“Heißt das, wir greifen nicht auf diese Kamera zu, sondern … die stellen uns ein Live-Feed zur Verfügung?”

“Ja. Die Einspeisung findet über das öffentliche Holo-Net statt. Sie ist hinter der vordergründigen Nachrichtensperre verborgen, aber durch ein paar Tricks kann man von überall aus darauf zugreifen.”

Die Gouverneurin nahm sich einige Sekunden, um sich die Bedeutung dieser Worte vor Augen zu führen.

“Ihre wievielte Geiselnahme ist das, Major?” Quarrel schien in etwa in ihrem Alter zu sein.

“Die erste.” Er sah nun von seinem taktischen Display auf. “Gouverneurin.”

Lily nickte. “Sie werden nicht stürmen, ohne meine ausdrückliche Zustimmung, ist das verstanden?”

Nun nickte er. “Jawohl, Ma’am.” Die Stimme klang brüchig, so als würde er doch nicht ganz verstehen, was sie gerade gesagt hatte.

“Warten Sie”, wiederholte sie den Befehl mit Nachdruck. Anschließend wandte sie sich ab und betrat erneut das Innere ihres Panzergleiters. Auf einer der Rückbänke im Passagierbereich saß ihr Q9-Droide. Lily brauchte Unterstützung. Sie selbst hatte natürlich keine Erfahrung in der Einsatzleitung einer Geiselnahme, doch von einer Angelegenheit wusste sie dafür mehr als jeder andere: Öffentlichkeitswirksamkeit. Eine Erstürmung des Towers mit potentiell toten Geiseln war kein Live-Feed, den sie 'mit ein paar Tricks' frei empfangbar im Holo-Net haben wollte. Nachdem die schwere Tür zu geglitten war, wandte sie sich also an ihren Droiden.

“Q9, stelle eine Verbindung zu Agentin @Jean Porter her.”

Der Droide richtete seinen Kopf in ihre Richtung. Aus einem seitlichen Punkt an seinem Droiden-Schädel trat nun ein blauer, trichterförmiger Lichtschein heraus und traf ihr Gesicht. Porter würde diese Nachricht als abspielbare Holo-Aufnahme auf ihren persönlichen Kommunikator erhalten.

Agentin Porter, hier spricht Gouverneurin Évarielle d’Oridin. Vielleicht haben Sie es schon mitbekommen: In Alt-Varnin spielt sich gegenwärtig eine Geiselnahme ab. Ich persönlich habe die Einschätzung, dass die Angelegenheit die Kompetenzen der örtlichen BSC-Einheit übersteigt. Als meine Kontaktperson zum IGD übertrage ich Ihnen die Einsatzleitung vor Ort. Kommen Sie sofort her. Erste Informationen zur Einsatzlage erhalten Sie im Anschluss an diese Nachricht.”

Damit nickte die Fondorianerin ihrem Protokolldroiden zu, um ihm zu signalisieren, die Nachricht abzusetzen und auch die aktuellsten Informationen zur Lage hinterherzusenden. Blieb zu hoffen, dass Porter schnell vor Ort wäre. In der Zwischenzeit würde sie sich darum bemühen müssen, Zeit herauszuholen.

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Lilivienne Évarielle d'Oridin und Protokolldroide Q9
 
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